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Nutzungsrechte erwerbenVon der Leyen in Rechtfertigungsnot
Freitag, 1. März 2024Von Florian Eder
Guten Morgen. Der Grad der Freiheit auf der Welt ist erneut zurückgegangen. Zum 18. Mal in Folge verzeichnete der Bericht von Freedom House auch dieses Jahr einen Rückgang an politischen Freiheiten und Bürgerrechten, in der Breite und in der Tiefe. Für ein Fünftel der Weltbevölkerung hat sich die Lage verschlechtert.
Darunter Russland. Kernsatz des Berichts: „Es gibt keine Freiheit ohne eine gewählte Regierung.“
Lagebild: Erwartungsgemäß hat die Drud der Bahnfahrenden, oder derer, die es gern wären, die Verhandlungen mit der Deutschen Bahn platzen lassen. So weit nördlich wie man sich vom letzten bekannten Arbeitgeber-Angebot einer Lohnerhöhung von 13 Prozent trennte, wird die Frage nach dem Wert der Arbeit so grundsätzlich wie schwer verhandelbar sein.
Ich empfehle, beim wohler temperierten Kollegen Alexander Hagelüken weiterzulesen zu den drängenden Fragen, wann Weselsky wieder streiken lässt und was er diesmal als verhältnismäßig ausgibt.
Was wichtig wird
Beginnen wir mit Emmanuel Macron. Die „strategische Ambiguität“, die sich eine Atommacht leisten kann und muss, habe ihn getrieben, von der Möglichkeit der Präsenz westlicher Truppen in der Ukraine zu sprechen, so sagten seine Leute zunächst. Gegen Ende der Woche hielten sie auch in Paris echtes Zurückrudern für angemessen. Der französische Präsident: Stärke im Wort, übers Geld nicht so sehr.
Oder doch mit Olaf Scholz: Der sprach ungewöhnlich viel, gleich am Montag dieser Woche. Er sah Anlass sich zu erklären, wir Sterbliche verstehen ihn sonst ja nicht: keine Truppen, da stimmte auch die Opposition zu. Er werde aber nicht einmal Marschflugkörper liefern, sagte Scholz. Verantwortung, Kriegspartei, drohender Weltenbrand, der Taurus keine Wunderwaffe. Führung durch Ablenkung.
Na dann. Er erlebe „erstens einen Streit darüber, was die Ukraine nicht braucht und zweitens einen Streit darüber, was die Ukraine nicht bekommt“, sagte Michael Roth, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses, von der SPD, gestern Abend im ZDF bei Maybrit Illner. „Wir sollten lieber die Zeit nutzen, darüber zu reden, was die Ukraine dringend braucht – nämlich Munition, Munition, Munition.“
Europas Armeen sind unterbesetzt und unzureichend ausgerüstet, gerade die Bundeswehr. Die französische Debatte „kommt dem eigentlichen Problem vielleicht sogar näher“, sagte ein Diplomat eines der Parteinahme zwischen den beiden unverdächtigen dritten Landes: „Tun wir genug?“
Hier drei Schlüsse aus der Woche:
1. Spoiler, die Antwort ist nein. Reichen die im Vergleich zu Berlin mickrigen Beiträge anderer reicher europäischer Länder? Aber reichen denn die über sieben Milliarden Euro, die Deutschland dieses Jahr für die Ukraine ausgibt? Für Verteidigungspolitiker, mit denen wir sprachen, war die Frage vor allem, was eigentlich gemeint sein könnte mit Scholz’ „as long as it takes – außer“.
Eine Frage über die Woche hinaus. Wladimir Putin „pflastert den Weg nach Kyiv mit den Leichen seiner Soldaten“, sagte ein in Deutschland stationierter Diplomat. Statische Verteidigung kostet Menschenleben, und die Ukraine hat einen großen Nachteil gegenüber der angreifenden Diktatur. Ihr helfen weder eineinhalb Dutzend Leos noch Scalp, Storm Shadow, oder Taurus – Macrons Polemik zu „Helmen und Schlafsäcken“ war selbst von daher nicht nötig.
2. Ja, ist teuer. Was die Ukraine braucht, ist Munition in sehr großen Mengen (wir hatten es hier vergangene Woche davon), für vielleicht viele Jahre; nach Transnistrien haben wir dabei noch gar nicht eigens geschaut.
Das hieße für Berlin, wenn man das wollte, die europäische Verteidigungsindustrie mit einer langfristigen Perspektive auszustatten und so lange in Amerika einzukaufen, trotz Bauernprotesten, trotz industriepolitischer Konkurrenz mit Frankreich – und trotz der SPD-Fraktion des Kanzlers, die einen Gegensatz aufmacht zwischen Sozialem und Sicherheit.
