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Nutzungsrechte erwerbenWie es zur Welle rechter Ausschreitungen in Großbritannien kommen konnte
Donnerstag, 8. August 2024Von Valerie Höhne
Guten Morgen. Eigentlich hatten die Karnevalisten vorgehabt, um 11:11 Uhr ins Willy-Brandt-Haus einzulaufen, doch die Bahn verspätete sich, kein Witz. Damit auch die Besucher aus Aachen. Anreisegrund: SPD-Chef Lars Klingbeil wurde der Orden wider dem tierischen Ernst verliehen.
Der Zeitpunkt für die Pressekonferenz hätte kaum treffender gewählt werden können, noch am Mittwochmorgen hatte der SPD-Chef den „öffentlichen Zirkus“ kritisiert, den die Regierung über den Haushalt veranstaltete, Koalitionskarneval hätte es wohl auch getroffen. Lesen Sie hier eine Analyse der SZ-Kollegen zum Streit.
Klingbeil sagte, es hätte „keine öffentliche Kommunikation gebraucht“. Dieser Interpretation angenähert hat sich in den vergangenen Tagen offenbar auch Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), der gestern der Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft sagte, es gebe noch „Klärungs- und Entscheidungsbedarf“, aber auch die Möglichkeit einer Eigenkapitalerhöhung oder eines Darlehens an die Bahn erörterte.
Klingbeil freute sich, trotz Missstimmung, sehr auf seine Ordensverleihung im Februar. Bis dahin, sei er sich sicher, würden die Ampel und die SPD „die ein oder andere Steilvorlage“ bieten. Seinen ersten Auftritt hatte er in Aachen vor rund anderthalb Jahren, dort bekannte er, kein lustiger Mensch zu sein, schließlich sei er Vorsitzender der Sozialdemokraten. Einmal aber hätten ihn alle witzig gefunden: Als die SPD bei 12 Prozent einen Kanzlerkandidaten aufstellte. Da sind sie ja beinahe wieder.
Herzlich willkommen am Platz der Republik.
Was wichtig wird
„Wer Woidke will, wählt SPD“: Das steht derzeit auf Wahlplakaten in Brandenburg. In Eberswalde, rund eine Stunde nördlich von Berlin, kam gestern Klingbeil statt Woidke, Gabriel Rinaldi war dabei. Rund 30 Bürgerinnen und Bürger waren zum Bürgerdialog gekommen, viele davon Genossen. Die Debatten um den Krieg in der Ukraine seien in Brandenburg anders als in Berlin, sagte der Niedersachse Klingbeil in seiner Einleitung, man müsse alles tun, um die Ukraine zu unterstützen.
Unerwartete Kritik: Das wäre gar nicht notwendig gewesen, als sich ein Fragesteller zur „Friedenspolitik der SPD“ meldete, kritisierte er die fehlenden Taurus-Lieferungen. Ein anderer Bürger merkte an, es sei nicht genug, dass Deutschland größter Unterstützer sei, vielmehr sei das ein „Tod auf Raten“. „Genau so ist es“, sagte jemand. Klingbeil, sichtlich irritiert, sagte, er hätte gewettet, dass die Ukraine-Debatte aus einer ganz anderen Ecke geführt würde. „Bei Olaf Scholz dauert es manchmal lange, bis er Ja sagt, aber wenn er dann Ja sagt, dauert es einen Tag und es geht los“, sagte Klingbeil. Es gebe aber nun mal das Problem, dass Putin den Krieg lange vorbereitet habe und wir „einfach Defizite haben“. Bis zum 5. November erwartet Klingbeil nicht, dass Putin seine Strategie ändere – er warte auf die Wiederwahl seines Kumpels Donald Trump, der eine Lösung zulasten der Ukraine finden wolle. „Ich hoffe, dass am Ende Kamala Harris gewählt wird und das auch der Moment sein kann, wo Putin sagt: Ich muss jetzt verhandeln.“
Weißer oder schwarzer Rauch? Ein Fragesteller kritisierte die Kommunikation innerhalb der Regierung. „Ich hätte mich gefreut, wenn ich dieses Ergebnis nicht in der Presse gelesen hätte“, sagte Klingbeil zum jüngsten Haushaltsgutachten. Besser wäre es, man würde sich erst bei weißem Rauch zu Wort melden. Im nächsten Wahlprogramm soll Pflege eines der prominentesten Themen für die SPD sein. Die SPD wolle sich, was auch sonst, auf die „arbeitende Mitte“ konzentrieren. Einen Rat zur Bekämpfung der Polarisierung hatte er an das Publikum auch: „Nur weil jemand sagt, er wählt AfD, dürfen wir ihn nie aufgeben.“
„Nicht beherzigt“, so lautet die Einschätzung von Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) zur Mahnung von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) bezüglich des Antwortverhaltens der Regierung auf parlamentarische Anfragen. „Ich kann allerdings nicht bestätigen, dass sich seitdem die Situation verbessert hat“, sagte er SZ Dossier.
