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Des Kanzlers Dilemmata im Wahlkampf

Dienstag, 13. August 2024
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Von Gabriel Rinaldi

mit Tim Frehler

Guten Morgen. Damals, im Herbst 2022, sagte Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt (SPD), wenn deutsche Kampfpanzer erbeutet würden, „wäre es der perfekte Anlass für die Propaganda der Russen, um zu sagen, schaut, das ist die Nato, die uns angreift“. Heute, im Sommer 2024, ist die Lage deutlich komplizierter.


Bei der ukrainischen Offensive auf russischem Gebiet in der Region Kursk sollen russischen Videoaufnahmen zufolge auch von Berlin an Kyiv gelieferte Marder-Schützenpanzer zum Einsatz gekommen sein. Die Regierung hielt sich noch am Wochenende mit Bewertungen zurück, gestern äußerten sich dann verschiedene Sprecher in der Regierungspressekonferenz. „Diese Operation ist offenbar geheim und ohne Rückkoppelung vorbereitet worden“, sagte der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner. Berlin, das will er damit unterstreichen, habe nichts von dem Vorstoß gewusst.


Wenn Waffen aus Deutschland der Ukraine zur Verfügung gestellt werden, sichere die Ukraine Berlin zu, diese im Rahmen des Völkerrechts einzusetzen, sagte der Sprecher des Verteidigungsministeriums. „Weitere Auflagen gibt es nicht“, fügte er hinzu. Erst im Mai hatte der Bundeskanzler der Ukraine erlaubt, gelieferte Waffen auch gegen militärische Ziele in Russland abzufeuern – allerdings nur zur Verteidigung von Charkiw im unmittelbaren russischen Grenzgebiet. Die Frage, wo dieses Gebiet aufhört, wird die Hauptstadt in dieser Woche noch beschäftigen.


Willkommen am Platz der Republik.

Was wichtig wird

1.

Nachdem er am Sonntag mit Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu telefoniert hatte, war heute der neue iranische Präsident Massud Peseschkian an der Reihe: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und mehrere Partner setzen verstärkt auf Verhandlungen und Krisendiplomatie im Hintergrund, um eine weitere Eskalation im Nahen Osten zu verhindern.


„Gewaltspirale“ durchbrechen: Wie ein Regierungssprecher erklärte, habe Scholz auch in einem Telefonat mit dem neuen iranischen Präsidenten Peseschkian betont, die „Gewaltspirale“ müsse durchbrochen werden. Peseschkian solle alles tun, „um eine weitere militärische Eskalation zu verhindern“. Der Kanzler sagte, der Zeitpunkt sei gekommen, das „Abkommen für einen Waffenstillstand und die Freilassung der Geiseln im Gazastreifen zu finalisieren und unmittelbar umzusetzen“.


Ob es hilft? Sogar der Vatikan hat Iran telefonisch zur Zurückhaltung gemahnt, die USA verlegten derweil wegen der angespannten Sicherheitslage weitere Militäreinheiten in die Region. Man bereite sich auf erhebliche iranische Angriffe auf Israel vor, die noch in dieser Woche erfolgen könnten. Wie die Times of Israel berichtet, soll Iran Drohnen und Raketen in Stellung gebracht haben.


Weitere Verhandlungen gefordert: Deutschland und mehrere Partner riefen Israel und die radikalislamische Terrororganisation Hamas in gleich zwei gemeinsamen Statements zu weiteren Verhandlungen auf. Der Tenor: Es dürfe keine weiteren Verzögerungen geben, die Kämpfe müssten jetzt enden. Es gehe um eine sofortige Waffenruhe im Gazastreifen und die Freilassung aller von der Hamas noch festgehaltenen Geiseln. Es gelte der Aufruf von US-Präsident Joe Biden und den ägyptischen und katarischen Präsidenten, die Gespräche im Laufe der Woche fortzusetzen. Am Donnerstag soll es so weit sein, die Hamas aber lehnt eine neue Verhandlungsrunde offenbar ab.

2.

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat sich offen für eine Debatte über die geplante Stationierung von US-Raketen in Deutschland gezeigt. Eine Debatte sei „wichtig, damit wir als Gesellschaft nach Abwägung aller Argumente zu einer Haltung finden, mit der wir alle gut leben können“, sagte Pistorius. Es gebe durch das aggressive Auftreten Russlands eine neue Bedrohungslage in Europa, und Deutschland habe nun mal eine Fähigkeitslücke, die man kurzfristig nur mithilfe der US-Verbündeten schließen könne.


