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Kretschmers Strategie

Freitag, 23. August 2024
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Von Roman Deininger

mit Valerie Höhne, Bastian Mühling und Matthias Punz

Guten Morgen. Die Zeiten sind ernst genug, da darf man sich schon mal über ein Schauspiel amüsieren, wie es die beiden wichtigsten Ministerpräsidenten der Union am Donnerstag aufgeführt haben. Die Grünen hatten mit Blick auf die Bundestagswahl 2025 mit zarten Balzbewegungen Richtung CDU und CSU begonnen. Von dort erreichen sie nun, sagen wir: verwirrende Signale.


Bayerns Ministerpräsident Markus Söder fühlt sich geradezu gestalkt von den Grünen. Das „Anbiedern“ sei „schlichtweg peinlich“, schrieb Söder auf X, für die CSU sei völlig klar: „kein Schwarz-Grün nach der nächsten Wahl“. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst dagegen sagte der SZ, nicht nur in seinem Bundesland zeige sich, „wie vertrauensvoll und politisch erfolgreich“ Schwarz-Grün arbeiten könne. Die ganze Geschichte meiner Kollegen Robert Roßmann und Markus Balser lesen Sie hier.


Herzlich willkommen am Platz der Republik, heute mal aus München. Mein Name ist Roman Deininger und ich habe das Vergnügen, meinen Kollegen Florian Eder vertreten zu dürfen.

Was wichtig wird

1.

Der Spätsommer ist in der deutschen Politik neuerdings eine sagenumwobene Jahreszeit. CDU und CSU haben sich bekanntlich vorgenommen, im Spätsommer dieses Jahres die K-Frage einer möglichst friedlichen Lösung zuzuführen. Ungeklärt ist weiterhin, wie sich dieses Zeitfenster genau definiert. CDU-Chef Friedrich Merz hat kürzlich die Lesart angeboten, dass der Spätsommer im September beginne und „irgendwann im Oktober“ ende. SZ Dossier hat eine andere Theorie: Der Spätsommer beginnt exakt an diesem Sonntag um 18 Uhr, wenn die ARD ihr Sommerinterview mit CSU-Chef Markus Söder ausstrahlt.


Söder is back: Nicht, dass Söder den Kollegen Merz, dem er zwischenzeitlich den Status des „Favoriten“ auf die Kanzlerkandidatur der Union zugebilligt hatte, nun direkt herausfordern würde. Aber der Auftritt bei der ARD markiert die Rückkehr des Urlaubers Söder in die politische Arena. Die einzigen Debatten, die er vor seiner Grünen-kritischen Intervention am Donnerstag angestoßen hatte, waren ästhetische; es ging erstens um seinen ungezügelten Bartwuchs und zweitens um altersgerechte Bademode.


Viele Bühnen: Jetzt, heißt es in CSU-Kreisen, stehe eine Woche bevor, in der Söder gleich mehrere Gelegenheiten habe, einem größeren Publikum vorzuführen, warum seine persönlichen Zustimmungswerte deutlich besser sind als die von Friedrich Merz. Dem Sommerinterview folgt Wahlkampfhilfe für die CDU in Sachsen am Montag (mit Merz an der Seite) und in Thüringen am Freitag. Und am 2. September, also am Morgen nach den Landtagswahlen, hat Söder beim – zumindest in Bayern weltberühmten – Volksfest Gillamoos in Abensberg eine besonders hübsche Bühne für seine ganz persönliche Wahlanalyse.


K-Frage offen: Strategisch geneigte CSU-Leute wissen, dass Söders Chance auf die Kandidatur eher gering ist. Und sie wissen auch, dass sich die Union eine Neuauflage des Laschet-Söder-Dramas von 2021 nicht leisten kann. Dennoch halten sie die K-Frage für „mehr denn je offen“. Denn an der grundsätzlichen Ambition des Parteichefs zweifelt kaum mehr jemand in der CSU. Anfang August hat Söder im SZ-Interview gesagt: „Es bleibt dabei: Kanzler oder Ministerpräsident.“ Recht viel transparenter, heißt es in der CSU, könne man seine Karriereplanung doch wirklich nicht machen. Übrigens: Den Grünen-Fan Hendrik Wüst haben sie in der CSU nicht mehr auf der K-Rechnung.

2.

