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Wie ein Oligarch Wahlen in Europa angreift

Freitag, 22. Dezember 2023
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Von Florian Eder

mit Gabriel Rinaldi

Schnelldurchlauf: Rechtsruck ermöglicht Migrationskompromisse +++ Digitale Fahrzeugzulassung endet im Graben +++ Neue Richter in Karlsruhe +++ So viel gestreikt wird gar nicht


Guten Morgen! Margaritis Schinas hat als Vizepräsident der Europäischen Kommission gewichtige Aufgaben und einen albernen Titel. Sein Portfolio ist überschrieben mit der „Förderung unserer europäischen Lebensweise“. Vielleicht hatte seine Chefin Ursula von der Leyen ausnahmsweise Sprudel statt stilles Wasser getrunken, als sie sich das 2019 ausdachte.

Zu Schinas’ Zuständigkeiten gehören der Kampf gegen Antisemitismus, EU-Sicherheitspolitik, Sport und Kultur schon auch, aber als zentrale Aufgabe die EU-Asylreform, die diese Woche politisch glückte. Für manche sind das Themen, an denen sich nationale und europäische Politik messen lassen muss, für andere Gedöns.

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Bei einem Besuch in München wurde Schinas am Montagabend vom EVP-Parteifreund Markus Söder in der Tischrede des Ministerpräsidenten als „Vizepräsident für Lifestyle“ geschmäht. Es ist ein Kennzeichen von Söders Humor, auf anderer Leute Kosten zu gehen.

Kommende Woche machen wir Pause und sind am 5. Januar zurück in Ihrem Postfach. Frohe Weihnachten, alles Gute und danke, dass Sie dabei sind. Bleiben Sie uns im neuen Jahr gewogen und sagen Sie es weiter, wenn Ihnen der Platz der Republik gefällt.

Was wichtig wird

1.

Mit der Einigung auf eine Reform des EU-Migrationsrechts in dieser Woche ist es den Unterhändlern von Rat und Parlament gelungen, Kompromisse zu schließen, obwohl die Parteien in ideologischen Kernfragen nach wie vor weit auseinander liegen. Wie das ging – und was zu tun ist, damit die Einigung hält und in der Zukunft trägt? Darüber habe ich mit Schinas gesprochen, dem zuständigen Vizepräsidenten der Europäischen Kommission. 

Ein erster Grund, warum es gelang: das Bewusstsein, dass das Fenster zu einer Einigung sich wieder schließen würde. „Wir waren an einem ‚Jetzt oder nie‘-Moment angelangt“, sagte der Politiker, der der Europäischen Volkspartei angehört. In der vorangegangenen EU-Kommission war Schinas als Sprecher Teil des Kreises um den Präsidenten Jean-Claude Juncker – und hat das Scheitern erlebt. „2016 bis 2018 hatten wir auch versucht, uns auf eine neue Asylreform zu einigen, und sind gescheitert“, sagte Schinas. „Es war klar: Wenn wir jetzt erneut scheitern, bekommen wir die Teile nicht noch einmal wieder zusammengesetzt.“

Zweitens half öffentlicher und selbst gemachter Erwartungsdruck: „Die Zeit war knapp bis zu den Europawahlen. Alle Parteien haben ein starkes Interesse daran zu zeigen, dass Europa bei den Themen, die den Menschen am wichtigsten sind, etwas erreichen kann.“ Der Unterschied in Deutschland: Das gemeinsame Interesse von Koalition und Union ist zwar da, das Thema vor den Wahlen abzuräumen – zu einer Verständigung hat es dennoch nicht gereicht.

Verpflichtet zur Freiwilligkeit: Kreativität war drittens hilfreich, und die Fähigkeit, ein Paradox in einen Rechtstext zu gießen. „Als wir vor über drei Jahren den Pakt entwarfen, wussten wir, dass wir etwas für alle auf den Tisch legen mussten“, sagte Schinas dem Platz der Republik. Eine „Landezone“ musste her, „in der wir die Spaltungen der Vergangenheit überwinden konnten.“ Eine komplexe Angelegenheit zwischen Nord und Süd und Ost und West sowie diametral unterschiedlichen Vorstellungen zwischen den Fraktionen im Europaparlament: Die einen wollten nicht ohne einen verpflichtenden Mechanismus zur Übernahme von Schutzsuchenden aus den Grenzstaaten – genau daran war 2016 aber der vorherige Versuch einer Einigung gescheitert. Mit der heutigen Regelung, die es Regierungen ermöglicht, die Übernahme durch Zahlungen zu ersetzen, „schlagen wir eine neue Seite auf, und diese Vereinbarung wird dazu beitragen, diese Wunden zu heilen“, sagte Schinas.

