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Regierung vernachlässigt Cybersicherheit

Dienstag, 18. Juni 2024
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Von Tim Frehler

mit Gabriel Rinaldi, Selina Bettendorf und Florian Eder

Guten Morgen. Die Aktentasche des Bundeskanzlers machte auf Tiktok von sich reden. Kürzlich gab Olaf Scholz nämlich preis, was er darin mit sich herumträgt: Akten, zur allgemeinen Überraschung.


Was er darin bald gerne verstauen würde, aber noch nicht kann, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit gestern vor Journalisten in Berlin. Der Kanzler gehe fest davon aus, dass er zum Nato-Gipfel im Juli „mit einem verabschiedeten Regierungsentwurf in seiner Aktentasche“ reist. Gemeint ist ein Entwurf für den Bundeshaushalt 2025.


Damit es damit etwas wird, kamen auch gestern wieder Kanzler Scholz, Finanzminister Lindner und Wirtschaftsminister Habeck zusammen. Weitere Treffen werden folgen: Der Nato-Gipfel findet vom 9. bis zum 11. Juli in Washington statt.


Herzlich willkommen am Platz der Republik.

Was wichtig wird

1.

Die Staats- und Regierungschefs der EU haben sich im ersten Anlauf nicht auf ein Personalpaket für die Führungsrollen in der EU der kommenden fünf Jahre einigen können. Nach einem informellen Abendessen in Brüssel gingen sie ohne Einigung auseinander. Ihr Vorsitzender Charles Michel sagte um Mitternacht, der Zweck der Zusammenkunft sei ein „eingehender Meinungsaustausch“ gewesen und versuchte sich an einer recht eigenen Deutung: „Der Zweck des heutigen Abends war es, keine Entscheidung zu treffen.“


Nächste Woche wieder: Ursula von der Leyen, die derzeitige – und mit größeren Chancen als andere auch nächste – Präsidentin der Kommission, muss damit weiter auf die Nominierung durch den Europäischen Rat warten. Nächste Gelegenheit ist Ende der kommenden Woche, bei der nächsten Tagung des Gremiums.


Was ist passiert? Nicht gerade eine Bestätigung der Kardinal-und-Konklave-Weisheit, aber etwas Trotz war dabei, nach Angaben beteiligter Diplomaten auf verschiedenen Seiten: Wenn alle schon ganz sicher zu wissen glauben, wie genau es ausgeht und warum, fühlen sich die einen herausgefordert, den Schlaubergern zu widersprechen, andere ermutigt, sich nicht mit dem längst Eingepreisten zufriedenzugeben, dritte befugt zu beidem.


Konkret: EVP-regierte Länder wollten mehr als von der Leyen II, berichteten Diplomaten. Beflügelt vom Status des Siegers der Parlamentswahl und der Stärke im Europäischen Rat, forderten einige für die eigene Partei weitere halbe Amtszeiten in Spitzenämtern wie dem des Präsidenten des Europäischen Rats oder, Zuständigkeiten hin oder her, des Europaparlaments. Die Realisten in der EVP-Führung taten es im Wissen, dass sie damit „nichts als Liebe und Zuneigung unserer Mitbewerber“ gewinnen würden, wie einer davon uns sagte: „Es liegt in unserer Natur, wir können nicht anders.“


Dinner und dann heim? Denkste. Scholz hatte vor Beginn eine Verständigung „in kürzester Zeit“ angekündigt. Er ging transparent mit der Frage um, wer etwas bekommen soll und wessen Stimmen im Europaparlament daher am Ende Teil des Geschäfts seien. Die Wahlen hätten „eine stabile Mehrheit“ aus EVP, Sozialdemokraten und Liberalen ergeben. „Es gibt auch noch andere, die politisch ein wenig dazu passen, aber im Kern ist das die Grundlage für die Unterstützung der Kommissionspräsidentschaft“, sagte er.


Das ging an die Grünen. Die halbe Distanzierung reichte nicht, um die EVP zufriedenzustellen.


