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Nutzungsrechte erwerbenDie Grünen sind strategielos in der Krise
Dienstag, 24. September 2024Von Valerie Höhne
Guten Morgen. Nach Brandenburg ist Bundestagswahlkampf. Zumindest, wenn es nach der CDU geht. Die Führungsgremien der Partei haben gestern Friedrich Merz einstimmig zum Kanzlerkandidaten gekürt, der die Aufgabe mit „großer Demut“ annahm. Im Atrium des Konrad-Adenauer-Hauses sprach Merz erst einmal über die verlorene Wahl in Brandenburg, holte sich dann aber auch den euphorischen Applaus der anwesenden Parteifreunde ab und blickte auf die kommenden Monate. Zurückblicken will er nach der Wahlniederlage in Brandenburg lieber nicht mehr.
Der Kanzlerkandidat der Union, die CSU-Gremien haben ihn gestern ebenfalls nominiert, stelle sich auf einen „sehr harten Wahlkampf“ ein und rechne auch mit persönlichen Herabsetzungen. „Wir werden da ganz konsequent mit Sachthemen antworten und versuchen, dieses Land wieder auf Kurs zu bringen“, sagte er. Dabei setzt die Merz-CDU auf Zukunftsoptimismus, so gut es halt geht: „Die Substanz in diesem Land ist nach wie vor vorhanden, wenn auch beschädigt, aber sie ist vorhanden“, sagte Merz. „Ich gehe davon aus, dass das eine Auseinandersetzung wird zwischen Union und SPD und damit zwischen dem Bundeskanzler und mir“, sagte Merz.
Abends saß er mit dem Grünen Finanzminister aus Baden-Württemberg, Danyal Bayaz, zusammen, um an Wolfgang Schäuble zu erinnern. Das schlechte Ergebnis der Union sprach er nicht mehr an, wohl aber die Verschiebung im Parteiensystem, die das Bündnis Sahra Wagenknecht bedeutet. Dazu gleich mehr. Herzlich willkommen am Platz der Republik.
Was wichtig wird
Regieren? Lieber nicht. Die Brandenburger CDU sieht ihre Rolle in der Opposition. Zusammen mit der SPD käme sie im Landtag auf 44 Sitze, also genau auf die Hälfte. Das sieht man in der CDU nicht als Regierungsauftrag: Spitzenkandidat Jan Redmann sagte gestern, eine Regierungsbeteiligung komme für seine Partei erst einmal nicht infrage. Vieles spricht daher dafür, dass es erneut auf das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) ankommt.
Neu, aber mächtig: Nach den Landtagswahlen ist das BSW damit in jedem der drei Länder zu einem Machtfaktor geworden. Doch mehr als für andere Parteien ist Regieren für die noch junge Partei mit Risiken verbunden. In Brandenburg zählt das BSW Medienberichten zufolge gerade einmal etwa 40 Mitglieder. Der neuen Truppe im Landtag fehlt es zudem an politischer Erfahrung.
Erstmal abwarten: Spitzenkandidat Robert Crumbach gibt sich allerdings gelassen: „erstmal abwarten“, sagte er. Er sei sich ziemlich sicher, dass die CDU mit der SPD sprechen werde. „Die werden schon reden“, sagte Crumbach SZ Dossier. Der Mann ist zwar momentan noch sein eigener Pressesprecher, die Partei sei so jung und verfüge in Brandenburg noch über so wenig Mittel, dass sie sich keinen Sprecher leisten könne. Allerdings gibt sich Crumbach auch was eine mögliche Regierungsbeteiligung unter diesen Voraussetzungen anbelangt gelassen. „Wir sind für jede Situation inhaltlich, organisatorisch und personell gut aufgestellt“, sagte er. „Und zwar wirklich für jede.“
Welche Rolle spielt Wagenknecht? „Es kann schon sein, dass sie Herrn Woidke mal treffen will“, sagte Crumbach über Wagenknechts möglichen Einfluss. Die CDU-Politiker Michael Kretschmer und Mario Voigt kennen das. Beide trafen sich jeweils kürzlich mit Wagenknecht in Berlin. Ihr Parteichef Friedrich Merz blickt allerdings mit höchster Skepsis auf die BSW-Chefin. Wagenknecht habe im deutschen Parteiensystem eine Spur der Zerstörung hinterlassen, sie habe an keiner Stelle etwas Konstruktives bewirkt, sagte Merz gestern Abend in Berlin. Und sie möchte, glaubt Merz, parteipolitische Strukturen auch so zerstören, dass die Union davon betroffen ist. Er als Parteivorsitzender werde das nicht zulassen. Gleichwohl, schob Merz hinterher, gehe es in Thüringen vor allem darum, Höcke zu verhindern.
