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Philanthropen entdecken die Journalismusförderung

Freitag, 5. Juli 2024
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Von Florian Eder

mit Gabriel Rinaldi und Tim Frehler

Guten Morgen. Keir Starmer, der nächste Premierminister des Vereinigten Königreichs, ist im Umgang ein angenehmer, stiller, zurückhaltender Mensch. Im Beruf ist er ausgestattet mit einem starken Instinkt für die Macht und der Geduld, sie zu erringen.


Seine Labour-Partei fuhr gestern die Ernte ein: Laut Prognose erhält die Partei 410 der 650 Sitze. Die Konservativen kommen auf 131: Demütigung, Erdrutsch, Massaker, wie die Kollegen von der Insel heute Morgen schreiben.


Starmer war noch nicht Parteichef, als wir einander 2018 auf einer Party vorgestellt wurden. Seine Labour-Partei hatte bei der Parlamentswahl ein Jahr zuvor mit ihrem ausgesprochen linken Kandidaten Jeremy Corbyn ein sehr gutes Ergebnis erreicht, auch wenn sie den Tories unter Theresa May unterlag. Starmer sagte damals etwas Launiges in der Art, die Wähler hätten irgendwann genug von den Kapriolen persönlicher und inhaltlicher Art, die sie von den Konservativen bekämen. Dass Corbyn, sein damaliger Parteichef, mitgemeint war, sagte er nicht eigens.


Seit er 2020 Labour-Chef und Oppositionsführer wurde, bewegte er die Partei auch mittels harter Auseinandersetzungen in die Mitte, da wo seiner Analyse nach Wahlen gewonnen werden, blieb er selber blass genug, um wenig Angriffsfläche zuzulassen. Die Tories taten über die vergangenen 14 Jahre und fünf Premiers tatsächlich das ihre.


Die Kontinuität in der britischen Regierungspolitik liegt nun bei Larry, dem Kater. Sein Herrchen in 10 Downing Street ist der Premierminister, der jeweilige.


Schauen wir darauf, was mal ein „sozialdemokratisches Jahrzehnt“ in Deutschland werden sollte. Willkommen am Platz der Republik.

Was wichtig wird

1.

Die Koalitionsspitzen tagten seit gestern 15 Uhr recht diskret. Zuletzt ließen sie Zuversicht verbreiten. Ihre Fraktionen wollen heute Morgen wissen, wie das Ergebnis konkret aussieht: Gleich um 7 Uhr tagen SPD und Grüne, die FDP will digital informieren.


Nächste Schwelle: Ob es für die Koalitionsfraktionen reicht, was ihre Spitzenleute ausverhandelt haben – der Tag wird es zeigen, vielleicht erst die kommenden zwei Wochen, bis dann wirklich Sommerpause ist. Gelingt keine Einigung, steht die Koalition am Abgrund.


Wie es dazu kam: Die Herausforderung der Ampelkoalition bestand darin, „die sozialpolitischen Wünsche der SPD in Einklang zu bringen mit dem klimapolitischen Ehrgeiz der Grünen und dem finanzpolitischen Credo der FDP“, schreiben die Kollegen von der SZ in einer detaillierten Rückschau auf die Ampel – die längste Zeit hat sie so oder so hinter, nicht vor sich.

2.

Was zählt, ist in der Wahlkabine. Aber auch als Umfrageteilnehmer kann der Bürger zur Entscheidungsfindung beitragen – oder wenigstens Unruhe stiften: YouGov hat für SZ Dossier gefragt, wie eine Kanzlerkandidatur der Herren Friedrich Merz, Hendrik Wüst (beide CDU) und Markus Söder bewertet wird. Die besten Werte erreichte letzterer, der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende. Die repräsentative Befragung fand unter wahlberechtigten Personen zwischen dem 28. Juni und 3. Juli statt.


Söder vorn bei Unionswählern: Das gilt insbesondere für diejenigen, die bei der Bundestagswahl 2021 ihr Kreuz bei der CDU/CSU gemacht haben. 65 Prozent von ihnen würden eine Söder-Kandidatur voll und ganz oder eher befürworten. 59 Prozent wären für Merz.

