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Von der Freiheit, undankbar zu sein

Freitag, 8. November 2024
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Von Florian Eder

mit Gabriel Rinaldi, Tim Frehler und Valerie Höhne

Guten Morgen. Es wurde Abend und es wurde Morgen: zweiter Tag. Etwas Neues ist aus den Scherben der Ampel noch nicht entstanden, aber die ersten Umrisse sind erkennbar: So einfach wie vom Bundeskanzler gewünscht machen es ihm die anderen Parteien nicht.

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Christian Lindner koffert zurück, wirft Olaf Scholz eine „Entlassungsinszenierung“ vor. Die Grünen wollen nicht bloß zuschauen und die Union denkt gar nicht daran, sich noch ganze zwei Monate lang als Projektpartner einspannen zu lassen.


Sortieren wir die Lage am Platz der Republik.

Was wichtig wird

1.

Die Union macht sich daran, dem Bundeskanzler seinen Plan für den Abschied von der Macht zu zerschießen. Das weiß Olaf Scholz seit gestern auch. Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz hat es ihm im Zwiegespräch gesagt, wie aus Unionskreisen verlautete: Mit der Union könne Scholz „jederzeit“ über anstehende Abstimmungen im Bundestag sprechen – „aber erst, wenn die Vertrauensfrage vom Bundeskanzler in den kommenden Tagen gestellt wurde“. Der Erste PGF Thorsten Frei sagte, seine Unionsfraktion sei „nicht der Einwechselspieler“ für die FDP. „Das ist gar nicht nötig, denn man könnte bereits in der kommenden Woche die Vertrauensfrage stellen.“


Kassensturz: Olaf Scholz hat keinen Haushalt für 2025, keine Mehrheit im Bundestag, um das zu ändern, keine Chance, überhaupt noch etwas durchs Parlament zu bringen, wenn die Union das ernst meint. Die zwei Monate, die er noch als Kanzler verbringen möchte, ohne die Vertrauensfrage zu stellen, wären Monate des Stillstands. Das Gespräch mit Merz endete ohne Ergebnis, denn Scholz wolle an seinen Plänen zum Verbleib im Amt nichts ändern, so hat Merz ihn verstanden. Rechtlich gibt es keine Handhabe, den Kanzler dazu zu bringen, die Vertrauensfrage zu stellen.


Was hätte die Union davon: „Wir blockieren nichts, aber wer erwartet von uns, dass wir Dinge unterstützen, die wir für falsch halten?“, sagte Frei. Der Kanzler habe halt „keine Mehrheit“. Scholz dabei zu helfen, die Schuldenbremse zu lösen, komme auch nicht in Frage, sagte der CDU-Abgeordnete Jens Spahn bei einem Kongress des Maschinenbauverbands VDMA. In einem „Bundeshaushalt unserer Größenordnung“ und mit den „höchsten Steuereinnahmen in der Geschichte“ müsse es möglich sein, durch Priorisieren das Nötige zu finanzieren, sagte Spahn.


Klingt wie eine Bewerbung auf Lindners Job? Der Eindruck, „dass wir schon die Kataloge wälzen, um die Büroeinrichtung auszusuchen, ist falsch“, sagte Spahn, nach seinen Ambitionen gefragt. Von einer „Nachricht an mich selbst“ berichtete er: „Erst an der Sache interessiert sein.“ So schwer es einem fallen mag. Der geschasste Minister selbst übrigens schrieb seinem Haus, es sei ihm „immer eine große Freude und Ehre“ gewesen und er wolle gerne wiederkommen. „Deshalb verabschiede ich mich auch mit einem politischen Ziel und persönlichem Gruß zugleich: auf Wiedersehen!“, schrieb Lindner.

2.

