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Wie die AfD sich durch Schlaglochbekämpfung normalisieren will

Montag, 17. Juni 2024
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Von Valerie Höhne

mit Tim Frehler und Gabriel Rinaldi

Guten Morgen. Nach G7 in Apulien und der Ukraine-Friedenskonferenz in der Schweiz musste Kanzler Olaf Scholz sich einige Stunden mit seiner SPD beschäftigen, die seit dem desaströsen Europawahlergebnis (13,9 Prozent) nicht zur Ruhe kommt. Heute darf er aber schon wieder ins Ausland und einen Abend mit Personaldebatten verbringen, deren Gegenstand nicht er selbst ist. Die Staats- und Regierungschefs der EU beraten über die Besetzung der wichtigsten Posten der EU.


Viele versuchen die zweite Amtszeit der amtierenden Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) nicht mehr zu verhindern, berichtet mein Kollege Josef Kelnberger. Auch Noch-EU-Ratspräsident Charles Michel wird seinen Widerstand wohl aufgeben. Politico hatte zuvor berichtet, Michel habe auf Alternativen zu von der Leyen hingewiesen wie den griechischen Regierungschef Kyriakos Mitsotakis. Michel dementierte. Sicher ist jedoch, dass er von der Leyen vom Dinner fernhalten wollte.


Ob Brüssel oder Berlin, Personalpolitik bleibt intrigant. Herzlich willkommen am Platz der Republik.

Was wichtig wird

1.

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat das Wochenende genutzt, um die Einhaltung der Schuldenbremse fest zuzusagen. Das Datum, an dem der Haushalt stehen soll, hat er hingegen infrage gestellt. In der „Abwägung ist mir ein präzise konzipiertes und gutes Ergebnis wichtiger als ein schnelles“, sagte Lindner den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Scholz hielt im ZDF dagegen: Der Haushalt müsse „fristgerecht, Anfang des nächsten Monats“ vorgelegt werden.


Druck aus der eigenen Partei: Dafür braucht er auch die eigene Partei. Gestern Nachmittag kam das SPD-Präsidium zu einer Krisensitzung zusammen. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil ist sich zwar sicher, dass Scholz nach wie vor die Nummer 1 in der Partei sei. Die Parteilinke aber will diskutieren. „Wir brauchen einen Plan B, wenn es am 3. Juli Spitz auf Knopf steht und Olaf Scholz keine 30 Milliarden Einsparungen mitmachen kann, Christian Lindner sich aber ebenfalls nicht bewegt“, hatte der Bundestagsabgeordnete Tim Klüssendorf meinem Kollegen Georg Ismar gesagt. „Denn einen solchen Sparhaushalt wird es mit uns nicht geben“, sagte er. Stellt sich die Frage, was es dann gibt?


Verschärfungen angedacht: Lindner hat konkrete Mittel im Blick. Man müsse sich „die Kostensteigerung beim Bürgergeld“ ansehen, sagte er, Sozialleistungsbetrug wolle er künftig stärker angehen. Der SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil hat sich bereits bewegt: Die Regierung arbeite an einer Verschärfung, wurde der SZ aus Regierungskreisen bestätigt. Demnach soll das Bürgergeld Empfängern, die schwarz arbeiten, für zwei Monate komplett gestrichen werden. Die gleiche Sanktion droht, wenn Arbeits- und Weiterbildungsangebote ignoriert würden. Nur die Kosten für die Wohnung würde der Staat dann übernehmen. Zuerst hatte Bild darüber berichtet.


Und nun? Erst einmal bleibt die Diskussion dort, wo sie war. „Welch größere Notlage sollte es geben als diesen Krieg mitten in Europa?“, sagte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) der SZ auf die Frage, ob sie fordere, die Schuldenbremse auszusetzen. „Unser verdammter Job als Regierung ist es, auch in schwierigen Zeiten Probleme miteinander zu lösen.“ Den größten Gefallen, „den wir den Feinden der liberalen Demokratie im In- und Ausland tun könnten, wäre, dass noch eine europäische Demokratie vorzeitig in Neuwahlen geht“: Zusammenbleiben im Dienste der freien Welt.

2.

Wie wichtig ist die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern für die Ukraine? Laut Scholz (und seinem „Friedenswahlkampf“) nicht entscheidend. Das sieht die Außenministerin anders. „Wir haben gesehen, wie wichtig weitreichende Systeme oder Marschflugkörper aus den USA, Frankreich oder Großbritannien sind“, sagte sie im Interview mit der SZ, damit hätten „russische Kriegsschiffe im Schwarzen Meer zurückgedrängt“ werden können, um den Getreidekorridor zu öffnen. Besonders für die Länder Afrikas ist er wichtig.


