Wo die Brandmauer längst gefallen ist
Süddeutsche Zeitung Dossier
Logo Platz der Republik
Freitag, 24. Mai 2024
author image

Von Florian Eder

mit Gabriel Rinaldi und Tim Frehler

Schnelldurchlauf:

Rauswurf erster Klasse für die AfD +++ Exklusiv: Umfrage zur Europawahl +++ Drohnenabwehr über dem Bundestag +++ Für Sie gelesen: „Das Grundgesetz“ von Peter Zolling +++ HU-Besetzung nach Polizeieinsatz beendet



Guten Morgen. Von einer „Schicksalswahl“ ist anderswo oft die Rede, wenn es um die Europawahl geht, mit der Begründung, viele Menschen würden Rechtsparteien wählen. Danach sieht es in Umfragen aus. Wonach es nicht aussieht: als würde das Rechtsaußen-Lager geeint auftreten oder die Gesetzgebung lahmlegen können.


Die AfD ist seit gestern fraktions- und damit heimatlos im Europaparlament (genau wie die Fidesz-Partei des ungarischen Premierministers). Die rechten europäischen Freunde haben eher bemerkt, wie schädlich Vorwürfe der Käuflichkeit, der Interessenvertretung für fremde Mächte und allgemeines Nazi-Zeug für ihren eigenen Ruf sind. Sie konnten auch entschiedener dagegen vorgehen als die AfD-Führung, die einer erneuten Grenzverschiebung in ihren Reihen machtlos zuschaute.


Mehr, mehr, mehr! Weiteres zur AfD gleich und im Tiefgang. Heute Mittag bekommen Sie dann noch einmal Post von uns: Unser neues Dossier Schattenspieler beobachtet rund um die Europawahl den Frontverlauf im Informationskrieg im Internet. Dort zeigen wir, wie die AfD mit ihrer Online-Guerilla Tiktok manipuliert. Und berichten, was die EU-Kommission dagegen tun will. Hier entlang zur kostenfreien Registrierung.


Am Sonntag ist Kommunalwahl in Thüringen. Trotz oder Abkehr von der AfD? Ab 18 Uhr werden wir es erfahren. Willkommen am Platz der Republik.

Was wichtig wird

1.

Rauswurf erster Klasse

Die Parteibasis habe „die Schnauze richtig voll“, sagt jemand aus dem Umfeld des AfD-Bundesvorstands SZ Dossier; es sei das erste Mal, dass er das wahrnehme. Die jüngsten Skandale, Ermittlungen und Streit über den Umgang führten zu Konsequenzen im eigenen Lager: Kurz davor waren alle Abgeordneten der AfD aus ihrer ID-Fraktion im Europaparlament geflogen. Ein Antrag von Fraktionschef Marco Zanni erhielt die notwendige Unterstützung, das berichtete als erste die dpa.


Wiederannäherung: Der AfD ist bewusst, dass sie ohne Verbündete im Europäischen Parlament auf verlorenem Posten steht. „Um in Brüssel politisch wirken zu können, ist ein Zusammenarbeiten mit nahestehenden Parteien unerlässlich“, heißt es in einem Statement der Parteispitze. Man sei zuversichtlich, auch in der nächsten Legislaturperiode verlässliche Partner zu haben. Wer soll das sein? Die Bild berichtet von einer „Kontaktaufnahme über Mittelsmänner“ zwischen Alice Weidel und Marine Le Pen vom französischen Rassemblement National (RN).