Fortschritte in Sachsen und Thüringen: Nach den Optionsgesprächen wollen CDU, BSW und SPD in Thüringen derweil den nächsten Schritt gehen. Wie die dpa berichtet, wollen die drei Parteien in Sondierungsgespräche eintreten. Kommende Woche soll es losgehen. Die sogenannte Brombeer-Koalition aus CDU, BSW und SPD hätte in Thüringen allerdings keine Mehrheit, sondern lediglich die Hälfte der Sitze im Landtag. Thüringens SPD-Chef Georg Maier sagte daher gestern, es brauche ein parlamentarisches Format der Abstimmung mit der Linken. In Sachsen haben sich CDU, SPD und BSW gestern Abend zum ersten Mal zu dritt getroffen. Um Sondierungen oder gar Koalitionsgespräche geht es aber noch nicht. Zunächst wurden erst einmal weitere Gespräche vereinbart.
Kritik, es habe an seiner Strategie gelegen, dass es in Brandenburg nunmehr nur zu einer Koalition mit dem BSW reicht, perlt an Dietmar Woidke ab. Seine Ansage, er würde nur weitermachen, wenn er auf Platz 1 lande, sei „kein Fehler“ gewesen, sondern die Realität. Obwohl er immerhin zugab, dass die mögliche Zusammenarbeit mit dem BSW schwierig werden würde.
Tipps aus Potsdam: Das „Grundfundament“ für den Wahlsieg sei Geschlossenheit gewesen, der zweite wichtige Punkt sei Entschlossenheit. An der will Parteichef Lars Klingbeil keinen Zweifel lassen. „Ich sag das sehr klar: Ich will die Wahl gewinnen“, sagte er, er sei „hochmotiviert“. Nun gehe es darum, die Partei zu mobilisieren. Woidke sagte, er habe sich gewundert, dass seine demokratischen Mitbewerber um Platz 2 hätten spielen wollen, die Union hätte schließlich auch um den ersten Platz kämpfen können. Die Welt als Wollen.
Die Kandidatenfrage: Über allem schwebt nach wie vor die Kandidatenfrage. Klingbeil versuchte zwar, die Debatte abzuräumen, alle in der Führung hätten sich „klar hinter“ Olaf Scholz als Kanzlerkandidaten gestellt, das sei „Klarheit“ und die wiederum eine „Entscheidung“. Ganz so klar ist es aber nicht; der Frage, warum die SPD ihn nicht als Kandidaten nominiere, wich Klingbeil aus. Es geht (auch) um Inhalte. Das Rentenpaket, zuvor schon quasi zur roten Linie erklärt, muss schnell kommen. Meine Kollegen Georg Ismar und Daniel Brössler berichten von Stimmen aus dem SPD-Präsidium, die einen Anlauf zusammen mit der Union für eine Reform der Schuldenbremse fordern.
Sicher ist: Dass die Ampelkoalition noch bis September 2025 hält, darauf würde auch in der Koalition wohl kaum noch einer wetten. Grünen-Chef Omid Nouripour sagte bei den Grünen, einen Feng-Shui-Moment würde es nicht mehr geben. Selbst Klingbeil, der zur Verantwortung mahnte, klang als würde ihm der Ausblick auf den Wahlkampf mehr Freude bereiten als die Aussicht auf das nächste Jahr.