Teils „miserable Antworten“: Bärbel Bas (SPD) hatte am 23. Mai einen Brief an Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt (SPD) geschrieben, in dem sie das Antwortverhalten der Bundesregierung auf Anfragen aus dem Bundestag scharf kritisierte. Kubicki teile die Einschätzung der Bundestagspräsidentin „voll und ganz“. „Ich hatte ihr – neben vielen anderen Abgeordneten – meine parlamentarische Frustration und verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich der zum Teil miserablen Antworten der Bundesregierung mehrfach mitgeteilt“, sagte Kubicki. Vor allem das Gesundheitsministerium habe Kubicki „wiederholt mangelhafte Auskünfte erteilt“.
Auch die Opposition schreibt Briefe. Beschwert hatte sich auch Julia Klöckner (CDU) am Montag bei Unions-PGF Thorsten Frei. „Das BMWK hält zum wiederholten male [sic!] die Frist für die Beantwortung der Kleinen Anfrage ohne Angabe von Gründen nicht ein“, schrieb Klöckner. „Dieser Regelbruch wird leider zur Regel und ist eine eklatante Missachtung des grün geführten Ministeriums gegenüber dem Parlament.“ Frei schickte dann gestern per Mail ein Schreiben an die AG-Vorsitzenden der Union. Beide Briefe liegen SZ Dossier vor. „Fristen werden nicht eingehalten, Antworten bleiben aus, Fragen werden ausweichend, unzureichend oder gleich gar nicht beantwortet“, resümierte er.
Versehentliche Verspätung: Das Schreiben der Bundestagspräsidentin sei den Fraktionen „versehentlich erst jetzt zur Kenntnis gegeben“ worden, hieß es in dem Brief von Frei. Fälle, die im Nachgang des Schreibens „leider erneut“ aufgetreten seien, werde Frei in der nächsten Sitzung des Ältestenrates zum Anlass nehmen, um die Regierung nach Maßnahmen zur Verbesserung des Antwortverhaltens zu fragen.
Non mea culpa: Auf Anfrage von SZ Dossier sagte eine Regierungssprecherin, die Bundesregierung nehme den Brief der Parlamentspräsidentin „sehr ernst“ und habe „großes Verständnis für ihre Bitte, parlamentarische Fragen ordnungsgemäß und rechtzeitig zu beantworten“ – das habe Wolfgang Schmidt auch am 11. Juni in einem Antwortbrief deutlich gemacht. „Gleichzeitig kann die Bundesregierung hinsichtlich der Fristeinhaltung keine Abweichungen gegenüber dem Antwortverhalten in vorherigen Legislaturperioden feststellen“, sagte sie.
Mein Kollege Georg Ismar berichtet, dass die Sparmaßnahmen bei der Bundeswehr auch das Personal treffen, obwohl die Truppe von 181.000 auf 203.000 Soldatinnen und Soldaten wachsen soll. Das würde eigentlich auch mehr Offiziersstelle bedeuten. Aber schon für das Jahr 2025 sollen Weiterverpflichtungsanträge von Offizieren im Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit nicht mehr positiv beschieden werden können. Weil das Geld fehlt. „Die Vorgaben des Bundesministeriums der Finanzen sehen für kein Ressort neue Planstellen in 2025 vor“, hieß es aus dem Verteidigungsministerium. Das kann bedeuten, dass auslaufende Verträge dann nicht verlängert und keine neuen Offiziers-Planstellen geschaffen werden, es also zum Verlust erfahrener Soldaten kommen könnte.