Markus Söder wäre der beliebteste Kanzlerkandidat
in Kooperation mitYouGov

Wenn Ampel-Anhänger träumen: Bei SPD-Wählern schneidet Söder mit 41 Prozent am besten ab, bei Grünen-Anhängern hingegen ist Hendrik Wüst mit 37 Prozent am beliebtesten. Wer FDP gewählt hat, schwankt hingegen zwischen Merz (48) und Söder (49). Mehr als vier von zehn Befragten, die im ländlichen Raum leben, würden eine Kandidatur Söders begrüßen. Im Vergleich dazu: Bei Merz sind es nur drei von zehn.

3.

Vor der zweiten Runde der französischen Parlamentswahl am Sonntag geht es den anderen Parteien, anders als vergangene Woche, nicht mehr darum zu verhindern, dass Marine Le Pens Rechtspartei Rassemblement National (RN) die Wahl gewinnen könnte. Diesmal ist die Frage, ob und wie eine absolute Mehrheit zu verhindern sei und damit die Regierungsübernahme.


Ambitionsniveau: Hauptsache, der RN bleibt in der Nationalversammlung unter 289 Sitzen, das wäre die absolute Mehrheit der Abgeordneten. Dafür nehmen das zweit- und drittplatzierte Bündnis in Kauf, eigene Kandidaten zurückzuziehen, um so die „republikanischen“ Kräfte zu bündeln. Nach einer Auswertung von Le Monde treten mehr als 200 Kandidaten in der zweiten Runde nicht an, obwohl sie könnten. So sinkt die Zahl der Wahlkreise, in denen eine Stichwahl zwischen drei Bewerbern angesetzt war, von etwa 300 auf noch gut 90. Damit gibt es mit 400 doppelt so viele Duelle wie vom Wahlergebnis in Runde I gedeckt.


Geschwätz von gestern: Präsident Emmanuel Macron, der vergangene Woche noch zwischen den Auswirkungen des Erfolgs extremer Rechter wie Linker kaum einen Unterschied sah, spricht sich nun selbst für den Verzicht seiner Partei Renaissance dort aus, wo ihre Kandidaten nur den dritten Platz belegten. Umgekehrt kündigte Jean-Luc Mélenchon, Gründer von La France Insoumise den Verzicht an. „Unbeugsam“ meint explizit: gegenüber EU und dem Nachbarn Deutschland.


Es werde nach der Wahl kein Bündnis mit den Linkspopulisten geben, sagte Macron (vor der Wahl). Dennoch: „Es ist interessant zu sehen, wie in Frankreich über mögliche Koalitionen gesprochen wird. Das wäre für Frankreich ein Novum und potenziell die Entstehung einer neuen politischen Kultur“, sagte Franziska Brantner SZ Dossier, Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium und Vorstandsmitglied der deutsch-französischen Parlamentarischen Gesellschaft.


Erst wird gewählt. Die Frontbildung gegen den RN gelang jahrzehntelang. Dank des Mehrheitswahlrechts war der RN trotz wachsender Erfolge, in Stimmen gemessen, in Sitzen kaum vertreten. Es gelang aber etwa bei der jüngsten Wahl zur Nationalversammlung 2022 immer weniger – weil die nachlassende Parteienbindung auch den Effekt hat, dass Wählerinnen und Wähler derlei Empfehlungen dankend ablehnten und den RN in 89 Wahlkreisen zum Sieger machten.

4.

Ein kraftvoller Rat: „Du bist der Vertreter der Europäischen Union in der Außen- und Sicherheitspolitik – niemand sonst“, rief der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell dem gewählten Präsidenten des Europäischen Rates zu, António Costa. „Mein Rat ist, das vom ersten Tag an klarzumachen.“


Wow: Politik- und Politikerbeobachtung wird bei Themen aufschlussreich, die die handelnden Personen triggern. Borrell verriet, was er gesichert von der Außenpolitik von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hält, vielleicht von seiner Nachfolgerin Kaja Kallas – und wie er sein eigenes Amt einschätzt, dem ja landläufig auch nachgesagt wird, für gemeinsame europäische Außenpolitik zu stehen.


