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Wie das Comeback der Linken gelingen soll

Mittwoch, 14. August 2024
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Von Valerie Höhne

mit Tim Frehler und Gabriel Rinaldi

Guten Morgen. Heute läuft die erste inoffizielle Frist zur – erneuten – Haushaltseinigung ab. SPD-Chefin Saskia Esken hatte angekündigt, dass die Bundesregierung sich bis 14. August einigen wolle. Aber wir wissen ja, wie ernst die Regierung sogar selbstgesetzte Fristen nimmt, geschweige denn Hinweise von außerhalb.


Bis übermorgen muss der Haushaltsentwurf laut Haushaltsgesetz dem Bundesrat überstellt werden, bis dahin sollen idealerweise mehrere Milliarden Euro eingespart werden. Momentan sind noch 17 Milliarden Euro als Globale Mindereinnahme vorgesehen, um acht Milliarden soll dieser Wert schrumpfen. Zwischen den Koalitionsspitzen wird weiterverhandelt, heute, so die Hoffnung, soll der Vorschlag stehen. Mein Kollege Claus Hulverscheidt berichtet, dass laut Regierungskreisen sowohl das Darlehen an die Bahn als auch das an die Autobahn AG vier Milliarden Euro umfassen könnte.


Egal, was kommt: Ruhig wird es in dieser Koalition wohl nicht mehr. „Finanzministerversager“ und „Systemsprengerkind“ sind Worte, die von Partnern gefallen sind, wenn es um Christian Lindner und die FDP geht. Die Forderungen zu kostenfreiem Parken in Innenstädten, zur Absenkung des Bürgergelds, der Abschaffung des Entwicklungsministeriums, all das dient manchen als Beleg dafür, die FDP habe kein Interesse am konstruktiven Streit.


Immerhin, gestern beschloss das Kabinett im Umlaufverfahren eine Wohngelderhöhung um 30 Euro ab dem 1. Januar 2025, und die Fortsetzung des Kitaqualitätsgesetzes, Kostenpunkt: vier Milliarden Euro während der kommenden zwei Jahre. Wie das die FDP-Fraktion findet? Die Ampel steht, noch vor Ende der Sommerpause, mal wieder an einem kritischen Punkt.

Herzlich willkommen am Platz der Republik.

Was wichtig wird

1.

SPD-Innenpolitiker Dirk Wiese hat sich offen für eine Verlängerung der temporären Kontrollen an deutschen Binnengrenzen ausgesprochen. „Sie haben vor und während der EM zu mehr Sicherheit an unseren Grenzen beigetragen und sollten dort, wo nach Einschätzung unserer Sicherheitsbehörden erforderlich, auch über die bisher angeordnete Zeit hinaus eingesetzt werden“, sagte Wiese SZ Dossier. Auch Innenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte gestern in Görlitz, für sie bleiben die Grenzkontrollen „so lange wie nötig“. Voraussetzung für eine Aufhebung sei, dass die irreguläre Migration „merklich“ zurückgehe.


Was zuvor geschah: Führende Grünen-Politiker hatten sich in einem offenen Brief an die EU-Kommission gegen die von Faeser angeordneten Binnengrenzkontrollen ausgesprochen, Berlin handele aktuell nicht konform mit dem Schengener Grenzkodex. Wie das Innenministerium (BMI) auf Anfrage von SZ Dossier antwortete, setze die „vorübergehende Wiedereinführung von Binnengrenzkontrollen als Ausnahmeregelung“ eine „ernsthafte Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit voraus, ist zeitlich begrenzt und hat stets ultima ratio Charakter“.


As long as it takes? Die vorübergehenden Grenzkontrollen an den Grenzen zu Polen, Tschechien, Österreich und der Schweiz laufen aktuell noch bis Ende des Jahres. Diese seien aus „sicherheits- und migrationspolitischen Gründen“ bis einschließlich 15. Dezember angeordnet worden, an der deutsch-österreichischen Grenze bis zum 11. November. „Auch hier erfolgen die Binnengrenzkontrollen lageabhängig und werden so lange fortgesetzt, wie sie zur Begrenzung der irregulären Migration und zur Bekämpfung der Schleusungskriminalität erforderlich sind“, heißt es aus dem BMI. Die olympiabedingten Kontrollen an der deutsch-französischen Grenze laufen hingegen bis zum 30. September.