Der Zeitgeist, viertens, ermöglichte eine Einigung – zum Preis eben einer Verschärfung des Asylrechts, die auch auf nationaler Ebene von Regierungen aller möglichen Parteien betrieben wird. „Der Pakt wird von einer starken Mehrheit der liberalen, Mitte-Rechts- und sozialistischen Parteien unterstützt, die sich für eine bessere Zukunft einsetzen“, sagte Schinas; eine Spitze gegen die Grünen, die bei der EVP im Ruf stehen, im Europaparlament immer hart zu verhandeln und dann doch nie zuzustimmen. „Das entlarvt aber auch die anderen“, sagte Schinas. „Wer nicht für einen solchen ausgewogenen Ansatz stimmen kann, zeigt, dass er sich nicht wirklich für Lösungen einsetzt.“ 

Gestatten, Herkules M. Schinas: „Die Arbeit ist noch lange nicht beendet“, sagte er, und wenn nicht alles täuscht, verband er es mit einer Bewerbung, als griechisches Mitglied auch der nächsten Kommission nominiert zu werden. Für das nächste Mandat „steht die ebenso herkulische Aufgabe an, das umzusetzen, was jetzt vereinbart worden ist.“ Der Bau der Aufnahmelager an den Grenzen wird Geld kosten und dauern, der stärkere Fokus auf Abschiebungen ebenso. Die Kommission, sagte Schinas, hat im Rahmen der Halbzeitüberprüfung des (siebenjährigen) EU-Haushaltsrahmens „bereits zwei Milliarden Euro für die unmittelbare Umsetzung des Paktes vorgesehen.“

2.

Wenige Stunden nach den Nachrichten aus Brüssel einigte sich auch die Berliner Koalition: Die Ampel erzielte bei den Gesetzesentwürfen zu Einbürgerungen und Abschiebungen eine politische Einigung. Übrigens muss, sehr ungewöhnlich an diesem sehr späten Punkt des Gesetzgebungsprozesses, auch der Brüsseler Kompromiss noch in Rechtsakte gegossen werden.

Nicht viele Worte: Der Ampel erleichterte es die Einigung, die beiden zunächst unzusammenhängenden Themen zusammen zu denken: Der Kompromiss werde „einer modernen Einwanderungsgesellschaft und den Prinzipien von Humanität und Ordnung“ gerecht, so das Statement. Sowohl das Gesetz zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts als auch das zur Verbesserung der Rückführungen sollen im Januar im Bundestag beschlossen werden.

Für jeden was dabei: Der Abgeordnete Stephan Thomae (FDP) nahm mit in den Wahlkreis, dass bei Nutzung gefälschter Dokumente nun in allen Fällen ein Einreise- und Aufenthaltsverbot verhängt werde. „Schließlich sollen Asylbewerber leichter zur Arbeit herangezogen und nicht so lange vom Arbeitsmarkt ferngehalten werden wie bisher.“

Leichtere Einbürgerungen: Lamya Kaddor von den Grünen hob hervor, die Ampel sei einen Schritt in die Realität einer Einwanderungsgesellschaft gegangen. „Gerade wir Grüne kämpfen für die Mehrstaatigkeit seit Jahrzehnten“, sagte Kaddor. Eine Einbürgerung sei künftig nach fünf Jahren möglich, bei „besonderen Integrationsleistungen“ bereits nach drei Jahren.

Ampel speaking points: „Leider kam es auf der Ebene der Fachabgeordneten zu keiner Einigung, das hat uns Zeit und Nerven gekostet und den Menschen im Land ist das schwer vermittelbar”, sagte Kaddor. „Für die FDP waren einige Nachschärfungen wichtig, die mit unseren Koalitionspartnern ausführlich diskutiert worden sind“, sagte Thomae.

Deutsche Staatsräson: Bereits Bagatelldelikte mit antisemitischem Hintergrund sollen künftig eine Einbürgerung ausschließen. „Zudem besteht ein schweres Ausweisungsinteresse bei Straftaten, die aus antisemitischen, rassistischen, fremdenfeindlichen oder sonstigen menschenverachtenden Beweggründen begangen werden“, sagte Thomae. Antisemitismus, sagte Kaddor, sei ein großes Problem der gesamten Gesellschaft, man habe es mit beidem zu tun, „eingefleischtem und reimportiertem Antisemitismus“.

3.