Dazu heißt es aus Weidels Lager, eine konkrete Anfrage an Le Pen habe es nicht gegeben – bislang, berichtet Tim Frehler. „Die Idee, dass Frau Weidel auf Frau Le Pen zugeht, finde ich persönlich gut“, sagte ihm einer aus dem Umfeld des Bundesvorstands. „Wenn man sich mit den Franzosen einigen könnte, hätte das Signalwirkung.“


Beschwichtigung und Kritik: Andere Europaabgeordnete der AfD hatten noch erfolglos versucht, dem allgemeinen Rauswurf durch den Ausschluss einzig Maximilian Krahs aus der Fraktion zu entgehen. Einen Parteiausschluss Krahs hat die AfD-Führung am Mittwoch vermieden. Stattdessen nun Kritik an den rechten Partnern: Im Interview mit dem Deutschlandfunk erklärte Stefan Keuter, stellvertretender Fraktionschef der AfD im Bundestag, hinter Le Pens Bruch mit der AfD stehe auch ihr Wunsch, „nach der Macht zu greifen“ – bei der Präsidentschaftswahl in Frankreich 2027.


Er sei froh, dass die AfD auf „eine so wachsweiche Linie“ wie die des RN nicht einschwenke. Als Attacke auf die Französin wolle er das nicht verstanden wissen: „Wir greifen Le Pen nicht an“, teilt er SZ Dossier mit. Man müsse berücksichtigen, „dass sie neben dem Europawahlkampf ihren eigenen Wahlkampf in Frankreich führt“.

2.

Umfrage zur Europawahl: Union gewinnt, Junge wählen grün

Wäre am Sonntag schon Europawahl, lägen CDU/CSU deutlich vorn, die AfD käme auf den zweiten Platz. Betrachtet man allein die ostdeutschen Bundesländer, wäre es andersherum. Das zeigt eine YouGov-Umfrage, die dem Platz der Republik exklusiv vorliegt.


BSW vor der Linken: Wenn es nach den Befragten geht, würden SPD und Grüne deutschlandweit bei 16 und 15 Prozent der Stimmen landen, FDP und Linke bei je vier Prozent. Bei der Europawahl, die in Deutschland am 9. Juni stattfindet, gibt es keine Sperrklausel. Das BSW von Sahra Wagenknecht würde laut der Umfrage sechs Prozent aller Wählerinnen und Wähler ansprechen und damit die Linke überholen. In Ostdeutschland würde das BSW relativ gesehen fast doppelt so viele Wähler erreichen wie im Westen.


Ost-West-Unterschiede: Während die AfD im Westen bei 17 Prozent landen würde, wären es im Osten 28 Prozent. Damit wäre sie in Ostdeutschland laut der Umfrage stärkste Kraft. Die repräsentative Befragung fand unter wahlberechtigten Personen zwischen dem 3. und 8. Mai statt, vor den jüngsten AfD-Skandalen.


Umfrage zur Europawahl: CDU/CSU und AfD liegen vorn
in Kooperation mitYouGov

Junge wählen grün: In der Gruppe der 16- bis 29-Jährigen landen die Grünen mit 26 Prozent auf Platz 1, danach folgen CDU/CSU und AfD mit je 18 Prozent und die SPD mit 13 Prozent. Es sind die Jüngsten und die Ältesten, also neben der angesprochenen Gruppe diejenigen über 70, die der EU am positivsten gegenüberstehen und gleichzeitig denken, die Mitgliedsstaaten sollten viel oder etwas enger zusammenwachsen.


Und sonst? Mehr als die Hälfte aller Befragten fühlt sich sehr oder eher schlecht über die EU informiert. Trotzdem stehen 60 Prozent der EU allgemein positiv gegenüber, während 29 Prozent die EU eher negativ assoziieren. Beim Interesse zeigt sich ein gemischtes Bild: 53 Prozent interessieren sich eher oder sehr stark für Europa und die EU, 41 Prozent sehr oder eher schwach.

3.

Drohnen über dem Bundestag

„Der Bundestag und seine Liegenschaften sehen sich ernstzunehmenden Bedrohungen ausgesetzt – auch aus der Luft“, sagte Konstantin von Notz (Grüne), Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums, SZ Dossier. Erst Anfang des Monats steuerte ein polizeibekannter Mann eine Drohne mit Russlandflagge minutenlang über den Reichstag. Ein solcher Vorfall hätte etwa bei einer bewaffneten Drohne deutlich schlimmer ausgehen können, schreibt Gabriel Rinaldi. Wie schützt sich das Parlament?