Kapazitäten entscheidend: An den übrigen Grenzen zu Dänemark und den Beneluxstaaten, an denen EM-bedingt bis zum 19. Juli kontrolliert wurde, erfolge wie bereits vor der EM die sogenannte Schleierfahndung. „Unsere Erfahrung mit Grenzkontrollen während der Fußball-EM in unserem Land zeigen, dass diese wirksam sind“, sagte Wiese. An den deutschen Binnengrenzen seien demnach 9171 unerlaubte Einreisen festgestellt und 6401 Menschen zurückgewiesen worden. Die Polizei habe 275 mutmaßliche Schleuser erwischt und mehr als 400 Haftbefehle vollstreckt. „Entscheidend hier sind aber auch die Kapazitäten unserer Grenzbeamten sowie die Einschätzung unserer Sicherheitsbehörden“, sagte Wiese.

2.

„Ein Beschluss zum Fremdschämen… Das Papier ist unterirdisch schlecht“, schrieb der frühere niedersächsische FDP-Landtagsabgeordnete Björn Försterling auf Instagram über den Beschluss des FDP-Präsidiums „Fahrplan Zukunft – Eine Politik für das Auto“. Darin forderte die Partei unter anderem ein „deutschlandweites Flatrate-Parken“ und größere Hürden für Fahrradstraßen. „Niemand benötigt eine Bevormundung durch die Bundespolitik oder eine Parkflatrate für deutsche Innenstädte“, schrieb Försterling. Wer glaube, dass der Käuferschwund im Einzelhandel mit Parkplätzen vorm Geschäft zu tun habe, habe sich „schon länger nicht mehr mit Einzelhändlern vor Ort unterhalten“.


In der Partei wächst der Unmut: Franziska Brandmann, Vorsitzende der Jungen Liberalen, sagte SZ Dossier, das „ideologische Verteufeln individueller Mobilität der Grünen ist dabei genauso wenig zielführend wie eine Politik ausschließlich für das Auto“. Menschen „in ländlichen Regionen“ würden selbstverständlich nicht auf ihr Auto verzichten. „Welchen Antrieb dieses Auto letztlich hat, sollte nicht die Politik, sondern der Wettbewerb entscheiden“, sagte sie. Heißt auch: Die rhetorische Verengung der FDP-Spitze auf den Verbrennermotor findet sie nicht gut. Sie wolle das Auto „endlich in den EU-weiten Emissionshandel einbeziehen“.


Es gebe genug Beispiele für attraktive Städte mit einem gelungenen Mobilitätskonzept: „Tiefgaragen in Laufweite der Altstadt wie in Düsseldorf, Ladeinfrastruktur für E-Bikes in Utrecht oder moderne Fußgängerareale wie in Kopenhagen“, sagte sie. Das Papier, schrieb Försterling noch deutlicher, sei „nicht nur peinlich für den Generalsekretär und den Bundesverkehrsminister, sondern schädlich für das Bild der FDP“. Er forderte Volker Wissing und Bijan Djir-Sarai dann auch zum Rücktritt auf, sie sollten sich auch von ihren Dienstwagen verabschieden.


Wenig Lust auf identitätspolitische Duelle: Auf Instagram posteten einige Junge Liberale einen Gastbeitrag des FDP-Vizevorsitzenden Johannes Vogel aus dem Jahr 2022 für den Tagesspiegel, in dem er schrieb, es brauche keine identitätspolitischen Duelle zwischen Auto- und Fahrradfahrern. Der stellvertretende Kreisvorsitzende aus Olpe, Colin Sam Stamm, postete einen alten Screenshot von Vogel und dazu den Satz: „Dieses verkehrspolitische Konzept ist das, was das Land braucht.“

3.

Pyrotechnik ist doch kein Verbrechen, sagen nicht nur Ultras und Tiktoker, sondern auch die Grünen im Bundestag. Dafür kämpfen wollen die Sportpolitiker Philip Krämer und Marcel Emmerich laut eines Schreibens zu Fankultur, Sicherheit und Bürgerrechten, das SZ Dossier vorab vorliegt. Wie Gabriel Rinaldi schreibt, skizzieren sie darin vor dem Bundesligaauftakt mehrere Maßnahmen, um Sicherheit und Bürgerrechte im Stadion gleichermaßen zu achten.