3. Leider binär: Sicherheit gibt es oder es gibt sie nicht. So verhält es sich auch mit der Freiheit jedenfalls für diejenigen, die sie einmal genießen durften.
Das ist keine Erkenntnis, die wir exklusiv haben. Der Rest der Legislaturperiode sollte zeigen, ob sie durchschlägt auf kommende Bundeshaushalte. Halbe Sicherheit jetzt könnte heißen, so fürchten es im Gespräch nicht CDU-Falken, die dem Bundeskanzler übel wollen, sondern Verantwortliche in hohen europäischen Regierungsämtern: vielleicht bald keine mehr.
Ursula von der Leyen ist in Rechtfertigungsnot: Europaabgeordnete und, das ist neu, Verfahrensbeteiligte bezweifeln, dass bei einer Personalentscheidung der Kommissionspräsidentin die fachliche Eignung der Bewerberinnen und Bewerber und das Geschlechterverhältnis in Führungspositionen die gewichtigsten Argumente waren.
Hors Classe: Es geht um den Posten eines EU-Beauftragten für Kleine und Mittlere Unternehmen. Den Job – nun neu eingestuft als Berater Hors Classe mit Grad AD 15, Generaldirektor-Ebene, zu Kosten von demnach einer guten Million Euro über die sechs Jahre Amtszeit plus Spesen – bekam am 31. Januar Markus Pieper, Europaabgeordneter der CDU, via Beschluss des Kommissionskollegiums.
🚨 „Ich lege hiermit Beschwerde gegen die Ernennung ein, um eine begründete Entscheidung zu erhalten und die oben genannte Ernennung zu revidieren“, schrieb Martina Dlabajová mit Datum vom 28. Februar an die zuständige Generaldirektion für Personal. Ihr Brief liegt SZ Dossier vor.
„Piepergate“: Die tschechische Europaabgeordnete, Mitglied der liberalen Renew-Fraktion, war wie Pieper auf der Shortlist, wie die Kommission bestätigt. Sie sei die Favoritin des zuständigen Binnenmarkt-Kommissars Thierry Breton und habe in der unabhängigen Evaluation als beste abgeschnitten, berichtete La Matinale Européenne. Das Morgenbriefing für den lateinischen Reichsteil kommt aus der Feder zweier Veteranen des Brüsseler Pressecorps, die als erste über „Piepergate“ berichteten. Die Kommission versicherte seither mehrfach, das im Herbst gestartete Auswahlverfahren sei über die Zweifel erhaben.
Auch wahr: Pieper brauchte keinen Versorgungsposten und der Sache besonders sicher war er sich auch nicht. Er war zum Zeitpunkt seiner Ernennung auf dem sicheren Listenplatz 5 der NRW-CDU für die anstehende Wahl zum Europaparlament gesetzt. Erst danach machte der Landesvorstand einen Vorschlag, den Platz neu zu besetzen: in einer Sondersitzung, im Silbersaal der Westfalenhalle, wie ein Teilnehmer sagte, unmittelbar vor der Landesvertreterversammlung Anfang Februar, die dann die neue Liste annahm. Auf ihr konnten Frauen weiter aufrücken, nicht zur Unzufriedenheit der Parteiführung.
Aber: Es ist ein sehr gut bezahlter Job. Von der Leyen habe einem Parteifreund den Vorzug gegeben (vor, nun, anderer Leute Parteifreunde), mutmaßen Europaabgeordnete. „Medienberichten zufolge soll die Parteizugehörigkeit des erfolgreichen Kandidaten bei seiner Ernennung eine entscheidende Rolle gespielt haben. Können Sie bestätigen, dass diese Medienberichte falsch sind?“, wollen 14 liberale, grüne und sozialdemokratische Abgeordneter in einer gemeinsamen schriftlichen Anfrage von der Kommission wissen; eine herrlich hinterfotzige Frage.
Verbatim: Die unterlegene Dlabajová interessiert sich in ihrer Beschwerde dafür, ob „die objektive Bewertung meiner Verdienste“, also Ergebnisse von Tests und Auswahlgesprächen, „und die sich daraus ergebenden Rangfolge der drei in die engere Wahl gezogenen Bewerber“ berücksichtigt wurden. Plus, ob das in der Ausschreibung erklärte Ziel, den Anteil von Frauen in Führungspositionen weiter zu erhöhen auch galt, wenn ein Bewerber der Partei der Chefin angehört.
