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Sieben Lehren aus den Landtagswahlen

Dienstag, 3. September 2024
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Von Gabriel Rinaldi

mit Tim Frehler

Guten Morgen. Der Spätsommer ist in vollem Gange. „Für mich ist Ministerpräsident das schönste Amt. Aber ich würde mich nicht drücken, Verantwortung für unser Land zu übernehmen“, sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) gestern beim politischen Gillamoos unter weiß-blauem Zelthimmel.


Das ist an sich ehrenwert. Dass er Aufmerksamkeit von Friedrich Merz, Mario Voigt und Michael Kretschmer abzieht, die der Presse am selben Tag zwei Projekte zur Regierungsbildung unter CDU-Führung erklären: So selbstlos kann nur Söder sein.


Während Söder seine Bierzeltrede hielt, tagten in Berlin die CDU-Gremien. „Die Äußerung von Markus Söder von heute Morgen hat keinen Neuigkeitswert“, sagte Merz bei der anschließenden Pressekonferenz. Söder hatte ausgeführt, die Union werde aus den zwei starken Parteivorsitzenden von CDU und CSU „einen Kandidaten für das Bundeskanzleramt“ machen.


Alles wie einst 2021? „Damals war es schlicht und ergreifend der falsche Kandidat“, sagte Söder, der sich auch 2021 schon nicht gedrückt hätte, wäre er gefragt worden. Mit Merz habe er keinen Dissens. Sie wollen sich bald einigen, im Spätsommer, wie es seit einigen Monaten heißt.


Merz sagte: „Der Spätsommer hat gerade angefangen, aber der ist noch nicht zu Ende.“ Das Rennen um die Kanzlerkandidatur ist eröffnet.


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Was wichtig wird

1.

Die Arbeit der Regierung sei nicht schlecht, man müsse sie nur besser erklären: In diesem Glauben suchen sie ernsthaft Trost, von FDP bis SPD, jedenfalls hört man es dauernd. Da ist es zumindest erfrischend, wenn ein Regierungsmitglied folgendes sagt: „Führungsriegen, die zusehen, wie seit anderthalb Jahrzehnten die SPD sinkende Mitgliedszahlen und geringere Zustimmung in der Bevölkerung verzeichnet, müssen ihre Verantwortung erkennen“, schrieb Mahmut Özdemir (SPD) auf Instagram. Klare Worte an den Bundeskanzler und die Parteiführung.


Von Wahl zu Wahl zu Wahl: Der parlamentarische Staatssekretär im Innenministerium von Nancy Faeser (SPD) holte auf Social Media zum Rundumschlag aus. Seit 2005 rechtfertige die SPD „mit ganz wenigen Ausnahmen von Wahl zu Wahl historisch schlechteste Ergebnisse“ und kündige dann Analysen und Veränderung an, um kurz darauf so weiterzumachen wie bisher. Özdemir, das wird klar, fordert dieses Mal Konsequenzen – und ist damit in der SPD nicht allein.


Zwischenruf aus dem Abseits: Die Ergebnisse seien für die SPD „eine ziemliche Katastrophe“, sagte Altkanzler Gerhard Schröder der SZ. „Es nutzt auch nichts, wenn der Generalsekretär sich hinstellt und sagt, das habe man kommen sehen. Das kann man nicht beschönigen. Daraus muss man Konsequenzen ziehen.“ Er riet der Regierung zu einer Friedensinitiative. Beim Thema Migration müsse die SPD deutlich machen, dass sie offen bleibe für diejenigen, die wirklich Fluchtgründe haben. Gleichzeitig müsse man die Möglichkeiten der Rückführung von Leuten, die keinen Asylgrund haben, „offensiv“ nutzen.


