Rechtsum in der Migrationspolitik
Süddeutsche Zeitung Dossier
Logo Platz der Republik
Freitag, 17. Mai 2024
author image

Von Florian Eder

mit Gabriel Rinaldi und Tim Frehler

Schnelldurchlauf:

Fall Fico: X lässt Propaganda laufen +++ Bundestag sortiert Sicherheit neu +++ Zwei AfD-Abgeordnete verlieren Immunität +++ Sachsen will härtere Strafen für politisches Stalking +++ Public Viewing bei der EM +++ Der Osten ist bei Grundgesetz-Feierlichkeiten mitgemeint +++ Finanzierung der Zeitenwende



Guten Morgen. Abgeordnete konkurrieren eng mit Dachdeckern um den Titel der unattraktivsten und doch nötigen Jobs. Andauernder Zeitdruck, kaum Freizeit, Bewegungsmangel, die Konferenzkekse, die niemand mag und alle futtern. Nie ist man unbeobachtet, dauernd wird am Stuhl gesägt, und um dieses Paket müssen sie sich alle paar Jahre neu bewerben.


So üppig sind die Diäten und Privilegien dann auch wieder nicht: Willen, Gestaltungsspielraum und Eitelkeit tun das Wunder, doch erstaunlich viele bis zum regulären Ruhestand durchhalten zu lassen.


Wie unter dem Brennglas zeigten die vergangenen Wochen erneut, dass eine Gegenleistung von Staat und Gesellschaft nicht selbstverständlich ist: die körperliche Unversehrtheit von Politikerinnen und Politikern. Da schauen wir heute in einigen Aspekten genauer hin.


Ihnen ein erholsames langes Wochenende und schöne Pfingsten. Wir sind am Dienstagmorgen wieder in Ihrem Postfach.

ANZEIGE

Dieses Dossier wird präsentiert von

Bearing Point Logo

Was wichtig wird

1.

Fall Fico: X lässt Propaganda laufen

Kurz nach dem Attentat auf den slowakischen Premierminister am Mittwoch lief die Propagandamaschine an: Die Ukraine sei es gewesen, gifteten kremlnahe Accounts. Westliche Verschwörungstheoretiker machten stattdessen die Weltgesundheitsorganisation oder sonst einen nicht weiter spezifizierten „Deep State“ für die Schüsse auf Robert Fico verantwortlich.


Gefährliche Internet-Hits: Auf der Plattform X wurden einzelne dieser Posts über eine Million Mal aufgerufen – obwohl in Europa mit dem Digital Services Act ein Gesetz gilt, nach dem Plattformen die Verbreitung von derlei offensichtlicher Desinformation eindämmen sollen. Die slowakische Polizei drohte gestern mit harten Strafen für Beiträge im Internet, „die das Verbrechen gutheißen und Hass verbreiten“.


Nutzerarbeit statt Pflichterfüllung: Die EU-Kommission hat auch bereits ein Verfahren gegen X eröffnet, unter anderem, weil sie vermutet, dass die sogenannten Community Notes, mit denen die Nutzer Lügen auf der Plattform selbst richtigstellen sollen, ihren Zweck kaum erfüllen. Tatsächlich könnte es sich um eine Sparmaßnahme handeln, vermutet man in Brüssel: Statt Personal einzustellen, das sich um die Moderation von problematischen Inhalten kümmert, lässt X-Eigner Elon Musk seine Nutzer die Arbeit machen.


Ein Spartrick, der teuer werden könnte: Keiner der irreführenden Posts rund um den Anschlag auf Fico, die uns Experten zeigten, war auf X mit Community Notes versehen. Das könnte ein Beleg dafür sein, dass Musks Plattform gegen das EU-Gesetz verstößt. Die Entourage des zuständigen EU-Kommissars Thierry Breton wollte gestern zu laufenden Ermittlungen nichts Konkretes sagen, bestätigte aber, dass sich das Verfahren auf die „Wirksamkeit von Community-Notizen“ bezieht.