Alles aber will Baerbock auch nicht liefern. „Wir tragen ebenso Verantwortung dafür, dass wir nicht in diesen Krieg hineingezogen werden. Deswegen gab und gibt es keine Blankoschecks“, sagte sie, doch klar sei, dass die Ukraine „weitere, intensivere Unterstützung“ brauche. Leiste man sie nicht, gehe man das Risiko ein, „dass Putins Truppen an der Grenze zu Polen“ stünden. „Da ist der Krieg schnell auf dem Gebiet von EU und Nato“, sagte Baerbock.


Ein Zeichen der Weltgemeinschaft? Auf der Friedenskonferenz auf dem schweizerischen Bürgenstock haben sich 80 der 93 teilnehmenden Länder auf eine Abschlusserklärung geeinigt. Demnach müsse die Nutzung von Atomkraft sicher ablaufen können, es dürfe keine Drohungen zum Einsatz von Nuklearwaffen geben. Zudem seien Angriffe auf Schiffe im Schwarzen Meer inakzeptabel. Es brauche einen vollständigen Gefangenenaustausch, die Kinder, die aus der Ukraine nach Russland verschleppt wurden, müssten heimkehren. Russland soll demnach an künftigen Beratungen beteiligt werden.

3.

Mitte der Woche fliegt Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nach Ostasien, er besucht Südkorea und China. Deutsche Unternehmen in China erwarten höhere Umsätze im Land – trotz der unsicheren Wirtschafts- und Weltlage. Das geht aus einer neuen Umfrage der Deutschen Handelskammer in China hervor. Größte Herausforderungen sind demnach Preisdruck, gefolgt von schwacher Nachfrage, das gaben 61 beziehungsweise 51 Prozent der Unternehmen an. Geopolitische Spannungen folgten mit 37 Prozent an dritter Stelle. Für Habeck ist die Prioritätensetzung wohl andersherum.


Erhebliche Unsicherheiten: Doch trotz leichter Erholung der Geschäftserwartungen erleben deutsche Unternehmen viele Unsicherheiten. Zum Beispiel: Die EU-Kommission droht China mit hohen Strafzöllen für E-Autos, nun hofft die deutsche Wirtschaft auf Entspannung durch den Vizekanzler. Sein Haus teilte schon am Freitag mit, Habeck werde nicht verhandeln, die „EU-politischen Entwicklungen“ dürften aber Thema sein. „Ich denke, dass wir uns alle ein wenig beruhigen sollten, und nicht denken, dass diese Diskussion für die gesamte europäisch-chinesische Beziehung stehen sollte, weil es so viel mehr Zusammenarbeit gibt“, sagte Clas Neumann, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Handelskammer in Ostchina.


Dialog statt Zolleskalation: Von einer Überschwemmung des Marktes könne kaum die Rede sein, sagte er. Der EU-Marktanteil chinesischer Elektroautos sei so klein, dass der Raum für Verhandlungen groß genug sei. Als „sehr wünschenswert“, bezeichnete es ein Sprecher aus dem Wirtschaftsministerium, „wenn wir zu einer einvernehmlichen Lösung kommen könnten“. Klar sei aber auch, dass „von der chinesischen Seite ernsthafte Bewegung benötigt wird“. Auch Neumann betonte die Notwendigkeit fairer Wettbewerbsbedingungen und eines transparenten rechtlichen Umfelds in China, um das Investitionsvertrauen zu stärken.


Mehr Umsatz, kein höherer Gewinn: Laut der Umfrage wünschen sich 19 Prozent der Unternehmen Unterstützung bei der Forderung nach einem transparenteren regulatorischen Rahmen. Nur 53 Prozent der befragten Unternehmen planen, ihre Investitionen in den nächsten zwei Jahren zu erhöhen, verglichen mit 61 Prozent im letzten Jahr. Während 39 Prozent der Unternehmen höhere Umsätze für 2024 prognostizieren, rechnet nur ein Viertel mit steigenden Gewinnen.

4.

Neue Woche, neue Bundesdatenschau. Heute schauen wir uns wieder an, welche Bundestagsabgeordneten im Vergleich zu den Vorwochen auf X durchschnittlich deutlich mehr oder weniger Aufmerksamkeit erhalten haben.


