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Litauen bestellt in Berlin Führung

Freitag, 4. Oktober 2024
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Von Florian Eder

mit Gabriel Rinaldi und Tim Frehler

Guten Morgen. Der Tag der Deutschen Einheit „ist ein wichtiger Tag nicht nur für Deutschland, sondern für Europa und auch für Litauen“, sagte mir der Außenminister des Landes, Gabrielius Landsbergis. Nehmen wir die Einladung an, die nationale Nabelschau dieser Nachwahlwochen zu unterbrechen.


Die deutsche Wiedervereinigung „hat uns ein Fenster geöffnet, das wir nutzen mussten“, sagte Landsbergis. Litauen war das erste Land im Baltikum, das seine Unabhängigkeit von der Sowjetunion erklärte, am 11. März 1990. Landsbergis ist erst 42, sein Großvater war das erste Staatsoberhaupt nach der Lossagung.


„Es gab Leute, die es für keine gute Idee hielten, diese Bewegung sich ausbreiten zu lassen. Sie hätte ja auch die deutsche Wiedervereinigung rückgängig machen können, das war nicht sicher“, sagte er. „Gorbatschow war noch da, es war Militär in Osteuropa stationiert, und er hätte gezwungen werden können, seine Meinung zu ändern, oder es von sich aus tun können.“


„Für uns war es der Anfang“, sagte Landsbergis – der Beginn einer Geschichte von Entscheidungen im Wissen darum, wo man hin will und hingehört.


Gleich mehr von ihm. Willkommen am Platz der Republik.

Was wichtig wird

1.

In diesem Sinne bei Litauen sind die Ministerpräsidenten Dietmar Woidke (SPD) und Michael Kretschmer (CDU) sowie der Thüringer CDU-Chef Mario Voigt: „Es reicht nicht, dass (sic) eigene Glück zu managen, wir müssen uns verteidigungsfähig aufstellen“, schreiben sie in einem gemeinsamen Beitrag für die FAZ. „Wir Deutsche tun gut daran, in diesen grundlegenden Fragen von Sicherheit und Frieden auf unsere östlichen Partner wie Polen und die baltischen Staaten zu hören.“


Sechs Augen und ein paar Tippsis: Es ist der Versuch, unter Wahrung eines Stücks eigener Ehre auf das Bündnis Sahra Wagenknecht und dessen Wunsch einzugehen, Russlands Angriffskrieg mittels Koalitionsverhandlungen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen zu beenden: „Wir wollen eine aktivere diplomatische Rolle Deutschlands.“ In ihren Wahlkämpfen war es allen angebracht erschienen zu betonen, dass es um Landespolitik gehe. Deswegen war etwa der Bundeskanzler, als aktiver Chefdiplomat, in Brandenburg unwillkommen.


Kernsätze: „Nur die regelbasierte internationale Ordnung garantiert die Freiheit“, schreiben die drei, nun auf Ausflug in die Weltpolitik. „Es ist unsere Aufgabe, auch als Landespolitiker, diese Freiheit und diese Ordnung zu verteidigen und für Sie (sic) einzustehen. Daran wird keine landespolitische Zusammenarbeit etwas ändern.“

2.

Bei einer großen Demo stimmte Parteigründerin Sahra Wagenknecht unterdessen gestern an der Siegessäule den Sound für den Bundestagswahlkampf an. Das Hauptziel der Bewegung, die sie vorhat zu entfachen: „Wir müssen diese verdammten Raketen verhindern.“ Bundeskanzler Olaf Scholz hatte im Juli verkündet, ab 2026 würden US-Mittelstreckenraketen in Deutschland stationiert.


Mehrkomponentenkleber: Damit kommt zum allgemeinen Wunsch nach Frieden, einer übergriffigen Gleichgültigkeit gegenüber Wünschen der angegriffenen Ukraine und zum Kuschen aus Angst, Angriffsziel zu werden, noch alter und neuer Antiamerikanismus als Kitt zwischen rechts und links. Perfekt, für Wagenknecht.


Mehr reden: „Die Pläne für eine Stationierung von Mittelstreckenraketen in den westlichen Bundesländern hätte man besser erklären und breiter diskutieren müssen“, schrieben die drei Landespolitiker in der FAZ. Fragen: Ob das noch reicht, ob das vom Kanzler zu erwarten ist, und ob es die umworbene Wagenknecht beeindruckt?

3.

