Werden die Staatsleistungen an die Kirche abgeschafft?
Süddeutsche Zeitung Dossier
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Mittwoch, 29. Mai 2024
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Von Valerie Höhne

mit Tim Frehler und Gabriel Rinaldi

Schnelldurchlauf:

Frankreich und Deutschland zeigen demonstrative Einigkeit +++ Als die Union die Atomaufsicht ignorierte +++ Letzte Chance für Lauterbachs Krankenhausreform? +++ Mitten in Berlin: Ein Tunnel der Hamas +++ EU plant offenbar Terrorlistung der Revolutionsgarden +++ FDP kritisiert SPD-Friedenswahlkampf



Guten Morgen. Heute tagt das Kabinett. Die SPD darf sich freuen, denn das Rentenpaket II wird nach FDP-Widerständen endlich beschlossen. Eine Wende zu einer echten Aktienrente, wie sie der FDP vorschwebt, konnten wir aber nicht erkennen. Johannes Vogel, FDP-Vize und Anstifter der Rentenrebellion, sagte SZ Dossier, das Generationenkapital sei trotzdem eine „historische Weichenstellung“. Als Fraktion habe man aber „Fragen“ an Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD).


Im Parlament dürfte also noch ein wenig gestritten werden. Vielleicht auch hierüber: Die Bundesregierung will die unterirdische Speicherung von Kohlendioxid erlauben, hauptsächlich zur See, zudem sollen Transporte vor allem ins nordeuropäische Ausland erleichtert werden. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) stellt das Gesetz heute Vormittag vor dem Bundeskanzleramt vor. Seine Fraktion war – früher zumindest – dagegen. Und heute?


Herzlich willkommen am Platz der Republik.

Was wichtig wird

1.

Gemeinsame Papiere gleich gemeinsame Haltung?

„Wir sind uns völlig einig“, sagte Kanzler Olaf Scholz (SPD) gestern in Meseberg bei der Pressekonferenz mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron, „die Unterstützung der Ukraine bleibt unser zentrales gemeinsames Anliegen“.


Mindestens im Ton unterschiedlich: Als sie gefragt werden, ob die Ukraine mit westlichen Waffen auf russisches Territorium schießen dürfe, sagte Macron, Frankreich wolle eine Eskalation verhindern – Russland aber habe seine Vorgehensweise verändert. Macron hält eine Karte in die Kamera, sie zeigt die Front. Wenn Orte wie Charkiw verteidigt werden müssten, müsse es der Ukraine erlaubt sein, „diese Orte anzugreifen, in Russland, von denen auf die Ukraine geschossen wird“. Scholz sagte, die Ukraine sei angegriffen worden und dürfe sich verteidigen. Es müsse sich aber im Rahmen des Völkerrechts bewegen. Er blieb damit vage. Laut Einschätzung von Völkerrechtlern darf die Ukraine Russland angreifen, so lange keine zivilen Einrichtungen das Ziel sind.


Gemeinsame Strategie: Die Bundesregierung und die französische Regierung haben beim gemeinsamen Ministerrat eine „Agenda zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und des Wachstums in der Europäischen Union“ verabschiedet. „Europa wird in den kommenden fünf Jahren eine neue wirtschaftliche Dynamik brauchen“, heißt es im Papier, Unternehmen unter anderem in den Bereichen Künstliche Intelligenz, Luft- und Raumfahrt, Biotechnologie und Chemikalien müssten von der EU gefördert werden. Einen „Investitionsschock“ brauche es, sagte Macron auf der Pressekonferenz.


Noch mehr Unité: Der deutsch-französische Sicherheitsrat war einig, dass die Länder der EU zu einem „wahren geopolitischen Akteur und Garanten für Sicherheit werden, der auf die heutigen sicherheitspolitischen Herausforderungen reagieren und die internationale Ordnung stärken kann“.

2.

Déjà-vu für die Union

Wurde die Atomaufsicht übergangen, als es um längere Atomlaufzeiten ging? Ja – schon 2010. Michael Bauchmüller berichtet, dass es damals unter CDU-Umweltminister Norbert Röttgen Vorbereitungen für längere Laufzeiten gab. Bei diesen Vorbereitungen wurde das Referat für Atomaufsicht und nukleare Sicherheit jedoch übergangen, berichtet Bauchmüller. Diese Arbeitsgruppe äußerte damals in Vermerken schwerwiegende Vorbehalte und warnte vor einem „erheblichen Sicherheitsrückschritt“.