„I want to be remembered as the one who tried“ – diesen Spruch teilte eine gescheiterte FDP-Kandidatin nach der Brandenburger Wahl auf Instagram. Dort bekamen die Liberalen 12.462 Zweitstimmen, weniger als halb so viele wie die Tierschutzpartei. 0,8 Prozent standen am Ende, noch weniger als in Sachsen und Thüringen. Sie haben es also probiert – und sind gescheitert. „Wir haben in Ostdeutschland immer ein Auf und Ab“, sagte FDP-Chef Christian Lindner. Er sprach von einem „ernüchternden Wahlergebnis“ für die FDP, sah die Verantwortung aber in äußeren Umständen. Will die FDP also raus aus der Ampel?
Herbst der Entscheidungen: „Entweder die Ampel zeigt, dass sie die nötigen Schlüsse aus diesen Wahlen ziehen kann, oder sie hört auf zu existieren“, sagte FDP-Vize Wolfgang Kubicki. „Das ist eine Angelegenheit von wenigen Wochen. Bis Weihnachten warten wir nicht mehr“, sagte er. Dreimal in Folge ein Prozent, sagte Kubicki bereits am Sonntag, bedeute, „dass die Freien Demokraten marginalisiert sind“. Generalsekretär Bijan Djir-Sarai und Lindner forderten einen „Herbst der Entscheidungen“ bei Themen wie Migration und Wirtschaft. Ansonsten, so der Eindruck, könnte die FDP die Koalition verlassen. Von konkreten Plänen über einen möglichen Ausstieg berichtete gestern Abend Table.Media. Der Druck von der Basis wächst jedenfalls.
Zwischenrufe aus Bayern: „Wenn man merkt, dass es nicht mehr geht, dann muss man auch irgendwann bereit sein, den Stecker zu ziehen“, sagte der bayerische Landesparteichef Martin Hagen. Auf die Frage, wie er sich die anhaltend schlechten Wahlergebnisse erkläre, sagte der FDP-Abgeordnete Muhanad Al-Halak, es seien vor allem zwei Dinge: die Ampel-Koalition und dass die FDP es nicht geschafft habe, ihre Wahlprogramme in den Bundesländern in den Mittelpunkt zu stellen. „Wir müssen wieder klarmachen: Die FDP ist nicht Teil einer ‚linken‘ Dreier-Koalition. Sie ist der Anker der Vernunft, die diese Koalition in der Mitte hält“, sagte Al-Halak SZ Dossier.
Was tun also? „Zuallererst: Ruhe bewahren und nicht kopflose Entscheidungen treffen, die man nicht zurücknehmen kann. Es hilft niemandem, einfach aufzugeben – außer den Extremen“, sagte Al-Halak. Die Ampel habe einen Regierungsauftrag bis zum nächsten Herbst. „Ohne gewichtige – also inhaltliche – Gründe dürfen wir uns nicht darüber hinwegsetzen“, sagte er. Nur weil die Stimmung gerade nicht gut sei, stehle man sich nicht aus der Verantwortung.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wird heute vor der UN-Generalversammlung sprechen und unter anderem US-Präsident Joe Biden treffen, um einen „Siegesplan“ vorzustellen. Dieser Plan soll Kyiv langfristig stärken, etwa durch einen beschleunigten Nato-Beitritt oder weniger Einschränkungen bei Militärhilfen. „Lassen Sie uns einen ersten Gipfel abhalten, bei dem wir alle zusammenkommen. Wir werden einen Plan ausarbeiten und ihn den Russen vorlegen“, sagte Selenskyj im Interview mit The New Yorker zur Frage nach Verhandlungen.
Erst die Stärkung, dann der Plan: Dazu müsse man aber einen Plan ohne die Russen ausarbeiten, „denn leider scheinen sie zu glauben, dass sie eine Art rote Karte haben, wie im Fußball, die sie hochhalten und alles blockieren können“. „Unser Plan hingegen ist in Vorbereitung“, sagte Selenskyj. „Der Siegesplan ist also ein Plan, der die Ukraine schnell stärkt. Eine starke Ukraine wird Putin an den Verhandlungstisch zwingen“, sagte er.