Das Ampel-Aus brachte Scholz beim Abendessen mit den EU-Regierungschefs in Budapest das ein oder andere aufmunternde Schulterklopfen ein. Besorgt waren andere Länder aber schon eine Weile mehr darüber, die Ampel könne noch lange so weitermachen: uneins und wenig handlungsfähig nämlich. „Die deutsche Wirtschaft stagniert seit einiger Zeit, ohne dass es politische Richtung und Führung gäbe. Das ist nicht nur schlecht für Deutschland, sondern auch für Europa“, sagte ein Diplomat eines engen EU-Partners, der sich ausbat, ungenannt zu bleiben. „Aus dieser Perspektive ist das Ende der Regierung also eine richtig gute Nachricht.“


Freude an der Tat: Eine „noch bessere Nachricht“, sagte der hochrangige Diplomat im Bewusstsein, dass solcher Rat an Freunde nicht dem Comment entspricht, wäre es, wenn Neuwahlen „so schnell wie möglich“ stattfänden. „Ein Mangel an Führung durch Berlin ist eine schlechte Nachricht, aber ein Machtvakuum in der deutschen Hauptstadt ist noch problematischer.“ Das sehen andere genauso – speziell jene, denen ein starkes Deutschland als Versicherung dagegen gilt, dass entweder Frankreich oder die EU-Kommission die Führung übernehmen, oder beide in lächelnder Entente der EU neue Aufgaben und Ausgaben überhelfen.


Sagen wir es so: In Brüssel würde es niemand wundern, wenn von Emmanuel Macron bald eine neue Initiative für Eurobonds käme, zur Verteidigung Europas und für seine „strategische Souveränität“. Es gibt aus deutscher Sicht, das sehen mit Ausnahme der Grünen alle Parteien der Mitte so, keinen inneren Grund, das über Brüssel zu organisieren, wo es mangels Zuständigkeit auch heute keine Kompetenz in Sachen Rüstungsbeschaffung gibt. Kein Grund auch für einen Bundesfinanzminister, für gepoolte Anleihen höhere Zinsen zu zahlen als für die eigenen.


Aber nein zu sagen zu einer solchen Idee aus Paris, gerade jetzt? Eine der spannenden Fragen, die Diplomaten und Spitzenbeamte in Europas Hauptstädten diskutieren: Wird der neue Finanzminister Jörg Kukies gegenhalten können und wollen?

3.

„Wenn man es wollte, könnte man zur Inauguration von Trump schon einen neu gewählten Bundestag haben“, sagte CDU-Mann Frei und bot dem Kanzler in seiner neu entdeckten Entschiedenheit in Sachen Ukraine damit, fies, eine Wahl zwischen vorgebrachter Überzeugung und Job an. Die Frage treibt die Politik auch in Moskau, Kyiv, Brüssel und Washington um, wie ernst der Kanzler es meint, wenn er Lindners Entlassung mit dem Argument begründete, jener habe die Ukraine im Stich lassen wollen.


Er hingegen: Wolle die Unterstützung erhöhen, als – nach der Wahl in den USA – „ganz wichtiges Signal: Auf uns ist Verlass!“ Der Winter wird entscheidend, da sind sich die meisten Militärstrategen einig. Eine Führung, die Russlands Aggression wirksam beendet und die Ukraine dauerhaft im Westen verankert: „Wenn die USA dazu nicht mehr bereit wären, kann Europa nicht auf Berlin verzichten“, sagte ein EU-Diplomat, mit deutlicher Skepsis: „Was in Deutschland als überlegtes Handeln angesehen wurde, wurde im Ausland als ungerechtfertigtes Zögern wahrgenommen.“ Insofern sei die Hoffnung, „dass die Worte des Bundeskanzlers nun tatsächlich wahr werden“.


Comeback des Friedenskanzlers? Die Opposition daheim glaubt nicht daran, dass das unter Scholz passieren könne. Warum? Der Kanzler sagte, er sei nicht bereit, Deutschlands Unterstützung für die Ukraine zu Lasten des „sozialen Zusammenhalts“ zu finanzieren – beides müsse gehen, im Zweifel mit einem Überschreitensbeschluss. „Olaf Scholz ist neben Wagenknecht derjenige, der diesen Gegensatz herstellt, so auch am Mittwochabend wieder“, sagte CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen SZ Dossier.