Nur 350 Meter liegen zwischen dem neuen Synagogenzentrum in Potsdam und der Garnisonkirche, berichtet Valerie Höhne. Gestern war Kanzler Olaf Scholz (SPD) zu Besuch in der Synagoge, wenige Minuten bevor Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den Turm der Kirche wiedereröffnete. Mit in der Kirche: Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD).


Mehrere Dimensionen: Dass Olaf Scholz in seinem Wahlkreis Termine wahrnimmt, wäre weniger berichtenswert, wenn Woidke nicht vorher medienwirksam angekündigt hätte, keine gemeinsamen Termine mit dem Kanzler wahrzunehmen. Die SPD Brandenburg hat es im Wahlkampf, so ihre Analyse, ohne die Bundesgenossen einfacher. Laut ZDF-Politbarometer sind 58 Prozent der Befragten unzufrieden mit dem Kanzler. Dass er ausgerechnet an diesem Tag, dem Tag der Wiedereröffnung der Garnisonkirche, in der Synagoge ist, soll Zufall sein. Bemerkenswert ist es trotzdem.


„Ein berührender Moment“ sei das für ihn, sagte Scholz, dass nach der „furchtbaren Geschichte“ während des Nationalsozialismus jüdisches Leben wieder Plätze in Deutschland finde. Einer der Orte, der für die Nazi-Herrschaft stand, ist die Garnisonkirche, über deren Wiederaufbau lang gestritten wurde. Auf dem Dach der Synagoge, auf dem Scholz stand, waren die Demonstranten gegen den Wiederaufbau der Garnisonkirche zu hören. Dort hatten die Nazis am 21. März 1933 ihre Allianz mit den konservativen Traditionalisten der Weimarer Republik inszeniert. Die Kirche, sagte Steinmeier eine gute Stunde später, sei bereits in Preußen ein Symbol für Militarismus und Nationalismus gewesen. Es sei nun ein Ort, an dem man fragen müsse, welche und wessen Geschichte erzählt würde.


Die Geschichte der Esther: Ein Gemeindevertreter überreichte Scholz eine Esther-Rolle in Holz. Die Schriftrolle erzählt die biblische Geschichte von Königin Esther, die das jüdische Volk im Perserreich vor der Vernichtung gerettet haben soll. Die Rolle, erklärte ein Gemeindevertreter dem Kanzler, habe eine eigene Geschichte und sei nur mit Mühe vor der Zerstörung durch die Nazis bewahrt worden. Scholz gab die Esther-Rolle dann symbolisch an die Gemeinde zurück. Steinmeier mahnte 350 Meter weiter, die Garnisonkirche nicht denen zu überlassen, die sie „für ihre demokratiefeindlichen Interessen benutzen wollen“.

3.

Viel hilft nicht viel in der Klimapolitik. Zu diesem Ergebnis kommt eine internationale Studie, die gestern Abend im Fachmagazin Science veröffentlicht wurde. „Es kommt vielmehr auf den richtigen Mix an Instrumenten an“, sagte Leitautor Nicolas Koch SZ Dossier. Wie diese Mischung aussieht? CO₂-Bepreisung, Energiesteuer und Abbau fossiler Subventionen – das seien die drei Stellschrauben, die dafür sorgten, dass Regulierungen und Förderprogramme besser funktionierten. Das berichtet Bastian Mühling.


Ohne Begleitung keine Wirkung: Zum Beispiel habe das weiche Aus für Verbrennerfahrzeuge in Norwegen in Kombination mit einem CO₂-Preis auf Sprit zu einer messbaren Emissionsreduktion geführt. „Verbote brauchen ihr Begleitinstrument“, sagte Nicolas Koch vom Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC). Unter der Leitung des MCC Berlin und des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) hat das internationale Forscherteam 1 500 Klimapolitikmaßnahmen in 41 Ländern von 1998 bis 2022 analysiert.


Regulierungsluft nach oben: Davon identifizierten die Ökonominnen und Ökonomen nur 63 Erfolgsfälle, in denen die Maßnahmen zu einer Emissionsminderung von jeweils durchschnittlich 19 Prozent geführt haben. Dass da noch Luft nach oben ist, zeigt auch der Ausblick der Forschenden: „Selbst, wenn alle untersuchten Länder ihre Erfolge der Vergangenheit wiederholen würden, wäre mehr als das Vierfache der bisherigen Anstrengungen nötig, um die Emissionslücke von 23 Gt CO₂ bis 2030 zu schließen“, schreiben sie.