Big Tech einbestellt: „Im Zusammenhang mit dem Attentatsversuch auf Premierminister Fico haben wir ein laufendes Monitoring zur Desinformation, und wir stehen in Kontakt mit den slowakischen Behörden und der Zivilgesellschaft“, sagte uns ein Mitglied aus Bretons Team. Heute kommt die Sache in Brüssel zur Sprache: „Wir sind bereit zu handeln, sollte der Verdacht auf eine sich verschlechternde Situation bestehen, und werden die Angelegenheit morgen am Runden Tisch zur Desinformation mit den Plattformen besprechen.“


Mehr davon: Heute Mittag erhalten Sie erstmals unser Dossier Schattenspieler – den neuen wöchentlichen Lagebericht zum Informationskrieg im Internet, für den Felix Kartte, Christina Brause und Benjamin Läpple zunächst für die kommenden sechs Wochen zu meinem Team stoßen.


Schattenspieler erscheint immer am Freitag, sagen Sie es bitte weiter: Anmeldung hier.

2.

Bundestag sortiert Sicherheit neu

Angesichts der Bedrohungen für demokratische Institutionen und ihre Angehörigen organisiert die Bundestagsverwaltung ihre Sicherheitsabteilung um, wie Gabriel Rinaldi berichtet. Bereits zum 6. Mai erhielt die Unterabteilung ZS der Zentralabteilung Z eine neue Organisationsstruktur. Das geht aus einer Hausverfügung des Bundestagsdirektors Michael Schäfer vor, die SZ Dossier vorliegt.


Fokus auf Zutritte: Demnach wurde das Referat „Polizei, Sicherungsaufgaben“ geteilt und ein neues Referat nur für Zutrittsangelegenheiten eingerichtet. Zudem wurde die Stabsstelle „Notfallmanagement“ in Stabsstelle „Kritische Infrastruktur und Krisenprävention“ umbenannt. Die Bundestagsverwaltung ließ eine Anfrage von SZ Dossier zu Details der neuen Struktur unbeantwortet.


Zustimmung aus dem Parlament: „Angesichts krasser Bedrohungslagen von innen und außen ist es dringend notwendig, dass bei allen Verfassungsorganen der wehrhaften Demokratie bestehende Strukturen überprüft werden und man sich insgesamt resilienter aufstellt“, sagte uns Konstantin von Notz (Grüne), Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums. „Dass dies auch der Deutsche Bundestag tut, begrüßen wir.“

3.

Bock, Gärtner, Malle

Die Immunität gleich zweier Bundestagsabgeordneter der AfD wurde gestern aufgehoben. Wie am Abend bekannt wurde, stimmte das Parlament für eine entsprechende Beschlussempfehlung des Immunitätsausschusses und hob damit die Immunität des Chefs der Jungen Alternative (JA), Hannes Gnauck, auf.


Bock, Gärtner: Die JA wird vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft. Wie das ZDF berichtet, steht die Entscheidung im Zusammenhang mit Gnaucks Zeit als Soldat, wo ihn der Militärische Abschirmdienst zuletzt als „Extremisten“ eingeordnet haben soll. Im Bundestag ist Gnauck Mitglied des Verteidigungsausschusses.


Durchsuchung auf Mallorca: Am Vormittag wurde die Immunität von Petr Bystron aufgehoben, Ermittler durchsuchten sein Büro im Bundestag. Dabei blieb es nicht, auch Räumlichkeiten auf Mallorca wurden durchforstet. Gegen Bystron wird wegen des Anfangsverdachts der Bestechlichkeit und der Geldwäsche ermittelt. Seit März steht Bystron, der auf Platz zwei der AfD für die Europawahl kandidiert, wegen möglicher Zahlungen aus prorussischen Quellen unter Druck. Weiterhin gilt die Unschuldsvermutung.


„Schampus-Max“: Von wegen Diäten, als Europaabgeordneter in diesem Fall – sogar Parteifreunde fragen sich, wie der EU-Spitzenkandidat der AfD, Maximilian Krah, seinen Lebensstil finanziert. Die Kollegen von SZ, WDR und NDR haben Indizien entdeckt. Wieder deutet einiges ins Ausland.