Die AfD in Baden-Württemberg trifft sich am Wochenende in der Ulmer Donauhalle, um ihre Kandidaten für die Bundestagswahl zu wählen. Sie fängt zumindest damit an. Weil es sich um die AfD – und um ihren Landesverband im Südwesten – handelt, ist mit Komplikationen zu rechnen. Aus mehreren Gründen, die Tim Frehler kennt.


Wie gut schneidet die Chefin ab? Baden-Württemberg ist Alice Weidels Landesverband. Sie wird sich wohl wie 2021 für Listenplatz eins bewerben. Seit vergangener Woche ist klar, dass die Parteichefin die AfD als Kanzlerkandidatin in den Bundestagswahlkampf führen wird. Da ist eine stabile Unterstützung aus dem heimischen Landesverband wünschenswert. Geht es knapp aus, hätte Weidels Kanzlerkandidatur ihren ersten Makel.


Kommt es überhaupt zur Abstimmung? Baden-Württemberg gilt als einer der schwierigsten AfD-Landesverbände. Weil Parteitage dort nicht nach dem Delegiertenprinzip organisiert sind, hat es die Parteispitze schwer, sie in geordnete Bahnen zu lenken. Schließlich dürfen alle Mitglieder des Landesverbandes teilnehmen, das macht die Sache unberechenbar. Um die Liste für die Bundestagswahl zu wählen, ist daher neben dem kommenden Wochenende ein weiteres im November vorgesehen, ebenfalls in Ulm. Internen Mails zufolge könnte die Listenaufstellung sogar noch an einem dritten Wochenende, dieses Mal in Ketsch im Rhein-Neckar-Kreis, fortgesetzt werden. Weidels Sprecher Daniel Tapp geht aber davon aus, dass die ersten Listenplätze am Wochenende gewählt werden.


Schnellen Fuffi verdienen? Weil prinzipiell jedes Mitglied kommen kann, wird es entscheidend sein, wer möglichst viele seiner Unterstützer mobilisieren kann. Wie interne Chats und Mails zeigen, arbeiten einzelne Kreisverbände dabei auch mit finanziellen Anreizen: So bietet etwa der Kreisverband Konstanz eine Übernachtungspauschale von 50 Euro „für 1 Übernachtung pro Teilnehmer“ an, auch eine „pauschale Unkostenvergütung von 50,– Euro pro Anwesenheitstag“ sei möglich. Der Kreisverband Rhein-Neckar schreibt an seine Mitglieder: „Um Ihnen die Teilnahme am Parteitag zu erleichtern“, seien Zimmer reserviert, die Mitfahrt im Bus sei „selbstverständlich kostenfrei“, einen Reisekostenzuschuss „in Höhe von 50 Euro pro Parteitag in Ulm“ gebe es noch dazu.


Order, order: Weidels Sprecher teilt mit, die Fahrtkostenübernahme sei nur in Ordnung, wenn sie grundsätzlich von jedem Mitglied des jeweiligen Kreisverbandes in Anspruch genommen werden könne. Ob aber tatsächlich einzelne Mitglieder ausgeschlossen werden sollen, davon habe er keine Kenntnis.

4.

Spätestens, wenn es im Bundestag um das Sicherheitspaket geht, wird auch die Speicherung von IP-Adressen wieder zum Streitthema. In der Ampel will sie Innenministerin Nancy Faeser (SPD) – bislang ist sie aber nicht Teil des Maßnahmenbündels. Die Forderung des Bundesrats, eine auf vier Wochen befristete Vorratsdatenspeicherung einzuführen, hatte zuletzt den Druck auf Justizminister Marco Buschmann (FDP) erhöht. Gibt es neue Bewegung? Gabriel Rinaldi hat sich umgehört.


Warum das wichtig ist: Bei Straftaten im Internet, etwa Missbrauchsdarstellungen von Kindern, sei die IP-Adresse oft der einzige Ansatz, um die Täter aufzuspüren, sagte Sven Rebehn, Bundesgeschäftsführer des Richterbunds. Laut Bundeskriminalamt erhöhe schon die Speicherung von IP-Adressen für zwei Wochen die Chancen, Straftäter zu identifizieren, enorm – bei einem Test vor zwei Jahren sei die Identifizierungsquote von 41 auf 80 Prozent gestiegen. Den Befürwortern geht es auch um Terrorabwehr, weshalb sie sich die Speicherung nun als Teil des Sicherheitspakets wünschen.


Keine Bewegung bei den Liberalen: Gegner der Maßnahme befürchten ein ständiges Überwachungsgefühl. Buschmann selbst sagte unlängst, es bestehe kein Anlass, die „Absage an die Vorratsdatenspeicherung“ in Frage zu stellen. „Es gibt für sie innerhalb der Bundesregierung keine politische Mehrheit“, sagte er; auch eine schöne Art, das eigene Nein zu formulieren.