Modell Wagenknecht: „Das wird ein zentrales Narrativ der SPD im Wahlkampf sein“, sagte Röttgen. Scholz suggeriere damit, dass jede Ausgabe für äußere Sicherheit, die über das hinausgeht, was er für richtig halte, mit einer Einbuße an sozialer Sicherheit erkauft werden müsse. „Er diffamiert damit jede andere Position als seine eigene als unsozial. Jeder Euro, der über die Definition von äußerer Sicherheit durch Scholz hinausgeht, müsse den Menschen, den sozial Schwachen, den Rentnern und Arbeitnehmern weggenommen werden“, sagte Röttgen.


„Populistische Narrative“: „Wir müssen einen bestimmten Teil unserer Wirtschaftsleistung für Verteidigung und Sicherheit ausgeben, so wie wir das auch für andere Bereiche tun“, sagte Röttgen. „Wie man als Kanzler seine Argumentation darauf stützen kann, der äußeren Sicherheit des Landes die soziale und moralische Legitimation zu entziehen, finde ich unfassbar verantwortungslos.“

4.

Der Tag nach dem Ende der Ampelkoalition fühlte sich für die Grünen schwerer an, als es sein müsste. Robert Habeck, Vizekanzler einer jetzt rot-grünen Minderheitsregierung (plus Volker Wissing), stand in seinem Ministerium am Rednerpult und erlaubte sich nur zweimal ein Lächeln, berichtet Valerie Höhne. Dabei ist das Aus für die Grünen auch die Chance, noch eine Weile ohne den ungeliebten Dritten zu regieren.


Lindner war’s gewesen: Habeck ließ keinen Zweifel daran, wem er die Schuld am Aus gibt. „Vermeidbar“ sei der Bruch auch gewesen, weil sein Haus Vorschläge erarbeitet habe, die die Schuldenbremse eingehalten und die Milliardenlücke trotzdem geschlossen hätten. Auf Nachfrage sagte er, seine Vorschläge hätten die „Flexibilität des Haushalts“ erhöht, konkreter wollte er nicht werden. „Wir, die grünen Kabinettsmitglieder, werden in der Regierung bleiben“, sagte er. Es sei die Entscheidung des Kanzlers, wann er die Vertrauensfrage stelle. Habecks Grüne, so staatstragend.


Kanzlerkandidat und Politphilosoph: Er selbst packte den alten Habeck aus, der er mal war oder jedenfalls sein wollte und als Kandidat wieder werden möchte. „Ich stelle erstmal eine Frage“, sagte er, „die ich nicht gleich mit einer Antwort zuballern will.“ Mit derlei Nachdenklichkeit würde Habeck die Politik gern prägen. Fragen zu stellen, öffentlich Antworten zu suchen, das braucht Zeit. Habeck hat sie nicht, nicht im Amt, nicht im Wahlkampf.


Habeck-Kampagne: Er versucht, zu jedem Wahlkampf eine Erzählung zu entwickeln, weil er glaubt, Menschen damit besser zu erreichen. Doch die dominanten Figuren der Geschichte sind derzeit Scholz und Merz. Durch Lindners Rausschmiss hat Scholz sich mindestens Zeit erkauft und, mit etwas Glück, seinem Ruf als Kanzler, der nicht führt, etwas entgegengesetzt. Für Habeck ist in dem Duell kaum Platz: Vorgestern, während Scholz drinnen in Rage über Lindner sprach, stand Habeck für sein Statement zum Ampel-Ende draußen im Dunkeln vor dem Kanzleramt.

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Tiefgang

Für Volker Wissing muss sich seine Entscheidung folgerichtig anfühlen. Mit dem eigenen Parteichef ist er seit Längerem im Clinch, mit der Ampel ganz happy – und in einer Ahnung, dass es eh vorbei sein wird mit Amt und Würden, lassen sich Entscheidungen in aller Freiheit treffen: Der Verkehrsminister folgte lieber Scholz als Lindner. Zum Dank wurde der Jurist auch noch zum Justizminister ernannt.


Wissings Verhältnis zu Christian Lindner ist seit Jahren angespannt. „Ich habe ein Störgefühl, wenn Menschen mehr Raum beanspruchen, als ihnen zusteht. Die einen Raum betreten, als hätten alle nur auf sie gewartet“, sagte er einmal. Man darf davon ausgehen, dass er auf Parteimitglieder anspielte. Vor wenigen Tagen schrieb er in einem Gastbeitrag, warum er an der Ampel festhalten wolle. Am selben Tag wurde das Lindner-Papier, die „Scheidungsurkunde“ der Ampel, öffentlich. Einen Rückzug aus der Koalition nannte Wissing „respektlos“ vor dem Souverän.