4.

Politisches Stalking

Angriffe auf Politikerinnen und Politiker beschäftigen heute auch den Bundesrat. Die sächsische Landesregierung hat einen Gesetzesantrag auf die Tagesordnung gesetzt, mit dem das Strafrecht verschärft werden soll, um Amts- und Mandatsträger besser zu schützen. Staatssekretär Conrad Clemens sieht „Regelungslücken und Bedarf, Dinge nachzuschärfen“. Zentraler Punkt ist die Einführung eines neuen Straftatbestandes, bei dem es um sogenanntes politisches Stalking geht. Denn „den Ermittlungsbehörden fehlt oft die Rechtsgrundlage“, sagt Clemens.


Ausmaß und Details des Problems zeigen Zahlen aus der Herbstbefragung des „Kommunalen Monitoring“, das das Bundeskriminalamt gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden durchführt. Zwischen Mai und Oktober 2023 haben die Fachleute mehr als 2000 haupt- und ehrenamtliche Bürgermeister und Landräte befragt. Die Auswertung, die SZ Dossier vorliegt, zeigt: Mehr als jeder dritte Befragte (38 Prozent) wurde in dem Zeitraum angefeindet – schriftlich oder verbal, in Form von Hasspostings oder tätlichen Übergriffen. Dabei traf es insgesamt eher jüngere Amtsträger und eher jene, die in Ostdeutschland tätig sind, berichtet Tim Frehler.


Auffällig auch: In knapp vier von fünf Fällen (78 Prozent) waren die Täter des letzten Vorfalls den Betroffenen bekannt. Aufschluss gibt die Untersuchung auch zur Motivation, die die Opfer hinter den Tätern vermuten. Demnach wird die überwiegende Mehrheit (81 Prozent) der Anfeindungen der persönlichen Haltung des Täters zugeschrieben. Unzufriedenheit und Frust gelten in fast einem Viertel der Fälle (23 Prozent) als Motivation, gefolgt von der Unzufriedenheit über kommunale Entscheidungen (18 Prozent). Politisch oder religiös motiviert seien hingegen 19 Prozent der Vorfälle.


Ignorieren oder anzeigen? Den Vorfall, den sie zuletzt erlebt haben, haben 26 Prozent ignoriert. Nur elf Prozent der Betroffenen gaben an, Anzeige erstattet zu haben, acht Prozent sagten, sie hätten die Vorfälle gesammelt und dann der Justiz übergeben. Unter jenen Fällen, die angezeigt wurden, kam es lediglich in einem Prozent der Fälle zu einer Verurteilung, wobei in mehr als der Hälfte das Ergebnis noch aussteht.


Den Vorstoß aus Sachsen sieht die FDP-Abgeordnete und Juristin Linda Teuteberg skeptisch. „Strafrechtsverschärfungen sind nicht das Mittel der Wahl“, sagte sie SZ Dossier. Körperverletzung, Sachbeschädigung oder Nötigung seien bereits heute strafbar. Wichtiger sei die „konsequente und zügige strafrechtliche Verfolgung solcher Taten“. Außerdem solle es für Amts- und Mandatsträger länger und einfacher möglich sein, ihre privaten Daten im Melderegister sperren zu können.


Respekt statt Verachtung: Teuteberg mahnt aber auch an, nicht nur an „Symptomen herumzudoktern“. „Es war und ist in Deutschland schick, verächtlich auf Parteien zu blicken. Richtig ist es deshalb aber nicht“, sagt die FDP-Politikerin. Vielmehr brauche es ein gesellschaftliches Klima, das geprägt sei von „Respekt statt Verachtung für politisches Engagement in Parteien“.

5.

