Unsere Kernprodukte
Im Fokus
Weitere SZ-Produkte
Shops und Marktplätze
Media & Service
Partnerangebote
Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?
Anzeige inserierenMöchten Sie unsere Texte nachdrucken, vervielfältigen oder öffentlich zugänglich machen?
Nutzungsrechte erwerbenSo will das BMWK Temu und Shein bändigen
Mittwoch, 9. Oktober 2024Von Tim Frehler
Guten Morgen. Heute treffen zwei Frauen im Fernsehen aufeinander, für die es gerade ganz gut läuft. Alice Weidel (AfD) ist drauf und dran, Kanzlerkandidatin ihrer Partei zu werden und hat sich gerade den Rückhalt ihres Landesverbandes gesichert. Sahra Wagenknecht (BSW) kann sich aussuchen, ob ihre Partei in drei Bundesländern regieren will. Und sich währenddessen darüber freuen, dass ihr die politische Konkurrenz per Gastbeitrag Avancen macht.
Der Lebenslauf der beiden könnte kaum unterschiedlicher sein. Was allerdings ihren Politikstil anbelangt, lassen sich durchaus Gemeinsamkeiten finden. Beide verkörpern eine Politik des Dagegenseins – gegen die Ampel, gegen das Gendern, gegen alles, was auch nur im entferntesten Sinne „woke“ sein könnte. Die große Frage heute Abend wird sein, ob da noch mehr ist und ob sie auch gemeinsam für etwas sein können. Um 18 Uhr geht es los, der Sender Welt TV überträgt das Duell.
Herzlich willkommen am Platz der Republik.
Was wichtig wird
US-Präsident Joe Biden hat seine geplante Reise nach Deutschland und Angola verschoben. Wie das Weiße Haus gestern mitteilte, werde sich Biden stattdessen um die Vorbereitungen auf den Hurrikan „Milton“ und um die noch laufenden Maßnahmen infolge des Hurrikans „Helene“ kümmern. Ein Sprecher der Bundesregierung bestätigte die Absage. Die Bundesregierung bedauere dies, habe aber natürlich Verständnis. Man sei vorab vom Weißen Haus informiert worden.
Kommt Biden überhaupt noch? Er habe immer noch vor, all die Orte zu besuchen und an den Konferenzen teilzunehmen, für die er zugesagt habe, sagte Biden gestern im Weißen Haus. Er kündigte an, gestern noch „mit meinem Freund, dem deutschen Bundeskanzler“ zu sprechen, um eine Lösung zu finden. Am Samstag sollten der britische Premier Keir Starmer und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron im Bundeskanzleramt dazustoßen. Starmer wird seinem Büro zufolge trotzdem nach Berlin kommen, um sich wie geplant mit Scholz und Macron zu beraten.
Ukraine-Gipfel ungewiss: Geplant war, anschließend weiter ins rheinland-pfälzische Ramstein zu reisen, wo ein Ukraine-Gipfel stattfinden sollte. An dem Treffen sollten auf Einladung Bidens mehr als 20 Staats- und Regierungschefs – aus der Nato und weitere Verbündete der Ukraine – teilnehmen. Offen ist nun, ob dieser Gipfel abgesagt wird oder ohne Biden stattfindet. Denkbar wäre auch, dass Biden virtuell teilnimmt.
Ein Zeichen war geplant: Außenpolitisch stellt sich die Frage, was aus dem Zeichen der Unterstützung für die Ukraine werden soll. Mit dem Treffen in Ramstein, so hieß es in deutschen Regierungskreisen, solle Moskau klargemacht werden, dass es „keinen Zweck habe, auf ein Nachlassen der Unterstützung zu hoffen“. Zugleich gehe es darum, „Wege hin zu einem dauerhaften und gerechten Frieden“ auszuloten. Mehr dazu hier von Peter Burghardt und Paul-Anton Krüger.
Auch eine Bundesinnenministerin muss warten. Fünf Minuten stand Nancy Faeser (SPD) gestern vor dem Sitzungssaal der FDP-Bundestagsfraktion, bis ihr die Liberalen die Tür öffneten. Drinnen unterhielten sich Faeser und die FPD-Abgeordneten dann über Migrationspolitik. „Sehr gut“ und „sehr konstruktiv“, versteht sich. Um das Sicherheitspaket der Regierung ging es aber nicht, um den Neun-Punkte-Plan der FDP-Fraktion auch nicht, wie Faeser nach dem Gespräch betonte.