Liberale Unzufriedenheit: Parteichef Christian Lindner will, im Gegensatz zu FDP-Vize Wolfgang Kubicki, in der Ampel „durchhalten“. Man will noch einige Projekte erledigen, etwa die Wachstumsinitiative oder das Sicherheitspaket. „Die Menschen haben die Schnauze voll, dass der Staat die Kontrolle verloren hat bei Einwanderung und Migration nach Deutschland“, sagte Lindner. Die Basisinitiative „Weckruf“ – bekannt aus der Mitgliederbefragung im letzten Jahr – forderte derweil, wie der Spiegel zuerst berichtete, dass Lindner die FDP entweder so rasch wie möglich aus der Ampel führen oder gehen soll.


Kämpfen für die Einstelligkeit: Bundeskanzler Olaf Scholz sagte, die Ergebnisse für die AfD in Sachsen und Thüringen seien „bitter“ und würden ihm Sorgen bereiten, daran dürfe sich „unser Land nicht gewöhnen“. Zugleich lobte er den Zusammenhalt der SPD, Kämpfen lohne sich. „Jetzt geht es darum, stetig um mehr und neue Zustimmung zu werben“, sagte er. Genau die Ankündigungen also, die Genosse Özdemir nicht mehr hören kann.

2.

Heute Nachmittag treffen sich Vertreterinnen und Vertreter der Bundesregierung, der Länder und der Union im Bundesinnenministerium, um über das Thema Migration zu sprechen. Ein Arbeitsgespräch, heißt es aus Regierungskreisen. Grundlage sei das Sicherheitspaket, das die Bundesregierung vergangene Woche vorgestellt hatte, sagte ein Ministeriumssprecher gestern. Ferner sei die Bundesregierung offen für Vorschläge von Union und Ländern.


Wo Merz die Linien zieht: Für die Union werden Thorsten Frei und Andrea Lindholz an den Beratungen teilnehmen, kündigte CDU-Chef Merz gestern an. „Wir sind bereit, unverändert, mit der Regierung hier zu einem vernünftigen Weg zu kommen“, sagte Merz. Dabei sei nicht das Waffenrecht das eigentliche Problem, auch nicht die Abschiebungen.


Schnelle Entscheidungen im Bundestag: „Der entscheidende Punkt ist: Der Zuzug muss jetzt wirklich deutlich begrenzt werden“, sagte Merz. Er wolle die Migrationsdebatte nicht ins nächste Jahr tragen. Er habe der Ampel angeboten, in der nächsten Woche im Bundestag konkrete Gesetze zu beschließen.


Was auf der Tagesordnung stehen soll: Die Begrenzung der Zuwanderung gehöre als Thema Nummer eins auf die Tagesordnung. „Und die Begrenzung geht nur mit Zurückweisung an den deutschen Staatsgrenzen.“ Seit einigen Tagen ist das wieder die eine Forderung, in der die Union das Heil sucht und sieht. Sollte die Koalition dazu nicht bereit sein, brauche es auch keine weiteren Sitzungen, „Stuhlkreise oder therapeutische Gespräche“, sagte Merz.

3.

Was ein einzelner Sitz im Parlament ausmacht: Um ein Haar hätte die AfD in Sachsen so viele Abgeordnete in den Landtag schicken können, dass sie über eine Sperrminorität verfügt und dadurch alle Entscheidungen hätte blockieren können, für die es eine Zwei-Drittel-Mehrheit braucht. Gelinde gesagt unglücklich war daher, was dem Landeswahlleiter in der Nacht von Sonntag auf Montag passiert war.


Knapp daneben ist auch vorbei: Seine Behörde hatte eine falsche Sitzzuteilung veröffentlicht, CDU und AfD je einen Sitz zu viel zugerechnet, SPD und Grünen einen zu wenig. Am gestrigen Morgen dann die Korrektur und die Gewissheit: doch keine Sperrminorität für die AfD, die in Sachsen als gesichert rechtsextremistisch gilt.


