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Nutzungsrechte erwerbenSolingen und die Folgen
Dienstag, 27. August 2024Von Tim Frehler
Schnelldurchlauf:
So reagiert die Politik auf das Attentat von Solingen +++ Wie wirkt sich das Attentat auf die Landtagswahlen aus? +++ Nato-Stützpunkt war offenbar Ziel von russischer Sabotage +++ Republikaner kritisieren Umbau der Ukrainehilfe +++ Tiefgang: „Windkraft stoppen“ – Können das die Landtage überhaupt?
Guten Morgen. Keine Woche bleibt mehr, bis in Sachsen und Thüringen die so wichtigen Landtagswahlen anstehen. Auf den letzten Metern drängt nun noch die Debatte um das Attentat in Solingen aufs politische Tableau.
Ständig ändert sich der Sachstand. In einer so hektischen Lage wie dieser lohnt es sich, mit Prognosen sparsam umzugehen, etwa mit Spekulationen darüber, ob die AfD profitieren wird oder nicht.
Sortieren wir erst einmal die Lage. Herzlich willkommen am Platz der Republik.
Was wichtig wird
Nach dem Messeranschlag in Solingen, bei dem ein Mann drei Menschen getötet hat, geht die Aufarbeitung weiter, sowohl bei den Ermittlungsbehörden als auch bei den Akteuren der Politik. Ein Überblick.
Die Ermittler: Am Samstagabend hat sich der 26 Jahre alte Issa al-H. der Polizei gestellt, mit Blut an Händen und Kleidung, wie mein Kollege Christoph Koopmann aus Ermittlungskreisen erfuhr. Die Bundesanwaltschaft wirft ihm vor, die Ideologie des „Islamischen Staates“ (IS) zu teilen und sich diesem angeschlossen zu haben. Wie genau er allerdings mit dem IS verbunden war, ob und welche Mitwisser es gibt, das sei noch offen. Nach Informationen des Spiegel haben Kriminaltechniker auch die DNA des mutmaßlichen Attentäters an der Tatwaffe sichergestellt, einem 15 Zentimeter langen Messer.
Die Opposition: Die Abschiebung des abgelehnten syrischen Asylbewerbers scheiterte, weil die Behörden ihn nicht antrafen. Neben einer Debatte um das Waffenrecht läuft daher auch eine um Asyl und Migration. Politiker aus CDU und CSU sprechen sich dafür aus, Menschen wieder in Teile Syriens oder Afghanistans abzuschieben, Friedrich Merz fordert, sie erst gar nicht aufzunehmen, was mit dem Grundgesetz in Konflikt geraten könnte.
Die Bundesregierung und die Waffen: Kanzler Scholz (SPD) war gestern Morgen nach Solingen gereist und kündigte dort eine Verschärfung des Waffenrechts an. Wie genau? Ach ja: Innenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte kürzlich einen Entwurf vorgelegt, um Messer mit einer Klingenlänge über sechs Zentimetern in der Öffentlichkeit zu verbieten. Da und auch hinsichtlich einer Erweiterung der Befugnisse der Bundespolizei könnte es in der Koalition, also bei der FDP, Bewegung geben. Am Freitag kommt der Innenausschuss zu einer Sondersitzung zusammen.
Die Bundesregierung und die Migration: Scholz sagte in Solingen, man werde alles dafür tun, „dass diejenigen, die hier in Deutschland nicht bleiben können und dürfen, auch zurückgeführt und abgeschoben werden“. Er verwies darauf, dass die Zahl der Abgeschobenen um 30 Prozent gestiegen sei, seitdem die Ampel Abschiebungen erleichtert habe. Das schreibt mein Kollege Jan Bielicki.
Die Debatte über Ursachen und Folgen aus Solingen schwappt eine Woche vor den Landtagswahlen auch auf die Wahlkämpfer in Sachsen und Thüringen über. Mario Voigt, CDU-Spitzenkandidat in Thüringen, plädierte gestern für „einen fundamentalen Kurswechsel der Migrationspolitik in Deutschland“. Es brauche eine „konservative Antwort“. Voigt forderte zügiges Handeln, etwa in Form einer Sonderkonferenz der Innenminister und der Verlängerung der Grenzkontrollen bis 2026.