Was war 2022 anders? Die Unionsfraktion hat jetzt, 2024, den Aktenmarathon gestartet und durchforstet derzeit 137 Schriftstücke aus dem grün geführten Bundesumweltministerium. Sie will herausfinden, ob die Atomaufsicht wirklich so neutral und unabhängig war, wie sie sein sollte, als 2022 über längere Laufzeiten für die verbliebenen Atomkraftwerke beraten wurde. Ihre interne Notiz: „Hieran bestehen erhebliche Zweifel.“ Ihr Vorwurf: Beamte hätten sich voreilig auf den Atomausstieg festgelegt – und das inmitten der Energiekrise. Einen großen Skandal hat der Ermittlungseifer der Union bisher aber nicht zutage fördern können.


Vergessener Vorgang: 2010 griffen die Beamten von RS I 3 schließlich zum äußersten Mittel und remonstrierten faktisch gegen die vorgelegten Gesetzentwürfe. Die Ereignisse gerieten nach dem Fukushima-Unglück schnell in Vergessenheit, als die Regierung, wohlgemerkt aus Sicherheitsgründen, den Atomausstieg entschied.

3.

Lauterbachs letzte Chance?

Es könnte „die vielleicht letzte Chance“ für Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sein, „die Krankenhausreform in einem vernünftigen Rahmen umzusetzen“. Zumindest sieht das Henriette Neumeyer, stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft, so. Lauterbach müsse dazu aber seine„Konfrontationspolitik“ beenden. Gelegenheit dazu besteht heute, wenn sich Vertreter von Bund und Ländern sowie die Gesundheitspolitiker der Ampel zu einer weiteren Runde treffen, um ein Projekt zu besprechen, das eigentlich alle wollen, aber bei dem sich gleichzeitig alle in den Haaren liegen.


Worum geht’s? Einerseits um die Art und Weise wie Krankenhäuser finanziert werden: Die Reform sieht – zumindest in Teilen – eine Abkehr vom Prinzip der Fallpauschalen vor. Stattdessen sollen Vorhaltebudgets eingeführt werden, Krankenhäuser sollen also auch für angebotene Leistungen bezahlt werden. Lauterbachs Plan sieht vor, die Häuser in „Leistungsgruppen“ einzuteilen und dafür Kriterien zu entwickeln. Nur wer sie erfüllt, soll die Leistungen erbringen dürfen. Damit sollen sich Kliniken spezialisieren, es dürfte dadurch aber auch weniger Häuser geben.


Wie ist der Stand? Das Bundeskabinett hat Lauterbachs Pläne bereits verabschiedet, nun sind die Parlamentarier an der Reihe. Vor allem die Bundesländer kritisieren das Vorgehen des Ministers aber scharf. Der Gesetzentwurf sei ohne die Länder verfasst worden. Sie fordern eine Auswirkungsanalyse und die Sicherung kleiner Kliniken im ländlichen Raum. Doch keiner der Punkte wurde aufgenommen. Die schleswig-holsteinische Gesundheitsministerin Kerstin von der Decken (CDU), derzeit Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz, setze sich nun dafür ein, dass diese Forderungen „im nun eingeleiteten parlamentarischen Verfahren Berücksichtigung finden“, sagte sie SZ Dossier.


Wie geht’s weiter? „Alle Anliegen der Länder“ sollen auf der Grundlage ihres Papiers nun heute diskutiert werden, sagte ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums. Lauterbach hat sein Gesetz so ausgestaltet, dass es im Bundesrat nicht zustimmungspflichtig ist, die Länder also weniger Einfluss nehmen können. Bayern droht deswegen mit einer Verfassungsklage. So weit will von der Decken nicht gehen. „Eine Einigung bis zur Verabschiedung des Gesetzes wäre deutlich besser als eine Klage“, sagte sie. Man wolle ja „eine gute Reform auf den Weg bringen“.

4.

Im Tunnel der Hamas

Leid lässt sich nicht gegeneinander aufwiegen. Kinder, die schreiend vor Zelten stehen, in denen ihre Eltern und Geschwister verbrennen, wie nun nahe Rafah geschehen, sind nicht zu rechtfertigen. Gestern sollen bei Angriffen erneut 30 Menschen getötet worden sein. Kinder, die schreiend in ihren Häusern stehen, in denen ihre Eltern und Geschwister ermordet wurden, sind ebenfalls nicht zu rechtfertigen.