Wie konnte das passieren? Wie der Landeswahlleiter am Montag mitteilte, soll die Ursache ein Softwarefehler gewesen sein. „Ab der Zuteilung des 117. Sitzes wurden die Sitze nicht mehr an den mathematisch höchsten Teiler zugewiesen.“ Aufgrund von Hinweisen sei die Berechnung überprüft, der Fehler festgestellt und die Sitzverteilung manuell nachgerechnet worden. Der IT-Dienstleister arbeite derzeit an der Analyse und Behebung des Fehlers. Details zur Software wollte der Landeswahlleiter nicht nennen.


Hintergrund: Die Umrechnung von Wahlstimmen in Parlamentssitze erfolgt in Sachsen seit vergangenem Jahr anhand des Höchstzahlverfahrens nach Sainte-Laguë. Wie der Landeswahlleiter mitteilte, sei die Software dafür „im Vorfeld intensiv getestet“ worden und habe auch schon bei der Kommunalwahl im Juni fehlerfrei funktioniert. Zuvor wurden die Sitze nach dem D’Hondtschen Verfahren zugeteilt. Wie das Portal Wahlrecht.de berichtet, hätte genau diese Berechnung zur gleichen Sitzverteilung „wie das fehlerhafte vorläufige Ergebnis“ geführt. Daher stand der Verdacht im Raum, es sei das falsche Verfahren eingesetzt worden.


Unbefugte am Werk? Auf die Nachfrage meiner Kollegin Selina Bettendorf, ob sie ausschließen können, dass der Fehler vorkam, weil eine nicht befugte Person an der Software war, ging die Behörde nicht ein. Dem sächsischen Verfassungsschutz liegen dazu aktuell jedoch keine Erkenntnisse vor.

4.

Als die AfD gestern in Berlin vorstellte, welche Schlüsse und Forderungen sie aus den Wahlergebnissen in Sachsen und Thüringen ableitet, war einer nicht dabei: Björn Höcke. Stattdessen hatte er seinen Co-Vorsitzenden nach Berlin geschickt, Stefan Möller. Der erklärte dann, Höcke sei im Wahlkampf an die „Belastungsgrenze“ gegangen und sei in Thüringen geblieben.


Wie weiter mit Höcke? Damit war zumindest geklärt, wo sich der Rechtsextremist gestern Morgen aufhielt. Bleibt die Frage, wie sich das Thüringer Wahlergebnis auf seinen Einfluss in der Bundespartei auswirken wird. Vor dem Wahlsonntag gab es immer wieder Berichte, in denen ihm ein schwindender Einfluss attestiert wurde. Und jetzt?


Wahlerfolg ja, Regierungsbeteiligung nein: Der Politikwissenschaftler Wolfgang Schroeder von der Universität Kassel sieht zwei Optionen. Die erste: „Alle orientieren sich an ihm.“ Oder: „Innerhalb der Partei wächst der Widerstand gegen ihn.“ So hat es Schroeder gestern in einer Wahlanalyse beschrieben, die „Das Progressive Zentrum“ organisiert hatte. Obwohl Höcke der erfolgreichste Wahlkämpfer sei, den die AfD je aufgeboten habe, hält Schroeder die zweite Option für naheliegend. Und zwar dann, wenn man sich die Frage stelle, wie eine Machtperspektive für die AfD mittelfristig aussehen könnte. Die Wahl in Thüringen zeige einerseits den Erfolg der AfD, in Form des Wahlergebnisses. Sie zeige aber auch den Misserfolg: die fehlende Machtbeteiligung.


Erpressen oder koalieren? Höcke stünde nach dieser Lesart eher für ein Modell des Misserfolgs. Er verkörpere den Typ „Erpressungspartei“, sagte Schroeder. „Er will das Ganze.“ Mittlerweile gibt es in der AfD jedoch Netzwerke, die smarter auftreten, nicht minder radikal in der Sache, aber geschmeidiger. Und die womöglich eher den „Modus der Koalitionspartei“ einschlagen könnten. Am Ende, sagte Schroeder, werde sich innerhalb der AfD jedoch weiter alles an Höcke reiben.

