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Richtungsstreit um Rüstungsexportkontrollgesetz

Mittwoch, 30. Oktober 2024
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Von Valerie Höhne

mit Gabriel Rinaldi und Tim Frehler

Guten Morgen. Politik oszilliert zwischen dem Bedeutsamen und dem Banalen. Dazwischen, den Wirtschaftsstandort Deutschland in seiner jetzigen Form zu erhalten, und Gipfel abzuhalten, deren Wirkung aller Voraussicht nach begrenzt bleiben dürfte. Zu genervt sind die mächtigen regierenden Akteure voneinander, konstruktiv arbeiten sie derzeit nicht mehr miteinander.

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Das ist bei den Parteien nicht immer viel besser. Dabei legen sie fest, wer das Land regieren könnte. Bedeutsam. Nun zum Banalen: Der Neuanfang der Grünen aber droht zu scheitern, noch ehe er richtig begonnen hat. Zum wiederholten Male erfuhren große Teile der Partei von Personalentscheidungen durch die Presse. Dieses Mal, dass die bisherige stellvertretende Vorsitzende Pegah Edalatian Politische Geschäftsführerin (also Generalsekretärin, die Grünen scheuen trotz aller Anpassung das Wort weiterhin) werden soll. Das kam nicht überall gut an.


Zu beidem gleich mehr. Herzlich willkommen am Platz der Republik.

Was wichtig wird

1.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich gestern im Kanzleramt drei Stunden lang mit „Vertreterinnen und Vertretern von Gewerkschaften, Industrieverbänden und Unternehmen betroffener Branchen“ zu einem Austausch über die Industriepolitik in Deutschland getroffen. Es gab Kaffee, Kuchen, Kanapees. Es wurde Vertraulichkeit vereinbart, der Austausch soll am 15. November fortgesetzt werden, nach Informationen von SZ Dossier soll zwischendurch die Arbeitsebene miteinander sprechen.


Das Ziel ist ein Industriepakt, wie ihn Scholz schon vor zwei Wochen in seiner Regierungserklärung genannt hatte. „Jetzt geht es darum, gemeinsam anzupacken und mit einem Pakt für die Industrie, der sehr konkrete Maßnahmen umfasst, den Standort zu stärken“, sagte Scholz. Konkreter hatte es Scholz allerdings nicht parat.


Wir wollen nur reden: Die FDP-Fraktion lud um 11 Uhr zum Gipfel in den Clubraum des Reichstags. Angesetzt waren 90 Minuten und sieben Tagesordnungspunkte, darunter: Energie- und Klimapolitik, Steuern und Sozialabgaben, Arbeitsmarkt, Bürokratie und Regulierung sowie private und öffentliche Finanzierung. Beim anschließenden Pressestatement gab es allerdings nicht mehr zu verkünden als ein paar Klassiker aus dem Repertoire der FDP. Es brauche „Richtungsentscheidungen“, sagte Fraktionschef Christian Dürr. Man müsse „innerhalb der Koalition“ zu Entscheidungen kommen. Deutschland solle wieder in der Champions League spielen.


Lindner wirkte trotzdem zufrieden. „Die wirtschaftspolitische Diskussion ist da, wo sie hingehört, ganz oben auf der Tagesordnung“, sagte er. Auf den Austausch mit Olaf Scholz (SPD) und Robert Habeck (Grüne) angesprochen, sagte er, jeder werde mit seinen Eindrücken am Tisch sitzen. Die Wirtschaftsspitzen, die sich am zweiten Mikro abwechseln durften, blieben ebenfalls vage: Die Themen lägen auf dem Tisch, man erwarte Lösungen, der Rucksack sei zu schwer für die deutsche Wirtschaft. Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger kritisierte: „Wir müssen jetzt nach dem politischen Schaulaufen ins Handeln kommen.“

2.

Gab es ihn je? Falls ja, droht der Zauber der Neuaufstellung knappe drei Wochen vor dem Parteitag schon zu verfliegen. Die designierten Vorsitzenden Felix Banaszak und Franziska Brantner haben ein Personaltableau vorgelegt, das bei vielen Grünen vor allem eins auslöst: Unmut.