Mehr als 100 Geiseln im Gazastreifen: Auf dem Bebelplatz in Berlin hat die Stiftung „For Yarden“ gemeinsam mit den Familien der Geiseln und der israelischen Politikberaterin Melody Sucharewicz einen Tunnel der Hamas nachgebaut und ihn symbolisch zum „Platz der Hamas-Geiseln“ umbenannt. Es ist dunkel, aus einem Lautsprecher kommen Schreie. Läuft man durch, soll man für einen kurzen Moment nachempfinden, wie es sein muss, dort gefangen zu sein. Noch immer befinden sich mehr als 100 Geiseln in der Gefangenschaft der Hamas. Vor wenigen Tagen haben Familienmitglieder von sieben weiblichen Geiseln Videos vom 7. Oktober veröffentlicht, auf denen zu sehen ist, wie die Frauen, blutüberströmt, von Hamas-Terroristen abgeführt werden. Eine wurde inzwischen gerettet, eine andere getötet.


Wider- und Zuspruch: Eine Freiwillige erzählte, dass sie als Faschisten beschimpft würden, an die „Wand der Hoffnung“, die sie aufgestellt haben, würden manchmal antisemitische Nachrichten geschmiert, manchmal würden sie abends von pro-palästinensischen Aktivisten verfolgt. Dabei äußerten sie sich nicht politisch. Ihr einziges Interesse sei, die Geiseln zu befreien. Es gebe aber auch viel Zuspruch, viele Menschen seien ergriffen, müssten weinen. Immer wieder würden auch Betroffene vorbeikommen. Am Montagabend zum Beispiel eine Gruppe junger Israelis, einer von ihnen erzählte, unter den Geiseln sei auch einer seiner Freunde. Der Bebelplatz ist ein historischer Ort. Die Nationalsozialisten haben hier Bücher verbrannt. Als Zeichen haben die Freiwilligen eine Bücherkiste von Carmel Gat, einer der Geiseln, die noch immer verschollen ist, auf den Platz gestellt.

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Tiefgang

Werden die Staatsleistungen an die Kirche abgeschafft?

Die katholische Kirche hat zum Katholikentag nach Erfurt geladen, „Zukunft hat der Mensch des Friedens“ ist das Leitwort. Es soll eine Hoffnungsperspektive sein. Doch welche Zukunft erwartet die Kirche? Erfurt bietet – sollte sich am gesellschaftlichen Gefüge nicht radikal etwas ändern – vielleicht eine passende Perspektive. Nur 7,6 Prozent der Menschen in Thüringen gehören der katholischen Kirche an. Die Mitgliederzahlen sinken bundesweit, laut dem Datenportal Statista treten die meisten Menschen wegen der Kirchensteuer oder der Missbrauchsskandale aus. Weniger Mitglieder bedeuten weniger Geld. Das dürfte schon in naher Zukunft zum Problem werden. Und dann gibt es noch ein anderes: die Staatsleistungen.


Kurze Begriffserklärung: Die Staatsleistungen, das ist Geld, das 14 Bundesländer jährlich aus allgemeinen Steuereinnahmen an die Kirchen überweisen, als Entschädigung für die Säkularisierung im Jahr 1803, als der Staat der Kirche viel Vermögen nahm. Diese Staatsleistungen sind ein Provisorium, das nie abgeschafft wurde, denn obwohl im Grundgesetz steht, dass die Staatsleistungen durch „Landesgesetzgebung“ abgelöst wurden, ist seitdem nichts passiert. Rund 618,4 Millionen Euro werden die Länder dieses Jahr deswegen an die Kirchen überweisen. Verglichen mit den Einnahmen aus der Kirchensteuer ist das wenig, rund 13,06 Milliarden Euro zahlten die Kirchenmitglieder laut Statista 2022.


Konstantin von Notz, religionspolitischer Sprecher der Grünen und Vize-Fraktionsvorsitzender, sagt, es sei „ schlicht problematisch, wenn seit 75 Jahren in der Verfassung steht, diese Leistungen gehörten abgelöst und nichts passiert“. Die Ampelkoalition will die Staatsleistungen reformieren und sie durch eine einmalige Zahlung ablösen. Laut von Notz aber nicht, um den Kirchen zu schaden. Im Gegenteil.