Unterdessen in Luxemburg: Was die Grünen angeht, sie wären auch gern Teil der VDL-Mehrheit, die sie aber nicht direkt braucht. Ideologische Unterschiede einmal beiseite: Die EVP verdächtigt die Grünen, Verabredungen generell nicht einzuhalten. Österreichs Grünen-Umweltministerin Leonore Gewessler tat gestern beim Ministerrat in Luxemburg das Ihre, um die EVP in solchen Vorbehalten zu bestärken.


Nach bestem Gewissen! So sagte sie und half gegen die Ansage des Bundeskanzlers, Karl Nehammer von der ÖVP, dem EU-Renaturierungsgesetz durch Österreichs Stimme im Rat über die letzte Schwelle. Nehammer kündigte eine Nichtigkeitsklage beim Europäischen Gerichtshof an.


Eh: Eine Parlamentsneuwahl stand in Österreich für September schon vor der nun vom Juniorpartner ausgelösten Regierungskrise an, und für die Grünen sieht es nach deutlicher Einstelligkeit aus. Wenn Gewesslers Coup nicht eine Mobilisierunghilfe ist, was dann?

2.

Heute treffen sich die Ministerpräsidenten der ostdeutschen Bundesländer zur sogenannten MPK-Ost, am Nachmittag wird auch Bundeskanzler Scholz daran teilnehmen. In Lutherstadt Wittenberg soll es unter anderem darum gehen, wie man die medizinische Versorgung in der Fläche sicherstellen kann – keine in Eintracht diskutierte Frage, vor dem Hintergrund der Krankenhausreform, die Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) plant. In den Ländern stößt sie auf scharfe Kritik.


Kein „Kahlschlag“ bitte: Einer, der nach den kommenden Landtagswahlen auch gerne an solchen Runden teilnähme, ist Thüringens CDU-Chef Mario Voigt. Er spart nicht mit Kritik an Lauterbachs Reform und erwartet von Scholz die Zusage, „dass die Gesundheitsversorgung in der Fläche erhalten bleibt“. Der „Krankenhaus-Kahlschlag“, den Lauterbach im ländlichen Raum plane, sei für Thüringen keine Option, sagte Voigt SZ Dossier. Der CDU-Politiker schlägt stattdessen eine „Poliklinik 2.0“ vor, „in der fachärztliche und teilstationäre Versorgung zusammenkommen“. So könnten die Krankenhausstandorte im ländlichen Raum erhalten bleiben, sagte Voigt.


Repräsentationsdefizit: Noch immer sind Menschen aus Ostdeutschland in Führungspositionen unterrepräsentiert. Auch dies steht heute auf der Tagesordnung. Die Ampel hatte sich im Koalitionsvertrag vorgenommen, daran zu arbeiten. Was staatliche Posten angeht, ist der Bund bei diesem Vorhaben jedoch auf die Länder angewiesen. Wissenschaft, Justiz, öffentliche Verwaltung – alles Bereiche, in denen es viele Spitzenpositionen gibt und die zu großen Teilen in die Zuständigkeit der Länder fallen.


Bye Boomer: Bund und Länder haben 2022 in einer Erklärung vereinbart, den anstehenden Generationswechsel zu nutzen, um gleichzeitig mehr Ostdeutsche in Führungspositionen zu bringen. Die Ost-Ministerpräsidenten seien sensibilisiert und stünden hinter dem Ziel, heißt es aus Regierungskreisen. Gleichzeitig betonten einige aber auch die Herausforderungen durch den Fachkräftemangel, hieß es. In anderen Worten: Sie sind froh, wenn sie überhaupt Leute finden.

3.

Die SPD ist weiter mit der Aufarbeitung der Europawahl beschäftigt. Wie die Partei den Turnaround schaffen könnte? Die Flügel streiten. Bei den einen richtet sich der Fokus auf das Thema Migration. Dirk Wiese, Sprecher des Seeheimer Kreises, erinnerte an Dänemark, das Einwanderung deutlich restriktiver handhabt. Auf X schrieb Wiese neulich, „es lohnt sich, da genauer hinzuschauen“.