Bei den Grünen sind sie sich uneinig. IP-Adressen im Vorfeld zu speichern lehnen auch die Grünen im Bundestag bislang ab. Aber: Auf Länderebene haben sie im Bundesrat für den Antrag gestimmt. NRW-Justizminister Benjamin Limbach etwa rechtfertigte die Initiative als „minimalinvasiven Eingriff, der uns bei der Terrorabwehr hilft, und im Übrigen auch bei der Bekämpfung von Kindesmissbrauch“. Das sei man den Opfern schuldig, sagte Limbach.


Bitte keine Scheingefechte: Wie Rebehn vom Richterbund ausführte, sei die Speicherpflicht für IP-Adressen ein europarechtskonformer Weg, den die Ampel rasch aufgreifen solle. Die FDP solle den Länder-Grünen folgen und „politische Scheingefechte um die Vorratsdatenspeicherung“ vermeiden, regte er an. Der Vorschlag des Bundesrats sei maßvoll und habe nichts mit einer Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung zu tun.

Tiefgang

Litauens Außenminister bestellt Führung – in der Unterstützung der Ukraine, in der Sicherheitspolitik, im Umgang mit dem Aggressor Russland. „Deutschland sollte keine Angst vor seiner eigenen Führungsrolle haben“, sagte Gabrielius Landsbergis im Interview. „Deutschland hat definitiv die Fähigkeit dazu. Warum sollte ein Land, das so gut akzeptiert ist und das Potenzial für so eine Rolle hat, davor zurückschrecken, vor allem, wenn Führung gebraucht wird?“


Landsbergis ist einer der wortmächtigsten Trommler für eine entschiedene Unterstützung der Ukraine in Europa. Auch in seinem Land findet der Kurs nicht nur Freunde – aber eine politische Mehrheit. Seine Amtszeit und sein Wahlkampf – am Sonntag in einer Woche wird das Parlament neu gewählt – standen unter dem Motto einer kompromisslosen Klarheit. So kann man als Regierung also auch kommunizieren, sogar mit guten Erfahrungen.


Wie das geht? „Wir versuchen, sehr offen und transparent zu kommunizieren und auch die Dinge zu erklären, die vielleicht nicht so gut ankommen“, sagte Landsbergis. „Meine Erwartung ist, dass die Menschen sich am Ende für diejenigen entscheiden, die transparent sind und klar sagen, was Sache ist.“ Seine Botschaft ist die: Wenn Putin in der Ukraine nicht gestoppt wird, könnte er als nächstes im Baltikum die Nato auf die Probe stellen. „Das ist es, was ich ausländischen Staats- und Regierungschefs vermittle, aber auch das, was ich meinen Leuten zuhause sage.“


Das ist ein riskantes Vorgehen, na klar, Wahlumfragen belegen das auch. Aber nun: „Es gab Befürchtungen, dass die Menschen verängstigt und besorgt sein würden“, sagte Landsbergis an die Adresse der Besorgten und Besonnenen. „Das Ergebnis war, dass wir es geschafft haben, 3,2 Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigung auszugeben.“ Gefahren zu benennen kann bedeuten, sie politisch handhabbar zu machen. „So ist es uns selbst in einem Wahljahr gelungen, eine nachhaltige Finanzierung zu erreichen, aus tatsächlichen Einnahmen und nicht aus geliehenem Geld“, sagte er beim Gespräch in der Bibliothek der litauischen Botschaft.


Litauen tut viel – sowohl für die eigene Sicherheit an der Ostflanke der Nato als auch zur Unterstützung der Ukraine. Ganze Kraftwerke demontieren sie, verschicken sie, ersetzen sie daheim durch neue. „Jedes Mal, wenn wir diese riesigen Maschinen in die Ukraine schicken und diese sie installiert, werden sie sofort zum Ziel, wenn es keine ausreichende Luftverteidigung gibt“, sagte er. „Das hält uns nicht auf – aber ich sage es den Partnern im Westen immer wieder: Wir schicken die Kraftwerke, schickt ihr bitte Luftabwehr. Irgendetwas, damit wir wissen, dass dies nachhaltig ist.“


