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Nutzungsrechte erwerbenKanzlerduell im Plenarsaal
Donnerstag, 14. November 2024Von Gabriel Rinaldi
Guten Morgen. In der Regierungserklärung des Bundeskanzlers gingen diese Sätze fast unter. Olaf Scholz (SPD) sagte, die Ukraine werde weiterhin keine Taurus-Raketen für den Abwehrkampf gegen Russland bekommen. Es sei alles zu unternehmen, damit „wir nicht Kriegspartei werden“.
In der Ukraine werden sie genau zugehört haben. „Ich bin dagegen, dass mit von uns gelieferten Waffen weit in russisches Territorium hineingeschossen werden kann“, sagte Scholz. Er werde seine Haltung nicht ändern, was die Lieferung eines Marschflugkörpers aus Deutschland betrifft.
„Auch darüber werden wir sicherlich bei der Wahl diskutieren“, kündigte er an. Scholz will sich von denjenigen distanzieren, die für mehr Unterstützung werben, etwa Grüne oder FDP. Dazu passt, dass der Kanzler erneut davor warnte, die Gelder für Kyiv gegen Infrastrukturprojekte oder soziale Vorhaben zuhause „auszuspielen“.
Als wäre das ein echtes Entweder-Oder, nicht bloß der Sound seines Friedenskanzler-Wahlkampfs. Willkommen am Platz der Republik.
Was wichtig wird
Der Winterwahlkampf ist eröffnet. Die Regierungserklärung des Kanzlers und die darauffolgende Aussprache haben einen Vorgeschmack auf die kommenden Wochen geliefert. Die Protagonisten: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU). Einen Cameo-Auftritt im Bundestag hatte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder als CSU-Chef Markus Söder.
Scholz startete bedacht. Er wiederholte seine Sicht auf das Ampel-Aus, versuchte, die Union in die Pflicht zu nehmen. „Lassen Sie uns zum Wohl des Landes bis zur Neuwahl zusammenarbeiten“, sagte er, damit „die Fleißigen in diesem Land, die sich jeden Tag anstrengen, entlastet werden“. Scholz, wie Scholz ihn sieht: Einer, der Kompromisse schmieden kann. Die anderen müssen nur wollen.
Dann: Wahlkampf. Er kündigte an, sich um die „kleinen Leute“, die „hart arbeitende Mitte“ kümmern zu wollen. Die Ukraine will er weiter unterstützen, aber dafür nicht sparen. Eine Senkung des Rentenniveaus? „Nicht mit mir.“ Trotzdem gebe es den „Tag nach der Wahl“. Man sei besser dran, wenn „wir uns auch nach einer Auseinandersetzung noch in die Augen schauen können“.
Auftritt Merz. „Sie leben offensichtlich in Ihrem eigenen Kosmos, in Ihrer eigenen Welt“, sagte der Kanzlerkandidat der Union zu Scholz. „Sie haben nicht verstanden, was draußen im Lande im Augenblick geschieht.“ Die Vertrauensfrage hätte er sofort stellen müssen. „Sie sind derjenige, der für diese Kontroversen und für diese Spaltung in Deutschland verantwortlich ist“, sagte Merz.
Kein Auswechselspieler: Der CDU-Chef bedankte sich bei SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich und der Grünen-Fraktionsspitze. Das Parlament habe seine Verantwortung wahrgenommen. Subkontext: Der Kanzler nicht. „Sie haben hier keine Bedingungen zu stellen. Wir sind nicht der Auswechselspieler für Ihre auseinandergebrochene Regierung“, sagte er. Eigene Prioritäten nannte er auch: Eine „grundlegend andere Politik“ in den Bereichen Migration, Außen, Sicherheit, Wirtschaft.
Time to say goodbye: Von der Bundesratsbank kam Söder ans Pult, um eine für seine Verhältnisse blasse Rede zu halten. Das Highlight war schon dies: „Ich kenne keinen, der uncooler in Deutschland ist als Sie, lieber Herr Scholz“, sagte Söder. „Langweilig!“, rief irgendwann jemand rein – weil Söder das Insider-Outsider-Spiel übertrieb: Er gab den scharfen Beobachter aus München, der tout Berlin den Spiegel vorhält. Was ihm ein Bierzelt abnimmt, der Deutsche Bundestag, bis in die eigenen Reihen hinein, hingegen offenbar nicht sehr.
Was denken die wahlberechtigten Menschen in Deutschland über ihre Spitzen- und Kanzlerkandidaten? YouGov hat nachgefragt. Spoiler: Besonders hoch sind die Werte nicht.
Grüner Stimmungstest: Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) hat seine Kandidatur am Freitag bekannt gegeben. 24 Prozent aller befragten Wahlberechtigten finden, dass er eher oder sehr geeignet für das Amt des Bundeskanzlers sei. Gegenprobe: Sechs von zehn Deutschen halten ihn für sehr oder eher ungeeignet.
Kanzlertaugliche Charakterzüge? Eine Führungspersönlichkeit sehen nur sieben Prozent der Befragten in Habeck. Bei Friedrich Merz sind es 18 Prozent, beim amtierenden Kanzler Olaf Scholz aber nur fünf. Habeck punktet dafür in einer anderen Kategorie: 15 Prozent finden ihn glaubwürdig. Im Vergleich: Merz kommt auf zehn Prozent, Scholz und Lindner landen bei acht Prozent.