Offene Debatten: „Ich glaube, wir werden eine offene Debatte brauchen in der Gesellschaft und auch im Parlament“, sagte SPD-Politiker Ralf Stegner SZ Dossier. Eine Debatte könne aber nicht heißen: „Wir vermitteln mal nach dem Motto: Beschlossen ist das alles schon, wir machen das jetzt und habt euch nicht so. So wird das nicht sein“, sagte der Abgeordnete. Es sei zudem ein „großer Fehler“, die Friedenspolitik den Populisten zu überlassen, die teilweise auf Putins Seite seien. Die russische Bedrohung gebe es, sagte Stegner, man solle aber mit Moskau „verhandeln und nicht einfach stationieren“.


Kritiker einfangen? „Die SPD scheint jetzt in Teilen umzukippen, und Landeskoalitionen und Machtfragen vor die Sicherheit unseres gesamten Landes zu stellen, ähnlich wie der CDU-Ministerpräsident Kretschmer oder der CDU-Spitzenkandidat Mario Voigt“, sagte Alexander Müller, verteidigungspolitischer Sprecher der FDP, SZ Dossier. „Ich verstehe Bundesminister Pistorius so, dass er mit einer Debatte die Kritiker in den eigenen sozialdemokratischen Reihen wieder einfangen will, was ich für vernünftig halte.“


Während die SPD diskutiert, stellt Wagenknecht Bedingungen. „Das BSW wird sich nur an einer Landesregierung beteiligen, die die US-Raketenpläne, die die Kriegsgefahr für Deutschland massiv erhöhen, klar ablehnt“, sagte Sahra Wagenknecht dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Dabei besagt der Zwei-plus-Vier-Vertrag von 1990, dass auf dem Territorium der ehemaligen DDR keine Atomwaffen, Truppen oder Waffensysteme ausländischer Streitkräfte stationiert werden dürfen. Es steht also ohnehin nicht zur Debatte, die US-Raketen nach Sachsen, Thüringen oder Brandenburg zu verlegen.


Blackbox BSW: „Man gewinnt den Eindruck, dass Frau Wagenknecht eine Zusammenarbeit mit der AfD vorbereitet“, sagte Thüringens CDU-Spitzenkandidat Mario Voigt SZ Dossier. Das BSW scheine nach allen Seiten offen. „Am Ende weiß niemand, was er mit denen bekommt“, so Voigt. SPD-Chef Lars Klingbeil kritisierte im ARD-Sommerinterview, dass Wagenknecht in den ostdeutschen Bundesländern eine große Angst verbreite. „Das macht natürlich vieles auch schwerer“, sagte er. Öffentliche Diskussionen könnten aber dazu beitragen, dass „viel mehr Menschen auch verstehen: diese Raketen kommen, damit wir geschützt werden“.

3.

Nach den Olympischen Spielen hat der – um im Bild zu bleiben – Wettstreit um die Deutungshoheit begonnen, schreibt Tim Frehler. Darüber, wie das deutsche Abschneiden nun einzuordnen ist und was nun zu tun ist.


Zügig analysieren: Mit Blick auf die Medaillenausbeute (33 Mal Edelmetall) sagte Stephan Mayer, sportpolitischer Sprecher der Union im Bundestag, gestern: „Der Abwärtstrend setzt sich damit fort.“ Erforderlich sei nun eine Analyse der Situation des deutschen Spitzensports, und zwar „ohne Scheuklappen“, wie Mayer sagte. Zügig solle die Bundesregierung ihr angekündigtes Sportfördergesetz vorlegen.


Es geht ums Geld: Einen Referentenentwurf für dieses Gesetz gibt es seit März, eigentlich sollte er noch vor der Sommerpause im Kabinett beraten werden. Doch vor allem die Sportverbände äußerten massive Kritik an dem Entwurf. Kern der Auseinandersetzung ist die Einführung einer Sportagentur in Form einer Stiftung, die den Spitzensport in Deutschland steuern und fördern soll, maßgeblich also daran beteiligt ist, wohin Fördermittel fließen. Im 18-köpfigen Stiftungsrat sollen Vertreter des Bundes den Vorsitz übernehmen – und bei Stimmengleichheit auch entscheiden können. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) bezeichnete den Entwurf damals als „herbe Enttäuschung“, von einer „Unabhängigkeit der Agentur“ könne man nicht sprechen.