Diese Woche im Fokus: Die Rede des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij im Bundestag.


Twitter-Trends der Woche
in Kooperation mitBundesdatenschau

AfD und BSW polarisieren: Nicht nur Selenskijs Auftritt selbst sorgte für viele Tweets, sondern auch das Verhalten von AfD und BSW, die dem Auftritt bis auf vier Ausnahmen geschlossen fernblieben. „Wahrscheinlich hat der Kreml das Fernbleiben von AfD und BSW angeordnet. Ich habe selten eine solche Respektlosigkeit erlebt“, schrieb zum Beispiel Dirk Wiese (SPD).


Und sonst so? Abgesehen davon erhielt auch ein Tweet von Andreas Schwarz (SPD) viele Kommentare, weil er mit dem AfD-Wahlergebnis bei den Europawahlen haderte. Marcus Faber (FDP) erhielt für seinen Antritts-Tweet als Vorsitzender des Verteidigungsausschusses viele Likes.

Tiefgang

Tief im Südwesten stehen Oberbürgermeister Thomas Deuschle (CDU) und seine Stadt Waghäusel vor einer Herausforderung, die sie so noch nicht kannten. Bei der Kommunalwahl am 9. Juni konnte die AfD die Zahl ihrer Sitze verdoppeln, stellt in der baden-württembergischen Gemeinde nun vier statt bisher zwei Gemeinderäte. Kein großes Problem, könnte man denken, im Rat sitzen ja 26 Politikerinnen und Politiker plus Bürgermeister Deuschle. Doch für die AfD ist das Ergebnis primär deswegen ein Erfolg, weil sie jetzt über Fraktionsstatus verfügt. Heißt, sie kann Anträge stellen, über die der Rat dann abstimmt.


Damit stellt sich in Waghäusel – und in zahlreichen anderen Kommunen in Deutschland – die Frage: Wie umgehen mit der AfD? Sie stellt sich vor allem dann, wenn die Partei fordert, die Gemeinde solle doch bitte hier einen Spielplatz bauen und dort ein Schlagloch flicken. Also Anträge stellt, die jede andere Fraktion auch stellen könnte – und würde. Zustimmen oder nicht?


Die kommunale Ebene gilt manchen als weniger politisch, mehr an der Sache orientiert, pragmatisch eben. Die Politikwissenschaftlerin Anna-Sophie Heinze von der Universität Trier sieht das anders, Heinze forscht unter anderem zur AfD und zum Umgang mit ihr und weist darauf hin, dass es in den Städten und Gemeinden keineswegs so unpolitisch zugehe, wie viele annehmen: „Es geht um Demokratieprojekte, um die Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen, um die Unterbringung von Geflüchteten.“ Fragen, bei denen es sehr wohl davon abhängt, wo im politischen Spektrum sich die jeweiligen Politikerinnen und Politiker verorten.


Die AfD mache sich jedoch genau diese vermeintlich harmlosen Themen wie das Ausbessern von Schlaglöchern zunutze, um sich zu normalisieren, sagt Heinze. Beispiele aus dem Ausland zeigten bereits, wie das funktioniere. Der Rassemblement National (RN) stelle in Frankreich schon seit Jahren zahlreiche Bürgermeisterinnen und Bürgermeister. „Diese reden dort aber nicht die ganze Zeit über Migration und Integration, sondern vor allem über Kulturpolitik und Infrastrukturmaßnahmen.“ Studien zeigten, wie effektiv das ist. In Befragungen hätten Bürgerinnen und Bürger erzählt, wie schön es in ihrem Ort nun ist, seitdem der RN sich kümmert, es sei sauberer, gebe mehr Blumen und hin und wieder schöne Feste, sagt Heinze. So poliert der RN sein Image auf: „Die kommunale Ebene ist das Werkzeug, mit dem er seine Normalisierung vorantreibt.“


Vor diesem Hintergrund rät die Politikwissenschaftlerin davon ab, Anträgen der AfD zuzustimmen. Auch, wenn sie auf den ersten Blick harmlos wirken. Stattdessen empfiehlt sie den anderen Parteien, selbst bessere Anträge einzubringen. Und wenn man diejenigen der AfD ablehnt, dann mit Verweis auf „die inhaltliche und personelle Ausrichtung der Partei“, sagt Heinze. Also darauf, dass man es eben mit einer Partei zu tun habe, die in Teilen rechtsextrem ist und man daher nicht mit ihr zusammenarbeite – auch nicht um Schlaglöcher zu flicken.


