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Nutzungsrechte erwerbenSchleswig-Holsteins Klimaminister über Fehler und Strategien der Grünen
Dienstag, 29. Oktober 2024Von Valerie Höhne
Schnelldurchlauf:
Dramaturgie von Gipfel und Gegengipfel +++ In Brandenburg setzt sich Wagenknecht durch +++ In Thüringen setzen sich die Pragmatiker durch +++ Merz macht Verteidigung zur Priorität +++ Tiefgang: Schleswig-Holsteins Energieminister Tobias Goldschmidt über Fehler und Strategien der Grünen
Guten Morgen. Unternehmen und Arbeitnehmer sind ohnehin verunsichert, die Meldung kommt zur Unzeit: Volkswagen könnte drei Werke im Land schließen. Optimisten setzen Hoffnung in die Verbform. Es könnte schließlich auch Verhandlungstaktik des Betriebsrats sein, ab Mittwoch verhandelt die IG Metall mit VW formell über die neue Tarifrunde – informell über die radikalen Kürzungspläne des Vorstands.
In der vorliegenden Form würden die Pläne im Aufsichtsrat scheitern, sagte ein einflussreicher Gewerkschafter den SZ-Kollegen Alexander Hagelücken und Kathrin Werner.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) trifft sich heute, wie passend, mit Vertretern der Industrie, um über den Erhalt von Industriearbeitsplätzen zu sprechen. Der Verband der Deutschen Maschinen- und Anlagebauern wird nach Informationen von SZ Dossier dabei sein, genau wie der Dachverband Bund der Deutschen Industrie und Vertreter der IG Metall.
So viel vorab: Auftaktbilder gibt es keine, sie entfallen, ein Pressestatement auch nicht. Zwei bis drei Stunden will Scholz in vertraulicher Runde beraten, es soll bloß kein „Theater“ werden, davon müsse man laut Scholz schließlich wegkommen. Das Treffen im Gipfel-Format soll übrigens wiederholt werden, möglicherweise mit wechselnden Besetzungen. Es sei das „erste Gespräch in einer Reihe von Gesprächen“, sagte der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner gestern. Mit Ergebnissen dürfte also nicht gerechnet werden. Herzlich willkommen am Platz der Republik.
Was wichtig wird
Es waren FDP-Chef (und Bundesfinanzminister) Christian Lindner und FDP-Fraktionschef Christian Dürr, die die Idee ersannen, einen Gegengipfel zum Industriegipfel im Kanzleramt zu erfinden. Sie luden den Arbeitgeberpräsidenten Rainer Dulger ein, auch Handwerkspräsident Jörg Dittrich ist dabei, dazu Stephan Hofmeister, Präsident des Bundesverbands der Freien Berufe, Martin Wansleben, Chef der Deutschen Industrie- und Handelskammer, und Reinhold von Eben-Worlée, Vertreter der Familienunternehmer. Ab 11 Uhr treffen sie sich beim Gegengipfel, der Gipfel des Kanzlers findet ab 16 Uhr statt.
Der Vorwurf der Freien Demokraten an den Kanzler: Es reiche nicht, mit der Großindustrie zu sprechen, der Mittelstand müsse mehr Berücksichtigung finden. Scholz wäre wohl nicht Scholz, wenn er keine Gegenspitze parat hätte: Nach Informationen von SZ Dossier hat er sich in der vergangenen Woche mit dem Arbeitgeberverband, der Deutschen Industrie- und Handelskammer, dem Zentralverband des Deutschen Handwerks und dem Bundesverband der Deutschen Industrie zum Abendessen getroffen. Demnach weiß er, was den Mittelstand bewegt und welche Punkte bei der FDP angesprochen werden könnten.
Der FDP ist das egal: In Umfragen liegt sie bei drei bis vier Prozent, dabei haben ihre Themen Konjunktur. „Die bei dem Treffen diskutierten Punkte werden Berücksichtigung finden, wenn es darum geht die Wirtschaft zu dynamisieren“, hieß es aus der Fraktion. Man müsse wegkommen von der „immer gleichen Subventionspolitik“. Gesprochen werden soll dem Vernehmen nach über die Steuerbelastung, die Bürokratie und Energiekosten. Ob Scholz die Abschaffung des deutschen Lieferkettengesetzes meint, darüber wird spekuliert, seit der Sprecher der Parlamentarischen Linken der Partei, Tim Klüssendorf, sich im Stern darüber ausgelassen hat. Es wäre „unverantwortlich“, bewährte Standards auszusetzen. Laut Regierungssprecher Steffen Hebestreit sollen die Regulierungen ab Anfang 2025 nicht über die geplante EU-Richtlinie hinausgehen. Das klingt anders, als die FDP es sich wünscht.