„Das gesellschaftliche Klima wandelt sich, teilweise zuungunsten der Kirche. Wenn einzelne Länder einfach entscheiden würden, nicht mehr zu zahlen, dann müssten die Kirchen für das Geld klagen. Ob sie vor Gericht Recht bekämen, weiß man nicht“, sagt von Notz. Dazu kommt der Eindruck: Die Kirche klagt auf Geld, das ihr zwar zusteht, sich aber einer Mehrheit der Bevölkerung kaum mehr erschließt. Warum muss der Steuerzahler die Kirchen für etwas entschädigen, das mehr als 220 Jahre her ist? Das ist für viele nicht nachvollziehbar – trotz des gesellschaftlichen Engagements der Kirchen, der Kitas, Krankenhäuser und karitativen Einrichtungen, die sie betreiben.


Als vor wenigen Wochen Markus Söder (CSU) beim Papst war und ihm nach eigenen Angaben sagte, das Thema sei „vom Tisch“, das sei unter den Bundesländern „so intoniert“, war das aus Ampel-Sicht nicht die Aufmerksamkeit, als die Söder die Ankündigung verkaufen wollte. „Das zur Schau getragene Verhalten Söders ist ein vergiftetes Geschenk für die Kirchen, ignoriert den Verfassungsauftrag und ist bestenfalls Symbolik“, sagt von Notz. „Jetzt wäre Zeit für eine faire Ablösung, die den Ländern und den Kirchen Spielraum gibt, gute Regelungen auszuhandeln“, sagt er. „Alle wissen, die Spielräume in den Landeshaushalten sind eng. Die Frage nach der Nicht-Fortzahlung beziehungsweise einer Reduzierung der Gelder kann jederzeit auch in Bayern kommen.“


Es wäre folglich im Interesse der Kirchen, eine Ablösung jetzt zu beschließen. Laut Berechnungen in einem Gesetzentwurf aus Oppositionszeiten von FDP, Grünen und Linken müsste die einmalige Ablösesumme das 18,6-Fache der jährlichen Zahlung betragen. Rund elf Milliarden Euro also, die die Länder flexibel abbezahlen könnten, auch in Raten.


Übrigens: Nicht nur der Staat ist für die Ablösung von Staatsleistungen. Martin Grichting, Schweizer Kirchenrechtler und Priester, schrieb in einem Gastbeitrag für die Welt, die Kirche erniedrige sich durch die Staatszahlungen „zu einer Vorfeldorganisation der herrschenden politischen Kräfte“. Sie verweltliche sich „mit dem Ziel, ihre finanziellen Privilegien zu erhalten“.


Die Ampel hat in ihren Koalitionsvertrag geschrieben, sie wolle das Grundsätzegesetz zur Ablösung der Staatsleistungen „im Dialog mit den Ländern und den Kirchen“ schaffen. Das muss sie aber nicht. Das Innenministerium teilt mit, eine Arbeitsgruppe von Bund, Ländern und Kirchen habe bis Januar 2023 getagt. „Die zentralen Fragen der Ablösung, unter anderem die Frage der Höhe des Ablösebetrags, werden weiterhin auf politischer Ebene erörtert“, sagt ein Sprecher SZ Dossier.

Fast übersehen

5.

Terrorlistung für Revolutionsgarden? Die Deutsche Presse-Agentur berichtet, Deutschland und mehrere EU-Staaten wollen die iranischen Revolutionsgarden als Terrororganisation einstufen. Der juristische Dienst des Rates der EU hat demnach bestätigt, dass ein deutsches Urteil als Grundlage für eine EU-weite Listung dienen könnte. In Brüssel war bis zuletzt bezweifelt worden, ob das Urteil die Voraussetzungen erfüllt. Aus dem Auswärtigen Amt hieß es, man befürworte „die Listung der Revolutionsgarden unter dem EU-Anti-Terror-Sanktionsregime“. Nur müsse dies „rechtssicher möglich sein“. Es liefen nun EU-interne Abstimmungsprozesse.


Welches Urteil? Das Urteil, auf dem die Terrorlistung beruhen könnte, ist das des Oberverwaltungsgerichts Düsseldorf, das einen von einer staatlichen iranischen Stelle geplanten Brandanschlag auf eine Synagoge in Bochum festgestellt hatte. Angesichts dieser Einschätzung unterstützen wohl mehrere EU-Länder die Einleitung der notwendigen Schritte im EU-Rat. Sie müsste einstimmig beschlossen werden.

6.