In der FDP waren viele längst unzufrieden mit ihrem Verkehrsminister. Dem Ampel-Fan, der betonte, wie wichtig ihm die Verkehrswende sei. Der startete, um die Bahn ambitioniert umzubauen. Der das Neun-Euro-Ticket erfunden haben soll. Der sich mit Robert Habeck zeitweise sichtlich besser verstand als mit seinem Parteichef. Habeck lobte ihn nach dem Amtsverbleib ausdrücklich: „Mich beeindruckt, dass er das Amtsverständnis, seine innere Haltung jetzt vor die Partei stellt.“


Gestern sagte Wissing Reportern, die Ampel hätte „mehr Chancen gehabt, wenn man von Anfang an gemeinsamer und stärker an ihrem Erfolg gearbeitet hätte“. Er sei mit vielen Dingen nicht einverstanden gewesen, insbesondere nicht mit der Art und Weise, wie man „kontroverse Positionen öffentlich ausgetragen hat, anstatt Brücken zueinander zu bauen“. Lindner sagte über Wissing nur, er wünsche ihm „persönlich und menschlich jedenfalls alles Gute“. Über Weiteres sei er „nicht informiert“ gewesen.


Den Grundwerten der Partei, versicherte Wissing, fühle er sich weiter verbunden. Mit der Lindner-FDP will er aber, so scheint es, nichts mehr zu tun haben. Nach seinem Gastbeitrag hatten sich führende Rot-Grüne wohlwollend geäußert, unter anderem Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt (SPD). Wissings Fehlen in der FDP-Fraktionssitzung am Mittwochabend, aus „privaten Gründen“, war aufgefallen.


Wie Wissing gestern sagte, habe ihn der Kanzler nach dem Koalitionsausschuss in einem persönlichen Gespräch gefragt, ob er bereit sei, „das Amt des Bundesministers für Digitales und Verkehr unter den neuen Bedingungen fortzuführen“. Er habe darüber nachgedacht und dies gegenüber Scholz bejaht. Um keine Belastung für seine Partei zu sein, habe er „Herrn Christian Lindner“ seinen Austritt aus der FDP mitgeteilt.


Die Liberalen selbst wirkten am Tag nach dem Ampel-Aus beinahe ungläubig. Ein führender FDPler sagte, das mit den privaten Gründen habe „offensichtlich“ nicht gestimmt. Der Schritt erwischte viele kalt: Im schicksalshaften Koalitionsausschuss habe sich Wissing nicht geäußert, in Abstimmungen und Wortmeldungen „keine Differenzen“ gezeigt. Einen Austausch, so heißt es, habe es trotz mehrfacher Versuche der Kontaktaufnahme nicht gegeben. Enttäuschung, Empörung: Opportunismus, lautet der Vorwurf.


Wissings drei parlamentarische Staatssekretäre im BMDV, FDP-Parteibuch, traten geschlossen zurück. Sie hätten „kein Vertrauen mehr“ in ihn. „Die Entscheidung des Verkehrsministers passt zum bräsigen und visionslosen Kurs des Kanzlers, der die reformwilligen liberalen Minister entlassen hat“, sagte Maximilian Funke-Kaiser, digitalpolitischer Sprecher der FDP, Selina Bettendorf von unserem Dossier Digitalwende, die heute ebenfalls berichtet. „Volker Wissing steht mit seiner Entscheidung sehr einsam da“, sagte die Abgeordnete Anja Schulz.


Er hat halt nun neue Freunde. Auf dem Digitalgipfel der Bundesregierung vor wenigen Wochen in Frankfurt zog sich Wissing mit Scholz und Habeck zum Krisengespräch zurück, sagen Regierungsvertreter. Möglicherweise war da schon klar, was passieren könnte. Gestern war er in einem Webex-Call mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus dem Ministerium – von viel Zuspruch aus dem Haus berichteten Teilnehmende.


