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Nutzungsrechte erwerbenFDP: Endlich wieder Einigkeit
Montag, 29. April 2024Von Valerie Höhne
Schnelldurchlauf:
Ein immer neues Nein +++ Montenegrinische Ambitionen +++ Hilfe aus der Luft +++ So twittert der Bundestag +++ Tiefgang: FDP-Parteitag: Endlich wieder Einigkeit
Guten Morgen. Die FDP hat auf ihrem Parteitag ein Küken zum Maskottchen erklärt. Ein graues Adlerküken, ein Bundesadlerküken, die Kükenversion des Vogels aus dem Plenarsaal im Bundestag. Was das sollte, außer niedlich auszusehen, die Erklärung blieb die FDP schuldig.
Das Küken, das nun wachsen soll, um damit – wieder? – zum ausgewachsenen Bundesadler zu werden, braucht Futter. Und Futter bedeutet Geld, in diesem Fall das Bruttoinlandsprodukt, das steigen soll. Aus FDP-Sicht muss der Bund dafür konsolidieren. Diese Woche wird es ernst, Bundesfinanzminister und FDP-Chef Christian Lindner erwartet am Donnerstag, 2. Mai, die Einsparvorschläge der Damen und Herren Kabinettskollegen. Folge leisten werden wohl nicht alle, die Einsparhöhe finden einige geradezu absurd.
Willkommen zum Platz der Republik.
Was wichtig wird
Olaf Scholz will noch ein Geheimnis verraten. SPD-Wahlkampfauftakt am Samstag, Fischmarkt in Hamburg, die Partei streamt live. Das Geheimnis: „Deutschland ist in Europa das Land, das die Ukraine am meisten unterstützt.“ Er zählt auf, sieben Milliarden Euro in diesem Jahr, 28 Milliarden Euro seit Beginn des Krieges für Munition, Waffen. Er wirkt angekratzt von der Debatte, kein Wunder, seit bekannt wurde, dass die USA ATACMS-Raketen an die Ukraine liefert, wird wieder laut gefragt, warum von Deutschland keine Taurus-Marschflugkörper kämen.
Die innere Wahrheit: Scholz sagt, er werde oft gefragt, warum Deutschland überhaupt so viel liefere. „Man darf und muss, wenn man solche Entscheidungen trifft, wenn man die Unterstützung organisiert, immer auch gleichzeitig dafür sorgen, dass die Entscheidungen so fallen, dass es nicht zu einer Eskalation des Krieges, zu einem Krieg zwischen Russland und der Nato, kommt“, sagte er. Das ist wohl auch seine Angst. Die Waffe sei so präzise, dass man „direkt ein Wohnzimmer ansteuern“ könne, daher werde Deutschland keine Taurus-Marschflugkörper liefern. Die Zielsteuerung solcher Systeme dürfe man nicht abgeben.
Team Vorsicht: Deswegen wolle er denjenigen, die sich Sorgen machten, versichern, dass die Bundesregierung „den Kurs der Besonnenheit“ nicht verlassen werde. Dabei findet eine Mehrheit der Deutschen laut einer „Politbarometer“-Umfrage aus dem April, dass die Ukraine wieder stärker unterstützt werden müsste.
„Nicht sonderlich souverän“ findet die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Agnieszka Brugger (Grüne) die Einlassungen von Scholz und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. „Kaliberexperten“ hatte Steinmeier diejenigen, die für die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern werben, bei einem Kongress der FAZ genannt. „Warum können Bundeskanzler & Bundespräsident ihre Taurus-Position nicht ohne Beschimpfung der anderen Seite & Eigenlob sauber begründen?“, fragte Brugger auf X. Polens Außenminister Radosław Sikorski sagte der Bild am Sonntag, er hoffe, dass die Bundesregierung in Anbetracht der US-Lieferungen von ATACMS-Raketen ihre Haltung ändere. Scholz, sonst sehr auf Einklang mit US-Präsident Joe Biden bedacht, scheint in dieser Frage aber ziemlich überzeugt von seinem eigenen Kurs.
