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Nutzungsrechte erwerbenBleibt die Amtsstube bald leer?
Freitag, 7. Juni 2024Von Valerie Höhne
Guten Morgen. Was bleibt von dieser Regierungserklärung? Vielleicht die Erkenntnis, dass Olaf Scholz den Satz von Otto Schily sehr ernst nimmt, wonach „Law and Order sozialdemokratische Werte“ seien. Er kündigte härtere Strafen für Taten gegen Einsatzkräfte wie Polizeibeamte an, das Strafrecht würde „gezielt“ geschärft. Abschiebungen von Straftätern nach Afghanistan und Syrien müssten möglich sein, ziemlich egal, wer dort regiert. Man sei mit Nachbarländern im Austausch.
Vielleicht bleibt aber auch etwas hängen, das Scholz nur „ganz nebenbei“ erwähnt haben wollte: Mehr als 20 Millionen Bürgerinnen und Bürger in Deutschland hätten Einwanderungsgeschichte, sagte er. „Wir können stolz darauf sein, dass sich das auch in der deutschen Nationalmannschaft widerspiegelt. Es sind alles Deutsche. Es sind alles unsere Jungs“, sagte Scholz. Da klatschte auch die Union.
Einige Stunden später veröffentlichte der Spiegel ein Interview mit Nationalmannschaftskapitän İlkay Gündoğan, er wisse, dass es „Menschen wie mich in Führungspositionen braucht, weil es eine neue Realität in Deutschland widerspiegelt“, sagte er. „Wir sehen vielleicht anders aus, aber wir sind auch deutsch.“
In einer Woche beginnt die Europameisterschaft, ab heute kann die Bundespolizei auf Anordnung von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) Kontrollen an allen Grenzen vornehmen. Und bevor Sie uns am Montag in Ihrem Posteingang wiederfinden, wird in Europa gewählt.
Herzlich willkommen am Platz der Republik.
Was wichtig wird
Bundesweit wird heute um 11:34 Uhr des getöteten Polizisten Rouven L. mit einer Schweigeminute gedacht. Zur Bekämpfung von Terror und Gewalt hat CDU-Chef Friedrich Merz gestern der Ampel die Hand gereicht, das erste Mal seit Monaten. „Ich biete Ihnen an, dass wir diesen Weg mit den demokratischen Fraktionen unseres Hauses gemeinsam gehen und dass wir gemeinsam versuchen, die drängenden Probleme unseres Landes zu lösen“, sagte Merz nach der Regierungserklärung des Kanzlers.
Kompromissbereitschaft: Es müssten Entscheidungen getroffen werden, bevor die Probleme des Landes unlösbar würden, sagte Merz. Die Union sei aber zu Kompromissen bereit. Der Oppositionsführer wolle dabei – bei aller Meinungsverschiedenheit – „wenigstens den kleinsten gemeinsamen Nenner“ suchen. Noch Anfang des Jahres hatte Merz im Bundestag eine Zusammenarbeit mit der Ampelkoalition quasi ausgeschlossen. „Wir sind in allen wesentlichen Fragen vollkommen anderer Meinung als Sie, und zwar im Grundsatz“, sagte er damals.
Ordnung in den eigenen Reihen: Merz sprach, wie Scholz, auch über den Krieg in der Ukraine. Russlands Angriffe auf die Zivilbevölkerung in Charkiw hätten eine „neue Qualität“, die Entscheidung des Kanzlers, dass die Ukraine sich auch mit deutschen Waffen dagegen wehren dürfe, sei richtig, so Merz. Doch der Kanzler sei zu zögerlich. Damit hielt sich Merz an die eigenen Sprachregeln.
Anders als CDU-Politiker Roderich Kiesewetter, der zuletzt eine Haushaltsnotlage gefordert hatte, um der Ukraine zu helfen. Dafür bekam er, berichtet Robert Roßmann, Schelte von Merz, der ihm während der Fraktionssitzung am Dienstag sagte, er wolle keine Alleingänge mehr. Im Umfeld von Merz wurde darauf verwiesen, Kiesewetter sei in der Fraktion lediglich Fachsprecher für Krisenprävention. Zögerlichkeit bei der Führung der Fraktion kann man Merz jedenfalls schwer vorwerfen.