Wie sich die Weltgemeinschaft dabei anstellt, begleitet ab September unser Dossier Nachhaltigkeit (hier geht es zur Anmeldung).

4.

Bundes-CIO Markus Richter warnte gestern davor, dass Deutschland „auf ein Staatsversagen“ zusteuere, wenn sich im Bereich Verwaltungsdigitalisierung nichts ändere. „Wir werden nicht mehr in der Verfasstheit sein, politische Entscheidungen in Krisensituationen kurzfristig umzusetzen“, sagte der Innen-Staatssekretär bei einem Gespräch mit dem Bitkom. Sein Vorschlag: Es brauche alternative Wege, um staatliche IT-Ausgaben zu steuern. Konkret sollte ein zentraler Überblick über alle Digitalprojekte des Bundes geschaffen werden, berichtet Matthias Punz.


Geld ist da: Der Bund gebe ungefähr ein Prozent des Haushalts für die Digitalisierung des Staates aus, so Richter. „Wir sprechen da von fünf Milliarden und mehr.“ Rechne man die Ausgaben der Länder und Kommunen dazu, komme man wahrscheinlich auf mehr als 20 Milliarden Euro – pro Jahr. „Das Ergebnis trägt wahrscheinlich nicht ganz diesem Einsatz Rechnung.“


Dringender Reformbedarf: „Wir müssen zu einer Ausgabenkontrolle kommen“, sagte Richter. Die Bundesressorts sollten all ihre Digitalprojekte „an einer Stelle vorlegen“. Dadurch entstünden Synergien und könnten Komponenten wiederverwendet werden. Sprich: Nicht mehr alle machen alles selbst, sondern sprechen sich ab. „Wir fangen sonst immer wieder von vorne an.“ Im Koalitionsvertrag der Ampel ist ein zentrales Digitalbudget für alle Ressorts festgehalten, nur umgesetzt wurde es nicht. Andere Staaten setzen bereits auf eine solche Steuerung, wie etwa die neue norwegische Digitalministerin Karianne Tung kürzlich im Interview mit SZ Dossier ausführte.

Tiefgang

Würde sich Michael Kretschmer in den freundlichen Gedankenaustausch der Herren Söder und Wüst zu einer möglichen Unions-Koalition mit den Grünen einmischen, wäre vollkommen klar, auf welcher Seite. Drei Monate lang habe ich den sächsischen Ministerpräsidenten für ein großes SZ-Porträt in seinem Landtagswahlkampf begleitet – und fast überall habe ich von Kretschmer ebenso uncharmante wie ungenierte Variationen eines Satzes gehört: „Ich will die Grünen loswerden.“


Seit vier Jahren regieren Kretschmer und seine CDU in Dresden in einer Kenia-Koalition mit Grünen und SPD, nach allgemeinem Dafürhalten gar nicht so schlecht. Trotzdem kann inzwischen nur noch einer der beiden Partner auf den guten Willen des Ministerpräsidenten zählen. Die SPD, sagt Kretschmer einmal beim Gespräch auf der Rückbank seines Wahlkampf-Kombis, habe „noch den Ansatz einer Volkspartei“. Das imponiere ihm. „Ihr ist es nicht egal, wenn die Leute sich abwenden. Die SPD hat das Verständnis, für alle da zu sein.“


Kretschmers Verständnis ist es, dass den Grünen dieses Verständnis komplett abgeht. Sie wollten nur für Berlin-Mitte da sein oder vielleicht noch für Leipzig-Connewitz („alternativ“ nennen sächsische Christdemokraten den Stadtteil und meinen das nicht als Kompliment). Die Grünen, sagt Kretschmer, hätten die „historische Aufgabe“ gehabt, Ökonomie und Ökologie zu versöhnen: „Das ist ihnen ganz offensichtlich nicht gelungen.“ Mit ihren „ideologischen Zielen“ und ihrer „Mikrosteuerung“ (#wärmepumpe) hätten sie „dieses Land gespalten“.