Um 12 Uhr kommt Montenegros Premierminister Milojko Spajić ins Kanzleramt. Was er mit Olaf Scholz (SPD) besprechen will und in welcher geopolitischen Rolle er das kleine Land sieht, das hat er zuvor in kleiner Runde erzählt. Gabriel Rinaldi war dabei.
28 bis 2028: Spajić war 17 Jahre im Ausland, arbeitete als Investmentbanker in Singapur, bevor er 2020 in seine Heimat zurückkehrte, zunächst als Finanzminister, seit 2023 ist er Regierungschef. Er sieht Montenegro als strategisch wichtigen Partner der EU, der so schnell wie möglich mit am Tisch sitzen soll: „Wir wollen bis 2028 das 28. EU-Mitglied werden“, sagte er. Bereit sein will er bereits 2026, das sei ein realistisches Ziel. Dann liege es an den EU-Politikern, zu entscheiden, wann Montenegro zu ihnen gehören soll.
Die Schweiz des Balkans: Dafür braucht er prominenten Beistand, er erhofft ihn sich vom Kanzler. Sicherheitshalber hat Spajić auch Friedrich Merz (CDU) und Robert Habeck (Grüne) getroffen, man weiß ja nie. Sein Ziel: Unterstützung für die EU-Mitgliedschaft und eine Vernetzung von Montenegro mit europäischen Unternehmen. „Von Deutschland erhoffe ich mir mehr Verständnis für den westlichen Balkan“, sagte er. Das sei wichtig, um die geopolitische Lücke zu füllen, die dort zu lange herrschte. Der Balkan ist stark polarisiert, Moskau in Serbien sehr präsent. „Unsere Aufgabe ist es, gute Beziehungen mit allen Ländern in der Region zu pflegen, denn nur so werden wir die Russen aus der Region vertreiben“, sagte Spajić. „Ich bin wie eine kleine Schweiz, die versucht, alle unter einen Hut zu bringen, denn wir sind die Einzigen, die sich mit allen gut verstehen.“
Alles für die EU: Das NATO-Mitglied will als westliches Land wahrgenommen werden. „Wir agieren in der Region bereits wie ein Mitglied der Europäischen Union“, sagte Spajić. Man habe sich in den vergangenen zehn Jahren zu hundert Prozent an der europäischen Sicherheits-, Verteidigungs- und Außenpolitik orientiert. Bei der Rechtsstaatlichkeit habe es lange Zeit große Defizite gegeben, aber das sei seit Spajićs Antritt nicht mehr der Fall. Im Juni will Montenegro in die nächste Phase des EU-Beitrittsprozesses kommen. Ziel ist es, die vorläufigen Benchmarks zu Rechtsstaatlichkeit und Grundrechten bis dahin zu erfüllen.
Derzeit fliegt die Bundeswehrtransportmaschine A400M Hilfsflüge in Gaza, um auf riesigen Paletten dringend benötigte Lebensmittel über dem Kriegsgebiet abzuwerfen. Zur Stunde wird über einen Deal beraten. Dieses Mal ist es Ägypten, das die Vermittlerrolle zwischen Israel und der Terrororganisation Hamas einnimmt. Gespräche in Israel wurden von ägyptischer und israelischer Seite positiv bewertet. Sollten die Geiseln freigelassen werden, versprach der israelische Außenminister Israel Katz, die drohende Offensive auf Rafah auszusetzen. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) wird heute in Riad, Saudi-Arabien, an Gesprächen dazu teilnehmen, auch US-Außenminister Antony Blinken ist vor Ort.
Große Herausforderungen: Die Not im Gazastreifen ist groß. Georg Ismar hat mit Maik Drescher gesprochen, Drescher ist stellvertretender Staffelkapitän einer französisch-deutschen Lufttransportstaffel. Er koordinierte den deutsch-französischen Einsatz in Gaza mit der C-130 Hercules Transportmaschine, die inzwischen durch den A400M abgelöst wurde. Die größte Herausforderung sei gewesen, die richtigen Absetzzonen auszuwählen.