Fliegen verboten: Im Bereich des Bundestags, genauer gesagt in einem Radius von 5,6 Kilometer rund um den Reichstag, gilt die Flugverbotszone ED-R 146. In einem engeren Radius von 1,85 Kilometer, in der sogenannten inneren nautischen Meile, gilt ein absolutes Flugverbot. Drohnen benötigen dort eine Sondergenehmigung des Bundesamtes für Flugsicherung.


Im Austausch: Die Bundestagsverwaltung teilte mit, alle Behörden, die Gebäude und Personen im Regierungsviertel schützen, seien in einem „engen, institutionalisierten und vertrauensvollen Austausch zum Thema Drohnen.“ Zuständig für den Luftraum ist die Berliner Polizei, auch für den über den Liegenschaften des Bundestags.


Elektronische Störeinheiten: Trotzdem kommt es immer wieder zu Verstößen. Auf die Frage, wie man die Einhaltung des Flugverbots sicherstelle, sagte eine Polizeisprecherin, die Polizei schütze den Luftraum anlassbezogen und überwache ihn sowohl personell als auch mit technischen Mitteln. „Die Polizei Berlin verfügt über entsprechende Technik zur Detektion, Verifikation sowie zur Abwehr von Drohnen, hierzu gehören unter anderem auch elektronische Störeinheiten“, sagte sie.


Schnelle Reaktion? Ob diese Technik auch vor Ort stationiert sei, etwa in Polizeifahrzeugen am Reichstag, wollte die Polizei aus Sicherheitsgründen nicht sagen. Auch Angaben zur Reaktionsgeschwindigkeit bei Verstößen seien geheim. Bei „unkooperativen Drohnen“ könne die Berliner Polizei Netzpistolen einsetzen. Bisher, sagte die Sprecherin, wurden aber noch keine Waffen gegen Drohnen eingesetzt.

curvy divider

Tiefgang

Wo die Brandmauer längst gefallen ist

Die AfD ist zu radikal für Marine Le Pen und Matteo Salvini: Das ist der einfache Grund für den Ausschluss der AfD-Abgeordneten aus der bislang gemeinsamen Fraktion im Europaparlament.


Die „Reihe von Vorfällen, an denen Herr Maximilian Krah und damit auch die deutsche Delegation der Gruppe beteiligt waren“, heißt es in dem Beschluss, hätten „dem Zusammenhalt und dem Ruf der Gruppe geschadet“. Die Entscheidung wenige Wochen vor Ende der laufenden Wahlperiode schafft die ersten faits accomplis für die nächste. Sechs Beobachtungen.


Weiter, immer weiter nach rechts: Die fortschreitende Radikalisierung der AfD spiegelt sich in der Geschichte ihrer Fraktionszugehörigkeit: 2014 begann sie in der (damals) konservativen EKR, wechselte dann zur EFDD der Brexit-Partei Ukip. Seit 2019 hatte sie in der radikal rechten ID eine Heimat. Nun ziehen die Franzosen, die dort den Ton angeben, eine Brandmauer ein und die AfD droht dahinter allein zu bleiben – als eine zahlenmäßig nicht unbedeutende Gruppe, aber ohne den Fraktionsstatus, der Ämter, Redezeit und Geld bringt.


Definiere radikal: Im Mitte-rechts-Lager hat es sich durchgesetzt, die harte Rechte erst rechts der EKR beginnen zu lassen (wiewohl sich dort die Postfaschisten von Giorgia Meloni und die nationalistische polnische PiS tummeln, die zum Rechtsstaat ein spezielles Verhältnis hat). So hält im Europaparlament die Erzählung von der Brandmauer oder dem cordon sanitaire – die der Wirklichkeit in Europas Politik kaum mehr entspricht.