Ein Herzensprojekt von Digitalminister Volker Wissing ist die digitale An-, Ab- und Ummeldung von Fahrzeugen (i-Kfz), und was wie elegantes Driften hätte aussehen sollen, schleudert ins Bankett. Die Lösung wird in rund 70 Prozent der mehr als 400 Zulassungsstellen zum Jahreswechsel wieder abgeschaltet. Der Grund: Die Zulassungsbehörden erfüllen Sicherheitsanforderungen nicht.

Was ist da los? Aktuell läuft ein Streit darüber, wer schuld ist am Desaster, wie mein Kollege Matthias Punz im Dossier Digitalwende berichtet (hier können Sie sich anmelden). „Die Probleme sind die zu kurzen Umsetzungsfristen und die sehr hohen IT-Sicherheitsanforderungen“, sagte Christian Stuffrein, Referent für IT-Sicherheit beim Deutschen Landkreistag. 

Die Antwort: „Die Sicherheitsanforderungen, wie sie unter Beteiligung der Länder auf der Grundlage der Standards des BSI vereinbart worden sind, sind nicht verhandelbar“, erklärte das Kraftfahrtbundesamt (KBA). „Die Anforderungen, die seitens der Kommunen erfüllt werden müssen, sind zudem angemessen.“ Umsetzbar seien sie auch – das zeigten diejenigen Behörden, die sie schon umgesetzt hätten. Das Digitalministerium (BMDV) will, anders als zum Start des Projekts, nun nichts zum Thema sagen.

Braucht das jemand oder kann es weg? Der Start der Stufe vier der i-Kfz verlief generell holprig. Bis 17. Dezember seien lediglich 176 Zulassungen bundesweit über die neue Großkundenschnittstelle abgewickelt worden, mit der Autohäuser, Flottenbetreiber und Zulassungsdienstleister für sich selbst oder andere Zulassungen abwickeln können, erklärte das KBA SZ Dossier. 

In Österreich hat man übrigens großteils ausgelagert, was einmal ein Verwaltungsakt war: an die Versicherer.

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Tiefgang

Wer wissen will, was in den nächsten Jahren auf Deutschland und Europa zukommen könnte, sollte nach Moldau schauen. Dass Russland und prorussische Akteure versuchen, durch Desinformation Wahlen zu beeinflussen, ist keine Überraschung. In welchem Maße die sozialen Netzwerke dabei versagen, sich ihrer Verantwortung zu stellen, das führt ein bislang unbekanntes Beispiel aus dem Land vor, mit dem der EU-Gipfel vergangene Woche beschloss, Beitrittsverhandlungen aufzunehmen – ein bevorzugtes Opfer russischer Bullies.

Die Initiative Reset hat in einer exklusiven Recherche, die SZ Dossier vorliegt, herausgefunden, wie fahrlässig Plattformen damit umgehen, was sie als „politische Werbung“ klassifizieren. Es geht um eine großangelegte Facebook-Kampagne, die den prorussischen, von EU und USA sanktionierten Oligarchen Ilan Shor und ihm verbündete Parteien bewirbt; teilweise richtet sie sich auch explizit gegen die EU und eine Mitgliedschaft Moldaus. Wie Reset schreibt, soll das Land so vom proeuropäischen Kurs abgebracht werden, den Präsidentin Maia Sandu zum Kern und Ziele aller Außenpolitik gemacht hat. Als Sandu neulich auf dem Berliner Forum Außenpolitik sprach, nahm die Warnung vor Wahlbeeinflussung einen großen Teil ein – in der Recherche wird plastisch, warum.

Im neuen Jahr stehen in Brüssel und Washington, aber auch Dresden und Erfurt entscheidende Wahlen an. Ein seltener Blick in den Werkzeugkasten derjenigen, die auch diese Wahlen angreifen werden, zeigt, was alles darin ist: Desinformationskampagnen, gefälschte Nachrichten und Social Bots sollen die öffentliche Meinung manipulieren und politische Spaltungen vertiefen.

Neu ist: Generative KI kann Fake News schlechter erkennbar machen und schneller verbreiten. Eine Herausforderung werden Deepfakes bilden – wie gefälschte Videos, in denen Sandu einen Hidschab trug und ihre Absicht ankündigte, kurz vor den Kommunalwahlen zurückzutreten. Das Ergebnis: mehr als eine Million Aufrufe. Drei Lektionen.