Die Aufstellung: Statt dem linken Sven Giegold, der zum 15. November auf eigenen Wunsch als Staatssekretär im Wirtschaftsministerium ausscheidet, soll nun die linke Pegah Edalatian Politische Geschäftsführerin werden. Giegold soll stellvertretender Parteivorsitzender werden, eine Rolle mit weniger formeller Gestaltungsmacht. Heiko Knopf, Realo aus dem Osten (wichtig wegen Proporz!) soll Parteivize bleiben. Manuela Rottmann, Reala und Frau (die Quote!), soll Schatzmeisterin werden. Andreas Audretsch, Teil des linken Flügels, soll neben Edalatian Wahlkampfmanager werden.


Warum der Ärger? Giegold war einst Mitbegründer von Attac, er war Europa-Spitzenkandidat, mit ihm und der Co-Kandidatin Ska Keller holte die Partei bei der Europawahl mehr als 20 Prozent. Er gilt als kluger Stratege, manchmal unberechenbar. Hätte er kandidiert, hätte man ihm den Posten des Politischen Geschäftsführers kaum nehmen können. Das Amt wäre durch die bloße Besetzung aufgewertet worden. Giegold aber freut sich über die Lösung: „Ich bin total froh über die gemeinsame Lösung. Gern kandidiere ich so für den Bundesvorstand“, sagte er SZ Dossier.


Antworten auf Zweifel: „Es gibt große Unklarheiten, wie man als Grüne damit umgeht, dass in der Bevölkerung die Zweifel an einer ökologischen Transformation und am unbedingten Schutz der Menschenrechte gewachsen sind. Ich möchte einen Beitrag dazu leisten, darauf eine politische Antwort zu finden“, sagte er. In der Zivilgesellschaft, wichtiger Teil der grünen Basis, wüssten viele nicht mehr, ob sie die Grünen unterstützen könnten. Dem wolle er entgegenwirken.


Trotzdem: Für manche im linken Flügel fühlt es sich wie ein Machtverlust an. Sie glauben, Edalatian könne eine weniger starke Figur auf dem Posten sein, als Giegold es gewesen wäre. Doch es gibt auch linke Grüne, die sich über ihre Kandidatur freuen. „Sie ist eine wichtige Figur im linken Flügel“, sagte der linke Abgeordnete Max Lucks SZ Dossier. „Ich mache ein Angebot und würde mich freuen, das Vertrauen der Partei dafür zu erhalten“, sagte Edalatian SZ Dossier.


Für weiteres Stirnrunzeln sorgt die Personalie Manuela Rottmann. Sie gilt als harte Reala, politisch versiert. Dass ausgerechnet sie Schatzmeisterin werden soll, löst Irritationen aus, in der Vergangenheit war die Position eher mit neutralen Figuren besetzt worden. Unterstützer halten ihr zugute, dass sie fachlich als ehemalige Stadtdezernentin von Frankfurt kompetent sei. Doch viele fürchten Auseinandersetzungen im neuen Bundesvorstand – insbesondere weil Giegold und Rottmann starke eigene Akzente setzen könnten. Ein Fraktionsmitglied beschreibt die Stimmung als „Schockstarre“.

3.

In Brandenburg hat Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) zwar einen Kompromiss mit dem BSW in Sachen Krieg und Frieden erzielt. Der Preis dafür ist allerdings, dass sich Woidke damit sowohl von seinem Kanzler als auch von der neuen Russland-Politik distanziert, an der Parteichef Lars Klingbeil arbeitet. In der SPD löst das Brandenburger Sondierungspapier daher nicht gerade Jubelschreie aus.