Von wegen Brandmauer: In den Niederlanden macht sich die PVV von Geert Wilders daran, die nächste Regierung anzuführen. In Italien, selbst wenn wir der Definition folgen, wonach Meloni keine extrem Rechte ist – ist die Lega von Matteo Salvini daran beteiligt; sie stellt die größte nationale Delegation in der ID. In Österreich die FPÖ, in drei spanischen Regionen Vox, die Liste der mitregierenden Rechtsparteien wächst. In Frankreich und Deutschland sieht das anders aus – aus sehr unterschiedlichen Gründen.


Frankreich first: Marine Le Pen hat sich dafür entschieden, den RN als normale Partei darstellen zu wollen. Die Reise der AfD geht in die andere Richtung. Nicht nur in der deutschen Debatte, auch international, auch in Frankreich, ist eine Zusammenarbeit zu einer deutschen Rechtsaußen-Partei ein Makel, auch daher die Distanznahme: Die AfD ist trotz ihres erwartbar ordentlichen Ergebnisses zu giftig für den RN: Le Pen will 2027 die nächste französische Präsidentin werden. Einfluss im Europaparlament 2024, den eine AfD-Delegation mehren würde, ist dem untergeordnet.


Konkurrenz und Interessen: Europas Rechtsparteien haben ideologische Unterschiede; das Verhältnis zu Russland ist wohl der wichtigste. Das heißt nicht, dass sie die Differenzen nicht irgendwann überwinden. In der Praxis wird der vorhergesagte scharfe Rechtsruck im nächsten Europaparlament gebremst durch die Unfähigkeit, eine große Rechtsaußenfraktion zu gründen. Das werde sich ändern, sagte ID-Spitzenkandidat Anders Vistisen Euronews – wenn auch „vielleicht nicht nach dieser Wahl“.


Die Frage treibt einen Keil in andere Fraktionen: Emmanuel Macrons EU-Listenführerin Valérie Hayer warf die Frage auf, ob es sich mit der Mitgliedschaft in der liberalen Renew-Fraktion vertrage, der Regierung Wilders anzugehören, wie die niederländischen VVD das plant. Sie bekam Widerspruch vom Fraktionskollegen Morten Løkkegaard von Venstre aus Dänemark: Eine „schwierige parlamentarische Situation“ in Den Haag werde „für die französische Innenpolitik ausgenutzt“, klagte er und berief sich auf seine älteren Rechte: Wenn Hayer „und die anderen Proselyten“, die erst vor wenigen Jahren neu zu den EU-Liberalen stießen, „den Geruch in der Backstube nicht mögen, dann können sie ja gehen.“

Fast übersehen

4.

Führe die Bank nicht in Versuchung: Künstliche Intelligenz kann die Evidenzbasis für Entscheidungen erweitern – das ist aber nicht immer gewollt. Im Bankensektor etwa könne sie die Versuchung verstärken, Menschen in Risikogruppen einzuteilen, sagte Bafin-Chef Mark Branson SZ Dossier. „Wir müssen daher immer aufpassen, dass KI nicht beginnt, nach unerlaubten Kriterien wie zum Beispiel dem Geschlecht zu unterscheiden“, sagte Branson.


Zielkonflikte: „KI-Regulierung ist ein Balanceakt“, sagte Branson. „Wir sollten Innovationen nicht beschneiden, müssen Risiken aber minimieren.“ Die Technologiewelt sei geprägt vom Gedanken: „Move fast and break things.“ Erst mal was programmieren – und „danach versucht man, alles wieder einzufangen, was man verursacht hat“, sagte Branson meinem Kollegen Matthias Punz vom Dossier Digitalwende.