Verzweifelte Menschen: Sie hätten durch die Paletten nichts zerstören wollen, und mussten aufpassen, dass sie niemanden verletzen. „Unten sind Menschen umhergelaufen. Verzweifelt. Haben sich Flüchtlingscamps aufgebaut“, sagte er. „Das sind alles Dinge, die Sie auf einer Karte oder den Aufklärungsmitteln, die Sie haben, nicht sehen können.“ Bei amerikanischen Lieferungen sind Menschen bei den Abwürfen gestorben, weil sie von dem Material erschlagen wurden.
Fairere Verteilung durch kleinere Paletten: Etwa 30 Flüge hätten sie absolviert und 140 Tonnen Material abgeworfen. Rund 30 sogenannte „Drop Zones“, also Absetzzonen, habe es in Nord-Gaza und ebenso viele in Süd-Gaza gegeben. Weil ihnen die großen Paletten ausgegangen seien, hätten sie auf kleinere Pakete umgestellt. „Im Endeffekt ist das das identische Drop-System, nur mit 18 Einzellasten, die alle einen einzelnen Fallschirm haben. Wir haben festgestellt, dass die Verteilung viel fairer ist“, sagte er. „Sie müssen sich vorstellen, wenn da zwei Tonnen auf den Boden knallen, und sich dann – wir haben versucht, das zu umreißen – 300, 400 Menschen über eine solche Palette hermachen, wie eng das ist.“ Mit kleineren Paketen könne man mehr Menschen erreichen. Trotz aller Vorsicht und dem Einsatz von Sensoren bleibe in Kriegsgebieten „ein Restrisiko“.
Wer wissen will, was im Regierungsviertel passiert und wer was über wen zwitschert, kommt an Twitter/X nicht vorbei. Um das messbar zu machen, hat sich der Platz der Republik mit der Bundesdatenschau zusammengetan, einem Projekt von drei Datenanalysten.
Bundestagsgezwitscher: Wir liefern ab sofort regelmäßige Einblicke in das Parlamentstwitter und schauen uns heute mal genauer an, wer in der vergangenen Woche mit seinen Tweets einen Nerv getroffen hat – und wer eher weniger. Konkret analysieren die Kollegen für uns und für Sie, wer im Vergleich zu den Vorwochen durchschnittlich besser oder schlechter abgeschnitten hat.
Krah und Atomkraft: In der vergangenen Woche auffällig waren vor allem Christian Wirth (AfD), Andreas Lenz (CSU) und Marcel Emmerich (Grüne). Wirth postete einen viralen Tweet zur Causa Krah, Lenz fotografierte einen geschwärzten Brief in der Debatte um die Atomkraft-Vorwürfe gegen Wirtschaftsminister Robert Habeck und Emmerich ging in mehreren erfolgreichen Tweets auf diese Vorwürfe ein.
Tiefgang
„Ein Symbol der Wachstumsschwäche“ sei die Friedrichstraße gewesen. Ausgerechnet! Die Friedrichstraße! Christian Lindner, FDP-Chef und Bundesfinanzminister, habe beim Internationalen Währungsfonds, wo das Bild gezeigt worden sei, großzügig darüber hinweggelächelt. Doch das, habe er sich geschworen, werde nicht noch einmal passieren.
Am Wochenende war FDP-Parteitag, die Freidemokraten haben sich ihrer selbst vergewissert und die Forderung nach einer „Wirtschaftswende“ mit Inhalten und Wortspielen unterfüttert: „Wachstun“ stand auf einem Banner hinter der Bühne. Lindner forderte „nüchternen Realismus“.
Die 662 Delegierten stimmten mit großer Mehrheit für den Leitantrag. Die Essenz: FDP pur, weniger Bürokratie, weniger Vorgaben, weniger Soziales. Endlich wieder Wirtschaft, sagten die einen. Hätte so schon im Koalitionsvertrag stehen müssen, sagten die anderen.