Desinformation ist skalierbar. Die Facebook-Kampagne begann Monate vor den moldauischen Kommunalwahlen am 5. November. Die Absicht: die Integrität der Wahlen und proeuropäische Kandidaten zu untergraben und Kreml-nahe Parteien vor allem in der autonomen Region Gagausien an die Spitze zu bringen. Im Bericht heißt es: Die Werbung zielte darauf ab, die Gesellschaft zu spalten, indem sie die Region weiter vom Rest des Landes isoliert und eine klare Anti-Regierungs- und Anti-EU-Stimmung fördert.

Mit einem Gesamtbudget von bis zu 280.000 € machte diese Kampagne fast ein Viertel der Werbeausgaben für politische Werbung in Moldau seit August 2020 aus. Diese Zahl – es geht immerhin bloß um Kommunalwahlen in einem kleinen Land – verdeutlicht die Skalierbarkeit solcher Kampagnen und den potenziellen Einfluss einzelner. Gott bewahre, wenn noch eine Null dranhängt.

Man sieht nur mit dem Geldbeutel gut. Die 609 Werbeanzeigen und mehr als 100 anonyme Facebook-Seiten wurden bisher 155 Millionen Mal aufgerufen. Ja – bisher, denn trotz klarer Verstöße gegen die Nutzungsbedingungen von Facebook, schreibt Reset, ist Meta bisher nicht gegen die Kampagne vorgegangen, und sie ist auch nicht abgeschlossen. 

Fast alle Anzeigen erwähnen direkt die Namen von Ilan Shor oder politischen Kandidaten, die mit Shors Parteien verbunden sind. Etwa 40 Prozent der Anzeigen werben direkt für Filmmaterial mit Videostatements des sanktionierten Oligarchen, in denen sein Gesicht deutlich zu sehen ist, einige enthalten das offizielle Logo seiner Partei – was es Facebook nicht so schwer machen sollte, das zu erkennen und zu reagieren. Allein: Das Geschäft würde leiden.

Hheimlich unterwegs. Facebook-Seiten, die als lokale moldauische Medien getarnt waren, spielten eine zentrale Rolle in der Kampagne: Authentifizierung wird auf X, aber auch bei Facebook schwerer. Diese Seiten agierten koordiniert und wiesen ähnliche Merkmale auf, wodurch sie sehr leicht zu identifizieren waren – für Reset, während Facebook sie gewähren ließ.

Viele von ihnen gehörten laut der Recherche zu einem großen Netzwerk automatisch erstellter Konten. Sobald eine Seite umbenannt wurde, begann sie mit der Schaltung politischer Anzeigen, manchmal schon einen Tag nach der Umbenennung. Die bloße Existenz solcher Netzwerke verstößt gegen die Richtlinie der Plattform zu automatisierten Konten.

Meta sieht kein Problem: Der Konzern teilte mit, man könne sich nicht zu Untersuchungen äußern, die man nicht gesehen habe. „Allerdings haben wir dieser sanktionierten Person die Möglichkeit genommen, auf unseren Apps zu werben, als er auf die US-Sanktionsliste gesetzt wurde“, sagte eine Unternehmenssprecherin. Daraufhin habe Meta Versuche entdeckt, andere Seiten und Konten zu nutzen, um die Inhalte zu verstärken. „Wir haben diese Seiten und Konten aufgrund unserer eigenen internen Ermittlungen sowie aufgrund von Hinweisen aus der moldauischen Zivilgesellschaft abgeschaltet. Wir wissen, dass böswillige Akteure wie diese hartnäckig sind, und wir werden sie weiter beobachten und Maßnahmen ergreifen.“

Fast übersehen

1.

Fiducia, naja: Die Entscheidung des Papstes, künftig Segnungen von Paaren in „irregulären“ oder gar schwulen oder lesbischen Partnerschaften zuzulassen, sei revolutionär, viel zu wenig oder fürchterlich inkonsistent, war zu lesen, je nach Standpunkt der Kommentatoren.

Hochpolitisch ist der Schritt in jedem Fall: In der römischen Kurie befeuert sie den ideologischen Streit zwischen Reformern und Bewahrern, in der deutschen Bischofskonferenz die Sprachlosigkeit zwischen beiden Lagern: Manche Brüder im bischöflichen Amt reden nicht mehr mit-, höchstens übereinander.

Dort in der Welt aber, wo das Wort der des Papstes noch etwas zählt, können Regierungen künftig nicht mehr die Kirche als Begründung für Diskriminierung vorschützen, und das war nun wirklich flehend erwartet worden.

2.