Nun gibt es sogar Parteifreunde aus der CDU, die sagen: Kretschmers ganzer Ernst könne das nicht sein, er sei ja privat ein Mensch, der sich mit seiner Familie um einen nachhaltigen Lebensstil bemühe. Zugleich bemüht er sich allerdings um einen Wahlsieg am 1. September – und da wäre zu viel Nähe zu den Grünen eindeutig hinderlich. Mit dieser Analyse jedenfalls scheint es Kretschmer sehr ernst zu sein.


Und was soll man sagen: Die Absage an die Grünen bringt ihm tatsächlich bei so gut wie jeder Kundgebung kräftigen Applaus ein. An der CDU-Basis herrscht maximale Grünen-Skepsis; bei manchen AfD-Wählern, die Kretschmer gern zurückholen würde in die Mitte, herrscht etwas, das man leider nur Grünen-Hass nennen kann.


Kretschmer gibt in diesem Wahlkampf bisweilen selbst den Wutbürger mit Mega-Grant auf die Ampel. Doch parallel wirbt er auch um Wählerinnen und Wähler links der Mitte – genau wie bei der Landtagswahl 2019 bietet er sich ihnen als Ein-Mann-Bollwerk gegen die AfD an. Ob diese akrobatische Übung gutgehen kann? In den Umfragen wechselten sich CDU und AfD zuletzt in der Führung ab.


Am Donnerstag sah eine neue Forsa-Erhebung die CDU mit 31 zu 30 Prozent vor der AfD. Die SPD kam auf sieben, die Grünen auf sechs Prozent; beide können sich ihres Einzugs in den Landtag nicht sicher sein. Mit wem will Kretschmer dann koalieren? Die AfD hat er mit aller Vehemenz ausgeschlossen. Eine stabile Mehrheit hätte er auf Basis der Umfragen nur mit dem BSW.


Kretschmer hat Sahra Wagenknecht gerade für den Versuch attackiert, vorab aus Berlin Bedingungen für eine Zusammenarbeit in Dresden zu stellen. Das erinnere ihn ungut an „die Zeiten vom Politbüro“. Dennoch betrachten viele in der sächsischen CDU das BSW als unverhoffte Himmelsgabe, die es ihnen erlauben könnte, sich aus den Fesseln der Grünen zu lösen. Welche neuen Fesseln ihnen eine Koalition mit dem BSW anlegen würde? Darüber denken sie offenbar lieber nicht zu viel nach.

Fast übersehen

5.

Jüngere verlieren beim Rentenpaket II: Welche Altersgruppen profitieren von der Rentenreform der Ampel? Durch die langfristige Stabilisierung des Rentenniveaus bei 48 Prozent haben die Beitragszahlenden höhere Beiträge zu erwarten, aber auch mehr Rente. Es kommt also darauf an, was individuell überwiegt. Joachim Ragnitz vom Wirtschaftsforschungsinstitut ifo in Dresden hat für die verschiedenen Geburtsjahrgänge berechnet, wie sich Vorteile und Nachteile durch die Reform zueinander verhalten. Die Altersgrenze zieht er bei 26 Jahren. Wer jünger ist, gehört zu den Verlierern der Rentenreform. Am allermeisten profitieren diejenigen, die heute 58 Jahre alt sind.

6.

Wie ticken Ost- und Westdeutsche? Kurz vor den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg zeigt eine Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag der FAZ: So verschieden wie manchmal behauptet wird, sind Ost- und Westdeutsche gar nicht. Zwar seien die Menschen in Ostdeutschland tendenziell etwas besorgter, heißt es in dem Bericht. Die Themen, die sie dabei umtreiben, seien aber ähnlich. Der Krieg in der Ukraine etwa, die Inflation, der Zuzug von Geflüchteten.


It’s the democracy, stupid: Gravierende Unterschiede zwischen Ost und West zeigen sich aber darin, wie die Menschen das politische System beurteilen. In Ostdeutschland stimmen 54 Prozent der Befragten der Aussage zu: „Wir leben nur scheinbar in einer Demokratie, tatsächlich haben die Bürger nichts zu sagen“. Das sind doppelt so viele wie im Westen. Sozialismus sei eine gute Idee, die nur schlecht umgesetzt wurde, finden im Osten 43 Prozent, im Westen 18. Mehr als doppelt so hoch ist im Osten auch die Zustimmung zu der Aussage, „Deutschland sollte sich darum bemühen, die Kontakte zu Russland wieder aufzubauen“.