Dem Ranking muss die Kommission nicht folgen. Die Genderbalance ist ebenso ein Soll. Dlabajová hat da eine Frage: „Falls das Kommissionskollegium seine Entscheidung nicht auf die oben genannte objektive Bewertung und das erklärte Ziel gestützt hat, welche anderen Erwägungen waren dann ausschlaggebend für diese Entscheidung?“
Die Bundesregierung hat Schwierigkeiten, sich auf das wichtigste Cybersicherheitsvorhaben der Legislaturperiode zu einigen. Die Koalition kann sich nicht auf ein Gesetz verständigen, das dafür sorgen soll, dass Kritische Infrastrukturen besser gegen Cyberangriffe gewappnet sind.
Unterschiedliche Interessen: Meine Kollegin Selina Bettendorf berichtete schon im Januar, dass die deutsche Umsetzung des europäischen Cybersicherheitsgesetzes NIS-2 hakt. Schon damals war klar, dass die EU-Frist wahrscheinlich gerissen wird. Sowohl das Auswärtige Amt als auch das Justizministerium hatten Einwände angemeldet.
Noch ein Gegner: Doch für das federführende Innenministerium unter Nancy Faeser wird es noch ungemütlicher. Das Finanzministerium sperrt sich nun auch gegen den aktuellen Entwurf. Beim BMI überlegt man deshalb, die Europäische Kommission um Aufschub zu bitten. Deutschland wäre immerhin nicht allein: Auch andere EU-Länder sind spät dran.
2023 war die Zahl der Baugenehmigungen in Deutschland um mehr als ein Viertel geringer als im Jahr zuvor: Die Zahl sank laut Destatis um 94.000 auf 260.000.
Wer hätte es gedacht: Gestiegene Preise für Baumaterial, schlechtere Finanzierungsbedingungen, geopolitische Instabilität und eine wochenlange Demonstration gesetzgeberischen Unvermögens in Sachen Heizung haben Folgen.
Bauvorhaben von Privaten brachen überdurchschnittlich stark ein, um 40 Prozent. Unternehmen stellten 20 Prozent weniger Anträge als im Vorjahr. Die beiden Gruppen stehen für über 90 Prozent der Bauanträge.
Wer jetzt kein Haus hat. Nicht einmal der Staat und seine Gliederungen halfen dem Bundeskanzler, sein zentrales Wahlversprechen irgendwie zu retten: Bloß 11.000 Bauanträge gingen im vergangenen Jahr auf die öffentliche Hand zurück.
Wohin mit dem Geld? Der Dax schloss am Jahresende fast 3000 Punkte höher als zu Beginn.
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Tiefgang
Achim Steiner, wie steht es um die weltweite Entwicklungszusammenarbeit?
Der Leiter des UN-Entwicklungsprogramms (UNDP) spricht diplomatisch klare Worte. „Es ist eine Phase, die im Augenblick deutlich schwieriger ist und das hat mehrere Gründe“, sagte Steiner im Interview. In der internationalen Großwetterlage werde kritischer betrachtet, wer wo und mit wem unter welchen Voraussetzungen zusammenarbeitet.
Drei Dimensionen prägen seine Arbeit: die Innenpolitik in wichtigen Staaten der Welt, politische Prioritäten und schließlich das Geld.
Steiner blickt auf eine lange Karriere bei den Vereinten Nationen zurück, bis 2016 leitete er das UN-Umweltprogramm. Deutschland könne nicht die Augen vor den Herausforderungen der Weltpolitik verschließen, sagte er: „Ich glaube, die meisten in Deutschland werden nachvollziehen können, dass die großen Sicherheitsrisiken unserer Zeit letztlich nicht aus der Innenpolitik heraus kommen, sondern durch die Entwicklungen, die sich weltweit abspielen.“
Im letzten Jahr mussten über 110 Millionen Menschen ihr Zuhause verlassen, so viele wie seit 1945 nicht mehr, sagte Steiner. In den letzten zwei bis drei Jahren verzeichnete seine Organisation eine signifikante Zunahme der Krisen- und Konfliktsituationen – man arbeite in 170 Ländern und im Augenblick seien fast 50 davon betroffen.
Von Anspruch und Wirklichkeit: „Wir hängen voneinander ab im 21. Jahrhundert, um Probleme lösen zu können, um Risiken bewältigen oder zumindest minimieren zu können. Und deswegen ist die Entwicklungszusammenarbeit heute nicht mehr Entwicklungshilfe im traditionellen Sinne, sondern es ist eine Art gemeinsames Investieren in die großen Risikofaktoren“, sagte Steiner.