Laut neuestem ZDF-Politbarometer, veröffentlicht gestern Abend, kann die Union damit rechnen, in Deutschland klar stärkste Kraft bei der Europawahl zu werden. Grüne, SPD und AfD liegen in der Umfrage gleichauf auf Platz zwei mit je 14 Prozent.
Zum Umgang mit Enttäuschungen: Wahlkampf ist eine Zeit, in der Politikerinnen und Politiker aller Parteien vor allem Zuspruch hören (wollen). „Ich erlebe kontinuierlich große Zustimmung“, sagte Anton Hofreiter, Vorsitzender des Europaausschusses, SZ Dossier. Er wunderte sich nicht über die Diskrepanz zu den Umfragen: „Die Mehrheit, die zu Veranstaltungen kommt, ist eben ähnlicher Meinung wie ich“, sagte er. „Die, die nicht mit mir übereinstimmen, sagen mir das nur selten so direkt.“ Es sei deswegen manchmal schwierig, als Politiker ein Gefühl dafür zu haben, wie die Stimmung außerhalb der eigenen Echokammer sei. Daran liegt es wohl, dass jene Politikerinnen und Politiker, die schlechte Umfragewerte plagen, häufig erzählen, sie erlebten im Wahlkampf eine ganz andere, selbstredend bessere, Stimmung.
Erwartungsmanagement: Für die Grünen hieße ein Ergebnis von 14 Prozent einen deutlichen Verlust, nach den 20,5 Prozent im Jahr 2019. Die SPD hat als Ziel ausgegeben, ihre 15,8 Prozent aus 2019 wenigstens ein bisschen zu steigern. Die FDP könnte es böse treffen, die Umfragen sehen sie bei vier Prozent. Alles darunter wäre katastrophal.
Die Union hofft tiefstapelnd auf ein ähnliches Ergebnis wie 2019 (28,9 Prozent), ein paar Prozentpunkte mehr dürften es gern sein. Für das Bündnis Sahra Wagenknecht ist die EU-Wahl ein Test: In Umfragen nimmt die Partei bei einer bundesweiten Wahl die Fünf-Prozent-Hürde locker. Die AfD, in Umfragen seit den Skandalen um EU-Spitzenkandidat Maximilian Krah und Petr Bystron die Nummer zwei auf der Liste, hat Prozentpunkte verloren, liegt aber trotzdem noch bei rund 15 Prozent.
Die Überraschung des Wahlabends könnte Volt werden: Drei Prozent sagt die ZDF-Umfrage der Partei voraus – 2019 waren es 0,7 Prozent, was gerade für ein Mandat reichte.
Im vergangenen Jahr wurden mehr als 255.000 Menschen Opfer häuslicher Gewalt, fast sieben Prozent mehr als 2022. Etwa zwei Drittel der Opfer sind Frauen. Heute wird das „Lagebild Häusliche Gewalt“ von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) und Familienministerin Lisa Paus (Grüne) vorgestellt, es wird vom Bundeskriminalamt erstellt. Die Dunkelziffer wird als besonders hoch eingeschätzt, weil viele Betroffene sich nicht trauten, zur Polizei zu gehen. Zuerst hatte die Welt über die Zahlen berichtet.
Sozialverbände fordern besseren Schutz: Im Koalitionsvertrag heißt es, die Ampelkoalition wolle die „verlässliche Finanzierung von Frauenhäusern sicherstellen“. Maria Loheide, Sozialvorständin der Diakonie Deutschland, kritisierte, Opfer von Gewalt müssten teilweise einen „Eigentanteil von bis zu 50 Euro pro Tag für den Aufenthalt im Frauenhaus zahlen“. Sie forderte ein Gewalthilfegesetz, um Opfern einen „kostenfreien Zugang zu Schutz und Beratung“ zu garantieren.