Ein Bruch, gleich mehrfach: Außenpolitiker Michael Roth sagte meinem Kollegen Georg Ismar, das Papier stelle in mehrfacher Hinsicht einen Bruch mit der Politik des Kanzlers und der SPD dar. „Es greift die Wagenknecht-Lüge auf, wonach unsere Ukraine-Politik ausschließlich aus Waffenlieferungen bestehe, und ignoriert damit die klare Linie des Kanzlers sowie den einstimmigen Parteitagsbeschluss der SPD: Waffenlieferungen und Diplomatie sind zwei Seiten derselben Medaille.“


Rote Linien in Erfurt: Thüringens SPD-Landeschef Georg Maier sagte im Gespräch mit SZ Dossier: „Das Brandenburger Papier hätte ich so nicht akzeptiert.“ Zwei Sätze darin stören ihn. Einmal der, in dem es heißt, der Krieg in der Ukraine werde nicht durch weitere Waffenlieferungen beendet. Das, sagt Maier, „hört sich logisch an, ist es aber nicht“. Schließlich würde es in letzter Konsequenz „auf einen Diktatfrieden hinauslaufen“, sagte Maier.


Wie wohl die Stimmung war? In dem zweiten Satz, der ihn stört, geht es um die Stationierung von US-Raketen in Deutschland. Die sehen die Brandenburger Verhandler „kritisch“. Maier hält die Stationierung hingegen für erforderlich, um ein „level playing field“ mit Russland herzustellen, wie er sagt, also um die Abschreckung zu gewährleisten. Die Aussagen des SPD-Landeschefs lassen damit auch Rückschlüsse auf die Verhandlungen zu: Klar war bislang, dass die CDU wohl nie so weit gegangen wäre und eine Formel wie in Brandenburg akzeptiert hätte – die Thüringer SPD aber offensichtlich auch nicht.

4.

Ab Donnerstag will die EU-Kommission Zusatzzölle auf Elektroautos aus China erheben, berichten meine Kollegen Finn Mayer-Kuckuk und Michael Radunski vom neuen Dossier Geoökonomie (hier kostenlos ab Mitte November testen). Gestern hat die Kommission eine entsprechende Verordnung verabschiedet.


Zwei Motive hat die Kommission in Brüssel: Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will die EU zu einem geopolitischen Player machen. Sie will zeigen, dass sie in Handelsauseinandersetzungen eine harte Linie fahren kann. Zudem geht es ihr um den Schutz der europäischen Autoindustrie. Chinas Elektroautos sind unglaublich günstig, der BYD Dolphin, Konkurrent des ID.3 von VW kostet umgerechnet weniger als 17.000 Euro. Den ID.3 gibt es ab rund 30.000 Euro. Peking wirft der EU Protektionismus vor, aber China hat auf die Handelsmaßnahmen der USA bislang eher besonnen reagiert. Eine Eskalationsspirale wird China vermeiden wollen, reagieren wird es aber müssen.


Die deutsche Autoindustrie lehnt die Zölle ab. In der Vergangenheit hat China mit höheren Zöllen bei der Einfuhr von Verbrennern mit großem Hubraum aus der EU gedroht, davon wären besonders deutsche Autobauer betroffen. Die Bundesregierung hat aber gegen die Zölle gestimmt, möglicherweise könnte China sie auch aussparen und andere Länder höher belasten. So könnte China zur Spaltung der EU beitragen, aus Sicht Pekings ein strategischer Vorteil.

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Tiefgang

Vor der Bundestagswahl hatten SPD und Grüne weniger Rüstungsexporte versprochen. Mit dem Koalitionsvertrag folgte dann das Ampel-Vorhaben eines Rüstungsexportkontrollgesetzes, woran sie in Robert Habecks Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) seitdem arbeiten. Doch seit der Präsentation der Eckpunkte vor zwei Jahren hat sich kaum etwas bewegt.


„Das BMWK bereitet derzeit den Referentenentwurf für das Rüstungsexportkontrollgesetz vor“, heißt es auf Anfrage von SZ Dossier. Ziel sei nach wie vor, das Gesetzgebungsverfahren „in der laufenden Legislatur“ abzuschließen. In den Ampelfraktionen sind sie da etwas skeptischer. „Angesichts der Zentrifugalkräfte in der Koalition rechne ich nicht zeitnah mit einem Gesetzentwurf“, sagte SPD-Verteidigungspolitiker Kristian Klinck SZ Dossier. Grünen-Verteidigungspolitikerin Sara Nanni bezweifelt, dass der Entwurf die Ressortabstimmung übersteht. „Es könnte sein, dass die Novelle tatsächlich nicht mehr kommt“, sagte Nanni SZ Dossier.