Was ihn zu diesem Schritt bewogen hat? „Die Entscheidung ist eine persönliche Entscheidung von mir, die meiner Vorstellung von Übernahme von Verantwortung entspricht. Ich möchte mir selbst treu bleiben“, sagte er. Eine weitere Botschaft an Lindner also. Wissing, ein gläubiger Protestant, war in seiner rheinland-pfälzischen Heimat fünf Jahre lang Teil der ersten Ampel auf Landesebene, die im Gegensatz zur Berliner Variante erfolgreich regierte und sogar wiedergewählt wurde.


Deswegen galt er auch als großer Verfechter dieser Konstellation. Darüber hinaus ist Wissing, der auch als Richter und Staatsanwalt tätig war, Miteigentümer einer erfolgreichen Kanzlei und wirtschaftlich unabhängig – seine Familie besitzt ein Weingut und mehrere Immobilien. Wenig Druck also, in der Politik bleiben zu müssen.


Am Ende war ihm die Ampel wichtiger als das Parteibuch: ein Hoch auf die Freiheit, ein Mittelfinger für Lindner, für vielleicht ein paar Monate im Amt. Gabriel Rinaldi, Valerie Höhne

Fast übersehen

5.

Drähte ins Trump-Lager: Die Parlamentariergruppe USA im Bundestag will auch weiterhin einen „offenen“ und „konstruktiven“ Austausch mit den politischen Lagern in den USA fördern. „Wir alle pflegen vielfältige politische Kontakte, darunter selbstverständlich auch Kontakte in das Trump-Lager“, sagte ihr Vorsitzender, der Grüne Sebastian Schäfer SZ Dossier. Die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten bezeichnete er als „Arbeitsauftrag“. Die Parlamentariergruppe ist die größte im Bundestag und zählt über 100 Mitglieder.


Reise nach Washington: Aus der ersten Amtszeit Trumps habe man in Parlament und Regierung einige zentrale Lehren gezogen. 2016 seien viele Akteure „auf beiden Seiten des Atlantiks“ von Trumps Wahl überrascht gewesen, es habe etwa an „gut etablierten Kommunikationskanälen“ gefehlt. „Wir haben jetzt belastbare und offene Kontakte zu allen politischen Lagern in den USA, manche Kollegen haben auch den Parteitag der Republikaner besucht“, sagte Schäfer. Im Frühjahr stehe eine Reise nach Washington an. „Gerade jetzt ist es besonders wichtig, offen miteinander zu sprechen.“

6.

Kickstart: Die Parteien im Bundestag wechseln in den Wahlkampfmodus. Auch AfD-Chefin Alice Weidel forderte Kanzler Scholz gestern auf, die Vertrauensfrage bereits nächste Woche zu stellen. Ihre Partei werde nun „den Zeitstrahl straffen und den Bundesparteitag nach vorne ziehen“. Das sei problemlos möglich, sagte Weidel. Ursprünglich sollte der Parteitag im März kommenden Jahres stattfinden.


Nach der Ampel links: Bei der Linken kommt am Wochenende zum ersten Mal der neue Parteivorstand zusammen, dort werde man eine Wahlkampfleitung bestimmen und den Wahlkampfstab einsetzen, das kündigte Parteichefin Ines Schwerdtner gestern an. „Zeitnah“ werde sich auch die Frage der Spitzenkandidatur und der Ausgang der „Aktion Silberlocke“ klären. Bei letzterem geht es darum, ob drei Altvordere – Gregor Gysi, Bodo Ramelow und Dietmar Bartsch – noch einmal mit voller Kraft in den Wahlkampf einsteigen und sich um ein Direktmandat bewerben. Auch die Linke wird ihren eigentlich erst für Mai geplanten Parteitag vorziehen.


Bayern first: Im BSW wird zwar an einem Programm gearbeitet, wann es fertig sein und wann der Parteitag stattfinden soll, konnte eine Sprecherin jedoch noch nicht sagen. Am 16. November wird mit Bayern erst einmal ein weiterer Landesverband gegründet.

7.