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Tiefgang

Nach den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen ist vor der Auslegung des Wahlergebnisses. Was gestern mit zahlreichen Pressekonferenzen in der Hauptstadt begonnen hat, verlagert sich nun zunehmend in die Parteizentralen. Alle werden vieles anders machen wollen, besser erklären, näher an den Wählerinnen und Wählern sein sowieso. Die Zeit drängt, denn in weniger als drei Wochen wird wieder gewählt, in Brandenburg.


Die Wahlanalysen der Meinungsforschungsinstitute für die Berliner Parteizentralen bieten in Gestalt langer Zahlenreihen interessante Erkenntnisse. Zwei Analysen von Infratest dimap liegen SZ Dossier vor. Sieben Beobachtungen aus den Berichten, die in dieser Woche noch für Gesprächsstoff sorgen werden.


Die „Sachthemen“ sind zurück: Sachthemen, was auch immer Parteien und Wählende darunter verstehen, haben in beiden Bundesländern eine wichtige Rolle bei der Wahlentscheidung gespielt. In Sachsen gaben laut Infratest dimap knapp vier von zehn CDU-Wählenden an, aufgrund der angebotenen Sachlösungen ihre Stimme abgegeben zu haben, während bei der AfD sogar knapp drei Viertel der Wählerinnen und Wähler angaben, dass Sachfragen entscheidend waren. In Sachsen und Thüringen punktet die AfD vor allem beim Thema Migration.


Die Unzufriedenheit wählt mit: Ein Blick in die Daten zeigt, dass wirtschaftliche Unsicherheiten ein großer Treiber für das Wahlverhalten in beiden Bundesländern waren. Die AfD erzielte in Thüringen und Sachsen überdurchschnittlich hohe Ergebnisse bei wirtschaftlich Unzufriedenen. Gleichzeitig scheint es nicht nur um Politik oder Wirtschaft zu gehen: Wie die Konrad-Adenauer-Stiftung in einer Analyse schreibt, sind „die Anhängerschaften von AfD und BSW“ in der „Unzufriedenheit vereint, wobei die AfD-Anhängerschaft noch unzufriedener ist als die Anhängerschaft des BSW.“


Ältere und Beamte sind die Lebensversicherung der CDU: Die CDU konnte sich in Sachsen bei älteren Wählern und Beamten behaupten, während sie sich bei jüngeren Wählerinnen und Wählern trotz leichter Zugewinne schwerer tat und bei Selbstständigen sogar an Boden verlor. Die CDU ist also stärker auf stabile Wählergruppen angewiesen, während es komplizierter für sie ist, wirtschaftlich unsichere Wählerschichten anzusprechen. Michael Kretschmer erzielte in seinem Wahlkreis Görlitz 2 übrigens das beste Erststimmenergebnis unter den CDU-Kandidierenden und profitierte von einem erheblichen Personenbonus.


Die AfD erreicht noch immer viele Nichtwählende ... Es ist ein altes Erfolgsrezept aus dem Playbook der AfD, und trotzdem hat es wieder geklappt. In Sachsen und Thüringen hat die Partei einen signifikanten Teil ihrer Stimmen durch die Mobilisierung früherer Nichtwählerinnen und Nichtwähler gewonnen. Die AfD ist also nach wie vor in der Lage, politisch enttäuschte Bürgerinnen und Bürger anzusprechen und auch zu mobilisieren.


... und spricht gleichzeitig immer mehr Gruppen an: Der Erfolg der AfD blieb in beiden Ländern nicht auf statusschwächere Wählermilieus begrenzt. In Sachsen nahm sie auch bei den Selbstständigen den ersten Rang ein. Bei Angestellten, Beamten und Rentnern wurde die AfD zweitstärkste Kraft. Trotz des allgemeinen Trends hin zu Protestwahlen konnte die Partei eine steigende Zahl von Überzeugungswählern verzeichnen. Ähnlich wie die CDU ist sie in ländlichen Regionen besonders stark – nur es sind halt andere als bei den Christdemokraten. Ein Beispiel: Die AfD-Hochburgen Thüringens liegen nicht im Grenzgebiet zu Bayern, sondern eher im Osten des Bundeslandes.