Profitiert die AfD? Dass die AfD versucht, die Morde auf den letzten Metern für den Wahlkampf zu nutzen, überrascht wenig. Die Frage, die sich stellt, ist eher: Gelingt es ihr? Meinungsforscher sind skeptisch. Das sei „alles Spekulation“, sagte Matthias Jung von der Forschungsgruppe Wahlen meinem Kollegen Roland Preuß. Die AfD mobilisiere ohnehin schon mit diesem Thema, sagte Stefan Merz von Infratest dimap der Nachrichtenagentur Reuters.
Politiker in der Arena: Im MDR mussten sich gestern Abend die Thüringer Spitzenkandidaten den Fragen der Zuschauer stellen. Nach einer guten Viertelstunde ging die erste Frage zum Komplex Solingen und Migration an Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke), der konnte allerdings parieren. Kurz vor Schluss war Georg Maier von der SPD dran. Von ihm wollte ein Zuschauer wissen, was er in den ersten 90 Tagen einer Regierung in puncto innerer Sicherheit umsetzen würde. Mehr Polizei, Videoüberwachung, Waffenverbotszonen, der Bau einer Polizeischule, sagte Maier. Und: „Ich werde die modernste Feuerwehrschule bauen.“ Zufrieden war der Zuschauer damit nicht: Dass die Feuerwehr Recht und Ordnung durchsetzt, sei für ihn „zumindest teilweise neu“.
„Die konkrete Bedrohung durch russische Sabotage ist nicht überraschend, denn wir wissen bereits, dass Deutschland und hier vor allem auch militärisch relevante Einrichtungen Ziel des russischen hybriden Krieges sind“, sagte CDU-Sicherheitspolitiker Roderich Kiesewetter SZ Dossier. Dazu gehörten nicht nur konkrete Drohnenangriffe, sondern auch Cyberangriffe und Sabotage. „Nato-Einrichtungen, Bundeswehreinrichtungen und kritische Infrastruktur insgesamt in Deutschland sind dabei im Fokus des russischen hybriden Krieges und wir sind besonders vulnerabel, da wir zu wenig geschützt sind“, sagte Kiesewetter.
Was zuvor geschah: Vergangene Woche hatte auf dem Nato-Luftwaffenstützpunkt Geilenkirchen knapp 24 Stunden lang die zweithöchste Sicherheitsstufe Charlie gegolten. Hinter der vorübergehenden Anhebung steckt nach Geheimdiensterkenntnissen eine mögliche Bedrohung durch einen russischen Sabotageakt. Es habe einen ernst zu nehmenden Hinweis eines ausländischen Nachrichtendienstes „auf Vorbereitungshandlungen für einen wahrscheinlich russischen Sabotageakt gegen den Nato-Stützpunkt durch Einsatz einer Drohne“ gegeben, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Sicherheitskreisen.
Peinlich für Deutschland: „Es ist für Deutschland einigermaßen peinlich, dass wir so viele wichtige Dinge von ausländischen Nachrichtendiensten erfahren“, sagte Alexander Müller, verteidigungspolitischer Sprecher der FDP, SZ Dossier. Das dürfe so nicht bleiben: „Wir müssen unbedingt besser werden“, sagte er. Wie Kiesewetter sagte, müsse der Schutz vor solchen Sabotageakten mit Drohnen auf verschiedenen Ebenen erhöht werden. Gesetzlich sei Berlin bei solchen Warnungen auf ausländische Partnerdienste angewiesen, „weil unseren eigenen Diensten gesetzliche Befugnisse fehlen, um hybride Bedrohungen frühzeitig zu erkennen und die Bedrohungserkenntnisse weiterzugeben“.
Bei der Bundeswehr sehe es nicht besser aus. „Personell fehlen sowohl bei Bundeswehr als auch bei Sicherheitskräften im Bereich des Schutzes kritischer Infrastruktur Personal zur Aufklärung und gegebenenfalls Überwachung verdächtiger Personen“, sagte Kiesewetter. Es mangele auch an Ausstattung, etwa im Bereich der Drohnenabwehr. „Ansonsten wären die zig Drohnenüberflüge über Bundeswehreinrichtungen in den vergangenen zwei Jahren längst gestoppt und geahndet worden“, sagte Kiesewetter.
Die Pläne der Regierung, die Mittel für die Ukraine im Haushalt des nächsten Jahres zu kürzen, haben auch in Washington für Aufsehen gesorgt, berichtet Mathias Hammer – in der Republikanischen Partei Aufsehen im Sinne der Bestätigung einer Gewissheit: dass diese Deutschen Trittbrettfahrer seien in der Sicherheitspolitik. „Ich kann nicht glauben, dass die Ukrainehilfe gekürzt wird“, sagte Elbridge Colby SZ Dossier. Der ehemalige hochrangige Pentagon-Beamte zählt zu den Kandidaten für den Posten des nationalen Sicherheitsberaters, sollte Donald Trump ins Weiße Haus zurückkehren.