FDP-Fraktionsvize fordert mehr Frauenhäuser: Der Anstieg zeige, dass „die aktuellen Schutzmechanismen kaum oder nur sehr schlecht funktionieren“, sagte die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Gyde Jensen SZ Dossier. Über Eigenanteile von bis zu 50 Euro täglich könne man „nur den Kopf schütteln“. Zu verbesserten Strukturen gehöre neben Finanzmitteln, Einrichtungen und Fachkräften eine „wesentlich bessere Zusammenarbeit zwischen den Ländern“. In Bremen und Bremerhaven beispielsweise, wo die Fälle häuslicher Gewalt im vergangenen Jahr um 34 Prozent gestiegen sind, suchten die Betroffenen eher Hilfe in Niedersachsen als in Bremen. „Das muss die Politik zwingend mitdenken“, sagte Jensen. Am Ende aber, sagten Fachleute, bräuchte es „bundesweit mehr Frauenhäuser“, in denen „Frauen sofort und rund um die Uhr Unterstützung finden“, sagte sie.
Die Deutschen lehnen einen EU-Beitritt der Ukraine mit einer hauchdünnen Mehrheit ab. 43 Prozent der Befragten sind für einen Beitritt in den nächsten fünf Jahren, also fast die Hälfte, aber eben nicht ganz, denn 45 Prozent sagen Njet. Unter den Ampel-Wählern sind die FDP-Anhänger skeptisch. Das zeigt eine neue YouGov-Umfrage für den Platz der Republik. Die repräsentative Befragung fand unter wahlberechtigten Personen zwischen dem 31. Mai und 5. Juni statt.
Streitbar in Europa: Diejenigen, die bei den vergangenen Bundestagswahlen SPD oder grün gewählt haben, sprachen sich mehrheitlich für einen Beitritt aus. FDP-Anhänger hingegen, tja, die sind zu 46 Prozent dagegen, Marie-Agnes Strack-Zimmermann zum Trotz. Keine großen Überraschungen gab es bei den Wählerinnen und Wählern von AfD (82 Prozent dagegen), aber das hätte ja auch keiner erwartet.
Gender gap: Die männlichen Befragten befürworteten den Beitritt mit 49 Prozent, während ihn 44 Prozent ablehnten – bei weiblichen Befragten war es andersherum. Nur 37 Prozent der Frauen stimmten zu, 46 Prozent lehnten ab. Interessant: Die Option „weiß nicht“ wählten 17 Prozent der Frauen, aber nur sieben Prozent der Männer.
Ok, Boomer: Während jüngere Befragte zwischen 18 und 39 Jahren einen EU-Beitritt mehrheitlich befürworteten, lehnten ihn Befragte zwischen 40 und 59 Jahren mit teils überwältigender Mehrheit ab. Die Generation 60+ befürwortete den Beitritt dann wieder mehrheitlich.
Tiefgang
Was eine Wahl zur Wahl macht, ist in Deutschland eindeutig geregelt. Allgemein, unmittelbar, frei, gleich und geheim soll sie ablaufen – so sehen es die Gesetze vor. Förderlich für die ganze Sache wäre allerdings, wenn es dabei eine Auswahl gebe. Mehrere Kandidaten, zwischen denen man sich entscheiden kann.
Wenn am Sonntag die Kommunalwahlen in mehreren deutschen Bundesländern anstehen, könnte es diese Auswahl mancherorts nicht geben, weil schlicht genügend Bewerber fehlen. Das Landesamt für Statistik in Thüringen gab etwa vor der Kommunalwahl am 25. Mai bekannt, in 91 Ortsteilen und Ortschaften würden „leere Stimmzettel“ ausgeteilt. Dort fand sich niemand, der oder die Ortsbürgermeister werden wollte. In so einem Fall können die Wähler eigene Vorschläge auf ihren Zettel schreiben. Der Landeswahlleiter aus Rheinland-Pfalz teilte vergangene Woche mit, in seinem Bundesland gebe es in 523 Gemeinden – und damit in fast einem Viertel aller Kommunen – keine Kandidaturen für das Ortsbürgermeisteramt. Drohen also bald verwaiste Amtsstuben in deutschen Ratshäusern?