Dennoch erlebt er aus erster Hand, wie sehr viele Länder ihre Finanzierung der Entwicklungszusammenarbeit reduziert haben – besonders in Europa. Das verstärkt einen Trend noch: „Wir reagieren immer nur auf Krisen. Sehr selten nehmen wir die Warnsignale wahr und agieren im präventiven Sinne.“ Internationale Zusammenarbeit könnte ein Instrument der Prävention sein: „Damit kann man Risiken entschärfen.“ Oder könnte.
Seine Organisation habe während der vier Jahre Trump keinen Cent an US-Beiträgen verloren, sagte Steiner, dank des Kongresses, der Kürzungen kurzsichtig fand. Aber: „Ich glaube, nichts ist sicher. Wir leben in einer Phase profunder Unsicherheit, die auch zunimmt.“ Und die das politische Klima verschlechtere: „Wenn man sich unsicher fühlt, hat man Angst. Man hat Angst vor den Nachbarn, man hat Angst vor der Zukunft. Man hat das Gefühl, ein Staat, eine Regierung handelt nicht mehr in dem Interesse, das man selbst hat.“
In den UN spüre man in jeder Verhandlung, wie sich Spannungen potenzierten, weil sich jeder mit jedem zunehmend in einem Missverständnis befinde. „Wir müssen miteinander kooperieren, wir müssen miteinander arbeiten, und ich glaube, das ist im Augenblick natürlich erst einmal schwierig geworden. Vor allem, weil Außenpolitik, eine strategische und langfristige Perspektive sehr schnell unter die Räder von nationaler Politik gerät“, sagte Steiner.
Es herrscht Krieg in Europa und das UN-Entwicklungsprogramm ist mittendrin. So habe man versucht, sich in der Ukraine sehr stark darauf konzentriert, die Handlungsfähigkeit des Staates zu stärken. „Denn der Krieg als solcher findet ja nur in einem bestimmten Bereich des Landes statt, jetzt mal von den Luftangriffen ausgenommen. Das heißt, in vielen Teilen des Landes muss der Staat weiter funktionsfähig bleiben“, sagt Steiner.
Das UNDP hat sich darauf konzentriert, der ukrainischen Regierung zur Seite zu stehen, um etwa digitale Plattformen zu schaffen, damit sich die über vier Millionen Binnenvertriebenen möglichst schnell wieder mit einem staatlichen Sozialsystem verbinden können.
Manche Risiken könne man nicht mit einem Flugzeugträger oder einer Rakete reduzieren. Steiner glaubt nicht, dass sich Entwicklungsgelder und Militärhilfe ausschließen – dafür sei die Ukraine ein klares Beispiel. „Ich glaube, in der Ukraine muss man jetzt wirklich auch erst einmal wahrnehmen, dass sich dort die internationale Gemeinschaft sehr großzügig engagiert, und zwar auf beiden Seiten.“
Wie man die Demokratie fördert
Methoden der Monopolisten: Die KI-Revolution verändert den Blick von Wettbewerbshütern auf die weltweite Tech-Branche. „Früher haben wir auf die sogenannten ‚Killer Acquisitions‘ geschaut“, sagte Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamts, SZ Dossier, also auf Großunternehmen, die kleinere schlucken, um „entweder Wettbewerber auszuschalten oder sich gute Ideen einzuverleiben“. Bei KI gehen Großkonzerne anders vor: „Wir sehen solche Fusionen momentan nicht, dafür aber auf einmal ganz viele Kooperationen.“
„Kooperation“ klingt gleich ganz anders. Die Großen böten Daten, Rechenleistung, Cloud und Geld, die Kleinen die Technologie und agile Entwicklung. Prominentestes Beispiel: Microsoft und OpenAI. Der US-Konzern schloss diese Woche auch einen Deal mit Mistral, der französischen KI-Hoffnung ab. „Es stellt sich die Frage, ob das wirklich nur Kooperationen sind oder vielleicht doch Fusionen“, sagte Mundt. Amazon und das US-Start-up Anthropic sei so ein weiterer Fall. „Das zieht sich durch die gesamte Tech-Landschaft.“
Aller Augen auf Deutschland: Die einschlägigen deutschen Behörden – Bundeskartellamt, Monopolkommission, die zahlreichen Datenschutzbeauftragten – genießen bei großen Tech-Unternehmen den Ruf von regulatorischen Trendsettern weltweit. Sie werden genau verfolgen, ob Mundts Beobachtungen entsprechende Entscheidungen folgen.