Wie man die Republikaner nicht für sich gewinnt: Die Ampel hat sich bemüht zu betonen, dass die Ukraine auch weiterhin das nötige Geld aus Berlin erhalten wird. Kanzler Olaf Scholz (SPD) sagte, die künftige Unterstützung – unter anderem aus Zinsgewinnen konfiszierter russischer Zentralbankgelder – von Deutschland und internationalen Partnern werde mehr sein als das, was der Ukraine bisher an Unterstützung zur Verfügung stand.
„Grobe Heuchelei“: Colby merkte an, dass eine Kürzung der Hilfe aus dem Bundeshaushalt besonders frustrierend sei, nachdem deutsche Politiker die Republikaner angegriffen hätten, da sie die Ukrainehilfe monatelang im Kongress blockiert haben. „Es ist grob heuchlerisch“, sagte Colby. Noch vor wenigen Wochen seien deutsche Politiker auf dem Parteitag der Republikaner auf ihn zugekommen und hätten ihn gefragt, warum die USA nicht mehr tun würden. Deutschland „sollte sich gegenüber dem letzten Jahr steigern“, denn unabhängig davon, wer die nächsten Wahlen gewinnt, werden die USA bei der Hilfe für die Ukraine wahrscheinlich zurückhaltender werden, da sich Washington auf China konzentriert, sagte er.
Tiefgang
„Deine Stimme für das Klima“ steht auf einem Wahlplakat. „Windkraft stoppen“ auf einem anderen. Welches von den Grünen stammt und welches von der AfD, ist nicht schwer zu erraten. Aber sind das überhaupt realistische Forderungen? Vor den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg stellt sich die Frage, welche Folgen die Abstimmungen für die Klimapolitik haben könnten, insbesondere, wenn die AfD oder das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) an einer Regierung beteiligt sein sollten.
Klimapolitik findet meist auf internationaler Bühne statt. Sachsen, Thüringen und Brandenburg können zum Beispiel nicht aus dem Pariser Abkommen austreten. Die wesentlichen Entscheidungen fallen meist schon auf EU-Ebene. Dort werden die Regionen der einzelnen Mitgliedsstaaten zwar teilweise informell angehört, spielen aber rechtlich gesehen nur eine sehr begrenzte Rolle, sagt Felix Ekardt zu SZ Dossier. Der Jurist leitet die Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik in Leipzig und ist Vorsitzender des BUND-Landesverbandes Sachsen. „Die unteren Ebenen dürfen nur noch das machen, was die oberen Ebenen übriggelassen haben“, sagte er.
Meist sind diese „Reste“ die Umsetzung vor Ort. „Hier können Länder und Kommunen als Bremser oder Antreiber auftreten“, sagt Ekardt. Der Erfolg vieler Rechtsakte sei von der Haltung der Länder abhängig. Außerdem haben die Länder im Bundesrat bei einigen Gesetzen ein Mitbestimmungs- und Vetorecht. Die klimapolitisch größte Gefahr sieht Ekardt in einer den Umfragen zufolge möglichen Landesregierung mit AfD- oder BSW-Beteiligung, „die gezielt auf EU- und Bundesebene einwirken wollen, um die Klimapolitik zurückzudrehen“.
Konkret könnte die AfD das neben der Mitbestimmung im Bundesrat auch bei dem Landesklimaschutzgesetz und dem Ausbau der erneuerbaren Energien umsetzen, erklärt der Politikwissenschaftler Jasper Finkeldey von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. In allen drei Bereichen können die Bundesländer Politik hauptsächlich von hinten her bestimmen. Oder auch: blockieren.
Die Landesklimaschutzgesetze sind eine Präzisierung des bundesweiten Klimaschutzgesetzes in den jeweiligen Bundesländern. Brandenburg hat seit 2024 eines, Thüringen seit 2018. „Sachsen hat zwar etwas Ähnliches, aber das schreibt keine quantitativen Reduktionsziele vor“, sagt Finkeldey. Unter einer möglichen AfD-Regierungsbeteiligung wäre die Umsetzung der Landesklimaschutzgesetze kein Thema mehr, so Finkeldey. Im CDU-Programm für Sachsen lässt sich zum Landesklimaschutzgesetz nichts Konkretes finden, die Grünen und die Linken wollen sich dafür einsetzen. Aktuellen Umfragen zufolge dürfte es jedoch für beide Parteien eng werden, überhaupt in den sächsischen Landtag zu kommen.