No pyro, no party? „Auch diese Saison werden Verbote nicht die Nutzung von Pyrotechnik innerhalb der Stadien verhindern, weswegen ein klar definierter Rahmen für ein kontrolliertes Abbrennen für mehr Sicherheit sorgen könnte“, sagte Philip Krämer SZ Dossier. Denkbar sei laut des Schreibens eine Pilotphase, eine „Koordinierung pyrotechnischer Choreographien“ könne bei Erfolg auch ein „wichtiges Argument für die Erwägung neuer Regelungen“ sein. So oder so sei der Status quo für beide Seiten nicht zielführend. Bis eine „konstruktive Lösung“ gefunden sei, müsse – auch im Strafenkatalog – zwischen „stimmungsförderndem Einsatz“ und „Einsatz als Waffe“ unterschieden werden.


Mehr Kooperation, mehr Sicherheit: Ein weiterer Punkt ist der Ausbau der sogenannten Stadionallianzen, also der Kooperation zwischen Fußballvereinen, Fanprojekten, Polizei und Kommunen. „Ein weiterführendes Netzwerk auf Bundesebene wäre zudem ein Schritt zur gemeinsamen Gewährleistung von Sicherheit in deutschen Stadien“, heißt es. Die Ordnungskräfte sollen die Fifa-Sicherheitsregularien befolgen und auf den Einsatz von Reizgas in und um Stadien verzichten. Darüber hinaus fordern die Sportpolitiker eine deutschlandweite Kennzeichnungspflicht sowie Polizeibeauftragte in allen Bundesländern.


Freiheit für die Kurven: Wie Krämer und Emmerich schreiben, seien „Repression, Null-Toleranz-Strategien und die rücksichtslose Durchsetzung von Verboten“ nicht verhältnismäßig. Die Kriminalisierung von Fußballfans und Verurteilung von Beamten müsse man gleichermaßen vermeiden. Neben einer Überarbeitung des nationalen Konzepts Sport und Sicherheit und der Datei „Gewalttäter Sport“ sei es aber auch notwendig, Handlungskonzepte gegen sexualisierte Gewalt für die Vereine der ersten bis dritten Liga verpflichtend zu machen.

4.

Die Zahl der Menschen, die sich um ihre persönliche Zukunft sorgen, die sagen die wirtschaftliche Lage im Land sei schlecht und die bezweifeln, dass Deutschland gewappnet sei für die großen Herausforderungen unserer Zeit, steigt. Das hat eine Umfrage von policy matters im Auftrag der Körber-Stiftung ergeben, die gestern veröffentlicht wurde.


Zweifel an Deutschlands Handlungsfähigkeit: 2020 sagten noch 58 Prozent der Befragten, bei ihnen überwiege hinsichtlich ihrer persönlichen Zukunft die Zuversicht. In diesem Jahr sind es noch 46 Prozent. Umgekehrt machen sich derzeit 54 Prozent Sorgen um ihre Zukunft, vor vier Jahren waren es noch 42 Prozent. Der Anteil derer, die die wirtschaftliche Lage in Deutschland als „schlecht“ einschätzen, hat sich fast verdoppelt. Lag er vor vier Jahren noch bei 15 Prozent, beträgt er dieses Jahr 28 Prozent. Angestiegen ist auch der Anteil derer, die bezweifeln, dass Deutschland in der Lage ist, „die großen Herausforderungen unserer Zeit zu bewältigen“. Auf diese Frage antworteten 2023 noch 50 Prozent mit „nein“, 2024 bereits 57 Prozent.


Sorge um die Demokratie: Das Vertrauen in die Demokratie ist bei mehr als der Hälfte der Befragten (51 Prozent) weniger groß oder gering. Fast zwei Drittel (60 Prozent) haben der Befragung zufolge ein Bedürfnis nach starken Führungspersönlichkeiten und stimmen der Aussage zu, dass Politikerinnen und Politiker mehr Macht und Durchsetzungswillen haben sollten. 69 Prozent sagten aber, auch Populismus sei eine Gefahr für die Demokratie.