Wie groß das Problem genau ist, lässt sich schwer sagen, dafür fehlen Zahlen. Alexander Handschuh, Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, sagt mit Blick auf die Bewerberfülle bei den Kommunalwahlen: „Das Angebot könnte breiter und umfangreicher sein“, sagte Handschuh, leere Gemeinderatssäle müsse man nicht fürchten. In Brandenburg ist die Zahl der Bewerber für ein kommunales Mandat sogar gestiegen. Dennoch: Die Attraktivität, kommunale Ämter zu übernehmen, sinke.
Wer wissen will, woran das liegt, fragt am besten bei Peter Gauweiler nach. Im vergangenen Sommer brachte er es bundesweit in die Schlagzeilen, weil er als Bürgermeister der Gemeinde Freisbach in Rheinland-Pfalz mitsamt Gemeinderat hinschmiss und zurücktrat. Der Gemeinde mit ihren 1200 Einwohnern fehlte das Geld, der Haushalt war im Minus, die Kommunalaufsicht wollte ihn nicht genehmigen. Die Steuern zu erhöhen, lehnte der Gemeinderat ab, es hätte den Haushalt ohnehin nicht ausgeglichen, sagt Gauweiler im Rückblick.
In so einem Fall sind es die freiwilligen Aufgaben einer Kommune, die als Erstes eingespart werden. Das sind aber wiederum jene Bereiche, in denen Kommunalpolitiker selbst entscheiden, was sie tun und wie. Dorfverschönerung? Seniorennachmittag? „Geht nicht“, sagt Gauweiler. Alles, womit man ein bisschen die dörfliche Gemeinschaft entwickeln könnte, „war weg“. Wirklich etwas gestalten, konnten er und der Gemeinderat nicht mehr. Gauweiler hätte es ruhig haben können. „Ich hätte jede Woche vielleicht zwei Rechnungen angewiesen. Mehr nicht“, sagt er. Aber wenn man nichts entscheiden kann, wofür dann Politiker sein? Also ließ er es bleiben.
Gauweiler war einer von etwa 6500 ehrenamtlichen Bürgermeistern in Deutschland, auch sie stehen am Sonntag in einigen Bundesländern zur Wahl. Eine Forsa-Studie hat sich im Auftrag der Körber-Stiftung in diesem Jahr mit ihrer Situation befasst. Knapp 90 Prozent sagten, die Unterstützung durch Bund und Land sei weniger gut oder sogar schlecht. Fast zwei Drittel sagten das auch über die finanzielle Situation ihrer Gemeinde.
Sven Tetzlaff, der bei der Körber-Stiftung den Bereich Demokratie und Zusammenhalt leitet, sieht neben dem fehlendem Gestaltungsspielraum noch einen weiteren Punkt, der es den Ehrenamtlichen schwer machte. Der Aufwand, den sie betreiben, sei so hoch, dass viele von ihnen in ihrem Hauptberuf die Stundenzahl reduzierten. Das führt zu weniger Gehalt, weniger Rentenanspruch. Um das Amt attraktiver zu machen, bräuchte es also „eine bessere finanzielle Kompensation“, sagt Tetzlaff. In diesem Bereich könnten Bund und Land sehr viel tun, sagt er, „höhere Entschädigungen, verbesserte Rentenansprüche, Steuererleichterungen“ schlägt er vor.
Auch die Vereinbarkeit von Amt und Familie sei ein Thema: Sitzungen am Abend, Feste am Wochenende, „da muss man schon ein sehr robustes Zeitmanagement haben, um diesen Dingen nachkommen zu können – gerade als Familie“, sagt Tetzlaff. Man sehe daher auch, „dass viel zu wenige Frauen das Amt wahrnehmen können“.