Dänemark oder Daseinsvorsorge? Das rief Juso-Chef Philipp Türmer auf den Plan. Dass die SPD Wählerstimmen gewinnen könnte, in dem sie sich an Dänemark orientiert, sei „entkoppelt von aller Evidenz“, sagt Türmer SZ Dossier. Die SPD solle sich eher um soziale Gerechtigkeit kümmern: „Die Leute glauben nicht mehr daran, dass der Staat ihre alltäglichen Probleme lösen kann“, sagt Türmer. Er fordert daher Mietenstopp, höheren Mindestlohn und mehr Investitionen in die öffentliche Daseinsvorsorge.


Ob das Heil der SPD noch in der Ampel liegt? Türmer sagt, man müsse sich vielmehr die Frage stellen, ob die Ampel überhaupt noch gut sei für das Land, daran habe er Zweifel, denn, Achtung Kalauer: „Christian Lindner macht aus seinem Regierungsauftrag einen Blockierungsauftrag.“


Investieren oder sparen? Türmer ist auch Mitglied des „Forum DL21“, einer Gruppe von Parteilinken in der SPD, zu der auch Bundestagsabgeordnete gehören. Wie der Spiegel berichtet, beschloss die Gruppe, ein parteiinternes Mitgliederbegehren über den Bundeshaushalt einzuleiten. Ziel sei ein Kurswechsel der Ampel: Mehr investieren, weniger sparen.


Weiter so: Bislang war ein entschiedenes Sowohl-als-auch die Lösung für parteiinterne Konflikte der SPD.


4.

Der Fachkräftemangel bremst Deutschland an vielen Stellen aus. Zwar ist die Zahl der offenen Stellen zu Beginn des Jahres zurückgegangen, noch immer aber versuchen Arbeitgeber hierzulande, mehr als anderthalb Millionen Jobs zu besetzen. Die Lage könnte aber noch viel dramatischer sein als bislang bekannt, wie Antworten des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) auf Fragen des stellvertretenden Grünen-Fraktionsvorsitzenden Andreas Audretsch zeigen, die der SZ exklusiv vorliegen. Roland Preuß und Vivien Timmler berichten.


Zuwachs dank ausländischer Arbeitskräfte: Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist zwischen Juni 2022 und Juni 2023 zwar um etwa 264.000 Arbeitnehmer auf 34,7 Millionen gestiegen. Der Zuwachs ist demnach aber ausschließlich auf Menschen ohne deutschen Pass zurückzuführen. Deren Anteil an den sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen hat sich damit seit 2010 von 6,8 auf 15,3 Prozent mehr als verdoppelt. Hinzu kommt, dass die Beschäftigung deutscher Staatsangehöriger wegen der allgemeinen Alterung sinkt – ausländische Arbeitskräfte die Jobschwäche der Deutschen also überkompensieren.


Drastische Verschlechterung: Trotz dieser zusätzlichen Arbeitskräfte dürfte sich in einigen Branchen die Fachkräftesituation in den kommenden Jahren weiter drastisch verschlechtern, vor allem in Berufen der Daseinsvorsorge. So rechnet das Ministerium bis 2027 mit einem Engpass von 65.000 Lehrkräften und 34.000 Erziehern und Sozialarbeiterinnen. Auch im Gesundheitsbereich, wozu sowohl Rettungsdienst als auch Krankenpflege zählen, fehlen demnach bis 2027 insgesamt 58.000 Fachkräfte. In der klassischen Wirtschaft tun sich demnach in den kommenden Jahren große Lücken auf, etwa in der Bauplanung mit 23.000 Leerstellen, im Maschinenbau mit 21.000 Vakanzen und in der Informationstechnik mit 17.000 Stellen.