Neben solchen verfahrenstechnischen Fragen geht es in den Kommunen aber auch darum, auf die gesellschaftliche Stimmung zu reagieren, die sich in den Wählerstimmen für die AfD ausdrückt. Gute Antworten werden dringend gesucht.


Rico Reichelt hat eine Idee. Er ist Bürgermeister in Boizenburg an der Elbe, einer Stadt mit knapp 11.500 Einwohnern in Mecklenburg-Vorpommern. Die AfD ist mit mehr als 18 Prozent in die Stadtvertretung eingezogen, wird dorthin aber nur eine Person entsenden können, obwohl ihr eigentlich fünf Sitze zugestanden hätten. Doch die Partei hat schlicht nicht genug Kandidaten aufgestellt, also bleiben vier Sitze leer.


Trotzdem ist das Ergebnis Ausweis einer Stimmung in der Bevölkerung, der Bürgermeister Reichelt (Die Linke) begegnen muss – und will. Reichelt und seine Stadt haben sich die Frage gestellt, wie man die Leute erreicht, die man sonst nicht mehr erreicht, die vielleicht andere Ansichten haben. Mithilfe der Daten aus dem Einwohnermeldeamt könnte die Stadt Bürgerinnen und Bürger auslosen, zu einem Bürgerforum einladen und dadurch einen Ort schaffen, „an dem man Politik erklären kann“, sagt Reichelt. Eine Art Bürgerrat im Kommunalformat, wo konkret etwa über Geothermie gesprochen werden solle oder darüber, wo neue Schulen gebaut werden sollen.


Auch das Thema „mähfreier Mai“ für mehr Artenvielfalt im Garten könne er sich vorstellen, sagt Reichelt. Viel kosten würde das nicht, sagt Reichelt, aber es böte die Gelegenheit, Kompromisse zu finden und Dissens auszuhalten. Tim Frehler

Fast übersehen

5.

Gedenken an den 17. Juni 1953: Rund eine Million Menschen demonstrierten am 17. Juni 1953 gegen die junge DDR. Der Sozialismus hatte zu einer Ernährungskrise geführt, zum Rückgang der industriellen Produktion. Heute sprechen bei der offiziellen Gedenkfeier Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne). Laut dem Deutschen Historischen Museum starben bei der Niederschlagung durch sowjetische Soldaten und die Volkspolizei rund 50 Menschen, 15.000 wurden verhaftet.


Gemeinsame Erinnerung: Bundestags-Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt sagte SZ Dossier, der 17. Juni 1953 sei mit der Wiedervereinigung „Teil der gesamtdeutschen Geschichte geworden“. Wie die Friedliche Revolution gehöre der Tag zur „gesamtdeutschen Freiheitserfahrung“. Sie mahnte, es sei „zentral für das gegenseitige Verständnis von Ost und West in unserem Land, dass die Erinnerung an die zweite deutsche Diktatur, ihre Folgen und ihre Überwindung wachgehalten werden“. Der FDP-Abgeordnete Torsten Herbst sagte SZ Dossier, der „Mut der Menschen, die 1953 in einem repressiven Staat für Demokratie und freie Wahlen auf die Straße gingen“ sei nicht „hoch genug einzuschätzen“.

6.

Mehr Vorfälle: Heute morgen stellt der Antiziganismusbeauftragte der Bundesregierung, Mehmet Daimagüler, gemeinsam mit Silas Kropf vom Verein „Migranten in Aktion“ und dem Vorsitzenden des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, den Jahresbericht zu antiziganistischen Vorfällen 2023 vor. Die Zahlen sind gestiegen, das kann man der Statistik zu Politisch motivierter Kriminalität entnehmen, von 145 auf 171 Vorfälle. Ende Mai wurde zum Beispiel in Flensburg eine Stele zur Erinnerung der deportierten und ermordeten Sinti und Roma herausgerissen, in Neumünster wird ein Mahnmal wieder und wieder geschändet.


Die schweigende Mehrheit: „Antiziganistisch motivierte Gewalt ist Alltag. Das Schweigen der Mehrheitsgesellschaft ebenso. Dieses Schweigen erscheint Betroffenen oft wie stille Kumpanei. Dieses Schweigen muss aufhören“, sagte Daimagüler SZ Dossier. Er forderte eine Vielzahl von Maßnahmen, unter anderem die Ernennung von Antiziganismusbeauftragten bei Staatsanwaltschaften, analog zu Antisemitismusbeauftragten. „Diese Stellen haben sich aus meiner Sicht bewährt“, sagte er.