Ätsch, Blockwarte

Die Fußball-Europameisterschaft kommt näher. Bereits in 28 Tagen spielt Deutschland in München gegen Schottland. Anstoß ist, wie bei 26 von insgesamt 51 Spielen, um 21 Uhr. Beim Public Viewing kann es also durchaus etwas später werden, gerade dann, wenn es zu Verlängerung und Elfmeterschießen kommt. Damit die Polizei sich auf die Sicherheit konzentrieren kann und nicht dauernd wegen zu großer Lebensfreude ausrücken muss, ist heute der Bundesrat gefragt.


Fernsehdarbietungen: Wir sind hier immer noch in Deutschland, die Ruhezeit beginnt um 22 Uhr. Für den EM-Zeitraum soll eine Verordnung den Spielraum für die Behörden vor Ort erweitern. Die Durchführung von „öffentlichen Fernsehdarbietungen im Freien“, wie es im Beamtenjargon heißt, ist dann auch bis in die „Nachtstunden nach 22 Uhr“ legal möglich.


Nicht so schnell: Beantragt werden müssen die Veranstaltungen trotzdem – und die Kommunen müssen auch weiterhin im Einzelfall abwägen zwischen öffentlichem Interesse an den Fußballspielen und Schutz der Nachtruhe. Es zählen etwa die Abstände zu Wohnhäusern, die Sensibilität des Umfelds oder Umfang, Anzahl und Aufeinanderfolge der Ausnahmen. Erwartet wird, dass die Verordnung den Bundesrat passiert und anschließend in Kraft tritt.

ANZEIGE

New government starts with you. Werden Sie Teil der Verwaltungsmodernisierung und sichern Sie sich einen Platz auf dem Ministerialkongress.
curvy divider

Tiefgang

Rechtsum in der Migrationspolitik

Die Geschäftsgrundlage der neuen niederländischen Regierung ist fertig ausverhandelt. Ihr Kern ist ein deutlich verschärftes Einwanderungsregime. In der gestern veröffentlichten Koalitionsvereinbarung buchstabieren die vier künftigen Regierungsparteien ein restriktives Asylregime aus, die „strengste Asylpolitik, die es jemals gab“, wie es der Chef der nationalistischen Freiheitspartei (PVV), Geert Wilders, am Nachmittag nannte. Es fiele schwer, das nicht auch als den Kern des Wählerauftrags zu interpretieren.


Die Parlamentswahl im vergangenen Jahr bescherte Kräften der linken Mitte Verluste, sie stellte erprobte Bündnisse und rote Linien infrage, mutete dem Mitte-rechts-Spektrum Verhandlungen mit Wilders zu. Das war sogar für das politische System in Den Haag, das Kummer und Kreativität gewohnt ist, eine Herausforderung. Nach Monaten erst konnten sich die Unterhändler verständigen; aber eines war von Anfang an klar: dass die Niederländer mehrheitlich einen Rechtsruck vor allem in Einwanderungsfragen gewählt haben.


Den werden sie bekommen. Das Koalitionspapier beschreibt mehr Kontrollen auch an den EU-Binnengrenzen, härtere Regeln für Asylbewerber. Die Niederlande wollen, dass europäische Asylverfahren in Drittstaaten ausgelagert werden. Auch Arbeitsmigration soll erschwert werden, ebenso wie das Studium an niederländischen Universitäten für Ausländer (außer in technischen Fächern, so viel Eigeninteresse muss auch bei den größten Ideologen sein).


Teile dieses Programms, würden sie Gesetz, widersprächen geltendem europäischem Recht oder liefen Gefahr, es zu tun. Das ist gewollt: „Eine Ausstiegsklausel für die europäische Asyl- und Migrationspolitik wird der Europäischen Kommission so bald wie möglich vorgelegt", heißt es in der Vereinbarung. Es ist eine Ankündigung. Umsetzen lässt sie sich nicht so einfach.


Und doch ist sie wohl auch eine späte Bestätigung für diejenigen in Europa, die die vielteilige EU-Asylreform vor dem Ende der europäischen Legislatur noch über die Ziellinie brachten, und womöglich bietet sie ihren Kritikern, wie den Europaabgeordneten der Grünen, Gelegenheit zum Zweifel: Das Asylrecht im Europa des Jahres 2024 steht unter Druck von rechts, zuletzt konkret erkennbar am Regierungshandeln in Frankreich, in Italien, in Zentral- und Osteuropa.