Der Zankapfel: ein Richtungsstreit in der Frage, ob Deutschland mehr Exporte ermöglichen will oder eher klarere gesetzliche Grundlagen für Exporte herstellt, die dann auch dazu führen können, dass es weniger Exporte gibt. Die Grünen wollen mit dem Gesetz erreichen, dass bereits geltende Grundsätze in Gesetzesform gegossen werden. Aber: „Das kann den Handlungsspielraum der Bundesregierung in Zukunft auch einschränken, weswegen es insbesondere im Kanzleramt nicht so gewollt ist“, sagte Nanni.


Deutschland exportiert Rüstungsgüter schon jetzt nach bestimmten Kriterien, die Bundesregierung entscheidet aber immer im Einzelfall. Bei weniger sensiblen Fällen im BMWK, bei besonders bedeutenden Vorhaben im Bundessicherheitsrat. „Dies erfolgt nach den Vorgaben des Gemeinsamen Standpunkts der EU mit seinen acht verbindlichen Kriterien sowie den bestehenden Politischen Grundsätzen der Bundesregierung“, heißt es aus dem BMWK. Auf diesen Grundlagen entscheide die Regierung über die Erteilung von Genehmigungen „im Einzelfall“ und „im Lichte der jeweiligen Situation“.


Heißt konkret: Der geheim tagende Bundessicherheitsrat trifft die wichtigen Entscheidungen. Die Novelle soll unter anderem einen Kriterienkatalog für diese Entscheidungen gesetzlich verankern. Kritikerinnen und Kritiker der bisherigen Praxis erhoffen sich durch diese und weitere Maßnahmen mehr Transparenz – und weniger Bürokratie bei demokratischen Partnerstaaten.


„Bei aller Prinzipienfestigkeit in menschenrechtlichen Fragen erscheint mir die bisherige Genehmigungspraxis in Teilen zu restriktiv, insbesondere beim Erhalt bereits gelieferter Systeme“, sagte Klinck. Dadurch habe Deutschland international an Vertrauen eingebüßt. Mehr Planungssicherheit würde er begrüßen. „Doch ob das Gesetz diesem Ziel dienlich ist, wird natürlich auch von den konkreten Formulierungen abhängen“, sagte er. „Exporte in EU und Nato, in der Nato gleichgestellte sowie in ausgewählte weitere Drittstaaten sind nicht nur im deutschen Sicherheitsinteresse, sondern auch eine industrielle Notwendigkeit“, sagte Klinck.


Nanni will genauer hinschauen. „Eine Neujustierung der Parameter heißt eben nicht, dass dann alles geht, sondern dass man mehr darauf schaut, wie der belieferte Staat diese Gewaltmittel auch einsetzen würde“, sagte sie. „Gerade bei den Fällen, bei denen die Bundesregierung in der Vergangenheit nicht geliefert hat, hat man das zu wenig berücksichtigt, sondern eher eine Non-grata-Liste mit Staaten im Kopf gehabt.“


Auf der anderen Seite seien die Kriterien, mit der Nato gleichgestellt zu werden oder ein Nato-Partner zu sein, auch nicht immer ein eindeutiger Hinweis dafür, dass völkerrechtskonform mit den Gewaltmitteln umgegangen werde. Geplant ist hier laut der Eckpunkte eine Ausweitung sogenannter Post-Shipment-Kontrollen. Das sind Nachkontrollen, die nicht nur in Drittstaaten, sondern auch in EU-, Nato- und Nato-gleichgestellten Ländern möglich sein sollen, falls erforderlich.


Was die Industrie darüber denkt? „Wir haben dieses Vorhaben nie für wichtig gehalten, da es ja (…) hinreichend klare Grundlagen für die Entscheidungen des Bundessicherheitsrates gibt“, sagte Hans Christoph Atzpodien, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV), SZ Dossier. „Dies zu entscheiden, ist innerhalb der bestehenden Gewaltenteilung eine ausschließlich exekutive Aufgabe der Bundesregierung“, sagte er.