Dass die Unterstützung zögerlich kommt, frustriert den Minister. „Russland greift diejenigen an, die in den Augen des Kremls schwächer erscheinen. Wenn der Preis für einen Angriff zu hoch ist, werden sie höchstwahrscheinlich nicht weitermachen. Das ist eine realistische Annahme“, sagte er. Aus ihr folgt: „Wenn wir die Ukraine nicht in die Lage versetzen, Russlands Aggression zu widerstehen, wird Putin weitermachen.“ Die Menschen „verstehen das“, sagte er. „Zeigen Sie mir eine Person, die das nicht tut, tief im Inneren.“


Erfolgreiches Handeln beginnt zumeist damit, ein Ziel zu definieren. Die westlichen Partner der Ukraine tun sich aber schwer damit, sich auf ein gemeinsames zu einigen. Dass die Ukraine in der Lage sein soll, zu gewinnen, Russland zurückzudrängen, ihr Territorium zu sichern, dass sie bloß nicht verlieren soll – je nachdem, wen man fragt, erhält man diese und mehr Antworten.


Wie kommt das? „Ich finde das ehrlich gesagt etwas seltsam“, sagte Landsbergis. „In Litauen war es immer ganz klar: Wenn man Steuergeld für Kriegssysteme verwendet, muss man ganz klar sagen, was man erreichen will.“


Es geht ja um Entscheidungen. In anderen Hauptstädten Europas als Berlin ist den Regierenden klar, dass man nicht alles auf einmal haben kann, und sie sagen es auch. „Warum investieren wir nicht in eine Schule, in ein Krankenhaus, sondern in den Erhalt der Ukraine? Darum: Wenn sie verliert, gewinnt Putin, und dann ist die Hölle los“, sagte Landsbergis. „So haben wir es unseren Leuten erklärt.“


„Wenn wir kein Ziel haben, dann geben wir einfach eine Menge Geld aus“, sagte er. In New York sagte US-Präsident Joe Biden schließlich, die Ukraine müsse gewinnen. „Wenn man eine Strategie auf diese einfachen Worte aufbaut, kann man mehr Menschen überzeugen“, sagte Landsbergis. Ob er sie sich vom Bundeskanzler wünsche, ließ er unbeantwortet.


Landsbergis sieht eine Priorisierung stabiler, wenn auch schlechter Verhältnisse als Treiber der Freunde der Besonnenheit. „Es ist eine Stabilitätsfalle“, sagte er. „Wir tun alles in unserer Macht Stehende, um an der Realität festzuhalten, die wir während des Kalten Krieges und danach geschaffen haben. Jede plötzliche Bewegung und jede Reaktion könnte ihr schaden. Deshalb verschanzen wir uns in dieser Version der Realität.“


Die Reise in dieser Woche – Berlin, Warschau, Straßburg – war die letzte vor der Wahl. Ein ernüchterter Minister schaut da auf die Welt und auf seine Partner, die viel tun, aber in seinen Augen nicht genug. „Wir sind nicht in der Lage, einmal etwas zu versuchen, das uns Sicherheit geben würde. Stattdessen reden wir uns ein: Das System ist immer noch stabil. Als ob die Ukrainer auf magische Weise in der Lage wären, ohne Waffen, ohne Hilfe, zu gewinnen. Oder als würde Putin schon irgendwie aufhören“, sagte er. „Wir stecken sehr tief in den Gräben dieser Realität. Wir wollen sie festhalten, auch wenn sie um uns herum zerbröckelt.“

Fast übersehen

5.

Corona-Aufarbeitung: Das BSW in Thüringen hat einen Antrag zur Aufarbeitung der Corona-Pandemie im Landtag eingereicht. Heute um elf Uhr will das BSW die Hintergründe des Antrags vorstellen.


CDU dabei: Damit folgen die Thüringer BSW-Politiker ihren Parteikollegen im Bund und im Nachbarland. Sowohl Sahra Wagenknecht als auch das BSW in Sachsen wollen Anträge einbringen, um Untersuchungsausschüsse zur Corona-Pandemie einzusetzen. Einen Unterschied gibt es: Die Thüringer haben dafür die Unterstützung der CDU in ihrem Bundesland. Landes- und Fraktionschef Voigt, der Parlamentarische Geschäftsführer Andreas Bühl sowie zwei weitere Landtagsabgeordnete unterstützen den BSW-Antrag.


Die Unterschiede: In Sachsen hatte das Vorgehen des BSW die Gespräche mit der CDU und der SPD zuletzt belastet. Den Thüringer Christdemokraten fällt der Schritt zur Beantragung eines Untersuchungsausschusses allerdings leichter als den Parteikollegen im Nachbarland. Schließlich saß die CDU in Thüringen zuletzt in der Opposition. Ein Untersuchungsausschuss wäre wohl ohnehin unvermeidbar gewesen: Die sächsische AfD hat einen beantragt und verfügt über die notwendigen Sitze. Das gilt auch für Thüringen. Es könnte sich also auszahlen, den Ausschuss selbst zu beantragen, damit über das Vorgehen zu bestimmen und der AfD zuvorzukommen.