Chinesische Initiative in der Pipeline? Wie SZ Dossier aus ukrainischen Regierungskreisen erfuhr, plant auch China, bei der UN-Generalversammlung einen „Friedensplan“ vorzustellen. Dieser dürfte sich allerdings deutlich unterscheiden von dem, was Kyiv sich vorstellt. „Diese Generalversammlung könnte der Beginn tektonischer Verschiebungen sein, die sich direkt auf die Komfortzone auswirken werden, in der die Europäer so gerne leben“, hieß es aus der Ukraine.
Ein günstiger Zeitpunkt: Peking meine es diesmal ernst und wolle die Initiative ergreifen. Der Zeitpunkt sei günstig, die Ungewissheit vor den US-Wahlen eröffne China ein „Fenster der Möglichkeiten“. Laut Kyiv werde es so aussehen, dass der sogenannte „Globale Süden“, die BRICS mit der Rückendeckung Brasiliens und Indiens oder sogar die „Weltmehrheit“ hinter der Initiative stehen. Der Westen müsse aber verstehen, dass es nicht akzeptabel sei, dem Opfer der Aggression ein Ultimatum zu stellen.
Chinas Plan, Chinas Interessen? Wie Kyiv befürchtet, werde ein Einfrieren des Krieges nur China Vorteile bringen. Denn: Der Plan bestehe vor allem darin, Russland nicht verlieren zu lassen „in einem Krieg, dessen Hauptnutznießer seit langem China ist“. Peking, davon sind die Ukrainer überzeugt, werde mit diesem Plan versuchen, die globale Sicherheitsarchitektur auf seine Weise neu zu gestalten.
Neue Woche, neue Twitter-Trends: Wir schauen wieder darauf, welche Bundestagsabgeordneten in der vergangenen Woche besonders auffällig auf Twitter waren. Die Bundesdatenschau führt wöchentlich diejenigen MdBs auf, die im Vergleich zu den Vorwochen jeweils durchschnittlich mehr oder weniger Aufmerksamkeit in Form von Likes und Kommentaren auf X erhalten haben.
Merz polarisiert: Die scheidende Linken-Chefin Janine Wissler twitterte, „Männer, die mit dem Privatjet zu Hochzeiten fliegen und sich mit rassistischen Sprüchen in Talkshows profilieren wollen, sollten nicht Bundeskanzler werden“ und erntete dafür nicht nur überdurchschnittlich viele Likes, sondern auch viele Kommentare. Katharina Dröge (Grüne) schrieb, den „fossilen Verbrenner“ treffe „dasselbe Schicksal wie den Stummfilm, die Schreibmaschine & das Grammophon“ – sie würden abgelöst durch „Zukunftstechnologien“.
Eskalation: Ihre Parteifreundin Lamya Kaddor bekam für einen Tweet, in dem sie den Pager-Angriff auf Mitglieder der Hisbollah als „weitere Eskalationsstufe hin zu einer kriegerischen Auseinandersetzung“ bezeichnete, überdurchschnittlich viele Kommentare. Beatrix von Storch (AfD), die im Bundestag bereits ein Ordnungsgeld zahlen musste, weil sie sich der Abgeordneten und Transfrau Tessa Ganserer (Grüne) gegenüber herabwürdigend geäußert hatte, wiederholte diese Aussagen nun auf X, nachdem auf der Plattform ein Bild von Ganserer kursiert war, das vielfach mit transphoben Kommentaren geteilt wurde.
Tiefgang
Gemessen an ihren Ansprüchen sind die Grünen in ihrer tiefsten Krise seit den frühen Neunzigern. Es gehe immerhin nicht um die Existenz, halten führende Grüne dagegen. Immerhin aber um die kulturelle Vormachtstellung, die die Grünen lange sicher glaubten. Um den Traum Robert Habecks, nicht nur die Partei, sondern auch große Teile der Bevölkerung hinter sich zu versammeln. Den Machtkampf hat Habeck gegen Annalena Baerbock gewonnen, nun ist er in der Verantwortung, die Partei zu führen.