Aufgeschoben, nicht aufgehoben: Das Sicherheitspaket taucht in dieser Woche nicht auf der Tagesordnung des Bundestags auf, ebenso wenig wie das Rentenpaket. Zwei Ampel-Vorhaben also, die innerhalb der Koalition noch für Streit sorgen könnten. FDP-Fraktionschef Christian Dürr rechnete gestern damit, dass das Sicherheitspaket spätestens nächste Woche beraten werde. Das müsste es dann auch, damit sich noch im Oktober per Fristverkürzung der Bundesrat damit beschäftigen kann. Dürr sagte allerdings, er sehe „viel Bewegung auf allen Seiten“ und glaube, dass „die Grünen ebenfalls das Sicherheitspaket mittragen werden“. Aus liberalen Kreisen war zu hören, dass die vorhandenen Fragen alle „lösbar“ seien.
Frühere Verschärfung: Wie Faeser nach dem Gespräch sagte, habe sie bei der EU-Kommission angefragt, ob eine der geplanten Verschärfungen des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) an deutschen Flughäfen schon früher umgesetzt werden dürfte. Konkret geht es darum, bei Asylbewerbern aus Herkunftsstaaten mit einer Anerkennungsquote von europaweit weniger als 20 Prozent schon an der EU-Außengrenze zu prüfen, ob jemand Anspruch auf Schutz hat oder nicht.
Weniger Asylanträge: Faeser sagte, die von der Ampel bereits beschlossenen Änderungen zeigten Wirkung: „Wir haben ein Fünftel weniger Asylanträge als letztes Jahr und ein Fünftel mehr Rückführungen.“ In den ersten neun Monaten dieses Jahres haben rund 179.000 Menschen erstmals in Deutschland einen Asylantrag gestellt, darunter rund 23.000 türkische Staatsbürger. Sollte die frühere Prüfung möglich sein, würden darunter auch Asylbewerber aus der Türkei fallen.
Lange Grenzkontrollen: Derweil betonte Bundeskanzler Olaf Scholz bei RTL, dass er gerade mit den Regierungschefs der EU-Nachbarstaaten telefoniere und wolle, dass die Kontrollen an den deutschen Grenzen so lange wie möglich fortgeführt werden. „Und das wird sehr lange sein“, fügte der Kanzler hinzu.
In der CSU liebäugeln manche mit einer Neuauflage der Groko. Wenn es nach Alexander Dobrindt geht, darf es dazu auch schon recht schnell kommen. Es brauche möglichst bald Neuwahlen, sagte Dobrindt gestern, den kommenden März hält er dafür für einen realistischen Termin. Eine Koalition mit den Grünen lehnt der Chef der Landesgruppe weiter vehement ab. Diese Strategie halten jedoch nicht alle in seiner Partei für schlau.
Wo die Mitte liegt: „Wer die Grünen versucht, in die politische Mitte zu quatschen, der gibt quasi einen Teil der Mitte für die Union auf“, sagte Dobrindt. Das galt auch in Richtung des NRW-Ministerpräsidenten Hendrik Wüst (CDU), der mit den Grünen regiert und so eine Koalition auch auf Bundesebene nicht ausschließen will. CDU-Chef Friedrich Merz spricht immer von „diesen Grünen“. Dobrindt sieht dazu – aufgrund der aus seiner Sicht ausbleibenden Veränderungen – gar keinen Widerspruch.
Vorteil SPD: Rechnerisch gehe es ja auch mit der SPD. Da seien dann die Größenverhältnisse entscheidend. Dobrindt wolle mit einem Partner regieren, der „nicht groß ist, aber groß genug, dass es reicht“. Die SPD stelle, auch wenn sie klein sei, trotzdem noch immer eine Breite in der Gesellschaft dar, etwa durch die Gewerkschaften. Über die Grünen könne man das nicht sagen – „haben sie nie, werden sie nie“, sagte Dobrindt.
Hintertür auf bayrisch: CSU-Vize Manfred Weber will eine schwarz-grüne Koalition nicht pauschal ausschließen. Demokraten müssten immer miteinander sprechen können und versuchen, Wege des Miteinanders zu finden, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Die Partei müsse nun laut dem Europaabgeordneten klären, „ob sie in der Mitte anschlussfähig sein will oder sich zurück zu einer ideologischen Partei entwickeln will“. Was Dobrindt dazu sagt? „Diplomatisch formuliert, würde ich sagen, er vertritt eine Mindermeinung.“ Das sei aber auch nicht weiter tragisch, „weil diese Frage wird schlichtweg nicht in Brüssel entschieden“.