Besonders stark ist die AfD bei jungen Männern: Überdurchschnittliche Ergebnisse erzielte die AfD unter Wählerinnen und Wählern mit niedriger und mittlerer formaler Bildung. Sie war für Männer deutlich attraktiver als für Frauen. In Sachsen entschieden sich Männer unter 25 Jahren und zwischen 45 und 59 Jahren laut Infratest dimap überdurchschnittlich häufig für die AfD. Im Vergleich zur letzten Landtagswahl vergrößerte die AfD ihren Wählerrückhalt dort und auch in Thüringen vorwiegend bei den jungen Männern unter 25 Jahren.


Im linken Spektrum bleibt nichts mehr, wie es war: Die Linke erlitt in Sachsen und Thüringen erhebliche Verluste, vor allem durch den Wählerabfluss an das BSW. Innerhalb des linken Spektrums fand eine Umverteilung der Wählerinnen und Wähler statt, die nicht nur durch politische Positionen, sondern auch durch personelle Neuausrichtungen und die Mobilisierung von Protestwählern beeinflusst wurde. Das betrifft auch die SPD: Die Arbeiterinnen und Arbeiter, immerhin ursprüngliches Kernklientel, wählten insbesondere AfD, CDU und BSW.

Fast übersehen

5.

Jürgen Treutler von der AfD ist nach derzeitigem Stand der älteste Abgeordnete im neuen thüringischen Landtag. Das teilte eine Sprecherin des Landtags gestern mit. Treutler ist 73 Jahre alt und hat den Wahlkreis Sonneberg gewonnen.


Vorteil AfD: Aller Voraussicht nach wird Treutler damit Alterspräsident des Landtags werden. Heißt: Er leitet die erste Sitzung und wird eine wesentliche Rolle spielen, wenn es darum geht, den Landtagspräsidenten oder die Landtagspräsidentin zu wählen. Als größte Fraktion hat die AfD hierfür das Vorschlagsrecht. Die anderen Parteien können ihren Kandidaten aber verhindern, wenn sie zusammenarbeiten. Im weiteren Verfahren kommt es dann maßgeblich darauf an, wie der Alterspräsident vorgeht. Die AfD besetzt also schon jetzt eine wichtige Position.

6.

Die SPD will ran an die Schuldenbremse. Diesmal dient Sorge um die innere Sicherheit nach der Messerattacke von Solingen als Anlass. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur wollen die Sozialdemokraten im Bundestag bei ihrer Fraktionsklausur am Donnerstag und Freitag in Brandenburg ein Positionspapier beschließen. „So zentral die Zeitenwende in der Außen-, Sicherheits-, Verteidigungs- und Entwicklungspolitik ist – sie muss sich auch in der inneren Sicherheit fortsetzen, das muss gemeinsam gedacht werden“, heißt es demnach in dem Papier.


Schnellere Umsetzung: Die SPD fordert, das Kritis-Dachgesetz und das NIS-2-Umsetzungsgesetz für mehr Cybersicherheit schneller auf den Weg zu bringen. Militärische und zivile Verteidigung müssten in einer umfassend geplanten „Gesamtverteidigung“ sichergestellt werden, ein regelmäßiger Sicherheitsbericht soll vorausschauende Kriminalpolitik verbessern.


Der nächste Arbeitskreis? Eine Taskforce zur wehrhaften Demokratie im Digitalzeitalter soll, wenn es nach der SPD geht, Plattformen weitergehend und systemischer regulieren. Zudem fordern die Sozialdemokraten – angesichts von Terrorismus, sexualisierter Gewalt gegen Kinder und strafrechtlich relevanter Hetze – eine neue Prüfung der IP-Adressen-Speicherung. Mehr Videoüberwachung bei Volksfesten oder Konzerten wird demnach auch genannt.

7.