Arbeitskräfte mobilisieren: Die Wirtschaftsvereinigung der Grünen hat gestern ein Positionspapier veröffentlicht, in dem sie Maßnahmen vorschlägt, um neben Fachkräften aus dem Ausland auch Arbeitskräfte im Inland zu mobilisieren. Wie Gabriel Rinaldi berichtet, fordern die Unternehmen mehr Anreize für längere freiwillige Beschäftigung Älterer, die Steigerung der Frauenerwerbstätigkeit durch bessere Rahmenbedingungen, Arbeitszeit durch Digitalisierung, KI und Automatisierung freizumachen sowie die Förderung flexibler Arbeitszeitmodelle. „Rechtliche und finanzielle Anreize sowie die Anpassung sozialer Sicherungssysteme sind ebenfalls notwendig, um die Potenziale voll auszuschöpfen“, heißt es in dem Papier.

Tiefgang

Putins Krieg läuft auch im Netz. Immer wieder gibt es Cyberangriffe auf deutsche Institutionen, die russischen Gruppierungen zuzuordnen sind. Die Bedrohungslage sei so hoch wie nie zuvor, mahnt Bundesinnenministerin Nancy Faeser schon seit Jahren. Die Warnungen decken sich nicht mit den Gegenmaßnahmen der Regierung. Um sich gegen die digitale Bedrohung besser zu rüsten, hat Faeser 2022 ihre Cybersicherheitsagenda vorgestellt. Der Umsetzungsstand: katastrophal.


Nur vier von insgesamt 47 Vorhaben hat das Innenministerium bisher umgesetzt. Das geht aus der Antwort des BMI auf eine Frage von Anke Domscheit-Berg (Linke) im Digitalausschuss hervor, die unserem Dossier Digitalwende vorliegt. Die Abgeordnete hatte im Mai den Umsetzungsstand der Agenda abgefragt. Elf Vorhaben seien mittlerweile sogar zurückgestellt worden, antwortete das Ressort.


„Gefühlt treten wir bei den zentralen Schlüsselthemen in der Cybersicherheit politisch schon seit Jahren auf einer Stelle“, sagte Dennis-Kenji Kipker, Professor für IT-Sicherheitsrecht, SZ Dossier. Wie kommt das? Es sei nicht so, dass die Bundesregierung der Cybersicherheit keine Bedeutung beimessen würde. „Sondern es ist einfach nur so, dass sie unfähig ist, eigentlich eindeutige Sachverhalte zugunsten der Cybersicherheit zu entscheiden.“


Das BMI ordne alles der inneren Sicherheit unter, Interessenkonflikte beim Thema könnten so nicht vernünftig aufgelöst werden. Der „desolate Umsetzungsstand“ überrasche insofern nicht.


Auf der Liste der zurückgestellten Vorhaben steht nun unter anderem der Ausbau der Kompetenzen des Bundeskriminalamtes zur Bekämpfung von Cybercrime. Nähere Erläuterungen gibt es dazu im Dokument keine, aber dieser Punkt könnte sich auf die geplante Grundgesetzänderung zu aktiver Cyberabwehr beziehen, die in dieser Legislatur nicht mehr zustande zu kommen scheint. Mit der aktiven Cyberabwehr wollte das BMI wehrhafter werden und einen schwerwiegenden Cyberangriff im Ernstfall abwehren können. Bisher fehlt dort für bestimmte Handlungen die rechtliche Grundlage. Was im Cyberernstfall passieren soll, bleibt also unklar.


Ebenfalls zurückgestellt wurden dem BMI zufolge die Einrichtung eines Kompetenzzentrums zur operativen Sicherheitsberatung des Bundes und die Etablierung des Grundsatzes „security by design and by default“ in der Bundesverwaltung. Das heißt, bei den IT-Anwendungen sollen Sicherheitsaspekte mitbedacht und als Standardeinstellung vorgegeben sein. Die Verzögerung hier sei „völlig unerklärlich“, sagte Kipker. „Denn das ist Stand der Technik.“


Auch die Investition in Quantencomputing beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zur Gewährleistung der sicheren Regierungskommunikation hat das BMI demnach zurückgestellt. Das BSI, so Kipker, habe am Jahresanfang noch vor den Risiken des Quantencomputings für sichere Kommunikation und Datenhaltung öffentlich gewarnt und dazu geraten, sensible Daten schon jetzt quantensicher zu verschlüsseln. Dass nun nicht in die Technologie investiert werden soll, um sichere Regierungskommunikation zu gewährleisten, wirke vor diesem Hintergrund „geradezu abstrus“.