SPD verärgert: Thüringens SPD-Landeschef Georg Maier sieht die Sache allerdings anders. Seine Partei befindet sich gerade in Sondierungsgesprächen mit der CDU und dem BSW. Die Ankündigung über den nun drohenden Untersuchungsausschuss habe innerhalb der SPD für schlechte Stimmung gesorgt: „Das ist keine vertrauensbildende Maßnahme“, sagte Maier SZ Dossier. „Die AfD wird daraus ein Tribunal machen.“ Etwas anderes zu glauben, sei naiv, sagte Maier.

6.

Lindner unplugged: FDP-Vorsitzender Christian Lindner hält seine Partei nach etlichen schmerzhaften Wahlniederlagen in Folge für „in ihrer Existenz bedroht“ – aber nicht in der schlimmsten Krise ihrer Geschichte, sagte er am Mittwochabend bei einer Feierstunde an der Management-Hochschule ESMT in Berlin. Im Publikum stellten sich einige Herren erkennbar auf eine launige Pointe ein.


Das Lachen ließen sie stecken. Die größte Krise sei in den Wochen im Februar 2020 zu verorten, nachdem sich der FDP-Mann Thomas Kemmerich mit AfD-Stimmen zum Thüringer Ministerpräsidenten hatte wählen lassen. Damals, sagte Lindner, habe die „Reputation“ der Freien Demokraten auf dem Spiel gestanden, als Partei, die weiß, auf welche Seite sie gehört.


Seltener Einblick: Auch Lindner hat mit einer Dämonenwelt zu kämpfen. Die gab sich damals mit der CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer zufrieden.

7.

Nein Pascal, ich denke nicht: In Berlin glauben sie wieder, der Ausgang einer europäischen Entscheidung hänge maßgeblich von ihnen ab. Gewerkschaften, Industrie und auch die Bundesregierung – der Kanzler habe nun so entschieden, heißt es aus Regierungskreisen – positionieren sich gegen EU-Ausgleichszölle für Elektroautos aus China.


Lauter deutsche Gründe dagegen: Die einst stolze deutsche Autoindustrie fürchtet Vergeltung aus China, die SPD ist jedes Mal neu überrascht, wenn sie das Potenzial von Industriearbeitern entdeckt. Die FDP möchte für den Kampf um den Benziner gemocht werden, den die Industrie gar nicht bestellt hatte.


Die Entscheidung steht heute an. Die EU-Kommission hat ihren Vorschlag fein kalibriert und trifft Staatsbuden deutlich härter als konkurrenzfähige Hersteller wie BYD. Vor allem aber: Wer sich am Vorabend einer Abstimmung erst national verständigt, hat halt wenig Zeit, um europäische Allianzen zu bilden. Kurz durchgezählt: Sieht wieder nicht gut aus für den Nabel der Welt.

Unter eins

Ich verrate hier kein Geheimnis: Vollendet in diesem Sinne ist die Deutsche Einheit auch nach 34 Jahren natürlich nicht.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) merkelte bei der Einheitsfeier im Schweriner Staatstheater an, „wir“ seien „gleichwohl weit vorangekommen“

Deutschland in Daten

Der demoskopische Aufstieg des politischen Problems Migration
in Kooperation mitStatista

Zu guter Letzt

Der Abschied vom Sommer in Berlin vollzieht sich in Etappen. Die Union hat nun ihren Kanzlerkandidaten. Die Stadt ist wieder voller Autos. Karls Erdbeerhäuschen verschwinden aus dem Stadtbild und begegnen einem rollend, auf dem Weg ins Lager. Der letzte Schritt, dann ist es unwiederbringlich vorbei für dieses Jahr: Wenn auch das Prinzenbad Ende des Monats die Freiluftsaison beendet.


Noch kann, wer sich für hart hält, dies einmal im unbeheizten Becken testen. Aber Perso nicht vergessen! Die Ausweiskontrolle in den Berliner Sommerbädern gilt grundsätzlich bis Ende der Saison: Zu schön, wie sie sich auf der Rechten – „Zurückweisung! Zurückweisung!“ rufend – aufregen, als dass man die Maßnahme vorzeitig einstellte.


Danke! Ans Team in Berlin und Australien.

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Florian Eder

Leiter SZ Dossier