Drei Punkte, für die die FDP in den kommenden Monaten zu kämpfen vorhat, samt Koalitionsbruch-Gefahrenfaktor. Lindner waren folgende Bereiche besonders wichtig: Energiepreise, Sozialstaatskosten und die Mentalität der Deutschen bezüglich ihrer Arbeit. Auf dem Parteitag geben sich die Liberalen kritisch gegenüber der Union und überraschend ampelfreundlich, aber zwischen Fordern und Durchsetzen steht der Koalitionsausschuss.
Wir bewerten, welche Themen noch zum Risiko für die Koalition werden können.
Das FDP-Leitbild für den Klimaschutz? „Nicht Verbot, nicht Verzicht, sondern Technologie“, sagte Lindner. Mit dem CO₂-Handel gebe es in Europa ein besseres Instrument als Subventionen, wie etwa in den Vereinigten Staaten. „Wir können doch nicht wissen, welche Technologie, welche Branche, welches Unternehmen bahnbrechenden Erfolg haben wird in den nächsten Jahren und Jahrzehnten“, sagte er.
Einen konkreten Punkt machte Lindner auch: Erneuerbare Energien, sagte er, seien mittlerweile wettbewerbsfähig. „Jedes Jahr wenden wir Milliarden Euro auf an Subventionen für Erneuerbare Energie, insbesondere Solar und Wind“, sagte er. Diese Subventionen brauche es nicht mehr.
Lambsdorff-Faktor: 4 von 5
Die Kosten für den Sozialstaat sollen runter. Das Bürgergeld sei kein bedingungsloses Grundeinkommen, von Beziehern sei eine Gegenleistung zu erwarten. Man setze vor allem auf Anreize, will aber ein dreijähriges Moratorium für den Sozialstaat. Ja, sagte Lindner, ein sorgenfreier Ruhestand sei wichtig, das Rentensystem bedeutsam. Man müsse es aber auch im Interesse der jungen Generation reformieren. „Deshalb, egal ob bei Bürgergeld oder Rente, sollten wir nicht mehr bezahlen, wenn Menschen nicht arbeiten, sondern wir sollten belohnen, wenn Menschen im Arbeitsleben verbleiben wollen.“
Während der Beratungen brachten die Juli-Vorsitzende Franziska Brandmann und der Abgeordnete Johannes Vogel einen Änderungsantrag ein, kritisierten das Rentenpaket II und SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil. Der Parteitag beschloss die Forderung nach einer Abschaffung der Rente mit 63 und nach einer Ausweitung der Aktienrente. Auf Initiative Vogels wurde der Leitantrag um den Hinweis erweitert, die FDP werde dem Rentenpaket II nur zustimmen, wenn weitere rentenpolitische Maßnahmen beschlossen würden.
Lambsdorff-Faktor: 3 von 5
Drittens forderte Lindner eine Mentalitätswende. Abzulesen wäre die, so umfassend sie gedacht und gemeint ist, am Bundeshaushalt 2025, der nächsten Gelegenheit für die Ampel festzustellen, ob sie noch gemeinsam bis zur regulären Bundestagswahl regieren will.
„Arbeit ist ja nicht nur eine lästige Quelle von Einkommen“, sagte Lindner. Arbeit sorge für Teilhabe, vermittle Sinn, strukturiere den Tag. „Sozial ist nicht, dafür zu sorgen, dass Menschen sich Arbeitslosigkeit leisten können.“ Deshalb will die FDP steuerfreie Überstunden, um einen Anreiz für Mehrarbeit zu geben. Unternehmenssteuern sollen gesenkt werden, der Solidaritätszuschlag abgeschafft. Heißt: weniger Steuereinnahmen. Vor allem die Soli-Abschaffung ist für die SPD eine rote Linie.
Gleichzeitig wollen die Liberalen mehr auf den privaten Kapitalmarkt setzen. Für die Altersvorsorge, aber auch für Infrastrukturprojekte. „Wenn man spitzenmäßige Standards für den Lebensstandard, die soziale Absicherung und die Ökologie haben will, dann muss man auf der anderen Seite aber auch bereit sein, wieder spitzenmäßige Leistung zu zeigen“, fand Lindner.