Dazu kommt Gewalt. 40 Prozent der befragten Bürgermeister sagten laut der Forsa-Umfrage, dass sie oder Personen aus ihrem Umfeld schon einmal aufgrund ihrer Tätigkeit „beleidigt, bedroht oder tätlich angegriffen“ worden seien. Mehr als jeder Vierte, der Anfeindungen erlebt hat, habe daraufhin darüber nachgedacht, sich aus der Politik zurückzuziehen. Seit zehn Jahren gingen die Zahlen derer, die sich ehrenamtlich als Bürgermeister aufstellen lassen, zurück, sagt Tetzlaff. Peter Gauweiler ist einer von ihnen. Er ist jetzt Pensionär. Er genieße das Leben, sagt er. Tim Frehler
Fast übersehen
Wer wann im Bundestag spricht, ist oft recht volatil. Wer sich einen Überblick verschaffen wollte, musste bislang stets die Tagesordnung auf der Website aktualisieren und das dann im eigenen Kalender nachtragen, schreibt Gabriel Rinaldi. Jannis Hutt, der im Büro von Jan Korte (Linke) arbeitet, hat deshalb in wenigen Tagen ein Programm gebaut, das genau diesen Job im Hintergrund erledigt und das Ergebnis dann als automatisierten Kalenderfeed ausspuckt, den jeder abonnieren kann.
Bald auch offiziell? Man müsse auch im Jahr 2024 noch selbst tätig werden, wenn man mehr Digitalisierung wolle, erzählte Hutt SZ Dossier. Die Bundestagsverwaltung, die einen solchen Service nicht anbietet, habe sich bereits bei ihm gemeldet. „Eine der Mitarbeiterinnen dort hat mich ein paar Tage nach Veröffentlichung kontaktiert, um sich auszutauschen und Möglichkeiten auszuloten, eine solche Schnittstelle auch von offizieller Seite anzubieten“, sagte er. Sie hätten vereinbart, sich nach der Europawahl zu treffen. Der Bundestag teilte SZ Dossier mit, man werde sich dazu demnächst austauschen.
Next steps: Er plant, künftig Filtermöglichkeiten nach Ausschuss-Zuständigkeiten zu implementieren. „Daneben möchte ich auch die Website des Bundestages nicht mit zu vielen Anfragen bombardieren“, sagte er. Schließlich sei ein solcher inoffizieller Scraper, der permament die Seite scannt, auf das Wohlwollen der Bundestags-Admins angewiesen. „Belastet er zu viele Ressourcen, könnte eine Sperre meiner IPs erwogen werden“, sagte er. Die Resonanz sei „überwältigend“ – seit Veröffentlichung wachse die Zahl der Zugriffe auf „bis zu 700 pro Stunde in den Spitzenzeiten“, Tendenz steigend. „Es gibt einen Bedarf an maschinenlesbaren Daten aus dem parlamentarischen Alltag“, sagte Hutt.
Baerbocks neuer Spitzenmann: Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) beruft nach SZ-Informationen Günter Sautter, bisher Leiter der Abteilung für Internationale Ordnung, die Vereinten Nationen und Rüstungskontrolle, zum Politischen Direktor im Auswärtigen Amt. Er folgt auf Tjorven Bellmann, die im Sommer als Botschafterin nach Kanada geht. Die Politische Abteilung 2, die Sautter leiten wird, gilt als wichtigste im Amt. Unter anderem ist sie verantwortlich für die Außenpolitik innerhalb der EU, den Beziehungen zu den USA, Russland und der Ukraine. D2, wie der Politische Direktor im Amt abgekürzt wird, berät die Außenministerin in allen außen- und sicherheitspolitischen Fragen und in Bereichen, die ihm die Ministerin zuweist.
Erste Protokollchefin: Vom Sommer an wird das Auswärtige Amt zum ersten Mal in seiner Geschichte eine Protokollchefin haben. Den Posten übernimmt Karin Marschall, die derzeit die Akademie Auswärtiger Dienst in der Villa Borsig am Tegeler See leitet, wo das Auswärtige Amt seine Diplomaten und Mitarbeiter ausbildet. Das Protokoll ist verantwortlich für den reibungslosen Ablauf von Besuchen ausländischer Gäste sowie von Auslandsreisen des Bundespräsidenten, des Bundeskanzlers und der Außenministerin sowie internationale Konferenzen.
Jobsharing bei Spitzenpositionen: Tjorven Bellmann, eine enge Vertraute Baerbocks, wird die Botschaft im Jobsharing mit ihrem Mann, dem Diplomaten Matthias Lüttenberg, leiten. Baerbock hat auch die zweite frei werdende Botschaft in einem G7-Land mit einer Frau besetzt: Petra Sigmund wird Botschafterin in Tokio. Damit steigt der Anteil von Leiterinnen der deutschen Auslandsvertretungen nach Angaben aus dem Auswärtigen Amt erstmals über die Marke von einem Drittel auf 33,6 Prozent. In der Zentrale in Berlin sind noch mehrere Führungspositionen zu besetzen, der Frauenanteil wird dort bei mindestens 45 Prozent liegen.