CDU will das nicht hinnehmen: Laut dem CDU-Haushalts- und Verteidigungspolitiker Ingo Gädechens sei es angesichts der sicherheitspolitischen Lage nicht nachvollziehbar, gut und teuer ausgebildete Soldatinnen und Soldaten zu verprellen. Bei der Bundeswehr sei, anders als sonst in Ministerien, ein Personalaufwuchs dringend nötig. Die CDU werde in den Haushaltsberatungen „das Thema Bundeswehrpersonal intensiv aufgreifen“, kündigte er an.
„Mit diesem Vorstand und dieser Struktur“ sei die Bahn nicht mehr zu retten, sagte der Vorsitzende der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) Claus Weselsky meiner Kollegin Vivien Timmler. Es müssten Manager an die Spitze des Konzerns, die „wirklich was von der Bahn verstehen“. Viele Züge führen inzwischen mit weniger Personal als geplant, die Bahn erwägt laut Bahngewerkschaft EVG auch voll besetzte ICEs künftig nur noch mit zwei Servicekräften fahren zu lassen, berichteten Vivien Timmler und Klaus Ott.
Zugbegleiter wehren sich gegen Arbeitsbedingungen: In der Regel seien fünf Mitarbeiter die Mindestbesetzung, teilte die Bahn mit, bezüglich der „Anpassung des Besetzungskonzeptes“ befinde man sich im Austausch mit den Interessenvertretungen. Ein Mitarbeiter berichtete, die Zugbegleiterbesetzung würde seit „Monaten und Jahren immer weiter runtergeschraubt“, er selbst sei nicht bereit „in No-Go-Areas“ wie dem Ruhrgebiet allein Fahrscheine zu kontrollieren, da sei ihm sein „wohlbehaltenes Ankommen zu wichtig“.
In den kommenden fünf Jahren will die Bahn bis zu 30.000 Stellen abbauen. Er sei nicht per se gegen einen Stellenabbau, sagte GDL-Chef Weselsky, er forderte aber einen gezielten Abbau „im Verwaltungs-Overhead“, nicht bei den Zugbegleitern. Die Bahn sagt, sie habe genug Zugbegleiterinnen und Zugbegleiter. Interne Chats aber sprechen dagegen. Weselsky kritisierte, die meisten seien „Fahrgäste in Uniform“ ohne vernünftige Ausbildung. „Wenn was mit dem Zug ist, dürfen die nicht mal raus ins Gleis!“, sagte er. Weselsky wird Ende des Jahres in Ruhestand gehen.
Die Linke stützte Weselskys Sicht. Es sei „ebenso dumm wie bösartig“ diejenigen entlassen zu wollen, „die täglich dafür sorgen, dass die Bahn trotz aller Fehler von Management und Politik halbwegs funktioniert“, sagte Linken-Vorsitzende Janine Wissler SZ Dossier. „Wenn es Entlassungen und Einsparungen geben soll, dann im Vorstand“, forderte sie. Die Bahn, findet Wissler, solle von Eisenbahnerinnen und Eisenbahnern geleitet werden, die wüssten, wie sie funktioniert, „nicht von fachfremden Managern und ausgeschiedenen Politikern, die einen Versorgungsposten brauchen.“
Tiefgang
Angesichts der Nachrichten aus Großbritannien am gestrigen Nachmittag konnte man glauben, eine Naturkatastrophe stünde bevor: Geschäftsinhaber schlossen ihre Läden, Parlamentarier sollten überlegen, lieber von Zuhause zu arbeiten. Und um die Ressourcen der Polizei zu schonen, unterbrachen sogar die Klimaaktivisten von „Just Stop Oil“ ihren Protest. Und tatsächlich glich das, was vor sich ging, einem heraufziehenden Sturm.
Großbritannien und seine Sicherheitskräfte bereiteten sich auf mehr als 100 Proteste vor, die Rechtsextreme für den Abend geplant hatten, wie Sky News berichtete. Doch auf Englands Straßen formierte sich diesmal Widerstand: Am Mittwochabend gingen Menschen in mehreren Städten des Landes gegen Rassismus und Hass auf die Straße, darunter in London, Sheffield, Bristol und Brighton. In Liverpool hätten sich mehrere Hundert Menschen versammelt, um ein Zentrum für Asylbewerber zu schützen, meldete die britische Nachrichtenagentur PA.