Den Aufschlag in einen turbulenten Tag der Verhandlungen machten gestern Morgen Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) und BSW-Landeschef Robert Crumbach. In Potsdam stellten die beiden den „Vorschlag eines Sondierungspapiers“ vor.
Was geht mit Wagenknecht? Worauf sich SPD und BSW in Brandenburg einigen können, galt als Gradmesser für die roten Linien der BSW-Chefin. Und die dürfte mit den Ergebnissen nicht unzufrieden gewesen sein, schließlich heißt es in dem Papier: „Wir nehmen die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger ernst, dass sich der Krieg ausweitet und damit das Risiko besteht, dass auch Deutschland in eine sich immer schneller drehende Kriegsspirale hineingezogen wird.“ Das Szenario also, vor dem Wagenknecht warnt. Außerdem werde sich die Brandenburger Landesregierung „auf Bundesebene und auf Ebene der Europäischen Union“ dafür einsetzen, eine „diplomatische Lösung des Ukrainekonflikts“ voranzutreiben. Eine Landesregierung will sich in Diplomatie einmischen, auch das hatte Wagenknecht gefordert.
Kein Kommentar, Genosse: Die geplante Stationierung von Mittelstrecken- und Hyperschallraketen „auf deutschem Boden“, sehen SPD und BSW laut Sondierungspapier „kritisch“. Damit begibt sich SPD-Ministerpräsident Woidke in Opposition zu seinem eigenen Kanzler. Wie man das im Willy-Brandt-Haus sieht? Man werde das nicht kommentieren, sagte ein Parteisprecher gestern SZ Dossier, verwies aber auf einen Gastbeitrag von SPD-Chefin Saskia Esken bei t-online. Darin schreibt sie, sie könne die Sorgen der Menschen wegen der Stationierung der US-Raketen in Deutschland verstehen. Die Abschreckung aber diene im Endeffekt dem Erhalt des Friedens.
Was macht die CDU? Die SPD kam dem BSW in Brandenburg beim Thema Krieg und Frieden weit entgegen. Soweit, wie es die CDU eigentlich nicht kann. Unions-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter fand daher scharfe Worte, für das, was in Potsdam aufgeschrieben wurde. Das Papier „entspricht der freiwilligen Unterwerfung russischen Einflusses“, sagte Kiesewetter SZ Dossier. „Die CDU sollte solche Formulierungen niemals mittragen, das käme einer Selbstzerstörung gleich.“
Soweit kam es dann auch nicht, als die Brombeer-Verhandler nur wenige Stunden später in Erfurt vor die Presse traten. Gut eine Woche hatten sie da bereits über der Präambel eines möglichen Koalitionsvertrags gebrütet. Gestern nun die Einigung. Heute bereits sollen sieben Arbeitsgruppen mit den Koalitionsverhandlungen beginnen. Knackpunkt war bis zuletzt, ob und welche Formel die Verhandler für das Thema Krieg und Frieden finden werden.
Die Friedensformel: Heraus kam eine durchaus unkonventionelle Lösung, die deutlich weicher ist als jene in Brandenburg. Die drei Parteien betonen, was sie verbindet – und, was sie trennt, ein Eingeständnis also, dass man sich nicht einig ist. So heißt es in der Präambel nun: „CDU und SPD sehen sich in der Tradition von Westbindung und Ostpolitik. Das BSW steht für einen kompromisslosen Friedenskurs.“ Die gemeinsame Klammer folgt im Satz darauf: Hinsichtlich der Notwendigkeit von Waffenlieferungen an die Ukraine seien die Verhandler zwar unterschiedlicher Auffassung, sie eine aber das Ziel, eine diplomatische Lösung des Kriegs voranzutreiben „mit dem Ziel eines Waffenstillstandes“.
