Was kann die UN für die Ukraine tun?
Süddeutsche Zeitung Dossier
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Mittwoch, 12. Juni 2024
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Von Valerie Höhne

mit Tim Frehler, Gabriel Rinaldi und Fabian Löhe

Schnelldurchlauf:

Selenskijs diplomatische Großoffensive +++ Wie will die CDU mit BSW umgehen? +++ FDP möchte Rentenpaket nicht zustimmen +++ CDU muss nach Cyberangriff improvisieren +++ Ampel plant Gesetz gegen missbräuchliche Anerkennung von Vaterschaften



Guten Morgen. Die Union weiß ja, wie man piesackt. Zum Beispiel den grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck. Nachdem er ein Aussetzen des deutschen Lieferkettengesetzes ins Spiel gebracht hat, gießt die Union das in einen Gesetzesentwurf. „Das am 1. Januar 2023 in Kraft getretene Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz ist mit sofortiger Wirkung außer Kraft zu setzen“, hieß es in dem Dokument, das die CDU/CSU-Fraktion gestern einstimmig beschlossen hat und SZ Dossier vorliegt.


Am Donnerstag soll der Bundestag darüber abstimmen. Zustimmen kann Habeck natürlich nicht. Obwohl er wohl Grund dazu sieht: Ab Anfang 2026 werden Unternehmen durch die Europäische Lieferkettenrichtlinie zu weitreichenderen Dokumentationspflichten, zum Beispiel bei Menschenrechten, gezwungen. „Es macht keinen Sinn, deutsche Unternehmen weiterhin mit Berichtspflichten zu belasten, wenn absehbar eine andere, gesamteuropäische Regelung in Kraft tritt“, sagte Unionsfraktionsvize Hermann Gröhe SZ Dossier.


Doch so funktionieren Koalitionen nicht. Zumal die Grünen intern mehrheitlich nicht Habecks Meinung sind, die SPD schon gar nicht. Hat der Vizekanzler sich ein Ei gelegt?


Herzlich willkommen am Platz der Republik.

Was wichtig wird

1.

Selenskijs diplomatische Großoffensive

Gestern Nachmittag war der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij in Mecklenburg-Vorpommern auf einem Spontanbesuch ukrainischer Truppen, die dort an Patriot-Systemen ausgebildet werden. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) kündigte die Lieferung von 100 weiteren Patriot-Lenkflugkörpern an, zusätzlich hunderte Drohnen und Scharfschützengewehre. Alles braucht die Ukraine dringend, „der Schlüssel für alles ist die Luftverteidigung“, sagte Selenskij am Morgen bei der Wiederaufbaukonferenz für die Ukraine in Berlin.


Was bringt die deutsche Initiative für mehr Luftverteidigung? Meine Kollegen Daniel Brössler und Paul-Anton Krüger berichten, dass möglicherweise Bewegung in die deutsche Initiative kommt. Italiens Außenminister Antonio Tajani, dessen Land am Donnerstag und Freitag den G7-Gipfel ausrichtet, hat ein Unterstützungspaket nach Berlin gebracht, das „auch etwas zur Luftverteidigung“ enthalten soll. Selenskij kommt gerade aus Frankreich, wo er bilaterale Gespräche mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron führte, der ihm Kampfjets in Aussicht stellte, und der möglicherweise nach den Olympischen Spielen Luftverteidigungssysteme abzugeben hätte. Auch aus den USA soll ein starkes Signal zur Unterstützung der Ukraine kommen. 61 Patriot-Systeme haben die Amerikaner.


Zusammenhalt zeigen: Den „Olaf“ sprach Selenskij in seiner Rede am Morgen übrigens mehrmals persönlich an, Kanzler und Präsident waren um ein Bild der Einheit bemüht. Sie können miteinander, so soll es jedenfalls aussehen. Bei seiner Rede im Bundestag reichte das nicht mehr. „Liebes Deutschland“, sagte er, „das geteilte Europa war niemals friedlich und das geteilte Deutschland niemals glücklich.“ Deutschland könne die Situation der Ukraine nachvollziehen, verstehen, warum sie so hart um ihre Gebiete kämpfe.

2.

Wie hältst Du's mit dem BSW?

Friedrich Merz dürfte sich bestätigt gesehen haben: Während Selenskijs Bundestagsrede blieben die Abgeordneten des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) der Sitzung fern. Auch von der AfD kamen nur vier Parlamentarier. „Im höchsten Maße befremdlich“ sei, dass die beiden Parteivorsitzenden Weidel und Wagenknecht „nicht anwesend waren“, sagte Merz gestern vor der Fraktionssitzung von CDU und CSU.