Ein bisschen mehr Frieden: Woran die Sondierungsgespräche in Sachsen gescheitert sind, zeigen Dokumente, über die die Leipziger Volkszeitung berichtet. Demnach hieß es in einer früheren Variante der Präambel, Sachsen sehe sich „durch“ Russlands Angriffskrieg wachsenden Bedrohungen ausgesetzt. In der Version, die das BSW am Mittwoch verschickt hatte – und mit der zwar die Wagenknecht-Partei, nicht aber CDU und SPD einverstanden gewesen wären – lautete die Stelle dann anders. Nun stand dort: Sachsen sehe sich „seit“ dem Angriffskrieg Russlands bedroht, eine deutliche Relativierung der Rolle, die Russlands Überfall für die sicherheitspolitische Lage spielt.


Wie hälst du’s mit den Bündnissen? Einen Absatz weiter hieß es in der früheren Version, Deutschland unterstütze die Ukraine „humanitär, wirtschaftlich und militärisch“. Im neuen Vorschlag tauchen die drei Worte dann nicht mehr auf. Ursprünglich schrieben die drei Parteien auch, sie stimmten darin überein, „dass für Frieden und Sicherheit die Verteidigungsfähigkeit unseres Landes und unsere Bündnisverpflichtungen von großer Bedeutung sind“. Das BSW wollte die „Bündnisverpflichtungen“ streichen – dann doch zu viel noch für die zahmsten Zentristen.

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Unter eins

Es ist das Ende der Koalition, nicht das Ende der Welt.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier lässt Luft aus des Kanzlers Zorn

Deutschland in Daten

Vorteil Scholz

Zu guter Letzt

Selten herrschte im Kommentariat so große Einigkeit in einem: Endlich ist es vorbei. In der Frage der Fragen auf den Meinungsseiten geht es aber schnell wieder auseinander. Who’s to blame? Noch ist offen, wessen Version sich in der öffentlichen Meinung durchsetzt.


„Es ist richtig und wichtig, dass Christian Lindner das ambitionsarme Trauerspiel beendet hat“, schreibt Ulf Poschardt in der Welt. „Man kann der FDP nun wahrlich nicht vorwerfen, es nicht wirklich mit den beiden ziemlich linken Parteien versucht zu haben. Aber die Geduld kam an ihr Ende.“


„Der FDP-Chef hat das Ende des so hoffnungsfroh gestarteten Projekts Ampel provoziert“, kommentiert hingegen Wolfgang Krach in der Süddeutschen Zeitung. „Seinem ultimativen Ruf nach einer ‚Wirtschaftswende‘ konnten SPD und Grüne nicht zustimmen. Das wusste Lindner. Seine Erpressung musste, wenn er nicht nachgab, darauf hinauslaufen, dass sich die Regierung auflöst.“


Führung sieht anders aus: Nicht einmal nach Trumps Sieg „ist es dem sozialdemokratischen Kanzler (…) gelungen, seine ausgefranste und mitgenommene Ampelkoalition zusammenzuhalten“, schreibt Tonia Mastrobuoni in der Repubblica. Die Regierung „stürzt ins Chaos“.


Die Lausitzer Rundschau riecht Schwäche und offeriert Rat: „Wie sehr Scholz sich gezwungen sieht, das Ende der Koalition zu rechtfertigen, zeigt sich in der wahnsinnig kleinteilig anmutenden Sammlung von Vorwürfen, die er gegen Lindner richtete“, heißt es da. „Klüger wäre es von Scholz gewesen, nicht den Blick zurück zu richten, sondern eine Vision für das zu entwerfen, was jetzt kommen soll und kann.“


Hat er das nicht getan? „Die Höhe des Haufens schmutziger Wäsche, die der Wutkanzler Scholz am Mittwochabend vor aller Augen wusch, hat manchen überrascht“, kommentiert Berthold Kohler in der FAZ. „Scholz will es in jedem Fall noch einmal wissen. Er krönte sich mit der Entlassung des Finanzministers selbst zum Kanzlerkandidaten seiner Partei, bevor jemand in den eigenen Reihen auf den Gedanken kommt, die lange vermisste Führung bei einem anderen zu bestellen.“


Danke! An das Team in Berlin und Australien.

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Florian Eder

Leiter SZ Dossier