Und die Raketen? Bei der Frage der Stationierung von US-Mittelstreckenraketen ist den Verhandlern ein ähnlicher Kompromiss gelungen: Die Verteidigungsfähigkeit des Landes sei von großer Bedeutung, steht in der Präambel. Man erkenne aber an, dass viele Menschen in Thüringen die geplante Stationierung von Mittelstrecken- und Hyperschallraketen kritisch sehen beziehungsweise ablehnen. Anders als in Brandenburg hilft man sich also mit einem Kniff an dieser Stelle: Es sind die Menschen, die die Raketen kritisch sehen, nicht die Verhandler – jedenfalls nicht alle. Und die Thüringer haben sich noch einen weiteren Kniff ausgedacht: BSW-Landeschef Steffen Schütz kündigte an, dass es in dieser Frage auch noch ein Bürgerbeteiligungsverfahren geben soll.
Der Elefant im Raum: Wie sieht Wagenknecht das alles? Die BSW-Chefin sagte SZ Dossier gestern Mittag, das Ergebnis in Brandenburg sei „ein guter Kompromiss“, der zeige, „dass wir nicht mit Maximalforderungen unterwegs sind, wie Herr Merz uns unterstellt“. Sie hoffe, sagte Wagenknecht, dass es „angelehnt an die Brandenburger Formulierungen auch in Sachsen und Thüringen eine Einigung geben wird“. Wagenknecht sagte das zu einem Zeitpunkt, als die Einigung in Erfurt noch nicht bekanntgegeben war, die Einladung zur Pressekonferenz noch nicht einmal verschickt war. Klar war also: Brandenburg ist Wagenknechts Maßstab.
Ihr Plan ging anders: Wagenknecht wollte, dass sich die CDU auf das BSW zubewegt – wie die SPD in Brandenburg. Wenn die CDU die Meinung der übergroßen Mehrheit der Menschen in den betreffenden Bundesländern – gemeint waren Sachsen und Thüringen – ernst nehme, „sollte sie kein Problem haben, das zu unterschreiben“, sagte sie. Also das, worauf sich die Verhandler in Potsdam geeinigt hatten.
Pragmatismus first: So kam es aber nicht. Fürs Erste haben sich die pragmatischen Kräfte in Thüringen durchgesetzt. Die Chefin findet das falsch. Dem Spiegel sagte sie, es sei ein „Fehler“ gewesen, sich nicht an Brandenburg zu orientieren.
Friedrich Merz (CDU) hat eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben zur Top-Priorität gemacht. Seit der Kanzlerkandidat der Union im Bericht aus Berlin sagte, er wolle als Kanzler 30 Milliarden Euro zusätzlich für die Bundeswehr einplanen, rätseln Freund und Feind: Wie will er das bezahlen? Aus der Unionsfraktion hören wir, das sei eine Frage der Prioritätensetzung, die wiederum davon abhänge, wer an einer Regierung beteiligt sei.
Verteidigung als Prio eins: Die Union will schon mal einen Pfosten einschlagen. Merz setze die Verteidigungsausgaben ganz oben an, hieß es aus der Fraktion, der übrige Haushaltsplan müsse sich unterordnen. „Wir sprechen zunächst einmal über das Zwei-Prozent-Ziel, und das ist die Untergrenze“, hatte Merz am Sonntagabend gesagt. Die Lücke im Verteidigungsetat, die immer größer werde, liege jetzt bei 30, aber in fünf Jahren schon bei 40 Milliarden Euro.
Panzerfaust statt Bürgergeld? Auch ein neues Sondervermögen will man in der Union nicht ausschließen. Aber man benötige beim Einzelplan 14, dem Etat des Verteidigungsministeriums, nun mal einen jährlichen und damit kontinuierlichen Aufwuchs. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) würde hier wohl mitgehen. Schwieriger wird es bei der Frage, wo letztlich gekürzt werden soll: In der Union schlagen sie hier etwa das Bürgergeld vor oder die Migrationskosten. Bei der SPD setzen sie eher auf eine Reform der Schuldenbremse.