Hufeisen in Person: Tags zuvor hatte Merz in der ARD deutlich in Richtung BSW ausgeteilt und eine Koalition mit der Partei ausgeschlossen. „Wir arbeiten mit solchen rechtsextremen und linksextremen Parteien nicht zusammen.“ Wagenknecht sei ja beides, „in einigen Themen rechtsextrem, in anderen wiederum linksextrem“, sagte Merz.


Merz muss konkretisieren: Er habe diese Stellungnahme aus „der Sicht der Bundespolitik“ abgegeben, sagte der CDU-Chef am Dienstag. Weiter müsse man sich mit dieser Frage erst beschäftigen, „wenn es andere Ergebnisse gibt“. Von den Landesvorsitzenden gebe es dazu gegenwärtig auch keine anderen Sichtweisen.


Wirklich nicht? „Friedrich Merz hat für die Bundesebene gesprochen“, sagte der Thüringer Landeschef Mario Voigt. Der Umkehrschluss bedeutet: Für Thüringen muss Merz‘ Ansage nicht notwendigerweise gelten. In Thüringen wird am 1. September ein neuer Landtag gewählt, die Koalitionsbildung danach dürfte überaus schwierig werden. Eine Zusammenarbeit mit AfD und Linken schließt die CDU per Parteitagsbeschluss aus. Damit schwinden die Optionen für eine Koalition.


Die Devise von CDU-Landeschef Mario Voigt lautet daher: Erst einmal stärkste Kraft in Thüringen werden, dann sieht man weiter. „Wir führen als Thüringer Union keine Koalitionsdebatten“, teilte Voigt am Dienstag mit. Allerdings schloss Voigt eine Koalition mit dem BSW zuletzt nicht aus. Zu Katja Wolf, der Thüringer Spitzenkandidatin des BSW, habe er „einen vernünftigen Gesprächsfaden“, er habe die Eisenacher Oberbürgermeisterin immer „als pragmatische Kommunalpolitikerin wahrgenommen“, sagte Voigt dem Stern.


Taktisch unklug: In den Reihen des BSW hat man für die Aussagen des CDU-Chefs naturgemäß wenig Verständnis – und hält sie auch für taktisch unklug. „Ich hätte ihn für cleverer gehalten“, sagte Katja Wolf SZ Dossier. Merz demonstriere damit, dass er den Osten nicht verstanden habe: „Das mag der Ossi nicht, wenn er das Gefühl hat, so bevormundet zu werden“, sagte Wolf.

3.

FDP will dem Rentenpaket nicht zustimmen

Nach der Kabinettssitzung ist vor der Parlamentsbefassung. Nicht nur der FDP-Abgeordnete Max Mordhorst, der sich als besonders marktliberal begreift und zur Gruppe Ottos Erben gehört, will dem Rentenpaket nicht zustimmen. Der Bild hatte Mordhorst gesagt, das Paket sei „ein Tritt in die Kniekehlen aller jungen arbeitenden Menschen“. Die Position wird in der Partei breit getragen, obwohl Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner dem Paket im Kabinett zugestimmt hatte.


Noch nicht auf der Tagesordnung: Es ist noch nicht sicher, wann über die Rente im Bundestag debattiert wird, die SPD würde das Paket gern so schnell wie möglich verabschieden, aber die FDP sieht keine Dringlichkeit. In der Fraktionssitzung gestern sagte Mordhorst nach SZ-Dossier-Informationen, dass Mindestlohnverdiener nach 45 Beitragsjahren Millionäre sein könnten, wenn die aktuellen Beiträge nicht in die Rente, sondern in Aktien investiert würden.


Bündnis mit Sozialpolitikern: Auch der Sozialpolitiker Jens Teutrine kündigte an, das Paket abzulehnen. In einem Parteitagsbeschluss von Ende April heißt es, das Rentenpaket solle eine Aktienrente nach schwedischem Vorbild enthalten, was hieße, dass ein Teil der Beiträge in den Kapitalmarkt investiert würden. Geht es nach der FDP wird das umgesetzt. SPD und Grüne aber lehnen das ab.

4.

CDU muss nach Cyberangriff improvisieren

Die CDU ist in Teilen offline. Die IT-Infrastruktur sei „als Vorsichtsmaßnahme“ in Teilen vom Netz genommen und isoliert worden, hieß es in einem internen Schreiben des Bundesgeschäftsführers Christoph Hoppe und des CIOs Heinrich Rentmeister an Parteifunktionäre auf Landes-, Bezirks- und Kreisebene. Es liegt SZ Dossier vor, zuerst berichtete die Bild darüber. Die Partei befindet sich in einer IT-Ausnahmesituation und muss improvisieren. Schuld ist der Cyberangriff vor einigen Wochen.