CDU, BSW und SPD in Thüringen haben ihre Sondierungsgespräche über eine mögliche Brombeerkoalition fortgesetzt. Gestern ging es unter anderem um Bildung, Familie, Migration, Justiz und Inneres. „Der Tag der großen Themen“, wie der parlamentarische Geschäftsführer der CDU, Andreas Bühl, es nannte.
Hintergrund: Eigentlich wären die Gespräche schon für Montag geplant gewesen, doch die Verhandlungen stockten. Die SPD ist verärgert über das Vorgehen von CDU und BSW. Auslöser ist einerseits der Corona-Untersuchungsausschuss, den das BSW beantragt hat und dabei von Teilen der CDU unterstützt wird. Und auch der Gastbeitrag von Mario Voigt (CDU), Michael Kretschmer (CDU) und Dietmar Woidke, indem die drei eine „aktivere diplomatische Rolle Deutschlands“ im Ukraine-Krieg fordern, stieß bei SPD-Landeschef Georg Maier nicht auf Wohlwollen. Am Montag fand daher nur ein Gespräch zwischen den Parteispitzen statt.
Wie es weitergeht: Ziel sei es, bis zum Ende der Woche zu einem Papier zu kommen, das so abgestimmt sei, dass man es den Parteigremien vortragen könne, sagte CDU-Politiker Bühl. Dann müsse man sehen, „ob das, was wir hier verhandelt haben, auch weiter mehrheitsfähig sein kann“. Zu den – nun ja – Komplikationen sagte Katharina Schenk, die stellvertretende Landesvorsitzende der SPD: Für ihre Partei stehe weiter fest, dass Themen, die auf Bundesebene verhandelt werden, „keine prägende Rolle“ in Koalitionsverhandlungen und Sondierungen spielen können. Ihre Partei fühle sich auch nicht berufen, Entscheidungen von Bundesebene „zurückzurollen oder anders zu kommentieren“. Man nehme aber zur Kenntnis, dass andere Parteien dazu andere Prioritäten haben.
Tiefgang
Wie können Zollbehörden in der EU jährlich vier Milliarden Päckchen kontrollieren? Gar nicht. Daher sollen die Urheber der Paketflut selbst in die Pflicht genommen werden, sagte Wirtschafts-Staatssekretär Sven Giegold (Grüne) im Gespräch mit SZ Dossier.
Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) will vorhandene EU-Gesetze schnell nutzen, um den chinesischen Shopping-Plattformen Temu und Shein mit Bußgeldern drohen zu können, sollten sie weiterhin Waren in die EU schicken, die nicht den gesetzlichen Vorschriften entsprechen. Bei dem Gesetz handelt es sich um den Digital Services Act, der generell alle Formen von Internetplattformen reguliert.
Bisher sieht die Realität noch so aus: Die Verbraucher bestellen in China zu niedrigsten Preisen und erhalten die Ware direkt vom individuellen Anbieter per Luftpost. Anders als bei einem deutschen Einzelhändler prüft aber keiner, ob die europäischen Standards eingehalten werden.
Vor allem über die Temu-Produkte häufen sich die Klagen. In Deutschland warnt etwa der Verband der Elektrotechnik VDE vor elektrischen Schlägen durch Lichterketten und brandgefährlichen Netzteilen. Oft fehlt die deutsche Bedienungsanleitung. Südkoreanische Behörden wiesen krebserregende Substanzen in Nagellack oder Blei in Schuhen nach. „Ein klassisches systemisches Versagen wäre, wenn trotz entsprechender Hinweise keine Abhilfe geschaffen wird“, sagte Giegold. „Die Kontrolldichte beim Gemüsemarkt ist deutlich höher als bei Temu oder Shein, die sich bisher im rechtsfreien Raum wähnen.“
Die chinesischen Onlineverkaufsplattformen sind schwer für solche Verstöße gegen Sicherheits- und Umweltnormen in Haftung zu nehmen. Denn sie treten nur als Mittler auf. Firmen wie Temu und Shein bieten rechtlich gesehen gar keine Waren an, sondern nur die Software, mit der andere dann handeln. Sie verschicken die giftigen Produkte also nicht selbst. Der Importeur ist in vielen Fällen der deutsche Kunde.