Das ist eine der größten Sorgen von Falk Zeuner, Vorsitzender der Vereinigung zur Förderung der Nutzung Erneuerbarer Energien (VEE) in Sachsen. „Je weiter rechts Regierung und Parlament aufgestellt sind, desto schwieriger wird der Ausbau der Erneuerbaren“, sagt er SZ Dossier. Durch den beschleunigten Ausbau gebe es jetzt immer mehr Genehmigungsverfahren, für die es immer mehr Personal auf Seiten der Behörden und der Energieversorger brauche. Seine Angst: dass die Energiewende auf Seiten der Genehmigung scheitert.
Ganz unrealistisch ist das nicht. Der Bund hat die Zielvorgaben für den Ausbau in verschiedenen Gesetzen jedoch relativ genau geregelt. Zum Beispiel ist im Windenergieflächenbedarfsgesetz verankert, dass zwei Prozent der Fläche Deutschlands bis 2032 für die Windenergie auszuweisen ist. Bedeutet: „Wenn Björn Höcke jetzt verspricht, er stoppt den Ausbau und lässt die Windräder in Thüringen abreißen, hat er dafür keine gesetzliche Grundlage“, erklärt Jurist Ekardt. Mittlerweile könne die Bundesregierung die Länder auch zum Ausbau zwingen.
Doch: „Gerade bei der Ausweisung von Flächen für die Erneuerbaren können die Bundesländer auf die Bremse treten“, sagt Politikwissenschaftler Finkeldey. Zum Beispiel durch Verschleppung der Genehmigungen, Studien, Gutachten. Falk Zeuner vom VEE spürt das in Sachsen schon seit Jahren, sein Bundesland liegt in Deutschland auf dem letzten Platz beim Ausbau der Windkraft. „Dass die CDU die Energiewende über Jahre mantraartig verteufelt hat, lässt sich nicht so einfach mit einem Federstrich umdrehen“, sagt Zeuner.
Das BSW gilt vor den Landtagswahlen klimapolitisch als Blackbox. In Sachen Energiewende fordert Wagenknechts Partei in ihrem Programm öffentliche Förderung und Bürgerbeteiligung. „Allgemein setzt das BSW klimapolitisch sehr vage auf Innovation und Technologieoffenheit“, sagt Finkeldey. „Man merkt, dass Nachhaltigkeit nicht das Hauptthema ist, das das Bündnis umtreibt.“ Bastian Mühling
Fast übersehen
Digitalministerin fordert Digitalministerium: Die Zeit des Zauderns soll spätestens nach der Bundestagswahl vorbei sein. „Der Bund braucht ein echtes Digitalministerium“, sagte Kristina Sinemus (CDU) SZ Dossier. Vorbild ist, in aller Bescheidenheit, das eigene Haus. In manchen Ländern liege der Mobilfunk in einem Ressort, Breitband in einem anderen und Verwaltungsdigitalisierung in einem dritten. Nur: „Ein Digitalministerium muss die zentrale Bündelungs- und Koordinierungsstelle sein.“
Botschaft an Berlin: „Aus meiner Sicht ist der Bund nie vorangegangen“, so Sinemus. Das habe auch die Diskussionen in den Ländern erschwert, „um wirklich eigenständige Digitalministerien aufzubauen“. Es sei „ein schwerer Fehler“, dass Digitales beim Bund „weiterhin nicht querschnittlich gedacht“ werde. Das Interview erschien zuerst im Dossier Digitalwende, das Sie hier kostenlos testen können.
Gesammelte Digitalprojekte: Hessen hat auch ein zentrales Digitalbudget eingeführt, wie es die Ampel auf Bundesebene tun wollte, daran aber gescheitert ist. „Jeder Minister muss seine Digitalprojekte bei mir anmelden, bevor wir mit dem Finanzminister den Haushalt finalisieren“, sagte Sinemus. Für jedes Ressort gebe es „ein Kapitel im Einzelplan des Digitalministeriums für die Umsetzung von Digitalisierungsmaßnahmen“. Es gehe darum, einen Überblick zu bekommen.