Umgehungsversuche: „Den entsprechenden Unternehmen ist natürlich sehr genau bewusst, dass Wettbewerbsbehörden weltweit vor allem Killer Acquisitions im Blick haben“, sagte Mundt meinem Kollegen Matthias Punz anlässlich der internationalen Kartellkonferenz in Berlin. „Da sitzen kluge Leute, die das möglicherweise umgehen wollen.“ Diese Unternehmen hätten jetzt schon starke Machtpositionen – „und da kommt KI jetzt noch obendrauf.“ Er sei kein Schwarzmaler, sagte Mundt. „Aber wenn wir Probleme lösen wollen, müssen wir sie auch benennen.“ Mehr zum Dossier Digitalwende, und zu einem Probeabo, hier.
Wo bleibt das Gesetz? Renate Künast ist Rechtsanwältin, ehemalige Landwirtschaftsministerin – und wider Willen zur Aktivistin gegen die Verrohung von Sitten und Diskurs im Internet geworden. Von Bundesjustizminister Marco Buschmann fordert sie, endlich ein Gesetz gegen digitale Gewalt einzubringen: „Es ist eines der wichtigsten Werkzeuge gegen Rechtsextremismus, gegen Hass im Netz bis hin zu Mobbing gegenüber Jugendlichen und Kindern, die wir jetzt national machen können“, sagte Künast SZ Dossier. „Es kann nicht sein, dass wir ein solches Instrument so lange liegenlassen.“
Gleichschritt mit Brüssel: Das digitale Gewaltschutzgesetz muss aus Künasts Sicht zeitgleich mit dem Digitale-Dienste-Gesetz, der deutschen Umsetzung des DSA, mit dem illegale Inhalte schneller von Plattformen entfernt werden sollen, verabschiedet werden. „Deshalb muss es endlich in den Bundestag eingebracht werden.“ Vergangenen April legte Buschmanns Haus ein Eckpunktepapier für ein Gesetz gegen digitale Gewalt vor. Seitdem ist nicht mehr viel passiert. „Vielleicht denkt der Minister zu lange, ich weiß es nicht“, sagte Künast meinen Digitalwende-Kolleginnen Selina Bettendorf und Miriam Dahlinger. „Es ist nicht prioritär genug gesetzt.“
Fortschritt, immerhin: Künasts eigener juristischer Kampf ist ihre eine Methode, mit Hass im Netz umzugehen. „Ich empfehle immer Anzeige zu erstatten, weil dann auch Strafverfolgungsorgane Entwicklungen in der Kriminalität sehen und die Fälle in die Statistik müssen“, sagte sie. In den vergangenen Jahren sei in der Justiz einiges passiert: „Die Vielzahl der Fälle und auch meine mediale Aufmerksamkeit hat dabei geholfen, dass es inzwischen Schwerpunktstaatsanwaltschaften gibt“, sagte Künast. „Mittlerweile kriege ich von Polizeien oder Staatsanwaltschaften Post, die mich auf Beiträge hinweisen und fragen, ob ich Strafantrag stellen will.“
SZ Dossier wächst: Tim Frehler stößt aus der Politikredaktion der Süddeutschen Zeitung zu uns zum Dossier. Er wird ab Mai unter anderem die Berichterstattung über die AfD und über den Umgang mit ihr übernehmen, eines der beherrschenden Themen des Jahres auch für uns. Tim bringt Erfahrung, Kontakte und Unerschrockenheit für diese Aufgabe mit.
Wir suchen zudem derzeit einen Technology & Product Lead. Unsere junge Dossier-Plattform will in kreative und tatkräftige Hände genommen und weiterentwickelt werden – wir wollen auch da neue Wege erkunden.
Nukleare Drohung
Wladimir Putin in seiner Rede zur Lage der Nation am Donnerstag
Zu guter Letzt
Am besten kam beim Derblecken, wie der Münchner sagt, am Mittwochabend am Nockherberg „wie eigentlich immer der eine Mann weg, mit dem es sich die veranstaltende Brauerei am allerwenigsten verscherzen kann“, heißt es heute in der SZ: Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter.
Aber nun. „Falls der Nockherberg wirklich ein Orakel sein sollte für politische Karrieren: Dann wird Reiter der nächste Bundeskanzler“, schreiben die Kollegen Roman Deininger, Andreas Glas und Ulrike Heidenreich heute auf der Seite 3.
Wie er das macht? Reiters Double beim traditionellen Singspiel trug jedenfalls ein Bienenkostüm.
DANKE: Laurenz Gehrke fürs Redigieren und Corinna Melville in Adelaide für die Produktion.