Lambsdorff-Faktor: 3 von 5
Zwischen Kanzleramt sowie Wirtschafts- und Finanzministerium laufen Gespräche. Für die FDP entscheidend werden wohl Flexibilisierung der Arbeitszeit, möglicherweise des Renteneintritts, zudem eine Abschaffung von Subventionen im Energiesektor. Und der Zeitplan? Vor der Europawahl kommt die Wirtschaftswende wohl nicht. Möglicherweise würde die Reform gemeinsam mit dem Haushalt 2025 verhandelt.
Trotz der Differenzen und der Milliardenlücke, die weiter im Haushalt klafft, wirkten FDP-Spitzenleute an diesem Wochenende nicht, als würden sie ein Ende der Koalition herbeisehnen. Die Basis stimmte nicht einmal einem Antrag zur Atomkraft-Wiederbelebung zu, so sehr freute sie sich über die Wirtschaftswende – vielleicht hilft es schon, von ihr nur zu sprechen, um die FDP zu befrieden. Gabriel Rinaldi
Fast übersehen
Wackelt von der Leyen? Dass der französische Präsident Emmanuel Macron laut Brüsseler Gerüchten EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) nicht länger enthusiastisch unterstützt, freut die FDP. „Macron hat offensichtlich erkannt, dass von der Leyen keine ausreichende Unterstützung unter den Mitgliedstaaten und den Parteien im Europäischen Parlament genießt“, sagte MdEP Moritz Körner (FDP) SZ Dossier. Ihr „bürokratielastiger Politikzugang“ finde nur noch die Gunst der Grünen und einiger Sozialdemokraten. Sie stehe „einer Politik, die die Wirtschaft entfesseln und den Bürgern mehr in der Geldbörse lassen will“ im Weg.
Immer langsam: Ob von der Leyen sich so leicht stürzen lässt? Sie ist Spitzenkandidatin der EVP, einen offiziellen Alternativbewerber abseits von Spekulationen gibt es nicht. Warum sollte Kanzler Olaf Scholz (SPD) jemand anderen – nicht aus Deutschland – für den Posten unterstützen? Ob das Europäische Parlament jemanden wählen würden, der sich nicht darum bemüht hat, ist auch fraglich. Ein EU-Diplomat sagte der SZ vor wenigen Tagen: „Ursula von der Leyen hat sehr gute Chancen, Kommissionspräsidentin zu bleiben.“ Trotzdem: Beim CSU-Europaparteitag am Wochenende trat sie nicht auf.
Meloni kandidiert: Während Ursula von der Leyen nicht für das offiziell kandidiert, aber in Brüssel bleiben will, gibt es auch diejenigen, die kandidieren, aber keinesfalls nach Brüssel wollen. Die Rede ist von Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, die gestern ihre Spitzenkandidatur bei den Fratelli d’Italia für die Europawahlen verkündet hat.
🤌 Die Rechnung dahinter ist simpel, schreibt Gabriel Rinaldi. Meloni hofft einerseits, mehr Wählerinnen und Wähler zu mobilisieren und wahrt andererseits die Chance, einen Erfolg als Sieg für ihre Politik und Person zu werten. Meloni will also genau das tun, was Politologen seit jeher kritisieren: die Europawahlen zu Nationalwahlen zweiter Klasse machen.
Eh, vabbè: Dabei ist sie nicht allein, denn die Chefin der italienischen Sozialdemokraten Elly Schlein und Außenminister Antonio Tajani (Forza Italia) kandidieren ebenfalls. Und auch ihr Platz ist, so viel steht fest, in Rom.
Altersprüfung im Netz: Robert Habeck ist, Olaf Scholz ebenso wie seine Aktentasche: deutlich älter als 13 Jahre. Das ist die offizielle Altersgrenze für Tiktok, die aber nicht kontrolliert wird. Das soll sich ändern. „Wir prüfen gerade gemeinsam mit dem Innenministerium, wie wir datenschutzkonform eine Altersprüfung im Netz ermöglichen können“, sagte Bundesfamilienministerin Lisa Paus meinen Kollegen Matthias Punz und Miriam Dahlinger von der Digitalwende.