Nichts deutet auf Mehrheiten für eine Liberalisierung hin. Und nur wenig spricht für die gesetzgeberische und intellektuelle Bequemlichkeit ermöglichende These, das Thema sei den Wählern gar kein Anliegen, nur den Rechtsparteien.


Zu dem neuen Bündnis gehören außer der PVV auch die liberale Partei VVD des scheidenden Premierministers Mark Rutte, die neu gegründete NSC sowie die Bauernpartei BBB, die beide dem christdemokratischen Lager angehören oder nahestehen. Die Koalition verfügt über 88 Sitze im 150 Sitze zählenden Parlament.


Wie es weitergeht? Es sind Neu-Niederlande: Der offizielle Auftrag zur Bildung einer Regierung – als Formateur – durch die Abgeordnetenkammer ging bislang immer an den Chef der größten Partei und designierten Premierminister. Das wäre Wilders, der sich aber mit den anderen Parteivorsitzenden darauf verständigt hat, dem Kabinett nicht anzugehören – eine Voraussetzung dafür, dass die anderen mit ihm verhandelten.


Die nächsten Schritte also: Wilders muss einen künftigen Premier nominieren. Der wird zusammen mit seinem Kabinett die Vereinbarung der Parteien in ein Regierungsprogramm gießen. Es folgt die Aussprache in der Kammer. Das wird noch einige Wochen dauern, Regierungskreise schätzen bis Mitte des nächsten Monats.


Beim informellen Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs am 17. Juni ist Mark Rutte vielleicht gerade noch im Amt. Beim formellen EU-Gipfel zehn Tage später eher nicht mehr – und auch nicht beim Nato-Gipfel in Washington ab dem 9. Juli, der ihn zum nächsten Generalsekretär der Allianz ausrufen soll.


Die neue Regierung unter seinem Nachfolger wird unbequem für die EU-Partner. Für den Nato-Generalsekretär nicht: Die Koalition hat sich auf unzweifelhafte Unterstützung für die Ukraine und eine weiter akzentuierte Verteidigungspolitik verständigt: Das Zwei-Prozent-Ziel soll Gesetzesrang erhalten.

Fast übersehen

6.

Der Osten ist mitgemeint: Carsten Schneider (SPD), Ostbeauftragter der Bundesregierung, findet, anders als Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt nicht, dass dem Osten bei den Feierlichkeiten zum Grundgesetz nächste Woche zu wenig Platz eingeräumt würde. 75 Jahre Grundgesetz und 35 Jahre Friedliche Revolution gehörten „untrennbar zusammen“. Nennung quasi überflüssig.

Aber: „Vor allem im Herbst zu den historischen Daten wollen wir an das Jubiläum und den Verlauf der Friedlichen Revolution erinnern, um dieses unvorstellbare Ereignis zu feiern“, sagte Schneider SZ Dossier. Er freue sich aber auch, wenn zuvor in Ostdeutschland das Grundgesetz gefeiert werde.

7.

So denkt die SPD: „Ich bin mir sehr sicher, dass alles, was wir im Verteidigungsministerium benötigen, gegeben werden wird“, sagte SPD-Haushaltspolitikerin Bettina Hagedorn gestern bei einer Veranstaltung der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Schließlich gebe es die Übereinkunft, alles zu tun, was notwendig sei, um der Ukraine zu helfen.


Das klang noch recht treuherzig. Doch es ging noch wilder. Die SPD sei nicht das Problem, sagte Hagedorn: In der Ampel müsse man sich nun mal mit drei Parteien einigen. „Das ist natürlich nicht einfach, und das ist sehr diplomatisch gesprochen“, sagte Hagedorn und meinte die Liberalen. Eine rot-grüne Achse?