Costa saß neben ihm, bei der intimen Jahrestagung – dem Treffen der Mitglieder des Councils – des europäischen Thinktanks ECFR in Madrid. Borrell, der von seinem Freund Costa „Pepe“ gerufen wird, wie wir bei der Gelegenheit erfuhren, setzte noch einmal an: „Die Kommission vertritt die Europäische Union nach außen – außer in der Außen- und Sicherheitspolitik. Das muss klar sein, vom ersten Moment an.“


Die Ämtervergabe in der EU dient einer mehrfachen Balance. Dass die Nord-Süd-Kluft eine Bedeutung hat, zeigt sich in der Nahostpolitik, in der von der Leyen und Borrell nahezu entgegengesetzte Positionen vertraten. „Wenn die EU gespalten ist, kann sie kein geopolitischer Akteur sein“, sagte er nun kurz vor dem Abschied nach fünf Jahren. „Die Spaltung, was Gaza angeht, ist das beste Beispiel dafür.“


Aufgemerkt, Berlin: Mit Costa, dem sozialistischen ehemaligen Premierminister, hat die südeuropäische Linke – pro-Ukraine, pro-Palästinenser – eine stärkere Rolle als im derzeitigen Gefüge, in dem Borrell sie ausfüllt. Costa aber ließ sich nicht verlocken, den guten Rat zu kommentieren: Die Einheit in der EU sei eben nicht leicht zu schaffen und erhalten – „da müssen wir als Institutionen zusammenarbeiten“.

5.

Ab 9 Uhr treffen sich heute Fachleute, Bundestagsabgeordnete sowie Vertreter von Ländern und Kommunen im Bundesfinanzministerium, um über Kommunalfinanzen zu diskutieren. Genug zu besprechen gibt es. Eine Übersicht.


Haushaltsprobleme überall: Laut Prognose der kommunalen Spitzenverbände steigt das Defizit in den kommunalen Haushalten in diesem Jahr voraussichtlich auf 13,2 Milliarden Euro, eine Verdopplung zum Vorjahr. So ließe sich kaum die bestehende Infrastruktur instand halten, Investitionen in Klimaschutz, Klimaanpassung, Energie- und Verkehrswende seien erst recht nicht in dem Maße möglich, „wie es notwendig wäre“, teilten die Verbände mit. Was tun? Um die Finanzlage der Kommunen strukturell zu verbessern, fordert der kommunalpolitische Sprecher der SPD, Bernhard Daldrup, Bund und Länder sollten auf Finanzanteile verzichten – etwa bei der Verteilung der Umsatzsteuer oder bei der Gewerbesteuerumlage.


Raus aus dem Dispo: Für die drängende Altschuldenfrage gibt es auch noch keine Lösung. Anfang Juni hatte NRW-Ministerpräsident Wüst vorgeschlagen, Berlin und Düsseldorf könnten die rund 21 Milliarden Euro schwere Last aufteilen. Daldrup fehlen allerdings bei dem Vorschlag aus NRW noch Details. „Wir haben eine Pressemitteilung, sonst nichts“, sagte er SZ Dossier. Außerdem will er Kredite nicht über Jahre abbezahlen, sondern einen einmaligen Schuldenschnitt. „Und ich werde persönlich Wert darauflegen, dass die Landesregierung eine Antwort darauf gibt, wie sie verhindern will, dass man wieder in eine solche Situation kommt“, sagte Daldrup. Was er damit meint? „Eine bessere Finanzausstattung der Kommunen – bund- und länderseitig.“


Ein Gesetzentwurf soll her: Nichtsdestotrotz wisse man nun, NRW sei bereit, bei einer Lösung des Problems mitzumachen. Der Knackpunkt: Für die notwendige Grundgesetzänderung braucht es die Union. Um deren Haltung in der Sache herauszufinden, „werden wir jetzt die Entscheidungsfrage zuspitzen“, sagte Daldrup. Nach der Sommerpause erwarte er, dass ein Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht wird, zu dem sich die Union dann positionieren müsse.

Tiefgang

Was in der Informationswüste alles nicht mehr blüht: Kontrolle politischer Entscheidungen nah am Leben; die Informationsgrundlage für informierte Entscheidungen von Wählern und Bürgerinnen; vor allem das Recht der Menschen auf gemeinsame Fakten. Weite Teile der USA gelten diesbezüglich inzwischen als Nachrichtenwüsten, wo es nur noch eines oder gar kein lokales Medium mehr gibt.