Passiert war Folgendes: Nach einer Messerattacke auf Kinder, bei dem drei Mädchen getötet wurden, ist das Vereinigte Königreich seit Tagen von rechten Ausschreitungen erschüttert worden.
Angetrieben wurden sie jedoch von Falschnachrichten, die im Internet kursierten. Der Täter sei angeblich der 17-jährige „Ali Al-Shakati“, ein Asylsuchender. Er sei vor einem Jahr mit einem Boot in Großbritannien angekommen, habe auf der Beobachtungsliste des MI6 gestanden und sei der Liverpooler Behörde für psychische Gesundheit bekannt gewesen. Informationen, die entweder falsch oder unbelegt sind. Der Name des Tatverdächtigen ist ein anderer. Wie die Polizei mitteilte, wurde er in Cardiff geboren. Berichten der BBC zufolge zog er 2013 in die Region Southport, seine Eltern stammen aus Ruanda. Und für die inländische Beobachtung von Terroristen ist nicht der MI6, sondern der MI5 zuständig.
Doch Falschnachrichten wie diese verbreiteten sich und zogen analoge Gewalt nach sich: Randalierer attackierten Asylbewerberunterkünfte, plünderten Geschäfte, griffen Polizisten an. Es könnte die schlimmste Welle rechtsextremer Gewalt der britischen Nachkriegszeit werden. Die Frage, die sich dahinter stellt, ist: Wie konnte es so schnell zu so einer Mobilisierung kommen?
Dominik Hammer ist Research Manager am Institute for Strategic Dialogue (ISD), er forscht unter anderem zu rechtsextremen Onlineaktivitäten auf alternativen Plattformen. Hammer führt die rapide Mobilisierung auf drei Faktoren zurück:
Erstens: Das Thema. Ein Angriff auf Kinder, bei dem rechtsextreme Akteure das Informationsvakuum rasant mit Falschbehauptungen hätten füllen können.
Zweitens, sagt Hammer, spiele die Art und Weise eine Rolle, wie in der britischen Politik über Migration gesprochen wird und wurde. Hammer denkt dabei etwa an Aussagen der damaligen Innenministerin Suella Braverman, die im Herbst 2022 von einer „Invasion“ von Asylbewerbern sprach. „Das trägt zur gesellschaftlichen Spaltung bei und schürt Ängste“, sagt Hammer.
Drittens habe sich das rechtsextreme Spektrum nicht erst von Grund auf organisieren müssen, sondern „hatte bereits eine digitale Infrastruktur aufgebaut und konnte dadurch mehrere Hunderttausende Leute erreichen“, sagt Hammer. „Dieses Netzwerk bestand schon, hatte die Adressaten und konnte dann Inhalte über Telegrammgruppen oder Twitter weiterleiten.“
Darunter seien neben Anhängern, der inzwischen aufgelösten „English Defence League“, einer rechtsextremen und islamfeindlichen Organisation mit Verbindungen in die Hooligan-Szene, auch sogenannte Active Clubs, „kleinere örtliche Vernetzungen“, sagt Hammer, „die eine Vermischung aus Kampfsport, aktivem Lebensstil und rechtsextremen Ideen verbreiten“. Und die offenbar auch dabei sind, sich in Deutschland zu etablieren. Das zeigt eine Untersuchung, die das Center für Monitoring, Analyse und Strategie (Cemas) im Juni veröffentlicht hat. Mindestens zwölf deutsche Gruppen seien bereits aktiv, „fitness- und kampfsportaffin“ und vereint in dem Ziel „einen angeblichen ‚weißen Genozid‘ zu verhindern“.
Ohnehin, so glaubt Dominik Hammer, sei man auch hierzulande nicht vor Ausschreitungen wie in Großbritannien gefeit. „Die Chancen für eine fremdenfeindliche Mobilisierung über Social Media sind in Deutschland nicht sehr viel anders als in Großbritannien.“ Tim Frehler
Fast übersehen
Aus dem Exil geht es weiter: Der Moskauer Menschenrechtler Oleg Orlow, beim Gefangenenaustausch zwischen Russland und westlichen Staaten freigekommen, will seine Bürgerrechtsarbeit auch im deutschen Exil fortsetzen. „Memorial kann man nicht zerstören“, sagte Orlow gestern bei einer Pressekonferenz in Berlin. Die von ihm mitbegründete und mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnete Menschenrechtsorganisation engagiert sich unter anderem für die Aufarbeitung von politischer Verfolgung und Stalin-Terror, setzt sich aber auch für politische Gefangene in Russland ein.