Davon, etwa den Bundestag bei der Entscheidung stärker einzubinden, hält auch Klinck wenig. „Die Genehmigung von Rüstungsexporten sollte eine Exekutivaufgabe bleiben, die Aufgabe des Bundestages liegt aus meiner Sicht darin, den regulativen Rahmen vorzugeben.“ Zudem sollten Regulierungen kontinuierlich im Hinblick auf die Zielerreichung evaluiert werden.


Wie Atzpodien betonte, seien bei einer Ausweitung der Transparenz gegenüber dem Bundestag und der Öffentlichkeit die Grenzen zu beachten, die ein Karlsruher Urteil aus dem Jahr 2014 gesetzt habe. „Die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Unternehmen gilt es hierbei besonders zu schützen“, sagte er. Es sei aber gut, wenn die Bundesregierung ihre sicherheitspolitischen Erwägungen bei bestimmten Exportentscheidungen besser erklären würde. Gabriel Rinaldi

Fast übersehen

5.

Krach im BSW: Nur einen Tag nachdem die Verhandler in Erfurt ihre Ergebnisse präsentiert haben, steigt der Druck auf die beiden Thüringer Landeschefs des BSW, Katja Wolf und Steffen Schütz. Und es sind die Leute aus den eigenen Reihen, die den Druck erhöhen. In einem Gastbeitrag für t-online greifen Jessica Tatti und Ralph Suikat die Thüringer Landeschefs aufs Schärfste an. Tatti ist parlamentarische Geschäftsführerin des BSW im Bundestag, Suikat Schatzmeister der Partei. Die beiden schreiben, Wolf und Schütz seien auf dem besten Weg, „das BSW zu einer Partei zu machen, von der es nicht noch eine braucht“.


Für wen ist Platz im BSW? Kurz zusammengefasst verteidigen Tatti und Suikat Parteichefin Wagenknecht und werfen Wolf und Schütz vor, die Glaubwürdigkeit der Partei verraten zu haben. Beim Lesen des Thüringer Sondierungspapiers frage man sich: „Wo sind unsere zentralen Forderungen geblieben?“ Die Wähler des BSW hätten mehr verdient als „zwei Seiten voller blumiger Worthülsen“, schreiben Tatti und Suikat. Den großen Knall haben sich Tatti und Suikat aber bis zum Ende ihres Beitrags aufgehoben, dort legen sie Katja Wolf praktisch den Austritt aus der Partei nahe. Wenn die Glaubwürdigkeit auf dem Spiel stehe, sei es besser, aus der Opposition heraus gegen die „falsche Politik einzustehen, die andere Parteien machen“, schreiben sie. „Wer das nicht kapiert, wird vielleicht schnell Ministerin, ist aber in unserer Partei falsch.“


Wie lange hält Wolf durch? Knapp drei Stunden, nachdem der Gastbeitrag online gegangen war, verschickte der BSW-Landesverband Sachsen eine Mitteilung. Die Thüringer Präambel bleibe in der Frage von Krieg und Frieden deutlich hinter den Erwartungen der Menschen zurück, heißt es da. Das BSW sei nicht für ein „politisches Weiterso“ angetreten. Das BSW in Sachsen werde sich daher „für eine klare Formulierung in der Friedensfrage einsetzen“. Die Sachsen zeigen damit, sie haben verstanden, was die Stunde im BSW geschlagen hat. Wagenknecht lässt die Muskeln spielen. Die Frage ist, wie lange Katja Wolf dem Druck standhalten kann.

6.

Diplomatische Spannungen: Das Auswärtige Amt hat nach der Hinrichtung des Deutsch-Iraners Jamshid Sharmahd Irans Geschäftsträger einbestellt. „Wir haben unseren scharfen Protest gegen das Vorgehen des iranischen Regimes übermittelt und behalten uns weitere Maßnahmen vor“, teilte das Ministerium mit. Der Bundeskanzler bezeichnete die Hinrichtung als einen „Skandal“. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hatte bereits vorgestern „schwerwiegende Folgen“ angekündigt.