Strukturen ändern: Der Referentenentwurf soll aber „in den nächsten Wochen in die Länder- und Verbändeanhörung gehen“, wie die sportpolitische Sprecherin der SPD im Bundestag, Sabine Poschmann, im Gespräch mit SZ Dossier ankündigte. Länder und Verbände hätten dann drei Wochen Zeit für eine Stellungnahme. Mit Blick auf die deutsche Medaillenausbeute sagte Poschmann, Ziel müsse sein, wieder unter die ersten fünf Nationen zu kommen. „Doch dafür müssen wir die Strukturen ändern.“

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Tiefgang

Das Bild, von dem so viele dachten, es würde den US-Wahlkampf der kommenden Wochen und Monate prägen, ist bereits ein Fall für die Geschichtsbücher. Über die Kugel, die den US-Präsidentschaftsbewerber Donald Trump am Ohr streifte, redet kaum noch jemand. Kamala Harris bestimmt jetzt die Agenda, das Momentum hat sich gedreht.


Durch die Stabübergabe bei den Demokraten erfuhr dieser US-Wahlkampf eine neue Dynamik: Plötzlich kam Bewegung in das Rennen, so etwas wie Aufbruchstimmung keimte auf. Auf der anderen Seite des Atlantiks, in Deutschland, wirkt die politische Lage hingegen festgefahren.


Die Union führt die Umfragen an und erzielt dabei fast so hohe Werte wie alle drei Ampelparteien zusammen. Bewegung, so scheint es, entsteht allenfalls an den Rändern, wo das BSW auf das bundespolitische Spielfeld drängt, wo sich die Frage stellt, wie stark die AfD wird und wo die Linke um ihr Überleben bangt. Aber so etwas wie Aufbruchstimmung? Das zeichnet sich gerade nicht ab. Für die Kampagnenplaner – vor allem in den Reihen der Ampel – dürfte sich daher die Frage stellen, wie sie eine Trendumkehr herbeiführen können.


Der Politikberater Frank Stauss, der schon seit etlichen Jahren Wahlkämpfe managt, viele davon für die SPD, hat für das kommende Jahr zunächst einmal eine gute Nachricht parat: „Bis zur Bundestagswahl besteht noch großes Potenzial für Veränderungen“, sagte Stauss SZ Dossier. Um das zu erkennen, müsse man gar nicht bis in die USA schauen, ein Blick auf die vergangene Wahl reiche aus, so Stauss. 2021 sei das Momentum auch erst durch die Patzer von Grünen und Union wenige Wochen vor der Wahl entstanden. Für Stauss bedeutet das: „Diese ‚Volatilität‘, wie man sie gerade in den USA beobachten kann, die finden wir auch in Deutschland.“


Die Ausgangslage ist dieses Mal jedoch eine andere. Für die SPD und ihren Kanzler sieht Stauss drei große Herausforderungen.


Erstens: Olaf Scholz‘ Erzählung aus dem vergangenen Wahlkampf, mit ihm gebe es keine Experimente, das Land werde kompetent und sicher regiert, „die wird nicht funktionieren“, sagte Stauss. „Diese Attribute werden der Regierung nicht mehr zugesprochen.“ Das Macher-Image sei beschädigt.


Zweitens: Darüber hinaus stelle sich für die SPD die Frage, welche Machtoptionen sie nach der Wahl eigentlich noch hat. Wenn Scholz Kanzler bleiben will, gebe es im Prinzip nur zwei Konstellationen, sagte Stauss: „Die Ampel wird wiedergewählt, was ich für schwierig halte.“ Oder die SPD werde nach der Wahl stärkste Partei und könne eine Große Koalition anführen. „Das löst bei vielen aber auch keinen Enthusiasmus aus“, sagte Stauss.


Drittens: Nichts von dem, was die Ampel erreicht habe, sei ohne großes Gejammer, ohne Wehklagen zustande gekommen, sagte Stauss. Die dritte große Herausforderung sei daher „der faktische Zustand der Koalition“.