Auf Verbraucherbeschwerde hin können die deutschen Behörden zwar aktiv werden und gegen einzelne Produkte und Händler vorgehen. Doch das zielt nach Giegolds Verständnis nur auf Einzelfälle, während er jetzt die Systemfehler hinter dem Missstand angehen will. „Auf dem europäischen Markt kann nur geduldet werden, wer sich an europäisches Recht hält“, sagte Giegold. Und das werde eben regelmäßig nicht gemacht.
Der Ansatz des Bundeswirtschaftsministeriums unterscheidet sich damit von Vorschlägen beispielsweise der SPD-Bundestagsfraktion. Diese hat ins Spiel gebracht, eine Freigrenze für den Warenwert von 150 Euro abzuschaffen, um gegen Temu und Shein vorzugehen. Das würde die Direktimporte teurer machen und mehr Kontrollen ermöglichen. Giegold hält das für sinnvoll, aber zu langsam. Eine neue Festsetzung der Freigrenze könnte Jahre dauern.
Der Digital Services Act (DSA) der EU ermöglicht es dagegen schon jetzt, Plattformen für die angebotenen Waren zur Verantwortung zu ziehen. Die EU-Kommission hat bereits im Juni begonnen, Selbstauskünfte der Plattformen einzuholen: Welche Mechanismen gibt es, um auf Klagen über nicht rechtskonforme Produkte zu reagieren? Mehrere EU-Mitgliedsstaaten wollen nun den DSA nutzen, um Temu und Shein – und generell alle Handelsplattformen – zur Kooperation zu zwingen.
Dazu müsste die EU nach den Ideen des BMWK folgende Schritte verfolgen: Sie muss erstens erfassen, wie hoch für jede Plattform der Anteil von verkauften Waren ist, der nicht den EU-Vorgaben entspricht. Übersteigt dann bei einer Webseite der Anteil der regelverletzenden Sendungen einen vorher festgelegten Schwellenwert – beispielsweise 25 Prozent – und wird keine Abhilfe geschaffen, kann sie Strafzahlungen verhängen. Im ersten Schritt wäre für sehr große Plattformen wie Temu eine Geldbuße in Höhe von sechs Prozent des weltweiten Umsatzes des Plattformbetreibers möglich.
Die Erwartung dahinter: Die Plattformen sollen ihrerseits Einfluss auf die Händler nehmen, keine Waren mehr einzustellen, die nicht auf Herz und Nieren geprüft sind. Auch in China gelten Regeln für Produkte, und die unterscheiden sich gar nicht so sehr von denen in Europa.
Die Verfasser des DSA hatten ursprünglich vor allem Plattformen wie soziale Netzwerke, Suchmaschinen und dergleichen im Hinterkopf, auf denen sich illegale Inhalte wie Verleumdungen finden oder von denen Gefahr für die Demokratie ausgeht. Doch die Definitionen passen ebenso gut auf Shopping-Seiten.
Um den Anteil von regelverletzenden Waren pro Plattform objektiv zu bestimmen, schlägt Giegold Testkäufe vor, die beispielsweise Dienstleister im Auftrag der EU durchführen können. Die Plattformen werden nur bei echtem Fehlverhalten bestraft. Indem ein Schwellenwert von problematischen Lieferungen erlaubt ist, kommt die Regulierung eben nicht einem Verbot der Anbieter gleich, sondern erlaubt grundsätzlich eine Fortsetzung von deren Geschäftsmodell.
Der DSA sei durchaus ein „scharfes Schwert“ gegen Plattformen, die sich dauerhafte Verstöße leisten, sagte Giegold. Nach dem Bußgeld in Höhe von sechs Prozent des jährlichen Umsatzes kann die EU regelmäßig weitere fünf Prozent des durchschnittlichen täglichen Umsatzes für jeden Tag kassieren, den die Anbieter die Missstände trotz Aufforderung nicht abstellen. Felix Lee, Finn Mayer-Kuckuk
Fast übersehen
Wichtiger Schritt für Karl Lauterbach: Der SPD-Gesundheitsminister und Vertreter der Ampel-Fraktionen haben sich auf letzte Details der Krankenhausreform geeinigt. Wie Lauterbach ankündigte, solle die Reform „am nächsten Donnerstag oder am nächsten Freitag“ im Bundestag verabschiedet werden. Voraussichtlich im November werde sich dann der Bundesrat damit befassen, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der Grünen, Janosch Dahmen.