Iranischer Whataboutism: Zudem habe der deutsche Botschafter Markus Potzel in Iran beim dortigen Außenminister „gegen die Ermordung Jamshid Sharmahds protestiert“, Iran hat ihn als Reaktion auf die Einbestellung des iranischen Geschäftsträgers ebenfalls einbestellt. Baerbock hat Potzel zu Konsultationen nach Berlin zurückgerufen. Der iranische Außenminister behauptete auf X, deutsche Staatsbürger hätten dem Regime von Saddam Hussein im Irak chemische Waffen zur Verfügung gestellt, auch sei Deutschland „Komplize von Israels Genozid“.


Weitere Konsequenzen gefordert: „Die Einbestellung des iranischen Geschäftsträgers ist diplomatisch das absolute Minimalprogramm“, sagte CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen SZ Dossier. Sie dürfe nur der Auftakt der Bundesregierung zu „wirklich schwerwiegenden Konsequenzen für das Mullah-Regime“ sein. „Wenn Deutschland und Europa es in dieser Situation nicht schaffen, die EU-Terrorlistung der Revolutionsgarden durchzusetzen, dann weiß ich nicht, wann diese als Mittel überhaupt greifen soll“, sagte Röttgen. Auch die verbleibenden Wirtschaftsbeziehungen müssten „jetzt endlich eingestellt werden“.

7.

Cem Özdemir erwähnt den Klimawandel nicht einmal mehr: Er habe seine Karriere nicht geplant, erzählt Özdemir gern. Vielleicht, weil er so oft unterschätzt wurde. „Mir wurde schon oft gesagt: Das wirst Du nicht schaffen! Du wirst nie Deutsch lernen! Du wirst keinen Schulabschluss schaffen!“, sagte er meinen Kollegen Max Ferstl und Roland Muschel im Gespräch mit der SZ. In seinem Bewerbungsschreiben als Ministerpräsident kam das Wort Klimawandel nicht vor. Stattdessen schrieb er von Wohlstand, sozialer Sicherheit, Fachkräften, Bildung. „Das wird Sie vielleicht wundern, aber das, was ich geschrieben habe, ist in Baden-Württemberg grasgrün“, sagte er im Interview.

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Unter eins

Ich habe eine persönliche Meinung dazu. Die würde ich auch in den Gremien dann auch in den nächsten Tagen auch so artikulieren.

FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai zur Zukunft der Ampel im Ronzheimer-Podcast

Zu guter Letzt

Der grüne Abgeordnete Maik Außendorf ist recht unverhofft in einen Kruzifix-Skandal gerutscht. Er hatte sich bei der Bundestagspräsidentin beschwert, dass der Wirtschaftsausschuss im Fraktionssaal von CDU/CSU tagen musste, in dem ein Kruzifix an der Wand hängt. Zuerst hatte The Pioneer darüber berichtet. Auf X entschuldigte er sich, sollte seine „Anfrage als Angriff“ verstanden worden sein.


Wurde sie. „Skandalös“ fand es der CDU-Abgeordnete Thomas Rachel, sein Fraktionskollege Steffen Bilger empfahl einen Blick ins Grundgesetz. Es gab allerdings, kein Scherz, genau den gleichen Fall in Brandenburg. Dort beschäftigte sich der Parlamentarische Beratungsdienst damit.


„Unter Berufung auf die staatliche Neutralität in religiösen und weltanschaulichen Dingen dürfte es zulässig sein, Ausstattungselemente mit religiöser Aussage in Sitzungsräumen gänzlich zu untersagen, um so jeglichem Konflikt von Anfang an vorzubeugen“, hieß es darin. Das weise aber eine eindeutige Regelung in der Geschäftsordnung voraus. Bei Konflikten sei ein „Mittelweg zu suchen“. Nach Informationen von SZ Dossier hat die Bundestagspräsidentin dem Abgeordneten Außendorf noch nicht geantwortet.


Danke! Dem Team in Berlin für ihre Beiträge und das Redigat, dem Team in Australien für Schlusskorrektur und Produktion.

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Florian Eder

Leiter SZ Dossier