Sehr sehr gute Schulden: War es nicht der Kanzler, der seinen Verteidigungsminister gerade im Regen hat stehen lassen nach dessen Bitten, seinen Etat nicht dem Sparzwang zu unterwerfen? Sind nicht Grüne und FDP die lautesten Verfechter so entschiedener Waffenhilfe wie irgend möglich?


Ja schon. Ihre Partei sei „bereit“, an die Schuldenbremse ranzugehen, sagte Hagedorn, ebenso die Grünen, die FDP hingegen nicht. Ausgaben zu priorisieren aber, wer würde das von der Kanzlerpartei schon verlangen.

8.

Letzte Meile: Im US-Senat regt eine parteiübergreifende Gruppe von Mitgliedern einen raschen Abschluss der Bemühungen um eine umfassende Regulierung von Künstlicher Intelligenz an. Ziel der vier Senatoren um den Mehrheitsführer Chuck Schumer ist es, bis zur Präsidentschaftswahl zu einem Ergebnis zu kommen – und sei es auch nicht perfekt.


Angst vor Handlungsunfähigkeit: Eine andere Mehrheit im Kongress oder gar ein neuer Präsident könnten bisher geleistete Arbeit überflüssig machen und ließen die USA womöglich ohne einigermaßen dichtes Netz an KI-Regulierung dastehen.


Auffällig: Wo die EU in bewährter Weise den Schutz persönlicher Daten in den Mittelpunkt ihrer – tatsächlich kurz vor Ende der laufenden EU-Legislatur abgeschlossenen – Regulierung im AI Act stellte, ist das zentrale Ziel in den USA: die USA bei KI wettbewerbsfähig zu halten, unter anderem mit öffentlichen Investitionen von 32 Milliarden Dollar. Ein gemeinsamer Bericht beschreibt die Wünsche und Vorstellungen.

Zitat des Tages

Wir haben die höchste Zahl von Erwerbstätigen in der Geschichte der Bundesrepublik. Wer da von Faulheit spricht, hat nicht mehr alle Latten am Zaun.

Kanzler Olaf Scholz im Gespräch mit dem Stern

Deutschland in Daten

Schutz der Menschenwürde und Gleichheit vor dem Gesetz

Zu guter Letzt

Wenn uns nicht alles täuscht, ist kein organisiertes Gruppen-Coming-out zu erwarten wie zuletzt bei Out in Church. Eine freundliche Einladung steht dennnoch an alle Fußballer, den heutigen internationalen Tag gegen Homophobie zu nutzen, um öffentlich zu zeigen, dass es auch im Profifußball Schwule gibt. Marcus Urban hat sie ausgesprochen, ein früherer Jugendnationalspieler.


Christian Streich ermutigte Spieler bei seiner Abschieds-Pressekonferenz als Trainer in Freiburg. Urbans Aufruf für Freitag findet er „super“. Ein Coming-out „sollte eine absolute Selbstverständlichkeit sein“, sagte Streich. „Ist es aber nicht.“ Je länger das gilt, umso drängender die Fragen nach Vorbildern für Jungs, die alles können, außer öffentlich auf Männer zu stehen und Profi werden zu wollen.


Support kam aus der Kurve. „Es ist uns nicht egal, wie viele Menschen unter innerer Isolation und psychischer Belastung zu leiden haben, weil in der Profi-Männerfußball-Blase immer noch das tabuisiert wird, was in anderen Lebensbereichen längst Normalität ist“, heißt es in einem offenen Brief der queeren Fanclubs. „Wir können Euch leider nicht versprechen, dass alle homofeindlichen und diskriminierenden Äußerungen schlagartig aus den Stadien verschwinden. Aber wir … werden weder jetzt noch dann schweigen.“


Vielen Dank! Ans Team in Berlin und für Nachtwache und Schlussredaktion an Corinna Melville in Adelaide.

Feedback
Wir freuen uns über Ihre Meinung zum SZ Dossier.
author image
Email Icon

Florian Eder

Leiter SZ Dossier

author image
Email Icon

Valerie Höhne

Leitende Redakteurin