Sechs Wahlen haben die Grünen in den vergangenen zwei Jahren verloren, sie sind aus fünf Landesregierungen geflogen. Vier Beobachtungen zur Ratlosigkeit der Partei.
Hört man dem Wirtschaftsminister und Vizekanzler in diesen Tagen zu, wirkt es, als habe er die politischen Ereignisse in der Bundesrepublik in den vergangenen zwei Jahre nicht entscheidend mitgeprägt. Neulich, im Bayerischen Rundfunk, sagte Habeck, was in den USA gelungen sei, auf einer Seite des politischen Spektrums einen „Aufbruch, eine Fröhlichkeit“ zu schaffen, könne auch in Deutschland gelingen, nachdem es drei Jahre fast „nur schlechte Nachrichten“ gegeben habe. Er zählte auf: Krieg, Tod, Inflation, Energiepreise.
Er ließ aus (in chronologischer Reihenfolge und seiner Verantwortung): Die Gasumlage, die Verbraucher verunsicherte, das Gezerre um den Streckbetrieb der Atomkraftwerke, das Olaf Scholz durch ein Verweis auf seine Richtlinienkompetenz beenden musste, dann das Heizungsgesetz, das Habeck zum Symbol einer ideologisierten Politik werden ließ. Er, der sich gern als Versöhner inszenieren will, ist darüber zu einer Reizfigur für viele Menschen geworden, die sich genau da sehen, wo Habeck seine Wähler gern hätte: in der Mitte.
Die Zeit der Krisen und Erschütterungen, sagte Habeck auf dem Parteitag der Grünen im vergangenen Jahr (er nannte sie „die gewendete Zeit“), würden die Grünen nur bestehen, wenn „wir uns auf die Welt einlassen, wie sie ist“. Die Bereitschaft aber zuzugeben, wie groß die Fehler der vergangenen Jahre insbesondere von Habeck für das Ansehen der Grünen in der Bevölkerung waren, ist nicht sonderlich hoch.
Zuletzt sagte Habeck, er sei mit dem Heizungsgesetz „zu weit gegangen“, fügte aber sofort an, dass es ein „Test“ gewesen sei, inwieweit die Gesellschaft Klimaschutz mittrüge, wenn er konkret würde. Dem mag man zustimmen oder nicht. Viel Empathie für die ausgelöste Verunsicherung schwingt aber nicht mit. Parteichef Omid Nouripour sagte gestern, Habeck habe „alles Notwendige über das Heizungsgesetz gesagt“.
Habecks Konzept, auf die Misere zu reagieren, scheint sich nicht groß von dem zu unterscheiden, was er während des Höhenflugs entwickelt hatte: Die Grünen als Erben von Angela Merkel in der Mitte zu positionieren. Er hat es kaum an die Ereignisse und neue Realität angepasst. Politik, sagte Habeck auf dem Parteitag vor einem Jahr, sei „das Übersetzen von erkannten Notwendigkeiten in gesellschaftliche Möglichkeiten“. Er wolle die Möglichkeiten der Grünen erweitern. Nur wie? Dem Bayerischen Rundfunk sagte er, er wolle die Grünen als Partei aus der Mitte heraus positionieren, die das „Vakuum nach Angela Merkel nicht einfach leer lässt, sondern dahin geht“.
Eine Idee aus der Partei: Die Grünen haben im Osten verloren. Vielleicht den Osten verloren. Hörten sie auf, Rücksicht auf Wählerinnen und Wähler zu nehmen, die sie ohnehin kaum noch erreichen können, könnte das ihnen Spielräume vor allem in Westdeutschland eröffnen.