Die Gründe des Lokalzeitungssterbens sind hier nicht bodentief zu erörtern, aber: mit wegbrechenden Werbeeinnahmen, ohne zeitig eine Bezahlkultur für ihre Inhalte etabliert zu haben, verloren viele den Halt. Was daraus auch folgte: Reine Meinungsmedien stießen in die Lücke und trugen nicht wenig zur politischen Stimmung im Land bei. Sie sind übrigens billiger zu betreiben: brauchen nicht zu recherchieren, nicht zu differenzieren, haben ihren Take schon im Gepäck.


Nur in Amerika? „Wenn Ihr glaubt, Ihr habt noch zehn Jahre: Bereitet Euch auf fünf vor“, sagte mir Jim Brady, bei der Knight Foundation als Vizepräsident zuständig für Journalismusförderung und ein Veteran des US-Politikjournalismus. In den USA passierte, was in anderen westlichen Ländern auch zu sehen ist – bloß: „Der Verfall setzte früher ein und es ging steiler nach unten“, sagte John Palfrey, Präsident der McArthur Stiftung – der andere große Journalismusförderer der USA.


Beide waren diese Woche in Berlin im Versuch, verhindern zu helfen, dass wir uns bald in ähnlicher Lage befinden. Der Media Forward Fund nahm seine Arbeit auf, unter der Leitung von Martin Kotynek, dem früheren Chefredakteur des Wiener Standards. Er fördert Organisationen und Projekte, mit einem Schwerpunkt auf unterversorgte Regionen und Communities, damit es mehr Qualitätsmedien mit tragfähigen Geschäftsmodellen gibt.


Einer der Geldgeber, Hans Schöpflin, vermisste ein Bewusstsein für die Dringlichkeit: „Demokratie ohne die vierte Gewalt funktioniert nicht“, sagte der Basler Philanthrop. Das sollten Menschen mit viel Geld verstehen: „Wir müssen weg von der Wohlfühlphilanthropie“, sagte er und zählte Klimaschutz und Nachhaltigkeit zu solchen Themen. „Der Dachstuhl brennt.“


Noch könne man löschen, meinte er – aber das steht, in diesem Bild, mit der Bereitschaft, die Feuerwehr zu finanzieren. „Einerseits gibt es viel Geld, so viel wie in den nächsten Jahren hier vererbt wird“, sagte Schöpflin. „Andererseits ist dieses Geld nicht bereit, Flagge zu zeigen oder politisch zu sein.“


Vor wenigen Wochen noch kommunizierte der neue Fonds, ein Zusammenschluss verschiedener Stiftungen zu einem Förderpool, ein Zielvolumen von 25 Millionen Euro. Bis zum Start hatte sich die Zahl schon verdoppelt und tatsächlich sind bislang auch 6 Millionen Euro im Topf für die ersten Förderzusagen.


Brady berichtete im Gespräch von Erfahrungen des amerikanischen Vorbilds: Ein Beispiel für gelungene Förderung neuer, junger Lokalmedien sei es, ihnen kostengünstige Infrastruktur zur Verfügung zu stellen: ein Redaktionssystem von der Stange etwa, das mit wenigen Handgriffen an die Erfordernisse vor Ort angepasst sei. „Wir schauen oft auf die Erlösseite“, sagte Brady. „Auf der Kostenseite gibt es auch ein paar Stellschrauben.“


Ziel solcher Förderung seien nicht lebenserhaltende Maßnahmen für überkommene Geschäftsmodelle, sondern praktische Überbrückungshilfe hin zu einem neuen, sagte Brady. Eine Brücke baut man am besten, solange die Pfeiler noch Halt finden. Bewerbungen beim Media Forward Fund „sind ab sofort möglich“, teilt die Organisation mit.

Fast übersehen

6.

Nächste Baustelle für die Ampel? Am 30. Juli und damit mitten in der Sommerpause verkündet das Bundesverfassungsgericht sein Urteil über die Wahlrechtsreform der Ampelkoalition, wie Karlsruhe gestern bekannt gab. Mehr dazu hier. Sollte das Gericht das Regelwerk beanstanden, muss das Parlament womöglich während der sitzungsfreien Zeit nachbessern, denn der Zeitdruck ist enorm. Die Aufstellung der Wahlkreiskandidaten für die Bundestagswahl im Herbst 2025 hat bereits begonnen. Entsprechend komplizierter würde es, sollte es zu vorgezogenen Neuwahlen kommen.