Neue Herausforderungen: Das „eigentliche Potenzial von KI“ ergebe sich aus dem immer einfacheren Umgang mit riesigen Datenmengen. „Als Regulierungsbehörde ist es uns wichtig, dass Entscheidungen und Vorgänge immer nachvollziehbar und erklärbar bleiben, sonst ist die Aufsicht schwierig“, sagte Branson. „Es darf zum Beispiel keine Diskriminierung beim Zugang zu Finanzdienstleistungen geben, etwa wenn KI bestimmt, ob jemand ein Konto eröffnen darf oder nicht.“

5.

Wünsche für die Tagesordnung: Zuletzt sang Hendrik Wüst gestern das Solo im Chor der Ministerpräsidenten, die den Bund zum Handeln in Sachen Wetterschäden aufforderten: Eine Elementarschäden-Pflichtversicherung soll erneut auf die Tagesordnung ihrer nächsten Konferenz mit dem Bundeskanzler im Juni. Die Prüfung einer Versicherungspflicht ist eine einstimmige Forderung der Länder seit dem Hochwasser 2021; es findet sich ja sonst doch immer jemand, der erfolgreich die Übernahme der Kosten durch den Steuerzahler fordert.


Schnell umverteilen! Nun ist es ein gravierender Unterschied für das Risiko etwa einer Überschwemmung und für die Lebensqualität an sich, ob man in Pankow im dritten Stock wohnt oder in einem bekannten Flutgebiet kürzlich ein Haus gebaut hat. Nicht für den SPD-Abgeordneten Johannes Fechner, der sich via dpa-Interview um den Titel des Umverteilers der Woche bemüht. Die Prämien in Risikogebieten seien teuer, sollten aber günstig sein. Fechner sprach sich für eine gesetzlich festgelegte Prämie (nur einen „maßvollen Aufschlag“) aus, die dafür aber jeder bezahlen soll. „So werden die Risiken von Klimaschäden solidarisch von sehr vielen Schultern getragen.“


„Solidarität“ vs. Steuerungswirkung. Es ist halt so: Wo die Versicherung sehr teuer ist, ist das Risiko vielleicht zu groß.

6.

Zum Abschied eine Klage: Ulrich Kelber geht nicht, ohne einen letzten, sehr deutschen Konflikt zwischen Datenschutz und Sicherheit bis ans Bundesverwaltungsgericht zu eskalieren. Der scheidende Bundesbeauftragte für Datenschutz verklagt den Bundesnachrichtendienst, wie er gestern mitteilte.


Einsicht verwehrt: Es geht um die Überwachung „nicht-deutscher Personen im Ausland“, hat die SZ herausgefunden; auch um deren Daten und Rechte sorgt sich Kelber freilich arg. Und ums Rechthaben: Er bemängelte, dass seine Beschwerde wegen verweigerter Akteneinsicht unberücksichtigt geblieben sei.

Für Sie gelesen

In „Das Grundgesetz. Die Verfassung unserer Demokratie“ (dtv) beschreibt der Historiker Peter Zolling nicht nur, wie das Grundgesetz entstanden ist, sondern auch, wie es sich stets weiterentwickelt hat. Das Buch, erstmals 2009 erschienen, wurde zum 75. Geburtstag überarbeitet. Gabriel Rinaldi hat es für Sie gelesen.


Die Krisen der vergangenen Jahre hätten sich nicht direkt auf die Verfassung ausgewirkt, „aber Auswirkungen auf das Verfassungsverständnis haben die globalen Brandherde mit ihren oft dramatischen Folgeeffekten sehr wohl“, schreibt Zolling. Nichts habe das Grundgesetz so unter Druck gesetzt wie die Pandemie, keineswegs sei es dabei aber außer Kraft gesetzt worden. Vielmehr hätten unabhängige Gerichte Politik kontrolliert, Gewaltenteilung, wie vorgesehen.