Unter „erledigt“ stehen in dem Dokument hingegen nur sehr wenige Punkte. Darunter die Erstellung eines jährlichen Bundeslagebildes „Sexuelle Gewalt gegen Kinder“ und eines zentral durch das Bundeskriminalamt koordinierten und bundesweit abgestimmten Meldeprozesses bei Missbrauchsdarstellungen im Internet.


Die meisten Vorhaben sind noch offen, die Legislatur läuft nicht mehr lange. Darunter zentrale Reformen wie die Neuaufstellung des BSI, das unabhängiger und zur bundesweiten Zentralstelle werden soll. Auch das Thema Schwachstellenmanagement und ein Chief Information Security Officer (Ciso), also ein IT-Sicherheitschef der Bundesregierung, sind noch offen.


Für Kipker ist die Situation „mehr als gefährlich“: Bedrohungen werden immer realer, gleichzeitig drehe man sich im politischen Hickhack munter im Kreis. Die Vorhaben, die in der Cyberagenda beschrieben sind, bezeichnet er als „Schlüsselthemen“. Mit solchen allerdings, die im Koalitionsvertrag stehen und durch die Regierung dennoch herzlich ignoriert werden, ist Berlin-Mitte gepflastert. Selina Bettendorf

Fast übersehen

5.

Alles wie immer, nur etwas schlimmer: Der neue Nationale Bildungsbericht listet viele Missstände auf, die seit Jahren bekannt sind, sich aber verschlimmert haben. Besonders betroffen sind Kinder aus zugewanderten Familien. Auf knapp 400 Seiten durchleuchten Fachleute alle Stationen der Bildungskette, von Kita bis Hochschule. „Das System arbeitet am Anschlag“, sagte Kai Maaz, geschäftsführender Direktor des Leibniz-Instituts für Bildungsforschung und -information (DIPF).


Ungerechtigkeit, angefangen bei der Kita: Die drängendsten Probleme laut dem Bericht sind der Fachkräftemangel, schlechter werdende schulische Leistungen, das fehlende Geld und die fehlende soziale Gerechtigkeit entlang der gesamten Bildungskette, angefangen bei der Kita. Ein Beispiel: Der Bedarf bei Einjährigen lag 2023 bei 65 Prozent, tatsächlich zur Kita gingen 38 Prozent. Während 2021 19 Prozent der Viertklässler die Mindeststandards beim Lesen verfehlten, waren es 2011 noch zwölf Prozent.


Daueraufgabe Integration: Allein die Integration von Menschen mit Flucht- und Migrationserfahrung sei zu einer „Daueraufgabe“ und „großen Herausforderung“ geworden, für die es „bisher keine nachhaltigen Konzepte“ gebe, sagte Maaz. Eine weitere Zahl: Während 78 Prozent aller Kinder aus wohlhabenden Familien eine Gymnasialempfehlung erhielten, sei dies nur bei 32 Prozent aller Kinder aus weniger privilegierten Haushalten der Fall gewesen. Mehr hat Max Fluder für die SZ aufgeschrieben.

6.

Nur ein Drittel Studierende bei Uniprotesten? Laut der Berliner Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) wurden die pro-palästinensischen Proteste an der Freien Universität und Humboldt-Universität überwiegend durch „Hochschulfremde“ getragen. „Ein Drittel der Beteiligten an den Aktionen“ seien Studierende gewesen, sagte Czyborra laut übereinstimmenden Medienberichten im Wissenschaftsausschuss. „Zwei Drittel waren es nicht.“ Demnach müsse man davon ausgehen, „dass es sich insbesondere bei dem gewaltbereiten harten Kern nicht um Studierende handelt“.

7.