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Tiefgang
Es gibt sie noch, die Debatte über das Heizungsgesetz. Sie zieht die Grünen runter, in Umfragen, bei Wahlergebnissen, begegnet ihnen auf Marktplätzen. „Als geflügeltes Wort werde ich nach wie vor auf das Heizungsgesetz angesprochen“, erzählt Schleswig-Holsteins Energieminister Tobias Goldschmidt, Habecks Nachfolger in diesem Amt, SZ Dossier. Vor gut einer Woche hat CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann versprochen, das Gesetz zu stoppen, sollte die Union die nächste Wahl gewinnen. Für die Union ist das Heizungsgesetz eine Metapher für angeblich überfordernde Klimapolitik.
Im Wahlkampf kommt es wenig darauf an, dass das Gesetz inzwischen wachsweich ist. Und auch nicht darauf, dass unionsgeführte Länder Gesetze beschließen, die schärfer sind. Wie Schleswig-Holstein, wo die Grünen Juniorpartner von CDU-Ministerpräsident Daniel Günther sind. „Wir haben beim Wärmeplanungsgesetz im Vergleich zu den Vorgaben des Bundes noch einmal nachgeschärft, die Kommunen müssen für das Jahr 2040, nicht 2045, ihre Pläne zur Klimaneutralität vorlegen. Ab 2035 dürfen zum Beispiel keine Taxis und Mietwagen mehr genehmigt werden, wenn sie nicht CO2-frei unterwegs sind“, sagt Goldschmidt.
Für die Grünen wird der Wahlkampf 2025 besonders herausfordernd. Sie haben sich in drei Jahren Regierungszeit verloren, es wirkt, als wüssten sie nicht mehr, wer sie sein wollen. Das Heizungsgesetz hängt ihnen nach, Habeck hat noch immer keinen Umgang damit gefunden, der die Grünen damit abschließen ließe. Er hat Fehler eingeräumt, entschuldigt hat er sich nicht. Er hat es dem Vernehmen nach auch nicht vor.
„Beim Heizungsgesetz wurde der Moment verpasst, die Bevölkerung mitzunehmen“, sagt Goldschmidt. Sie seien nach dem russischen Angriff auf die Ukraine im Krisenmodus gewesen, als der Gesetzentwurf erarbeitet worden sei, doch als er in die Öffentlichkeit drang – in einem frühen Stadium, wie die Grünen betonen – sei die Gesellschaft nicht mehr im Krisenmodus gewesen. „Kommunikativ waren die Grünen zu dieser Zeit in einem Boxkampf mit der FDP gefangen. Da kam man nicht mehr raus“, kritisiert Goldschmidt.
Dabei wäre ein guter Umgang damit eine Voraussetzung für einen erfolgreichen Wahlkampf 2025. Wie will die Partei sonst erklären, dass sie für die nächsten vier Jahre Verantwortung übernehmen will? Die Grünen, sagt Goldschmidt, müssten dafür sorgen, dass in einem Wirtschaftswahlkampf „auch der Klimaschutz zu seinem Recht kommt“. Die Themen gehörten ohnehin „untrennbar“ zusammen. „Die Leute haben Klimaschutz nicht satt. Sie wollen mehr Umwelt- und Klimaschutz“, sagt er. Er klingt überzeugt.
Doch wo sind diese Leute? Elf bis 13 Prozent würden die Grünen derzeit wählen. Das Ziel der Partei ist es aber nach wie vor, um Platz 1 bei der Bundestagswahl 2025 zu kämpfen. „Wir Grüne können das Ausgreifen in die Mitte komplett vergessen, wenn wir als Elitenprojekt wahrgenommen werden“, sagte die scheidende Grünen-Chefin Ricarda Lang vergangene Woche der Zeit. Goldschmidt plädiert für mehr Ehrlichkeit, um die Zuschreibung loszuwerden. Klimaschutz bedeute Veränderung: „Es ist unehrlich, wenn man suggeriert, alles könne bleiben, wie es ist, ohne dass man etwas tut. Das stimmt nicht.“
Im vergangenen Jahr erlebte Schleswig-Holstein eine Jahrhundertflut an der Ostseeküste. „Wenn wir den Klimawandel nicht in den Griff kriegen, wird es diese Jahrhundertsturmfluten künftig alle paar Jahre geben. Schleswig-Holstein ist ein Land zwischen zwei Meeren, die Klimakrise ist hier schon heute sehr real. Wenn ich Hunderte von Millionen Euro in die Deiche investiere, fehlen die am Ende in den Kitas oder Schulen. Die Menschen wissen das“, sagte er. Gleichzeitig müssten Klimaschutzmaßnahmen sozial flankiert werden.