Auswirkungen könnte das vor allem auf Versammlungen haben: Als Teil der Vorsichtsmaßnahme wurde auch die zentrale Mitgliederdatei der CDU vom Netz genommen, die sich in der Cloud der angegriffenen „Union Betriebs-GmbH“ (UBG) befinden soll. Auf die Daten kann also nicht zugegriffen werden. Ab sofort, heißt es in dem Schreiben, sollen Mitglieder- oder Delegiertenversammlungen nur noch dann stattfinden, „wenn diese aus zwingenden Gründen erforderlich sind“.


Großzügigere Fristen: Vor allem für Aufstellungsversammlungen, etwa für die Bundestagswahl, sollen die Einreichungsfristen „großzügiger als möglicherweise bislang“ genutzt werden. Es könne bei „besonderer Betroffenheit“ auch eine Fristverlängerung für die Abgabe von Rechenschaftsberichten gewährt werden. Laut Bild forderte Hoppe im CDU-Vorstand am Montag die Versammlungen zur Wahl der Bundestagskandidaten hinauszuzögern, bis wieder sicher auf die Mitgliederdaten zugegriffen werden könne.


Immerhin: Die Aufnahme von Neumitgliedern ist trotz der Probleme noch möglich. Wer keine Sicherungskopie seiner Mitgliedsdaten gespeichert hat, muss sie bei der Unions Betriebs-GmbH anfragen. „Angesichts des damit verbundenen hohen manuellen Aufwands müssen Ihre Anfragen ZEITNAH an die UBG herangetragen werden. Derzeit kann dabei jedoch noch KEINE Aussage über die Bearbeitungsdauer getroffen werden“, schrieben Hoppe und Rentmeister.

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Tiefgang

Die frustrierende Realität des Krieges

Was kann die UN für die Ukraine tun? Im Gespräch mit SZ Dossier sagte Achim Steiner, Leiter des UN-Entwicklungsprogramms United Nations Development Programme (UNDP), die Vereinten Nationen seien ein „Spiegelbild dessen, was sich in der Welt abspielt“. Zum Beispiel im Sicherheitsrat. Dort wird jede Resolution gegen den Krieg von Russland blockiert. „Ich frage: Wäre es denn besser, wir hätten keinen Sicherheitsrat? Hier kann die ganze Welt die Spannungen, aber auch die Möglichkeiten zur Lösung, offen verfolgen“, sagte er. Derzeit aber sei die Lage eine „sehr frustrierende Realität“.


Dennoch gebe es Bereiche, in denen gerade das UNDP der Ukraine konkret helfen könne. Zum Beispiel bei den Stromnetzen. „Ein Land wie die Ukraine kann ohne Strom nicht überleben. Die Wiederherstellung der Stromversorgung ist wichtig, aber auch der Übergang zu einer grüneren Strominfrastruktur“, sagte er. Das UNDP habe global die Beschaffung von Transformatoren priorisiert, „große, komplexe Anlagen“, die jeweils bis zu 500.000 Menschen mit Strom versorgen können.


Auf der Wiederaufbaukonferenz für die Ukraine, die gestern und heute in Berlin stattfindet, kündigte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) gestern an, es würden 1000 weitere Generatoren und Tausende Solarmodule geliefert, zusätzlich zu rund einer Milliarde Euro Wiederaufbauhilfe aus den USA und der EU. Trotzdem fehlt der Strom, Wolodimir Selenskij sagte, Russland habe mehr als neun Gigawatt Leistung in den vergangenen Monaten zerstört, 18 Gigawatt habe das Land letztes Jahr gebraucht, um durch den Winter zu kommen.


Den Übergang zu grünerem Strom stelle die Ukraine selbst in den Mittelpunkt. „Im Sinne einer wettbewerbsfähigen Volkswirtschaft im Jahre 2030, weil eine Exportnation wie die Ukraine eine grüne Energieinfrastruktur aufbauen muss, aber auch weil es in der gegenwärtigen Situation die Resilienz des Landes stärkt“, sagte Steiner. Sie seien „dezentral und nicht so leicht zu zerstören“.