Was tun? 63 Prozent der Befragten stimmen eher der Aussage zu, extreme Parteien zu verbieten. 85 Prozent würden es begrüßen, wenn Gewalt und Hetze in sozialen Medien stärker bestraft werden. Generell ausgeprägt ist der Wunsch nach mehr Beteiligung: 87 Prozent wünschen sich, Bürgerinnen und Bürger in politischen Entscheidungen stärker einzubeziehen. Vor allem auf lokaler Ebene ist dies den Befragten wichtig oder sehr wichtig.

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Tiefgang

Ist er das wirklich? Bodo Ramelow, Ministerpräsident aus Thüringen? Mit verspiegelter Sonnenbrille in einem Musikvideo? Es sieht so aus. Zusammen mit der Band Donata aus Erfurt hat er den Trio-Song „Da Da Da“ zum Wahlkampfhit umfunktioniert. Die Botschaft: Ihr müsst mich nicht lieben, aber wählt mich bitte trotzdem. Das soll witzig sein. Die Lage der Partei aber ist ernst. In den Umfragen liegen Ramelow und seine Partei bei 15 Prozent, das ist nicht einmal die Hälfte des Wahlergebnisses von 2019.


Ramelow ist aber nicht nur Ministerpräsident in Thüringen, er ist der letzte Popstar, den die Linke noch hat. In Sachsen und Brandenburg muss sie um den Wiedereinzug in den Landtag bangen, in bundesweiten Umfragen dümpelt sie meist bei drei Prozent herum und im jüngsten ARD-Deutschlandtrend wurde gar kein eigener Wert für sie angezeigt. „Wir müssen uns nichts vormachen“, sagt Ates Gürpinar, Bundesgeschäftsführer der Linken, „es geht um alles.“


Aber was tun?


Thematisch hat Gürpinar, auch nach der Abspaltung des BSW, eine Lücke ausgemacht, die die Linke seiner Ansicht nach ausfüllen muss. „Einerseits indem wir beim Thema Migration Haltung zeigen.“ Gleichzeitig müsse sich die Linke auf jene Menschen fokussieren, „die Sorgen haben, die die Verteilungskämpfe spüren“. Der Gedanke dahinter: „Die Diskussion wieder dahin schieben, wo wir stark sind“, sagt Gürpinar, also in Richtung Soziales, Bildung und Gesundheit.


Auch strukturell will sich die Linke neu aufstellen. Dazu will die Partei ihre Leute losschicken, sie sollen an Infoständen, Gartenzäunen und Haustüren mit den Menschen ins Gespräch kommen, auch wenn gerade kein Wahlkampf ist. „Gerade besprechen wir mit den Kreisverbänden, welche Zielgruppen für uns dabei im Zentrum stehen.“ Nach dem Bundesparteitag im Oktober soll es losgehen. Die Ergebnisse sollen dann im kommenden Jahr in die Entwicklung des Wahlprogramms einfließen. Und natürlich wolle man den Menschen, die man dabei treffe, auch zeigen, wie sie mitarbeiten können.


Eingebettet ist diese Klinkenputzoffensive in einen größeren Prozess der Erneuerung, „Plan 25“ heißt er. Drei hauptamtliche Mitarbeiter mit Kampagnenerfahrung seien damit beschäftigt, ihn in die Tat umzusetzen. Gürpinar setzt aber auch auf die Neumitglieder, die die Linke zuletzt hinzugewonnen hat. Das seien Menschen, die bereits politisch interessiert und aktiv seien, sagt der Bundesgeschäftsführer. „Und die sind ja eingetreten, um etwas zu bewegen.“


Anleihen nimmt die Linke dabei auch im Nachbarland Österreich. Georg Kurz, früher Sprecher der Grünen Jugend, hat den Wahlkampf der Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ) in Salzburg mitorganisiert, überraschend erfolgreich. Inzwischen arbeitet er im Karl-Liebknecht-Haus. Bei den Kommunalwahlen im März schaffte es der KPÖ-Kandidat in die Stichwahl, die Partei holte 23 Prozent der Stimmen. Das Konzept: In die Viertel gehen, in der die Menschen FPÖ gewählt haben. „Klassenpolitik bedeutet, nicht nur den Teil der Klasse anzusprechen, der gendert“, schrieb er in einem Gastbeitrag für die Rosa-Luxemburg-Stiftung, Zielgruppe seien alle, die mit den „herrschenden Verhältnissen“ unzufrieden seien.