Etwas verklausuliert formulierte das Parteichef Nouripour auf der Pressekonferenz: Menschen im Land seien aufgeschreckt, Fachkräfte sagten wegen dem Rechtsruck Jobs ab, Menschen mit Migrationshintergrund seien verunsichert, genau wie Menschen, denen Klimaschutz wichtig sei. „Wir wollen die Hand reichen, all diesen Leuten“, sagte Nouripour. Eine Fokussierung auf den Westen könnte die Strategie sein. Kernklientel plus X. Die Idee aber von Habeck, das Land mit sich selbst und ihm zu versöhnen, müsste er dafür wohl aufgeben.
Fast übersehen
Männerpartei AfD: Wie schon bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen zeigte sich auch im Brandenburger Wahlergebnis der AfD ein deutlicher Unterschied zwischen den Geschlechtern. Infratest dimap zufolge kam sie unter Männern auf 35, unter Frauen hingegen nur auf 24 Prozent. Ein Problem – nicht nur, was die Wählerschaft anbelangt. Auch innerhalb der Partei fehlt es an weiblichen Spitzenkräften. Parteichefin Weidel ist die einzige Frau im Bundesvorstand. Darüber, wie die AfD auf Frauen zugehen soll, gab es jedoch bei der Pressekonferenz der Parteispitze am Tag nach der Brandenburg-Wahl äußerst unterschiedliche Meinungen.
Es liegt ihnen halt nicht im Blut: Auf die Frage eines Reporters, warum die AfD bei Frauen nicht so gut ankomme, sagte Brandenburgs Landeschef, René Springer: „Ich glaube, dass es durchaus den Männern im Blut liegt, zu kämpfen.“ Die politische Situation sei schwierig, da brauche man ein dickes Fell. Das wiederum habe zu einem, wie Springer sagte, „Selektionsmechanismus geführt“. Und nun stünden bei der AfD eben erstmal Männer „an vorderster Front“.
Was die AfD plant: Aussagen, die selbst in der eigenen Partei nicht unwidersprochen blieben. „Ich erspare mir jetzt, auf das Frauenbild von René Springer einzugehen“, sagte Parteichefin Alice Weidel. Sie sehe das nämlich in einem Punkt völlig anders. Frauen seien genauso Kämpferinnen wie Männer und stünden ihnen in nichts nach, sagte Weidel. Der Bundesvorstand habe sich auch bereits vor 14 Tagen mit dem Thema beschäftigt. Weidel kündigte an, innerhalb der Partei ein Förderprogramm für Frauen in Führungspositionen in Kraft zu setzen. Das sei bereits Beschlussfassung.
Habeck kündigt Hilfe an, oder was er dafür hält: Der Bundeswirtschaftsminister hat beim Autogipfel seinen Einsatz für eine vorgezogene Revision der Flottengrenzwerte, also den Vorgaben zum CO2-Ausstoß, im kommenden Jahr angekündigt, berichtet mein Kollege Bastian Mühling vom Dossier Nachhaltigkeit. Dabei sollten aber nicht die Klimaschutzziele geschleift, sondern die Unternehmen auf EU-Ebene unterstützt werden, sagte er.
Unklarheit bei Subventionen: „Wir brauchen vor allem klare, verlässliche Signale für den Markt“, sagte Habeck. Eventuelle Förderungen dürften keine „Strohfeuer“ sein, kurzfristige Kurswechsel wie beim ausgelaufenen Umweltbonus zum Kauf von E-Autos sollten sich nicht wiederholen. Zudem gelte es, einen Zollkrieg mit China zu verhindern.
Unter eins
Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Madeleine Henfling aus Thüringen zweifelte im Tagesspiegel an dem Nutzen für ihre Partei, Teil der Ampelkoalition zu bleiben
Zu guter Letzt
Das Neun-Euro-Ticket wurde erst zum 49-Euro-Ticket, jetzt ist es das 58-Euro-Ticket. Bringt das noch was? Ich als Städterin nutze das 49-Euro-Ticket, ich werde es auch behalten, wenn es 58 Euro kostet. Doch ob das auch denen so geht, die öffentliche Verkehrsmittel höchstens ein paar Mal im Monat nutzen?
Vielen Dank! An das Team in Berlin für die Beiträge und das Redigat und an das Team in Australien für Schlusskorrektur und Produktion.