7.

Das Auswärtige Amt hat gestern den türkischen Botschafter einbestellt, wie das Ministerium auf der Plattform X mitteilte. Als Gastgeber der Fußball-EM wünsche man sich, „dass Sport verbindet“, heißt es in der Nachricht.


Auslöser der diplomatischen Affäre war der „Wolfsgruß“, den der türkische Nationalspieler Merih Demiral nach seinem Tor im Achtelfinalspiel gegen Österreich gezeigt hatte und der als Zeichen der rechtsextremistischen türkischen „Grauen Wölfe“ gilt. Vertreter der Bundesregierung wie Innenministerin Nancy Faeser (SPD) und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) verurteilten Demirals Geste scharf. Faeser schrieb am Mittwoch auf X: „Die Symbole türkischer Rechtsextremisten haben in unseren Stadien nichts zu suchen.“ Im Anschluss bestellte die Türkei den deutschen Botschafter in Ankara ein. Wie Reuters berichtet, wirft die türkische Regierung Deutschland „Fremdenfeindlichkeit“ vor.


Im Viertelfinale trifft die Türkei morgen in Berlin auf die Niederlande. Laut dpa will dazu kurzfristig auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan anreisen. In türkischen Medien hieß es, er habe dafür seine geplante Reise nach Aserbaidschan kurzfristig abgesagt.

Für Sie gelesen

Der Urlaub naht und die Wahl des Reiseziels fällt dabei nicht selten auf Italien. Gabriel Rinaldi kann das aus naheliegenden Gründen nachvollziehen und hat einen Lesetipp.


Der erste caffè an der Raststätte nach der Grenze, die Pizza, das wirklich gute Essen: Bei Italien schwingt oft Sehnsucht mit. Es lohnt sich aber, hinter die Klischees zu blicken, um das Land besser zu verstehen. Journalist und Autor Sebastian Heinrich hat mit „Kurz gesagt: Italien“ (Suhrkamp) ein Buch verfasst, das Italien Wort für Wort erklärt.


Dafür wählt er für jedes Kapitel einen unübersetzbaren Begriff aus dem Italienischen und erzählt eine Geschichte, hintergründig und kurzweilig. Etwa zu berlusconismo oder ferragosto, aber eben auch zur Geschichte des italienischen Faschismus oder dem Verhältnis zwischen Nord- und Süditalien.

Zitat des Tages

Wir Europäer würden gern alle anderen Gärten in Ordnung bringen. Andere sind aber ganz gut darin, mit etwas Unordnung hinterm Haus zurechtzukommen.

Der Politikbeobachter und -berater Ivan Krastev auf der ECFR-Tagung in Madrid zur Frage, warum gut gemeint nicht gut gemacht heißt

Zu guter Letzt

„Sind Poldi, Klinsi und Co. Schuld am Rechtsruck in Deutschland?“, fragt die Bundeszentrale für politische Bildung und lässt die Antwort geben: Ja, „könnte schon was dran sein“. Wie sie darauf kommt? Erst schwenkten die Deutschen beim Fußball die Deutschlandfahne, später bei Pegida, dann wählen sie die AfD. Quod erat demonstrandum, Beweis erbracht.


Zweifelhaft, ob so unterkomplexer Blödsinn den öffentlichen Auftrag der Bundeszentrale erfüllt. Wenn der Erfolg einer Nationalmannschaft im eigenen Land konkrete politische Auswirkungen hat, dann eher dahingehend, die herrschenden Verhältnisse zu stützen, das sagen – hoffen, fürchten – jedenfalls Politikstrategen, mit denen wir sprachen. In Deutschland, aber nicht nur.


Hier in Madrid sagte ein Vertreter des oppositionellen Partido Popular gestern, beruflich und politisch gesehen, drücke er der deutschen Mannschaft fest die Daumen. Warum? Nicht, dass ein spanischer Sieg und Durchmarsch den dauernd wackelnden sozialistischen Premierminister Pedro Sánchez wieder festige.


Ein schönes Fußball-Wochenende!


Danke! An das beste Team in Berlin und Sabrina Frangos, die in Australien Nachtwache gehalten und die Schlusskorrektur besorgt hat.

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Florian Eder

Leiter SZ Dossier