Um das Ruder herumzureißen, brauche es „politische Zuversicht, gute Laune, und Ideen auf der Höhe der Zeit“, sagt Daphne Weber, Mitglied im Bundesvorstand der Linken. Da sei leider in der letzten Zeit zu viel versäumt worden. Weber hat daher im Mai ein Papier für eine „Weststrategie“ vorgelegt, dort in den westdeutschen Bundesländern sei das Gros der Wählerinnen und Wähler zuhause – und zwar vor allem jene, die, aus Webers Sicht, für die Linke zugänglich sein könnten. Die Partei habe vor allem in „weiblich geprägten Dienstleistungsberufen“ Potenzial, bei Erzieherinnen oder Pflegerinnen. Und die lebten häufig in urbanen Zentren, wie dem Ruhrgebiet oder rund um Frankfurt am Main.


Den „Plan 25“ findet Weber zwar richtig, man müsse dabei aber realistisch bleiben, auch was die Ressourcen für so ein Vorhaben anbelangt. „In wichtigen Regionen wie zum Beispiel in NRW müssen ganze Kreisverbände wiederbelebt werden“, sagt Weber. „Die letzten Jahre und auch die BSW-Abspaltung haben uns mehr gerupft, als wir dachten.“ Die Haustürgespräche seien gut und wichtig, um Präsenz zu zeigen, aber es bräuchte grundsätzlichere Änderungen. Weber schlägt zum Beispiel vor, neue Stellen der Partei nicht mehr in Berlin, sondern in den Landesverbänden zu besetzen.


Außerdem müsse die Linke zeigen, „wofür sie steht und was sie realistisch durchsetzen will. Nur zu versichern die beste Partei für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie zu sein, das funktioniert in der heutigen Zeit nicht mehr“, sagt Weber. Am Ende sei Politik eben Realpolitik. Tim Frehler, Valerie Höhne

Fast übersehen

5.

Noch nicht offiziell, aber schon lange Linie der Partei: Die FDP-Fraktion schlägt in einem noch nicht beschlossenen Papier vor, dass das Entwicklungsministerium (BMZ) mittelfristig „kein eigenes Ressort“ mehr sein soll, zuerst hatte Politico darüber berichtet. Gegründet hatte es 1961 kein anderer als der spätere Bundespräsident und FDP-Vorsitzende Walter Scheel. Seitdem ist es in der Partei unbeliebt, nicht nur dort, Konrad Adenauer bezeichnete es als „Dorne ohne Rose“. Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) wollte sein Ressort abschaffen.


Grüne dagegen: Deborah Düring, außenpolitische Sprecherin der Grünen, sagte SZ Dossier, der Vorschlag zeige, „dass in der Führungsebene der Partei keine ausreichenden Kenntnisse über die Bedeutung und Wirkungsweise der Entwicklungszusammenarbeit vorhanden sind“. Es sei angesichts der multiplen Krisen „unerlässlich“, als glaubwürdiger Partner in der Welt wahrgenommen zu werden. „Die Abschaffung des BMZ würde genau das Gegenteil bewirken“, sagte sie. Der Vorschlag der FDP sei „kurzsichtig gedacht, ineffizient und populistisch“.

6.

Noch in dieser Legislaturperiode will die SPD Kommunen von ihren Altschulden befreien. Das Präsidium der Partei hat dazu am Montag eigens einen Beschluss gefasst. Die Lage vieler Kommunen sei zu ernst, „als dass man auf ihrem Rücken politische Spielchen betreiben dürfte“, heißt es darin. Doch das Problem ist bekannt, die verschiedenen Optionen und Positionen für eine Altschuldenlösung sind es auch. Die Frage ist also, warum das SPD-Präsidium dafür eigens einen Beschluss fassen musste.


Düsseldorf zeigt auf Berlin: Bernhard Daldrup, kommunalpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, sagt, man wolle damit klarmachen, dass das Thema für die SPD „substanzielle Bedeutung“ habe. Besonders verärgert sei er zuletzt über die Äußerungen aus NRW gewesen, sagt Daldrup. Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hatte die Bundesregierung zuletzt kritisiert. Unter anderem hinsichtlich einer Lösung der Altschuldenfrage sei der Entwurf für den Bundeshaushalt eine „herbe Enttäuschung für Nordrhein-Westfalen“, sagte Wüst im Juli.