Spezialisieren und Entökonomisieren: Lauterbach will mit der Reform eine stärkere Spezialisierung im deutschen Gesundheitssystem erreichen; eine Mehrklassen-Medizin nennen es Kritiker. Außerdem soll, so Lauterbach, der ökonomische Druck von Kliniken und ihren Mitarbeitern genommen werden, indem die sogenannten Fallpauschalen durch ein System der Daseinsvorsorge mit Vorhaltepauschalen ersetzt werden. Drittens erhielten kleinere Häuser auf dem Land nun Zuschläge und müssten keine großen und komplizierten Eingriffe mehr machen, um sich zu finanzieren.
Gut Ding will Weile haben: Das Gesetz sei bis zum Schluss verbessert worden, sagte Lauterbach, etwa durch eine Regel, mit der Fachärzte in Zukunft in kleineren Krankenhäusern auf dem Land praktizieren können. Darin sieht der Minister ein Mittel gegen den Facharztmangel auf dem Land. Trotz der heftigen Proteste aus den Ländern rechnet Lauterbach damit, dass das Projekt die Legislatur überdauert. „Der Umbau wird insgesamt ungefähr zehn Jahre dauern“, sagte er.
Sieben von 196: Die Spitze der Unionsfraktion im Bundestag lehne ein Verbotsverfahren gegen die AfD vehement ab, berichtet Robert Roßmann. Laut Thorsten Frei, dem ersten parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktion, gebe es zwar sieben Unionsabgeordnete, die einen Antrag für ein Verbotsverfahren unterstützen, etwa der ehemalige Staatssekretär und Ostbeauftragte Marco Wanderwitz. In der Unionsfraktion mit ihren 196 Abgeordneten herrsche beim Thema AfD-Verbot allerdings „maximale Zurückhaltung“, wie Frei es nannte. Die Union habe nicht nur große rechtliche Bedenken, es gebe auch starke politische Argumente gegen ein Verfahren.
Die Argumente: Bei der NPD habe das Verbotsverfahren mehr als vier Jahre gedauert. Im Fall der AfD wäre das Verfahren „um ein Vielfaches schwieriger, komplizierter, herausfordernder“ und würde deshalb vermutlich länger dauern. Die AfD könnte sich also sogar bei einem am Ende erfolgreichen Verbotsverfahren noch an der nächsten Bundestagswahl beteiligen, sich dabei als „Märtyrer“ in Szene setzen und mit der Behauptung antreten, dass das „die letzte freie Wahl ist“. Man müsse die AfD stattdessen politisch bekämpfen, sagte Frei. Dafür sehe er „die allerbesten Aussichten“. Dobrindt, der ähnlich argumentierte, sagte gestern, seines Wissens sei unter den Unterstützern kein einziger CSU-Abgeordneter.
Unter eins
Ex-Bundespräsident Christian Wulff kritisiert im Interview mit dem Focus den Ton der politischen Debatte
Zu guter Letzt
Den Grünen läuft nicht nur der Vorstand der eigenen Parteijugend davon. Gestern hat auch die Bundestagsabgeordnete Canan Bayram angekündigt, 2025 nicht mehr zu kandidieren. Bayram vertritt den Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg Prenzlauer Berg-Ost, der kein ganz gewöhnlicher für die Grünen ist. Schließlich ist es der Wahlkreis, den einst Hans-Christian Ströbele vertrat.
Das ist die symbolische Bedeutung. Die politische zeigt sich in Bayrams Statement. Da schreibt sie, sie habe sich gegen eine erneute Kandidatur entschieden, „weil mir immer weniger klar ist, wofür die Partei Bündnis 90/Die Grünen eigentlich steht“. Sie könne den Menschen daher auch nicht erklären, wofür „wir stehen bzw. ob sie uns vertrauen können“. Was das Gute und Wahre wäre, sie selbst wüsste es natürlich schon: Sie wolle kein „Feigenblatt“ für eine Fraktion werden, schrieb sie, „die weniger Menschenrechte als populistische Diskurse in den Fokus ihrer Arbeit nimmt“.
Danke! Dem Team in Berlin und den Kolleginnen in Australien.