Early Recovery, also der frühe Wiederaufbau, sei für die Ukraine überlebenswichtig. „Eine der Stärken der Ukraine in diesem Krieg ist es, eine Volkswirtschaft, eine Verwaltung, eine Staatlichkeit am Leben zu halten“, sagte er, dafür bräuchten insbesondere Binnenflüchtlinge eine Perspektive.


„Wir können mit 3000, 5000 oder 10.000 Euro den Wiederaufbau einer Existenz ermöglichen, und dort einer Familie oder einem Haushalt die Möglichkeit geben, sich dort selber wieder zu ernähren. Die Alternative wäre, dass die Menschen keine Perspektive sehen, und in den Westen abwandern. Das wäre für die Ukraine langfristig schlecht und für den Rest Europas eine zusätzliche Belastung“, sagte er.


Ob Steiner einen Weg zum Frieden sieht? „Jeder Krieg hat irgendwann ein Ende. Die Frage ist, wann kommt man an einen Punkt, an dem die Konfliktparteien sich in der Lage sehen, Friedensverhandlungen zu führen. An diesem Punkt sind wir eindeutig nicht“, sagte er. Den großen Hebel wünscht er sich trotzdem. „In einer idealen Welt könnte die Weltgemeinschaft einen Krieg verbieten“, sagte er.


Dafür bräuchte die UN aber schärfere Mechanismen, um in Konflikte einzugreifen. „Es gibt die Vereinten Nationen seit 79 Jahren. Auch wenn wir scheitern, Frieden zu erhalten, mit dem Instrumentarium, das wir haben“, sagte er. Trotzdem gebe es viele Beispiele, in denen die UN als Vermittler Konflikte vermieden oder in Friedensverhandlungen eine zentrale Rolle gespielt hätten.


Mögliche weitere Maßnahmen: „Wenn ein Land selbst Partei in einem Konflikt ist, sollte es dann die Möglichkeit haben, seine Vetomacht zu nutzen? Bräuchte der Sicherheitsrat mehr Mittel, um in einen Konflikt einzugreifen?“, fragte Steiner. Bislang aber seien das theoretische Diskussionen. „Kurzfristig werden sie keinen Krieg zu Ende führen“, sagte er.


„Wir sind jetzt in einer Situation, in der es seit 1945 die meisten Konflikte, Flüchtlinge und Vertriebene gibt. Über 100 Millionen Menschen. Ist das Experiment Multilateralismus daher gescheitert?“, fragte er, beinahe mehr sich selbst als sein Gegenüber. „Nein“, konstatierte er, aber es sei „eben auch nicht die Wunderwaffe, von der manche geträumt haben“. Immerhin, auch das müsse man sehen, gebe es seit 80 Jahren die Gefahr eines Nuklearkriegs – der bisher immer erfolgreich verhindert wurde.

Fast übersehen

5.

Kinderschutz als Landesschutz: Im Kabinett wird heute ein Gesetzentwurf zur Verhinderung missbräuchlicher Anerkennungen der Vaterschaft beschlossen. Das passt gut in die Law-and-Order-Rhetorik von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), die damit sowohl Kinder als auch Grenzen schützen will. Die Angst: Männer erschleichen sich Aufenthaltsrechte durch die Vaterschaftsanerkennung. „Scheinvaterschaften gehen immer auch zulasten der betroffenen Kinder – hierfür gibt es keinerlei Toleranz“, sagte sie bei einer Pressekonferenz Ende April, als der Gesetzentwurf in die Verbändeanhörung eingebracht wurde.


Falscher-Vater-Trick: Der Vorgang sei eine „skrupellose Masche, um das Ausländerrecht zu umgehen“, sagte Justizminister Marco Buschmann (FDP). Er will zusätzlich auch die Sozialkassen schützen, denn der „Trick mit den falschen Vätern“ koste „unsere Sozialkassen jedes Jahr horrende Summen“. Ein erstes Gesetz war 2013 vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert. Nun soll „effektiv verhindert werden“, dass Personen ohne Bleibeperspektive über Vortäuschung eine Vaterschaft erlangen. Wenn das Kind nicht leiblich von dem Mann stammt, der die Vaterschaft anerkennen will, braucht es künftig die Zustimmung der Ausländerbehörde, die wiederum von den Standesämtern kontrolliert wird. Die missbräuchliche Anerkennung soll künftig unter Strafe stehen.

6.