7.

Sie dürfen tagen: Die AfD darf ihren Bundesparteitag in der Essener Grugahalle Ende Juni wie geplant abhalten. Die Ruhrgebietsstadt hat ihren Widerstand aufgegeben. Nachdem am Freitag das Verwaltungsgericht in Gelsenkirchen entschieden hatte, Essen müsse der AfD die Halle zur Verfügung stellen (Stichwort Gleichbehandlung), verzichtete die Stadt am Samstag darauf, gegen dieses Urteil in die nächsthöhere Instanz zu ziehen. Das berichtete die WAZ.


Zur Erinnerung: Die Stadt hatte der Partei vor knapp eineinhalb Wochen den Mietvertrag für die Halle gekündigt. Sie fürchtete, auf dem Parteitag könnten strafbare Parolen geäußert werden und forderte die Partei dazu auf, per Selbstverpflichtung die Verantwortung dafür zu übernehmen. Die AfD weigerte sich, Essen kündigte. Eigentlich wollten die beiden Parteien heute um 11 Uhr vor dem Landgericht Essen noch über den Fall streiten. Der Termin wurde allerdings bereits abgesagt, wie die dpa gestern Mittag berichtete.

8.

Prüfungskonsequenz: Sabine Döring, bisher Staatssekretärin im Bundesforschungsministerium, wird entlassen. Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger bat den Bundeskanzler um Dörings Versetzung in den einstweiligen Ruhestand. „So wird nun dieser Abschnitt meiner beruflichen Laufbahn ein jähes Ende finden. Stay tuned“, schrieb Döring auf X, 13 Minuten später setzte sie den nächsten Post ab: „Habe gerade Anruf bekommen, muss den Tweet löschen.“ Sie hatte die Fachebene um die Prüfung von Fördermitteln für Hochschuldozenten gebeten, die sich mit pro-palästinensischen Demonstranten an der FU Berlin solidarisiert hatten. Das widerspreche den Prinzipien der Wissenschaftsfreiheit, teilte Stark-Watzinger mit.

Zitat des Tages

Ich rufe dazu auf, gegen Extremisten zu stimmen, die das Land spalten wollen. Ich möchte stolz darauf sein, dieses Trikot zu tragen. Ich möchte nicht ein Land repräsentieren, das meine Werte nicht vertritt.

Der französische Nationalspieler Kylian Mbappé macht in einer Pressekonferenz Politik

Zu guter Letzt

Es gibt es noch, das gut gelaunte Deutschland. „Diese EM wird sehr farbenfroh“, singen die Brüder Lovely und Monty Bhangu aus Hamburg in einem Youtube-Video zu Bollywood-Beats, „wir pushen unsere Jungs“. Die Mannschaft solle den Heimvorteil nutzen, alles gewinnen.


Daneben gibt es aber auch das andere Deutschland. In Hamburg wurden Polizistinnen und Polizisten gestern von einem Mann mit einem Zimmerer-Hammer und Molotow-Cocktails bedroht, sie schossen den Mann an, er liegt verletzt im Krankenhaus. In Grevesmühlen, Mecklenburg-Vorpommern, wurden ein achtjähriges und ein zehnjähriges Mädchen am Samstag von Jugendlichen angegriffen, mutmaßlich aus rassistischen Motiven, auch der Vater der beiden wurde verletzt. In Warnemünde kam es zu Übergriffen auf Polizisten, nachdem sie die Personalien einer 15-Jährigen aufnehmen wollten, die rassistische Parolen brüllte.


Ein Sommermärchen käme dem Land in diesen Zeiten nicht ungelegen. Ähnlich spektakulär wäre es, wenn die Bundesregierung sich auf einen Haushalt einigen könnte. So angeschlagen wie die Koalition derzeit ist, wirkt das unrealistischer als ein EM-Sieg.


Vielen Dank! An Florian Eder fürs Redigat, Tim Frehler und Gabriel Rinaldi für ihre Beiträge, an Georg Ismar, Paul-Anton Krüger und Nicolas Richter für die Zusammenarbeit. Und an Sabrina Frangos und Team in Australien für Schlusskorrektur und Produktion.

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Florian Eder

Leiter SZ Dossier