Wagenknechts Staatssekretär: Friedrich Straetmanns, Staatssekretär im Justiz- und Verbraucherschutzministerium in Mecklenburg-Vorpommern, schließt sich dem Bündnis Sahra Wagenknecht an. Darüber berichtete zuerst das Nachrichtenportal t-online. Geführt wird das Ministerium von der Linken-Politikerin Jacqueline Bernhardt, Straetmanns gehörte der Partei ebenfalls an, saß für die Linke von 2017 bis 2021 im Bundestag. Er bringt also Parlaments- und Regierungserfahrung mit. Das macht den Wechsel für Wagenknecht zum Erfolg.
Trennungsgrund: Die Linke habe politische Kernthemen wie Frieden aufgegeben, zitiert t-online aus einer Erklärung Straetmanns. Außerdem habe die Partei „unrealistische Migrationsforderungen“. Das BSW überzeuge ihn dagegen „mit einer schnörkellosen, sprachlich klaren Orientierung auf die Politikziele, die meine Grundüberzeugungen darstellen“. Welche Rolle Straetmanns innerhalb des BSW übernehmen werde, sei allerdings noch nicht klar, sagte eine Parteisprecherin SZ Dossier.
Kampf gegen Desinformation: „Ich denke, die Frage nach free speech stellt sich in Amerika ständig. Und die großen Tech-Unternehmen benutzen das als Ausrede, um nichts zu tun“, sagte die US-Medienforscherin Anya Schiffrin beim European Forum Alpbach. Die Professorin der Columbia University betonte, dass Fact Checker und NGOs bei der Bekämpfung von Desinformation eine wichtige Rolle spielen, das aber nicht ausreiche. „Wir haben diese Monsterkonzerne geschaffen, die sich nicht vor der Regierung verantworten müssen“, sagte Schiffrin.
Fake News statt Vertrauen: Seitdem Twitter von Elon Musk übernommen wurde, sage X den Regierungen aller Welt, dass sie nicht zuständig seien. „Sie geben kein Geld für Vertrauen und Sicherheit aus, sondern verbreiten jetzt selbst Desinformation“, sagte Schiffrin. Auch Meta habe seitdem das eigene Fact Checking eingeschränkt. Die Professorin sagte, man müsse die Unternehmen dazu zwingen, ihrer Verantwortung gerecht zu werden.
Als Beispiel nannte sie Brasilien: Ein Richter hatte dort angeordnet, dass die Plattform X eine Reihe von Accounts vom Netz nehmen sollte. Bei Zuwiderhandlung drohte ein tägliches Bußgeld von rund 20 000 Dollar für jedes Profil. Wie Schiffrin sagte, wolle man den Twitter-Vertreter dort im Zweifel auch verhaften. Die Reaktion von Musk? Er machte X in Brasilien dicht.
Unter eins
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron schließt eine Regierung unter Führung des Linksbündnisses aus
Zu guter Letzt
Ziemlich am Anfang ihrer Rede auf dem Nominierungsparteitag der Demokraten vergangene Woche sprach Kamala Harris über ihre Kindheit, über ihr Aufwachsen und ihre Familie. Ihre Mutter, bei der sie nach der Trennung ihrer Eltern lebte, arbeitete oft lang, sagte Harris. Aber da gab es eben noch einen engen Kreis an Vertrauten, der der Mutter half, die Kinder großzuziehen. Mrs. Shelton, Onkel Sherman oder Tante Mary, zählte Harris auf: keiner von ihnen blutsverwandt, aber doch alle Familie, der Liebe wegen.
Es sind Sätze wie diese, die hängen bleiben könnten von diesem Nominierungsparteitag. Die Redenschreiberin Stefanie Hennig hat die politische Rhetorik des jüngsten Nominierungsparteitages in einem Gastbeitrag für die SZ zum Anlass genommen, der Frage nachzugehen: „Warum reden die so gut?“
Ihr Fazit: Den Demokraten gelingt es, zu beschreiben, wie sich etwas anfühlt, ohne zu sagen, was es ist. Also über „Pluralität“ zu sprechen und dabei nicht das abgedroschene Wort „Pluralität“ zu verwenden. Zu erzählen, wie wichtig, Solidarität, Respekt und Fürsorge in einer Gesellschaft sind und dabei Mrs. Shelton, Onkel Sherman und Tante Mary erwähnen – und nicht über „Respekt“ zu sprechen.
Es sei viel Mühe in diese Reden geflossen, schreibt Hennig. Aber in letzter Konsequenz bedeute diese Mühe eben: „Den Wähler ernst nehmen.“ Man kann es sich für die deutschen Debatten ja mal wünschen.
Danke! Dem Team in Alpbach und Berlin sowie den Kolleginnen in Australien.