Technisch anspruchsvoll: Im Herbst soll ein „Demonstrator“ vorliegen, der das Alter im Netz „datensparsam und grundrechtsschonend“ (O-Ton Paus) kontrollieren kann. Die Debatte hat einen ernsten Hintergrund: Bereits beinahe ein Viertel der Achtjährigen sagten laut einer Befragung der Landesanstalt für Medien NRW, Kontakt zu Erwachsenen übers Netz gehabt zu haben. „Das kann niemand wollen, da brauchen wir Schutz“, sagte Paus. Zurzeit befindet sich die Ministerin übrigens auf Reisen in der Ukraine.
Grobes Konzept: Es gehe es darum, heißt es aus ihrem Ressort, dass das Alter über neutrale Dienstleister, die ohnehin bereits über die Geburtsdaten von Personen verfügen, bestätigt werden soll. Diese sollen zur Verifikation keine konkreten Daten erheben oder übertragen, sondern gegenüber Plattformen und Apps lediglich bestätigen, dass eine Person tatsächlich zur entsprechenden Altersgruppe gehört. Welche Dienstleister für so einen Service infrage kommen, wollte das Ressort noch nicht verraten.
Festgesetzt: Heute beginnt am Stuttgarter Oberlandesgericht der erste von drei Prozessen gegen die mutmaßliche „Reichsbürger“-Gruppe um Heinrich XIII. Prinz von Reuß. Neun der 27 Verdächtigen müssen sich vor Gericht verantworten. Ihnen wird Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und die Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens vorgeworfen. Es ist laut dem Präsidenten des Stuttgarter OLG, Andreas Singer, eines der „größten Staatsschutzverfahren in der Geschichte der Bundesrepublik“.
„Harte Gangart“: Innenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte, es zeige die „Stärke unseres Rechtsstaats“, dass die Reichsbürger sich nun vor Gericht verantworten müssten. „Das Terrornetzwerk plante, bewaffnet in den Bundestag einzudringen, Abgeordnete festzunehmen und unser demokratisches System zu stürzen. Hierfür wurde ein massives Waffenarsenal aufgebaut“, sagte Faeser. Sie kündigte an, die „harte Gangart“ weiter fortzusetzen.
Zitat des Tages
Die Anw��ltin Lindsay Goldbrum über die Aufhebung des Urteils gegen Harvey Weinstein, der wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung verurteilt wurde. Er sitzt wegen weiterer Vergehen noch immer in Haft.
Zu guter Letzt
Was für eine illustre Runde sich am Samstagabend im Borchardt (gleich unter dem sagenumwobenen Hauptstadtbüro der SZ) versammelte: Ex-Vizekanzler und Außenminister Sigmar Gabriel (SPD), der frühere Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU), Gregor Gysi, der zuletzt quasi im Alleingang die Linke am Leben hielt, und Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP). Die ganz große Koalition könnte man sagen. Ex-Kanzler Gerhard Schröder (SPD), wegen anhaltender Liebesbekundungen Richtung Moskau als Elder Statesman nicht zu gebrauchen, feierte seinen 80. Geburtstag.
Kubicki sagte, er habe es schön gefunden, dass alle Kinder da gewesen seien, das sei wegen der „Ächtung des Vaters“ auch nicht leicht für sie. Schröder hatte mit seiner Ex-Frau Doris Schröder-Köpf zwei Kinder, Viktoria und Gregor, adoptiert. Zudem ist er der Stiefvater von Klara Kuntze, der ersten Tochter von Doris Schröder-Köpf. „Es war keine Party, sondern ein gesetztes Essen mit koreanischer Gesangseinlage zwischen den Gängen“, erzählte Kubicki SZ Dossier. „Laut und schön oder schön laut.“
Vielen Dank! Florian Eder fürs Redigat, Gabriel Rinaldi für die Beiträge und das Durchhaltevermögen auf dem Parteitag, Georg Ismar für das Interview, und Michelle Ostwald und Team in Sydney für Schlusskorrektur und Produktion.