Staatsräson, ganz praktisch: Die USA stellen eine internationale Flotte zusammen, um Suez-Kanal und Rotes Meer schiffbar zu halten, den Welthandel zu stützen und die vom Iran unterstützten Huthi davon abzuhalten, Israels Antwort auf den Überfall der Hamas zum heißen Konflikt in der Region auszuweiten. Macht Deutschland bald mit?

Gründe gäbe es. Dass das iranische Regime auch Deutschland konkreten Schaden zufügt, könnte Anlass für eine härtere Gangart sein. Wirtschaftliche Interessen als Handelsnation werden nicht dauerhaft militärisch durch andere zu schützen sein. Und dass Israels Sicherheit Staatsräson ist, wenn es darauf ankommt, ließe sich zur Abwechslung einmal mit einer Fregatte belegen.

Business as usual: Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) hat eine Beteiligung der Marine gefordert, das grün geführte Außenministerium lässt große Sympathie erkennen, der Regierungssprecher sagt, das gehöre aber sauber geprüft und der Kanzler schweigt: Wenn die Debatten um Waffenhilfe für die Ukraine ein Muster sind, ist Deutschland bestimmt sehr bald dabei.

3.

Stühlerücken in Karlsruhe: Das Bundesverfassungsgericht verabschiedet sich von Sibylle Kessal-Wulf und Peter Müller, zwei prägenden Mitgliedern des Zweiten Senats, schreibt unser Kollege Wolfgang Janisch heute in der SZ. Kessal-Wulf war maßgeblich an wichtigen Urteilen wie dem Haushaltsurteil beteiligt; Müller, ehemaliger Ministerpräsident des Saarlands, war ebenfalls einflussreich, insbesondere bei Entscheidungen im Bereich des Wahl- und Parteienrechts.

Vorhang zu: Beide haben an gestern von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ihre Entlassungsurkunde bekommen – ihre Abgänge nach der vorgeschriebenen Zwölf-Jahres-Regel, schreibt Janisch, markierten eine mögliche Veränderung in der Ausrichtung des Senats, der bisher als konservativ und interventionistisch galt.

Vorhang auf: Die Nachfolger der ausscheidenden Richter sind Peter Frank, bisheriger Generalbundesanwalt, und Holger Wöckel, zuvor am Bundesverwaltungsgericht tätig. Obwohl beide von der Union vorgeschlagen wurden, könnte ihr Eintritt in das Gericht den bisherigen konservativen Kurs beeinflussen. Besondere Aufmerksamkeit gilt auch Christine Langenfeld und Astrid Wallrabenstein, deren Rollen aufgrund ihrer jeweils liberalen und grünen Prägung an Bedeutung gewinnen könnten.

Zitat des Tages

Es trägt nicht zu einer besseren politischen Lage bei, wenn Minister den Haushaltskompromiss infrage stellen, fünf Minuten, nachdem er gefunden wurde. Ich habe Politik so gelernt, dass man einmal gefundene Einigungen verteidigt und zusammen dafür wirbt.

Lars Klingbeil (SPD) zur Frage, wie lange die Haushaltseinigung hält

Deutschland in Daten

So viel streikt Deutschland wirklich
in Kooperation mitStatista

Zu guter Letzt

Ironie versteht der Leser nie? Generationen von Journalisten haben es so gelernt und der Gutteil einer jeder Generation, die den Rat klug ignorierten, ist bei der SZ gelandet. Aber auf nichts ist mehr Verlass und so weitete der Berliner Tagesspiegel eine konservative Leitkultur-Definition, via SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert: „Neben dem Weihnachtsbaum gehören auch Würstchen mit Kartoffelsalat sowie die Loriot-Folge ‚Weihnachten mit Hoppenstedts‘ dazu.“ Das fehlerfreie Aufsagen des Satzes „Früher war mehr Lametta!“ solle Voraussetzung für die Einbürgerung werden. 

Von wegen Leitkultur: „Wenn wir von Leitkultur sprechen, von unserer Art zu leben, dann gehört für mich dazu, vor Weihnachten einen Weihnachtsbaum zu kaufen“, hatte CDU-Vorsitzender Friedrich Merz der Berliner Morgenpost zuvor gesagt. Eine seltsame Wahl fürs Interview: Die Hauptstadt mag dem Sauerländer agnostisch erscheinen oder als pars pro Sonnenallee, sie braucht aber in diesen Fragen wirklich keine Nachhilfe. Die Fichte blinkt hier seit Wochen in den Wohnzimmern und wird dann sehr bald bis etwa Ostern unten auf dem Gehsteig liegen.

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Florian Eder

Leiter SZ Dossier