Für die AfD ist heute die Stadtratssitzung in Essen wichtig: Genauer gesagt Tagesordnungspunkt 5.a. Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) will verhindern, dass die AfD ihren Parteitag Ende Juni in der Grugahalle abhält und bringt einen entsprechenden Antrag ein. Die AfD soll demnach eine Selbstverpflichtung abgeben und versichern, dass etwa „die Verwendung und Verbreitung von strafbaren Äußerungen“ durch Teilnehmer oder Besucher verhindert wird, gemeint ist etwa die SA-Parole „Alles für Deutschland".


Hohe Strafen als Mittel des Ausschlusses: Jeder Verstoß gegen diese Vorgabe führe laut Antrag zu „einer Vertragsstrafe in Höhe von bis zu 500.000 Euro“. Sollte die AfD diese Erklärung nicht bis zum 4. Juni abgeben, soll der Mietvertrag mit der Partei gekündigt werden. Wie es aus Kreisen der Stadtverwaltung heißt, sei man optimistisch, dass der Antrag eine Zustimmung findet. Im Fall einer Kündigung will die AfD rechtlich dagegen vorgehen. Zuerst hatte Focus Online darüber berichtet.

7.

Kontroverse um Buchmesse: Der italienische Anti-Mafia-Journalist Roberto Saviano und einige weitere regierungskritische Autoren wie Antonio Scurati stehen nicht auf der Gästeliste des Ehrengastes Italien für die Frankfurter Buchmesse. Das Vorgehen der Regierung sorgt für Kritik, schreibt Gabriel Rinaldi.


Saviano darf kommen: Mauro Mazza, Sonderbeauftragter Roms für den Buchmesse-Auftritt, erklärte in Frankfurt, dass Saviano nicht eingeladen wurde, „weil wir zum einen denen eine Stimme geben wollten, die bisher keine hatten“. Andererseits sei ein Kriterium, dass die Werke der Autoren „völlig originell“ sein sollen. Der Direktor der Buchmesse, Juergen Boos, sagte daraufhin, dass Saviano wohl als Gast seines deutschen Verlegers auf der Messe anwesend sein werde.


Zensurvorwürfe gegen Meloni: Zuletzt wurde der rechtspopulistischen Regierung Italiens vorgeworfen, in der öffentlichen Sendeanstalt Rai – von Kritikern in „Telemeloni“ umgetauft – staatliche Zensur zu betreiben. Eine Doku von Saviano etwa wurde aus dem Programm genommen. Nach Protesten wurde sie wieder ins Programm genommen. Auch Scurati, der eine Meloni-kritische Rede zum Tag der Befreiung halten sollte, wurde kürzlich von der Rai ausgeladen.

Zitat des Tages

Wir haben uns immer wieder gegen eine Bodenoffensive ausgesprochen. Die Zivilbevölkerung kann so nicht ausreichend geschützt werden.

Bundeskanzler Olaf Scholz auf X zu den Angriffen der israelischen Armee auf Rafah

Zu guter Letzt

Die SPD hat das Wort „Frieden“ in den Mittelpunkt ihres Wahlkampfs gestellt. Es hat ja einen Sinn: Frieden als Begriff, als Konzept, nicht den ganz Rechten und ganz Linken überlassen, zum Beispiel. Die Bevölkerung zu beruhigen versuchen.


Und trotzdem findet, gefühlte Wahrheit, die Hälfte der Berliner Politikblase, die Plakate irritierend. Als läge es in der Macht von Kanzler Scholz und SPD-Spitzenkandidatin Katarina Barley, Frieden zu sichern, wie es auf den Wahlplakaten zu lesen ist – als sei der Krieg nicht das Produkt der irren Gedankenwelt von Wladimir Putin.


Besonders kritisch sieht die Plakate Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Spitzenkandidatin der Liberalen. „Frau Barley taucht im Wahlkampf unter und lässt Herrn Scholz Wahlkampf auf dem Rücken der Ukraine führen“, sagte sie SZ Dossier. „Scholz und Barley tun so, als wären die, die mehr für die Ukraine tun wollen, damit sie sich verteidigen kann, FÜR Krieg. Das ist zutiefst unanständig“, sagte sie. Die SPD sieht das – naturgemäß – anders. Äußern wollte sie sich aber nicht.


Vielen Dank! Tim Frehler fürs Redigat und seine Beiträge, Gabriel Rinaldi für seine Beiträge, Michael Bauchmüller für die Recherche, und an Michelle Ostwald und Team in Sydney für Schlusskorrektur und Produktion.

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Florian Eder

Leiter SZ Dossier

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