Er sieht durchaus Leerstellen in der Kommunikation der Grünen dazu bislang. „Wenn man zu häufig sagt, dass die eigene Politik nicht sozial sei, fangen die Menschen an, es zu glauben. Dabei sind wir Grüne die Partei, die den Menschen am stärksten in den Mittelpunkt stellt: Unsere politische Leitidee ist der Erhalt der Lebensgrundlagen“, sagte er.
Er warnt seine Partei auch vor neuen Zielsetzungen in der Klimapolitik. Ein Wahlkampf wie 2021, bei dem Veränderung das Hauptargument der Grünen für ihre Wahl war, würde 2025 nicht funktionieren. „Wir dürfen nicht anfangen, uns mit Forderungen zu überschlagen, zum Beispiel nach einem noch früheren Erreichen der Klimaneutralität im Land. Wir sind jetzt in der nächsten Phase“, sagte er. Es gebe dank Habeck eine „komplett neue Dynamik beim Ausbau der Erneuerbaren Energien“, sagte er. Nun müssten sie für die Industrie und die Wärmeplanung genutzt werden.
Einer Klimapolitik unter schwarzer Führung sieht er nach siebeneinhalb Jahren Regierungserfahrung im Land gelassen entgegen: „Ich glaube nicht, dass die Klimapolitik einer schwarz-grünen Koalition zwingend hinter die Klimapolitik der Ampel zurückfallen muss.“
Fast übersehen
Auswärtiges Amt warnt Iran: Die Hinrichtung des deutschen Staatsangehörigen Djamshid Sharmahd wird laut Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) „schwerwiegende Folgen“ haben. Welche genau wollte das Auswärtige Amt auf Anfrage nicht konkretisieren. Das Auswärtige Amt habe unermüdlich für die Freilassung Sharmahds gekämpft, mehrfach sei „ein hochrangiges Team des AA nach Teheran“ entsandt worden. Der Deutsch-Iraner Sharmahd, der in den USA lebte, war 2020 auf einer Geschäftsreise nach Dubai von dem Iran entführt worden, und wurde dort 2023 zu Tode verurteilt.
Der Ansatz der „stillen Diplomatie“ sei gescheitert, sagte CDU-Chef Friedrich Merz, der eine Patenschaft für Sharmahd übernommen hatte. Der iranische Botschafter müsse ausgewiesen werden, forderte er. „Die Herabstufung der diplomatischen Beziehungen auf die Geschäftsträgerebene ist angezeigt“, schrieb Merz auf X. Die deutsche Iran-Politik sei von einer Vorstellung einer „kooperativen Regierung in Teheran geprägt“. Diese Illusion müsse nun aufgegeben werden.
Startup-Mentalität bei der Bundeswehr: „Drohnen und KI spielen mittlerweile eine ganz andere Rolle und ich werde mich weiterhin sehr eng mit dem Thema beschäftigen“, sagte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) gestern bei seinem Besuch im Cyber Innovation Hub der Bundeswehr. Kein weiteres Ressort verfüge über eine solche Einheit. Pistorius betonte, dass der Hub („mehr Startup als Behörde“) in den sieben Jahren seit seiner Gründung bereits rund 80 Innovationsprojekte erfolgreich beendet habe und etwa 40 davon in den Streitkräften aktiv seien.
Zwei Beispiele: Ein aktuelles Projekt ist die KI-gesteuerte Interceptor-Drohne, die feindliche Drohnen zerstören soll. Mithilfe einer KI fliegt sie mit so hoher Geschwindigkeit in feindliche Fluggeräte, dass diese zerstört werden. Oder die Software Minesweeper: Ein Messgerät wird an einer Drohne befestigt und kann Minen erkennen, ohne dafür Soldatinnen oder Soldaten in gefährliches Gebiet schicken zu müssen. Mehr Details hat Selina Bettendorf im heutigen Dossier Digitalwende, das Sie hier testen können.