Kündigung ist raus: Die Stadt Essen hat der AfD den Mietvertrag für die Grugahalle gekündigt. Eine Sprecherin der Stadt bestätigte SZ Dossier gestern kurz nach 18 Uhr, die Nachricht sei an die AfD verschickt worden. Die AfD hatte zuletzt die Bezirksregierung Düsseldorf als Kommunalaufsicht eingeschaltet und die Rechtmäßigkeit des Ratsbeschlusses angezweifelt. Dadurch verzögerte sich auch die Kündigung. Die Fragen seien aber nun geklärt, es habe „seitens der Bezirksregierung keine Beanstandung“ gegeben, teilte die Sprecherin mit.
Ultimatum abgelaufen: Die AfD will in der Essener Grugahalle Ende Juni ihren Bundesparteitag abhalten. Die Stadt will das nicht, deswegen sollte die AfD versichern, dass sie „die Verwendung und Verbreitung von strafbaren Äußerungen“ durch Teilnehmer oder Besucher verhindere. Die AfD tat das nicht und hat stattdessen Anzeige gegen den Essener OB Thomas Kufen (CDU) und den Geschäftsführer der Messe Essen GmbH erstattet.
Kein weißer Rauch: „Ich trete nicht zurück“, ließ TU-Berlin-Präsidentin Geraldine Rauch gestern verlauten. Zuvor war bekannt geworden, dass 13 Mitglieder des Akademischen Senats gegen den Verbleib von Geraldine Rauch gestimmt hatten, nur zwölf waren dafür. Die Senatorinnen und Senatoren hatten Rauch bis gestern Zeit gegeben, sich selbst zu ihrer Zukunft zu äußern. Sie begründete ihre Entscheidung damit, dass der Senat keinen Abwahlantrag gestellt habe, für den eine Zweidrittelmehrheit erforderlich wäre.
Antisemitische Likes: Die TU-Präsidentin hatte mehrere – teilweise klar antisemitische – Posts auf X geliked, und sich im Anschluss entschuldigt. „An meinen Fehlern werde ich arbeiten“, sagte Rauch. „Mich haben viele Aufrufe und Stellungnahmen erreicht, die mich auffordern zu bleiben“, sagte Rauch. Genauso viele Aufrufe dürfte es auch gegeben haben, die das Gegenteil wollten. Darunter auch Friedrich Merz, der gestern im Bundestag ihren Rücktritt forderte.
Zitat des Tages
Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) über Polarisierung im Plenarsaal
Zu guter Letzt
Der Gerichtsbeschluss war eindeutig: Das staatlich finanzierte Büro für Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) gibt es nicht zurück, im Mai 2022 hatte der Haushaltsausschuss des Bundestags es gestrichen. Die Zeiten des großzügigen Staatssponsorings sind vorbei, da half auch der Verweis auf ein 55 Jahre altes Gewohnheitsrecht nichts. Nun muss Schröder Termine und Anfragen weiter über seine private Kanzlei koordinieren. Rechtskräftig ist das Urteil noch nicht, Schröder kann Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht einlegen.
Zuletzt beliefen sich die jährlichen Kosten des Büros auf rund 400.000 Euro. Der Haushaltsausschuss hatte die Streichung damit begründet, dass der Altkanzler keine nachwirkenden Verpflichtungen aus einem Amt mehr wahrnehme. Der Altkanzler war am Morgen des Urteilstages noch optimistisch. Doch als am Nachmittag das Urteil verkündet wurde, war von Schröder weit und breit nichts mehr zu sehen.
Vielen Dank! An Tim Frehler und Gabriel Rinaldi für Diskussion und Beiträge, an Paul-Anton Krüger für die Zusammenarbeit, und an Corinna Melville und Team in Australien für Schlusskorrektur und Produktion.