Was also tun? Jedenfalls nicht das, was die Sozialdemokraten bei der Europawahl versucht haben. „Das war ein relativ ideenfreier Aufguss der Bundestagswahl 2021“, sagte Stauss. „Sowohl optisch als auch inhaltlich.“ Was es jetzt brauche, sei ein neuer Aufbruch. Nur wie? „Ich finde nach wie vor, dass viel gemacht wird. Aber diese Regierung ist völlig unfähig darin, Erfolge zu feiern“, sagte Stauss. Auch in der SPD herrsche bisweilen Sprachlosigkeit, man nehme sich viele Vorwürfe der Gegner auch noch zu Herzen, anstatt sie mit Gegenargumenten zu entkräften.


Gleiches gelte für die Kommunikationskanäle der Regierung: „Ich sehe viel zu wenig davon, wie man Leute wirklich darüber aufklärt, was es an Neuerungen gibt und was diese Regierung für weite Teile der Bevölkerung auf den Weg gebracht hat.“ Beispiel Bürgergeld: „Die ganze Kommunikation zu dieser Reform hat gar nicht stattgefunden, sonst wüssten viel mehr Menschen, dass das Bürgergeld eigentlich gut für sie ist, dass es ihnen Stabilität verschafft. Aber dafür hätte man eben eine Aufklärungskampagne gebraucht“, sagte der Politikberater. Auch für eine Regierung gebe es also Mittel und Wege zu kommunizieren, Leute zu erreichen und Fakten zurechtzurücken. Tim Frehler

Fast übersehen

4.

Ampel-Streit um 20 Euro: Die Ampel zankt wieder ums Bürgergeld. Christian Dürr, FDP-Fraktionschef, warb für eine Kürzung des Bürgergelds. Wegen der Inflationsentwicklung falle das Bürgergeld „aktuell 14 bis 20 Euro im Monat zu hoch aus“, sagte er der Bild. Sein Vorschlag: eine „Anpassung nach unten, weil bei der letzten Berechnung die Inflation höher eingeschätzt wurde, als sie sich tatsächlich entwickelt hat“. Das entlaste die Steuerzahler um bis zu 850 Millionen Euro und erhöhe die Arbeitsanreize.


Prompt kam Kritik aus der SPD. „Ich halte von dem FDP-Vorschlag überhaupt nichts“, sagte SPD-Sozialpolitikerin Annika Klose SZ Dossier. Die Prognose der Preiserhöhung werde ausgeglichen, indem zum nächsten Jahreswechsel keine oder kaum eine Anpassung der Regelsätze erfolgen werde. Es sei „äußerst fragwürdig, die Haushaltslücke füllen zu wollen, indem man bei den Ärmsten kürzt“. „Sinnvoller“ sei eine Steuererhöhung „für sehr reiche Menschen“. Sie wäre froh, sagte Klose, wenn sich die FDP dieser Frage zuwenden würde. Allzu große Hoffnungen wird sie sich dabei nicht machen.

5.

Es geht um Vereine wie den von Gregor Gallner, ran e. V. heißt er, und ist der Förderverein der Gewerkschaftsjugend in Thüringen. Er betreibt ein Jugendbüro in Erfurt. „Wir gehen aber auch in Schulen und machen dort Projekttage zum Thema Berufsorientierung“, sagte Gallner. Und demonstrieren, das tun sie auch, gegen den Krieg in der Ukraine etwa. Weil das Gemeinnützigkeitsrecht aber unklar ist, begeben sie sich mit solchem politischen Engagement auf rechtlich heikles Terrain.


Die AfD kennt die Unklarheiten: Es droht der Verlust des Gemeinnützigkeitsstatus – und damit der Verlust sämtlicher steuerlicher Privilegien. Ein Risiko auch, weil die AfD um diese Unklarheit weiß und solche Organisationen beim Finanzamt meldet, damit die Behörde ihre Gemeinnützigkeit überprüft. Vorgekommen ist das etwa schon bei der Amadeu Antonio Stiftung und dem Verein „München ist bunt“.


Lücken bleiben: Durch ihre Ergebnisse in der jüngsten Vergangenheit, etwa bei den Kommunalwahlen, werde die AfD dieses Vorgehen intensivieren, glaubt David Begrich, Mitarbeiter der Arbeitsstelle Rechtsextremismus bei „Miteinander“ e. V. in Magdeburg. „Wenn die AfD in den kommunalen Aufsichtsgremien sitzt, in den Beiräten sitzt, im Hauptausschuss, im Jugendhilfeausschuss, dann wird sie fragen, was hier vor Ort stattfindet“, sagte Begrich. Die Ampel wollte die rechtlichen Lücken schließen, ein Entwurf des Steuerfortentwicklungsgesetzes geht aber selbst manchen Koalitionären nicht weit genug.