Es ist noch viel zu tun: Insbesondere für Häftlinge aus der Ukraine seien die Bedingungen sehr schlimm gewesen. „Sie werden isoliert gefangen gehalten. Ich kann nicht aus erster Hand sagen, dass sie gefoltert werden, doch wir wissen das aus sicheren Quellen“, sagte er. Orlow nimmt an, dass noch mindestens 800 politische Gefangene in Russland inhaftiert sind. Er wäre lieber in seiner Heimat, befürchtet dort aber Strafverfolgung. Der 71-Jährige hofft, dass er sich im Exil für die Freilassung weiterer politischer Gefangener einsetzen kann. „Meine größte Aufgabe wird es sein, weitere Gefangenenaustausche möglich zu machen, damit noch mehr meiner Freunde und Mitstreiter in Freiheit kommen.“
Almbauern fürchten sich vor dem Wolf: Auf der diesjährigen Hauptalmbegehung in Oberammergau kamen sich Bund und Länder im Streit über schnellere Abschüsse von Wölfen kaum näher, berichtete die Deutsche Presse-Agentur. Lemke habe für die „Schnellabschussregelung“ geworben, die das Bundesumweltministerium auf den Weg bringen will. Wenn Bayern dem „guten Erhaltungszustand“ des Wolfs zustimmen würde, könne sie das in Brüssel melden. „Dafür brauche ich die Zustimmung Bayerns. Das ist die Zustimmung, die fehlt mir seit mehreren Monaten.“
Laut Bayern aber soll der „gute Erhaltungszustand“ nicht im gesamten Bundesgebiet gelten, Bayern sei nicht dabei. Deswegen hat der Freistaat seine Zustimmung bislang nicht gegeben. „Lenken Sie ein“, forderte Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU) von Lemke. „Wir brauchen endlich eine Möglichkeit, ein Bestandsmanagement zu leisten, denn die Population der Wölfe in Deutschland und in Europa nimmt rasant zu.“ Der Deutsche Jagdverband gibt an, dass die Zahl der Wölfe jährlich um 40 Prozent wachse.
Zitat des Tages
Sebastian Fischer, Sprecher des Auswärtigen Amts, forderte die verbliebenen Deutschen im Libanon erneut dazu auf, das Land zu verlassen und nicht erst auf eine Evakuierung zu warten
Zu guter Letzt
Wenn es im Sommer zu nass ist, haben es Pilze einfacher, die Ernte zu befallen. Der Apfelschorf zum Beispiel bildet hässliche Narben auf Äpfeln. In der Bodenseeregion war es in diesem Jahr besonders feucht, der Apfelschorf hatte also leichtes Spiel. Mein Kollege Michael Bauchmüller berichtet, dass nun Pflanzenschutz eingesetzt werden soll. Der Chef des Bauernverbands Tettnang, Dieter Mainberger, sieht das als einzig gangbaren Weg, „um die Ernte der Betriebe zu retten“.
Es gibt aber ein Problem: Die Region ist auch für ihren Hopfen bekannt. Weil der besonders in die USA und Japan exportiert wird, kann das gängige Pestizid Captan nicht gespritzt werden, dort nämlich herrscht eine Null-Toleranz-Politik gegen das Mittel. Stattdessen hat das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit eine Notfallzulassung für das Mittel Folpet erlassen. Doch dafür herrschen EU-weit strenge Grenzwerte, 0,3 Milligramm je Kilo. Nun soll der Grenzwert vorübergehend auf sechs Milligramm erhöht werden. Eine Verzwanzigfachung.
Ist das noch gesund? Dazu sei das Bundesamt für Risikobewertung zurate gezogen worden, hieß es im Landwirtschaftsministerium. Das habe festgestellt, dass ein gesundheitliches Risiko „praktisch ausgeschlossen ist“. Apfelschorf dagegen ist für Menschen auf jeden Fall nicht gefährlich. Der Handel aber mag Äpfel damit nicht – obwohl sie schmecken, wie alle anderen Äpfel auch.
Danke! An Fabian Löhe fürs Redigat, an das Team in Berlin für ihre Beiträge, und an Sabrina Frangos in Adelaide für Schlusskorrektur und Produktion.