Regieren als Risiko: Im Osten haben auch mehr Menschen den Eindruck, die Politik schreibe ihnen immer stärker vor, wie sie ihr Leben zu führen haben. Dieser Aussage stimmen unter westdeutschen Befragten 53 Prozent zu, unter Ostdeutschen 63. Für Parteien wie das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) oder die AfD, die solche Stimmungen zu nutzen wissen, sind das gute Nachrichten, sie leben davon, sich als Gegensatz zu ihren etablierten Konkurrenten zu inszenieren. Speziell für das BSW, bei dem eine Regierungsbeteiligung durchaus möglich ist, birgt das aber auch ein Risiko. Denn wer regiert, wird womöglich selbst schnell als Teil derjenigen wahrgenommen, die in das Leben der Menschen eingreifen wollen.

So denken Osten und Westen über Staat und Politik

Für Sie gelesen

Es mag schönere Großstädte als Mannheim geben, aber kaum interessantere. Hier hat Carl Benz das Automobil erfunden (1886) und – für manche kaum weniger bedeutsam – Dario Fontanella das Spaghetti-Eis (1969). Heute ist Mannheim eine Industriestadt im Wandel, mit den üblichen Problemen, aber auch mit erstaunlichen Stärken, zum Beispiel einer pulsierenden Kreativwirtschaft.


Der Sozialdemokrat Peter Kurz war von 2007 bis 2023 Mannheimer Oberbürgermeister, und seine Einsichten und Lehren aus diesen 16 Jahren hat er nun in einem anregenden Büchlein zusammengetragen („Gute Politik“, S. Fischer Verlag). Es ist, keine völlige Überraschung, ein rauschendes Lob der Kommunalpolitik geworden. Die Städte seien der Ort, schreibt Kurz, an dem „die Gesetze aus Berlin auf die Realität prallen“. Doch nur in den Corona-Jahren habe er den Eindruck gehabt, dass die Erfahrungen der Kommunen „zumindest indirekt Eingang in die nationale Politik“ fanden.


An manchen Stellen schüttelt der Leser gemeinsam mit dem Autor den Kopf, Stichwort lähmende Standards. Kurz beschreibt, wie die Sanierung eines alten Wohnblocks zur sozialen Nutzung scheitert, „weil die Wohnungen nicht den Wohnungsgrundrissen der Förderbedingungen entsprechen“. Stattdessen: Abriss und Neubau, viel teurer, viel zeitraubender. Peter Kurz hat einen nüchternen Blick auf die Dinge, seine Erfahrungen mit Bürgerbeteiligung klingen ziemlich traumatisch. Aber seinen Glauben an die Stadt als Keimzelle guter Politik – den hat er sich nicht austreiben lassen.

Unter eins

Wir haben diesen Film schon einmal gesehen, und wir alle wissen, dass die Fortsetzung in der Regel noch schlimmer ist.

Barack Obama hat in seiner Rede auf dem Parteitag der Demokraten eine Botschaft an Donald Trump gesendet

Zu guter Letzt

Nehmen wir mal an, an dieser Stelle müsste eine Gewinnerin des Tages gekürt werden: Können wir uns bitte ganz schnell auf Svenja Schulze einigen? Und auf eine lobende Erwähnung für Alfred Grannas?


Vielleicht haben Sie die Bilder aus Islamabad gesehen: Wie die Entwicklungsministerin Schulze in Begleitung des deutschen Botschafters Grannas zum Abendessen mit Pakistans Premier Shehbaz Sharif vorfährt – und ihr die pakistanischen Sicherheitskräfte die rote Handtasche abnehmen wollen. Es ist, so muss man das wohl verstehen, der Versuch einer klitzekleinen Herabsetzung. Aber nicht mit Schulze. Sie macht kehrt und geht zurück Richtung Auto. „Thank you very much, bye bye“, sagt Grannas. „Okay, we go.“


Weit kommt die deutsche Delegation nicht. Die Sicherheitskräfte entschuldigen sich – und Schulze darf ihre Handtasche mit reinnehmen. Nicht auszuschließen, dass man das schicke Teil (Longchamp angeblich) eines Tages im Bonner Haus der Geschichte angucken kann.


Vielen Dank! An Gabriel Rinaldi für die Redigatur, an das Team in Berlin für die Beiträge und an die Kolleginnen in Australien für Schlusskorrektur und Produktion.

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Florian Eder

Leiter SZ Dossier