6.

Falschinformationen aus Moskau: Schon seit geraumer Zeit sind Geheimdienste und Cyberspezialisten einer „Doppelgänger“-Kampagne auf der Spur, die seit dem russischen Überfall auf die Ukraine im Frühjahr 2022 zu beobachten ist. Es ist vermutlich die größte bisher entdeckte Desinformationskampagne weltweit. Dabei tauchen im Netz vermeintliche Artikel aus Medien wie der SZ, dem Spiegel, der Welt oder der FAZ auf. Sie sehen aus wie in der jeweiligen Zeitung, transportieren über Trollarmeen prorussische Inhalte auf X oder Facebook und haben eine Gemeinsamkeit: Es sind Fälschungen. SZ-Kollege Jörg Schmitt berichtet: Mehr hier.


Der Tenor: Die Bundesregierung unterstütze die Ukraine auf Kosten der eigenen Bevölkerung. Die Desinformanten haben auch ihnen genehme Inhalte einschlägiger Webseiten mit ihren Trollarmeen gepusht, etwa solche der Weltwoche, der Berliner Zeitung, des inzwischen verbotenen Magazins Compact und von Tichys Einblick. Schon bald, nachdem die ersten „Doppelgänger“ aufgetaucht waren, lag der Verdacht nahe, dass ihre Spur nach Moskau führt. Jetzt lieferten interne Serverdaten den Beweis, denn bayerische Verfassungsschützer konnten Teile der russischen Trollarmee bis ins Detail analysieren.


Drahtzieher im Kreml: Ihre Ergebnisse haben die Nachrichtendienstler in einem 30-seitigen Bericht festgehalten, der der SZ und der Zeit vorliegt. Westliche Geheimdienste gehen davon aus, dass zwei russische IT-Dienstleistungsfirmen verantwortlich sind. Der Chef einer der beiden Firmen soll nach nachrichtendienstlichen Erkenntnissen enge Kontakte zur Präsidialverwaltung des Kreml unterhalten. Es spricht viel dafür, dass dort auch die geistigen Drahtzieher der Kampagne sitzen.

Unter eins

Es ist zu 100 Prozent ausgeschlossen, dass Paare schlechter gestellt werden. (...) Insbesondere das Ehegattensplitting wird nicht abgeschafft, weil das eine massive Steuererhöhung wäre.

Finanzminister Christian Lindner (FDP) zur geplanten Ampel-Reform der Steuerklassen

Zu guter Letzt

Wer die politische Botschaft des Musikvideos verstehen will, muss bis zum Ende bleiben. Zu Beginn schwenkt die Kamera auf Thüringens Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Linke). Ausgestattet mit der obligatorischen verspiegelten Sonnenbrille steigt er in den Sprechgesang von Trios 80er-Hit „Da Da Da“ ein: „Was ist los mit dir, mein Schatz? Aha.“


Während die Musik weiterläuft und Ramelow gemeinsam mit der Erfurter „Glitzerpunkpop“-Band Donata singt und tanzt, werden Schlagzeilen in gelber Retro-Schrift eingeblendet. Etwa „Die Brandmauer ist eingestürzt“. Ramelows Einsatz: „Geht es immer nur bergab? Aha.“ Es ist eine Cover-Version, der Text gleicht dem 1982 veröffentlichten Original. „Ich lieb’ dich nicht, du liebst mich nicht“, singt Ramelow mehrfach. Nach dem Finale des Songs wird der Satz eingeblendet: „Du musst mich nicht lieben, Demokrat sein reicht.“


Spätestens jetzt wird klar: Der Linken-Landesvater inszeniert sich per Trio-Cover als Alternative zu den Antidemokraten, sein launiges Musikvideo ist harter Wahlkampf. Den braucht es aus Ramelows Sicht auch, denn seine Linke kommt laut Umfragen nur noch auf 15 Prozent. Hinter AfD, CDU und BSW.


Vielen Dank! Dem Team in Berlin und den Kolleginnen in Australien.

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Florian Eder

Leiter SZ Dossier