Das liebe Geld: Pistorius sagte, man werde auf Dauer nicht mit dem Budget für die Einheit hinkommen. „Sie wissen ja, dass der Haushalt für das Jahr 2025 schon seine Herausforderungen stellt“, sagte er. „Wir müssen daran arbeiten, dass wir eben auch hierfür mehr Geld zur Verfügung stellen in den nächsten Jahren, und zwar zeitgleich parallel zu dem, was in den traditionellen analogen Bereichen geschehen muss.“
Orbán überraschend in Georgien: Zwei Tage nach der Wahl in Georgien, die von Vorwürfen der Wahlmanipulation überschattet war, ist der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán nach Georgien gereist. Orbán hatte der pro-russischen Partei Georgischer Traum noch am Samstag zum Wahlsieg gratuliert. Die pro-europäische Präsidentin Salome Surabischwili hatte für Montagabend zu einer Kundgebung in der Hauptstadt Tiflis aufgerufen. „Ihr habt die Wahlen nicht verloren. Eure Stimme wurde gestohlen, und sie haben versucht, auch eure Zukunft zu stehlen“, sagte sie laut der Nachrichtenagentur Reuters.
Die Bundesregierung will die Wahl noch nicht bewerten. Sebastian Fischer, Sprecher des Auswärtigen Amtes, sagte gestern, es habe „signifikante Unregelmäßigkeiten im Hinblick auf Wählerbeeinflussung und Einschüchterung sowie Probleme bei der Einhaltung des Wahlgeheimnisses gegeben“. Bis zu einer abschließenden Bewertung müsse der endgültige Bericht der rund 350 Wahlbeobachter abgewartet werden.
Erste Drei-Sterne-Generalin der Bundeswehr: Nicole Schilling soll die erste Drei-Sterne-Generalin der Bundeswehr werden, berichtet mein Kollege Georg Ismar. Vor 31 Jahren hat die 50-Jährige bei der Bundeswehr begonnen, unter anderem war sie Chefärztin am Bundeswehrkrankenhaus Westerstede. Als erste Soldatin leitet sie seit dem 1. Oktober eine Abteilung im Bundesverteidigungsministerium, die für Einsatzbereitschaft und Unterstützung der Streitkräfte. „Sicher, der Umstand, dass ich die erste Frau in dieser Position bin, hat Aufmerksamkeit erzeugt“, sagte Schilling, natürlich brauche man „mehr Frauen in der Bundeswehr“, es sei keine gute Idee, 50 Prozent der Bevölkerung außen vor zu lassen.
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Unter eins
Der Vorsitzende des Arbeitnehmerflügels der CDU, Dennis Radtke, im Gespräch mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland über Reformen, auf die sich nicht einmal die Ampel-Koalition einigen kann
Zu guter Letzt
Wer ein anschauliches Beispiel für Desinformation benötigt und dafür, wie man anschließend Debunking betreibt, kann Francis Fukuyama fragen. Der 72-jährige Politikwissenschaftler wurde von einem gefälschten X-Account seiner Fakultät in Stanford für tot erklärt, führende Kolleginnen und Kollegen wie Constanze Stelzenmüller teilten den Post.
Fukuyama selbst war es, der nach einer Stunde den Tweet Stelzenmüllers teilte und kommentierte: „Last time I checked, I’m still alive.“ Und das, obwohl auch schon kurzzeitig sein englischsprachiger Eintrag bei Wikipedia angepasst wurde (Quellenangabe: „Stanford“). Nun sollte es auch bei Wikipedianern und X-Usern angekommen sein, dass man die Quelle einer solchen Nachricht besser zweimal prüft, ehe man sie teilt.
Dann hätte man nämlich recht schnell gemerkt, dass besagter X-Account mit Stanford bis auf den Namen nichts gemein hat, sondern nur ein billiger und recht junger Abklatsch der offiziellen Seite ist, die ein Vielfaches an Posts und Followern hat und 14 Jahre alt ist. Ein weiterer Politikwissenschaftler kommentierte in Anlehnung an Fukuyamas bekanntestes Werk: „Not the end of his story.“
Danke! Dem Team in Berlin und den Kolleginnen in Australien.