Zolling zeichnet nach, wie der Parlamentarische Rat vom Zoologischen Museum Koenig in Bonn aus das Grundgesetz und damit die Bundesrepublik erfand; er geht die 19 Grundrechtsartikel durch, ordnet sie in aktuelle Entwicklungen ein und blickt am Ende der 224 Seiten in die Zukunft.


Die sachliche und unterhaltsame Abhandlung über das, was unsere Demokratie zusammenhält, enthält eine Warnung: Das Grundgesetz, schreibt Zolling, gerate zunehmend ins Fadenkreuz von Demokratiefeinden. Die neuen Nazis wollten und würden auch, wenn man sie nicht daran hindert, gegen die Verfassung handeln.

Zitat des Tages

Die chinesischen ‚Militärübungen‘ in der Straße von Taiwan sind keine spontane Reaktion, sondern waren offensichtlich von langer Hand vorbereitet. Sie sollen nicht nur die Menschen in Taiwan, sondern auch die internationale Gemeinschaft bedrohen und einschüchtern.

Grünen-Außenpolitikerin Agnieszka Brugger auf X

Zu guter Letzt

Um 21:42 Uhr verkündete die Polizei Berlin über Lautsprecher, dass die „Maßnahmen im Haus“ beendet seien. Gemeint war das Institut für Sozialwissenschaften der Humboldt-Universität (HU), wo laut Polizeiangaben rund 150 Aktivistinnen und Aktivisten das Gebäude besetzt, dann teils freiwillig, teils eingeladen durch die Polizei, verlassen hatten. Gabriel Rinaldi war dort und berichtet.


Vorher, nachher, eh egal: Die HU hatte die Besetzung bis 18 Uhr geduldet und schlecht erklärt, warum (Donnerstag, Feierabend, Arbeitszeiterfassung?) danach etwas anderes gelten solle. Am Abend pries ein HU-Professor die ruhige Stimmung, eine „ausgezeichnete Redeführung“ und sich selbst für ein großes Herz und intellektuelle Weite: Palästinensische Studierende hätten sich nach dem Terroranschlag der Hamas am 7. Oktober schließlich „alleingelassen“ gefühlt.


Take that, common sense: Umgekippt sei die Situation, als die Polizei eine Demonstration auf der Straße geräumt habe, sagte der Professor. Die HU-Leitung äußerte sich ähnlich. Das Leiden jüdischer Studierender habe sie „auch vor Augen“, sagte HU-Präsidentin Julia von Blumenthal. „Mir ist es wichtig, in diesem Moment dabei zu sein, bei den Studierenden und ihnen zu zeigen, dass ich auch ihre Präsidentin bin“, sagte sie, die Präsidentin auch derer, die im Gebäude antisemitische Schmierereien und rote Hamas-Dreiecke hinterließen.


Sie sollten um einen hohen Preis geschützt werden. Die Entscheidung, die Besetzung zu beenden, sei „von ganz oben im Senat“ gekommen, in Übereinstimmung mit dem Regierenden Kai Wegner (CDU), sagte die Präsidentin. Dem habe sie Folge geleistet. Erst dann betrat die Polizei das Institut. „Ich bedauere sehr, dass es nicht möglich war, eine Verständigung zu erreichen“, sagte von Blumenthal.


Grober Undank: Sie habe den Eindruck gehabt, der Dialog sei ein „guter Schritt“ gewesen. Die Aktivisten riefen ihren Schutzengeln von der HU zu, sie sollen sich was schämen.


Vielen Dank! Ans Team am Platz der Republik in Berlin und Corinna Melville in Adelaide für Recherche und Beiträge, Spätschichten und Schlussredaktion, den Einsatz und den Spaß daran die ganze Woche lang.

Feedback
Wir freuen uns über Ihre Meinung zum SZ Dossier.
author image
Email Icon

Florian Eder

Leiter SZ Dossier

author image
Email Icon

Valerie Höhne

Leitende Redakteurin