Berlin zeigt auf Düsseldorf: „Das schlägt dem Fass den Boden aus“, sagte Daldrup dazu. Wüsts Vorschlag zu einer Altschuldenlösung sei nicht mehr als eine Pressemeldung, kritisierte der SPD-Politiker. „Wüst könnte ja auch eine Bundesratsinitiative auf den Weg bringen“, schlägt Daldrup vor. Zunehmende Bedeutung erhält das Thema durch den politischen Terminkalender. Unter den besonders von Altschulden betroffenen Kommunen sind viele aus Nordrhein-Westfalen. Dort stehen im kommenden Jahr Kommunalwahlen an.

7.

Wie wird eigentlich das Bürgergeld berechnet? Dieser Frage ist mein SZ-Kollege Bastian Brinkmann nachgegangen. Für die Berechnung werden die Ausgaben der ärmsten Arbeitnehmer herangezogen. Davon ausgehend wird dann die Grundsicherung berechnet, damit sie möglichst nah am echten Leben ist. Allerdings werden die Ausgabendaten nicht eins zu eins übernommen, sondern noch mal reduziert. So werden etwa die gemessenen Ausgaben für Camping, Pflanzen, Haustiere und Glücksspiel gestrichen. Übrig bleiben die 563 Euro für Alleinstehende. Miete und Heizkosten übernimmt der Staat getrennt davon, für den Rest muss das Geld reichen.


Das Verhältnis zur Inflation: Da die amtliche Statistik, wie viel Geld die Deutschen ausgeben, nur alle fünf Jahre erhoben wird, muss die Datenlücke in der Zwischenzeit durch statistische Berechnungen gefüllt werden. Diese Methode führte vor dem Bürgergeld aber dazu, dass die Grundsicherung oft langsamer stieg als die Inflation. Die Betroffenen konnten sich also weniger leisten als gewollt. In der Bürgergeldreform wurde daher beschlossen, die Inflation schneller zu berücksichtigen. Eine zu starke Steigerung wird im Laufe der Zeit automatisch abgeschmolzen, sie wird im nächsten Jahr verrechnet. Mehr dazu hier.

Unter eins

Diese Stationierung ist keine konfrontative Aufrüstung, sondern eine Stärkung der Verteidigung unseres Landes und der Bündnisfähigkeit von NATO und EU mit Waffensystemen, über die Russland seit Jahren verfügt.

Aus dem SPD-Präsidiumsbeschluss, in dem die Stationierung von US-Marschflugkörpern zur Abschreckung in Deutschland befürwortet wird

Zu guter Letzt

Wie begeistert man den Nachwuchs für das 1. Ubootgeschwader der Bundeswehr in Eckernförde? Die deutsche Marine hat sich da ein paar Gedanken gemacht und sich für eine Social-Media-Kampagne entschieden, mit der sie 17- bis 35-Jährige auf Tiktok und Snapchat überzeugen will.


Satte 50 Millionen Mal wurde die Werbung im Mai ausgespielt. 80 Bewerbungen sind inzwischen bei Kommandeur Lars Gößing eingegangen, berichtet meine Kollegin Sina-Maria Schweikle. Mehr als die Hälfte von ihnen habe sich für ein Praktikum in der Tiefe entschieden, ein Teil davon war bereits vor Ort. Vier werden nächstes Jahr ihre Arbeit in Eckernförde beginnen.


Darauf ist die Marine angewiesen, denn für Planbarkeit und volle Einsatzfähigkeit braucht es Menschen, 210 an der Zahl. Während Gößing durch die Gänge des U-Boots U-31 geht, sagt der 45-Jährige, dass er ja verstehe, dass Tage oder Wochen ohne Privatsphäre, ohne Tageslicht und Handyempfang nicht etwas für jeden seien. Aber es müsse doch Menschen geben, die Lust drauf haben. „In einem Land mit 85 Millionen Einwohnern, behaupte ich, findet man 210 Freiwillige, die Lust haben, diesen Job unter Wasser zu machen.“


Danke! An das Team in Berlin, und an Michelle Ostwald in Sydney für Schlusskorrektur und Produktion.

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Florian Eder

Leiter SZ Dossier