Was hat es gebracht? Nicht so viel, sagen Wirtschaftsforscherinnen und Wirtschaftsforscher des ifo Instituts und der Universitäten Erlangen-Nürnberg und Salzburg in Bezug auf das 9-Euro-Ticket. Das Ticket habe den Autoverkehr lediglich um vier bis fünf Prozent verringert. Eine klassische Verschlimmbesserung: Weil die Züge stärker ausgelastet waren, haben sie sich laut der Studie um 30 Prozent häufiger verspätet. Das habe direkt Regionalzüge, indirekt aber auch Fernzüge betroffen.


Am Ziel vorbei: Das Ticket sei vor allem für zusätzliche Freizeitaktivitäten, etwa am Wochenende, genutzt worden. Bei den klassischen Pendelzeiten unter der Woche sei der Rückgang der Autofahrten gering gewesen. Nach Auslaufen des Tickets fielen die Zugfahrten wieder auf das Ausgangsniveau, in der Tendenz sogar leicht darunter. Gut für den Geldbeutel also, aber nicht zwingend besser fürs Klima.


Die Fakten: Das 9-Euro-Ticket kostete den Bund 2,5 Milliarden Euro, reduzierte den Autoverkehr aber nur wenig. „Damit war es eine teure und ineffiziente Klimaschutzmaßnahme“, sagte Sarah Necker. Das Deutschlandticket dürfte einen ähnlichen Effekt haben: Es sei davon auszugehen, dass es insbesondere denjenigen zugutekommt, die schon vorher regelmäßig den öffentlichen Nahverkehr genutzt haben und dies nun zu einem günstigeren Preis tun können.

Unter eins

Für mich ist der Kapitän der Abgesandte der Mannschaft, der die Meinung der Mannschaft vertritt.

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Zu guter Letzt

Der Kommentarlage nach zu urteilen: Um das Ansehen der Bundesregierung steht es im In- und Ausland ähnlich desolat. Vom Wall Street Journal („free markets and free people“) ist seit jeher keine besondere Milde gegenüber linken Regierungen zu erwarten: „Die Wähler haben die Nase voll von Olaf Scholz und einer Koalition, die Migration nicht steuern kann und sich trotz des greifbaren und wachsenden wirtschaftlichen Schadens an Klimazielen festklammert“, schreibt die Zeitung im Leitartikel.


Dass es am Thema Migration lag, unterschreibt die FAZ vollumfänglich und traut der Ampel eh nichts mehr zu. Berthold Kohlers Blick richtet sich schon auf die Union: „CDU und CSU wollen – und dürfen – nicht wie die SPD auf dem Friedhof der Volksparteien landen, auf dem die Geister von AfD und BSW mit höhnischem Gelächter um die Gräber tanzen.“ Der Süddeutschen Zeitung wird die Debatte um ein strengeres Migrationsrecht zu kalt geführt: „Es klafft eine Leerstelle in der Diskussion, und das ist die Humanität“, kommentiert Michael Bauchmüller.


Vor Ort sorgt sich die Sächsische Zeitung eher um die Regierungsbildung. „Michael Kretschmer hat nun die schwere Aufgabe, aus dem Ergebnis dieses Wahlsonntags eine stabile Regierung zu formen“, schreibt Annette Binninger in einem Kommentar. „Leicht wird das nicht.“


Da lieber nochmal etwas Pathos. „Zum ersten Mal seit Kriegsende gewinnt eine rechtsextreme Partei eine Landtagswahl in Deutschland. 90 Jahre nach Hitlers Machtübernahme. Sozialdemokraten erlitten eine kolossale Niederlage, sie wurden von der extremen Rechten unter Björn Höcke zerstört“, schreibt Tonia Mastrobuoni. „Es ist ein Erdbeben, das die Geschichte verändert.“ Wir haben geschaut, aber noch eine Nummer größer als die Repubblica hatte es tatsächlich keine deutsche Zeitung.


Danke! Dem Team in Berlin und den Kolleginnen in Australien.

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Florian Eder

Leiter SZ Dossier