Fehlende Reform: Wird ein Kind in eine Ehe zwischen Mann und Frau geboren, ist der Ehemann der Vater. Der biologische Vater des Kindes muss er dafür nicht sein. Wird ein Kind aber in eine Ehe zwischen Frau und Frau geboren, ist nur die gebärende Mutter rechtlicher Elternteil des Kindes. Die andere Mutter muss das Kind per Stiefkindadoption adoptieren, unter Umständen kann das Monate dauern. Für die Kinder kann das echte Nachteile bedeuten: Stirbt etwa die rechtliche Mutter in der Zeit, gilt das Kind als elternlos. Die Bundesregierung wollte das ändern, doch der Gesetzentwurf liegt noch immer nicht vor.


Grundgesetzänderung gefordert: Heute stellt der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann, die Fortschritte in der Umsetzung des Aktionsplans für den Schutz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt im Bundestag vor. „Deutschland ist mittlerweile auf Platz 8 in der EU aufgestiegen, was die rechtliche Gleichstellung angeht“, sagte er SZ Dossier – da geht also noch was. Lehmann sagte nichts zum Abstammungsrecht, forderte aber, implizit an die Union gerichtet, „ein explizites Verbot von Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität“ im Grundgesetz.

7.

Neues aus dem Bundestag: Die Bundestagsverwaltung löst Webex ab und setzt ab Juli auf Zoom, wie aus einer internen Hausmitteilung hervorgeht. Demnach wird der im Juli auslaufende Webex-Vertrag nicht verlängert, berichtet Gabriel Rinaldi. Stattdessen setzt die Verwaltung künftig auf Zoom, das „in der funktionsgleichen Version der Deutschen Telekom“ Zoom X zur Verfügung gestellt wird. „Diese Version von Zoom wird ausschließlich auf in Deutschland stehenden Servern betrieben“, heißt es in der Mitteilung. Wer Webex-Sitzungen nach dem 8. Juli geplant hatte, muss sie in Zoom neu erstellen – die Zugänge werden ab nächster Woche verteilt.


Timing ist alles: Die Hausmitteilung wurde bereits am 30. Mai verschickt, also nach dem Taurus-Leak im März, über den SZ Dossier berichtete, aber bevor die neuen Probleme bei Webex bekannt wurden. Wie die Zeit herausfand, sollen hunderttausende Meetings von Behörden und Unternehmen in Deutschland, den Niederlanden, Italien, Österreich, Frankreich, Schweiz, Irland und Dänemark durch eine Sicherheitslücke potenziell öffentlich zugänglich gewesen sein. Sowohl im Digitalausschuss als auch im Innenausschuss wird heute über die Sicherheit von Webex diskutiert. Nach den Sicherheitsproblemen forderten erste Digitalpolitiker bereits, dass die Software komplett aus der Regierungskommunikation verbannt werden soll.

Zitat des Tages

Ich hab' in meinem Leben noch nie so viel Schiss gehabt wie in dieser Pressekonferenz, weil mir da in der Pressekonferenz erstmal klar geworden ist, worum es hier geht.

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) über die Pressekonferenz 2019, auf der es um die Ansiedlung von Tesla in Grünheide ging

Zu guter Letzt

Die deutsche Umweltpolitik hatte in den vergangenen 50 Jahren einen Namen: Klaus Töpfer. Am vergangenen Samstag ist der CDU-Politiker mit 85 Jahren gestorben. Er hat oft von Schöpfung gesprochen, begriff es als intrinsischen Wert der CDU, sich für sie einzusetzen. Er machte die Deutschen zu Mülltrennern, 1995 holte Töpfer die erste UN-Klimakonferenz nach Berlin.


Mein Kollege Michael Bauchmüller hat in einem Nachruf seine politische Lebensgeschichte nachgezeichnet. 1987 wurde Töpfer Umweltminister. Der Rhein war vergiftet, die Städte waren voller Smog, wenn man die Wäsche im Ruhrgebiet raushing, wurde sie braun. Die Umweltskandale halfen ihm, eine umsichtige Umweltpolitik zu machen. Sie machten die Probleme „sichtbar, hörbar, spürbar, schmeckbar“, sagte er einmal.


1988 sprang er in den Rhein, in Ganzkörperanzug, mit roter Badekappe, entgegen allen guten Ratschlägen, schrieb er später. Er habe damit auf die verbesserte Wasserqualität des Rheins hinweisen wollen, hieß es, das stimmte aber gar nicht. Es ging nur um eine Wette mit seinem damaligen Wahlkreis-Gegenkandidaten. Er war das grüne Gewissen der CDU, lange auch des Landes.


Vielen Dank! Matthias Punz fürs Redigat, Tim Frehler, Fabian Löhe und Gabriel Rinaldi für ihre Beiträge, und an Michelle Ostwald und Team in Sydney für Schlusskorrektur und Produktion.

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