Mussolini-Jugend: Nach der bella figura während des G7-Gipfels droht Italiens rechtspopulistischer Premierministerin Giorgia Meloni Ärger. Sie übt sich in staatstragender Disziplin, ihre Partei, dieses Mal ist es die Jugendorganisation, denkt nicht daran. „Die EU verurteilt faschistische Symbolik“, sagte der Chefsprecher der EU-Kommission Eric Mamer gestern, angesprochen auf einen Medienbericht. Recherchen der italienischen Nachrichtenseite Fanpage hatten enthüllt, dass Mitglieder der Gioventù Nazionale, die Jugendbewegung der Meloni-Partei Fratelli d'Italia, bei internen Veranstaltungen unter anderem den Faschismus und Mussolini verherrlichten, den römischen Gruß zeigten und „Sieg Heil“ riefen.


Klare Kante oder leere Worte? Für Meloni, die bei der Verteilung der EU-Top-Jobs mitmischt und sich auf internationalem Parkett gemäßigt gibt, könnte das zum Problem werden. „Der Standpunkt der Europäischen Kommission und ihrer Präsidentin zur Symbolik des Faschismus ist ganz klar: Wir halten sie nicht für angemessen, wir verurteilen sie, wir halten sie für moralisch falsch“, sagte Mamer weiter.


Die „Symbolik des Faschismus“ hat Melonis Partei stilisiert im Logo. Gestört hat sich bislang fast niemand, trotz ihrer Vergangenheit und auch der ihrer Fratelli. Mamers Chefin von der Leyen müht sich um die jedenfalls fallweise Unterstützung von Melonis Abgeordneten im Europaparlament für eine zweite Amtszeit als Kommissionspräsidentin.

Zitat des Tages

Wenn die Urteilsgründe vorliegen, werden wir uns das genau anschauen und dann unseren Verbotsantrag aktualisiert und gut begründet einbringen.

CDU-Politiker Marco Wanderwitz hat die 37 Abgeordneten zusammen, die er benötigt, um im Bundestag einen AfD-Verbotsantrag einzubringen

Zu guter Letzt

Innenministerin Faeser lobte zuletzt die Sicherheitsvorkehrungen bei der Fußball-Europameisterschaft über den Schellenkönig, wie man in Bayern sagt. Bundespolizei und Länderpolizeien seien gut aufgestellt, es gebe ein umfassendes Sicherheitskonzept. Nun hat es ausgerechnet Maskottchen Albärt ausgehebelt, bei der Eröffnung in München.


Genauer gesagt hat es ein falscher Albärt geschafft, beim Eröffnungsspiel am Freitag in den Innenbereich der Münchner Arena zu kommen und sich dort frei zu bewegen. Mit einem für knapp 5000 Euro aus China eingeflogenen Albärt-Kostüm, einigen nachgemachten Akkreditierungen – die er unter anderem unzensiert in Social-Media-Posts von Mitarbeitern vorfand – und einem nachgemachten DFB-Kleinbus schaffte es der YouTuber Marvin Wildhage bis an den Spielfeldrand. Er flog erst auf, nachdem er sich in den Katakomben des Stadions verlaufen und dort auch den echten Albärt getroffen hatte.


Zur Fairness gehört, dass nicht die Polizei zuständig war, sondern der private Sicherheitsdienst der Uefa. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann sagte Bild, der Vorfall müsse „schnell und konsequent nachbereitet“ werden. Die Zutrittskontrollen liegen aber in der „alleinigen Verantwortung der EURO 2024 GmbH als Veranstalter“. Wildhage, der für solche Aktionen bekannt ist, sah sich nicht nur mit Anzeigen konfrontiert, sondern auch mit einem Stadionverbot für die EM-Städte. Die Uefa wollte ihm verbieten, das Video zu veröffentlichen, sagte Wildhage. Ihr Sicherheitskonzept überdenken sollte sie vielleicht auch.


Die Politik hat reagiert. „Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Marvin Wildhage neben mir im Bundestagsplenum sitzt“, schrieb Derya Türk-Nachbaur (SPD) auf Instagram – als wolle sie die Bundestagsverwaltung unter Genossin Präsidentin Bärbel Bas anzweifeln.


Danke! Redigiert von Florian Eder und produziert von Corinna Melville in Adelaide.

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Florian Eder

Leiter SZ Dossier