Scholzomat lässt grüßen: Auch bei zwei weiteren Fragen liegt Habeck trotz niedriger Gesamtwerte vorn. 13 Prozent der Deutschen halten ihn für charismatisch. Merz kommt auf sieben Prozent, Lindner auf neun, Scholz auf drei Prozent. Wenn es darum geht, wer durchgreifen kann, liegt einer am ehesten vorn: 15 Prozent denken, dass sich Merz gut durchsetzen kann. Habeck landet bei fünf Prozent, Lindner bei sechs, Scholz – zur Erinnerung, der Bundeskanzler – bei vier Prozent.
Und die Inhalte? 13 Prozent der Deutschen sagen, dass Habeck die richtigen Ideen für die Zukunft hat. Merz erreicht in dieser Kategorie elf Prozent, Lindner neun, Scholz fünf. Die repräsentative Befragung fand zwischen dem 08.11. und 12.11.2024 statt.
Die Chefin des Sachverständigenrats Wirtschaft brachte es auf den Punkt: „Die deutsche Wirtschaft stagniert. Nach unserer Prognose schrumpft sie in diesem Jahr leicht, und im nächsten Jahr wächst sie kaum“, sagte die Ökonomin Monika Schnitzer im SZ-Interview mit Michael Bauchmüller und Alexander Hagelüken.
Düstere Aussichten: Im gestern vorgestellten Jahresgutachten der Wirtschaftsweisen rechnen die Expertinnen und Experten nicht mehr mit einer raschen konjunkturellen Trendwende. Dafür aber mit folgenden Prognosen: Das deutsche Bruttoinlandsprodukt soll in diesem Jahr real um 0,1 Prozent schrumpfen, für das kommende Jahr wird ein Wachstum von 0,4 Prozent prognostiziert. Wirtschaftsminister Habeck rechnete in der Herbstprojektion noch mit 1,1 Prozent.
Produkte überzeugen nicht mehr: Gegenüber 2019 sei die deutsche Wirtschaft nur um 0,1 Prozent gewachsen, sagte Schnitzer im Interview. Bei den Euro-Ländern seien es im Schnitt vier Prozent gewesen, bei den Amerikanern sogar zwölf Prozent. „Das ist überhaupt nicht zufriedenstellend“, sagte Schnitzer. Sie sehe vor allem, dass die einst so stolze deutsche Industrie einbreche. Das liege an hohen Kosten für Arbeit und Energie, aber auch daran, dass die Produkte nicht mehr überzeugen.
Thomas Haldenwang ist nicht mehr Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) habe den Innenausschuss des Bundestags darüber informiert, dass Haldenwang „ab sofort“ die Amtsgeschäfte nicht mehr wahrnehme, teilte das Innenministerium mit. Das Amt müsse klar getrennt werden von einer Kandidatur für den Bundestag. Führen sollen den Inlandsgeheimdienst zunächst die beiden Vizepräsidenten Silke Willems und Sinan Selen.
Kein Kommentar: Haldenwang will sich bei der Bundestagswahl für die CDU um ein Mandat im Wahlkreis Wuppertal I bewerben. Das ist mindestens unglücklich und gibt der AfD Futter für die Behauptung, der Inlandsgeheimdienst sei politisch gesteuert, gar instrumentalisiert. AfD-Chefin Alice Weidel schrieb dazu auf X, Haldenwang erhalte das Bundestagsmandat als „Belohnung für den Missbrauch des Verfassungsschutzes“. Im Konrad-Adenauer-Haus will man sich zu Haldenwangs Kandidatur nicht äußern, bittet stattdessen, beim zuständigen Kreisverband nachzufragen. Dort wiederum ist man froh, „dass wir Thomas Haldenwang für die Kandidatur gewinnen konnten“, sagte der Wuppertaler CDU-Chef dem Spiegel.
Die Folgen der Neuwahl: Unabhängig von Haldenwangs Karriereplänen wäre eine wichtige Entscheidung wohl ohnehin nicht mehr in seine Amtszeit gefallen. Dabei geht es darum, ob der Verfassungsschutz die AfD bundesweit als gesichert extremistisch einstuft. Haldenwang hatte angekündigt, mit einer Entscheidung dazu sei noch in diesem Jahr zu rechnen. Laut mehrerer Medienberichte wird es dazu wohl vorerst nicht mehr kommen, um die Chancengleichheit im Wahlkampf nicht zu beeinträchtigen.
Antrag ist raus: 113 Bundestagsabgeordnete um den CDU-Politiker und ehemaligen Ostbeauftragen Marco Wanderwitz haben derweil einen Antrag auf Verfassungsprüfung der AfD beim Bundestagspräsidium eingereicht. Medienberichten zufolge gibt es allerdings noch einen weiteren Vorstoß. Abgeordnete der Grünen rund um Renate Künast werben demnach für ein schrittweises Vorgehen. So sollen einerseits Gutachter beauftragt werden, die Chancen eines Verbots zu prüfen. Und die Bundesregierung soll aufgefordert werden, die entsprechenden Materialien zur Verfügung zu stellen. Das berichten das ZDF und der Spiegel.
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Tiefgang
Spüren kann man den Wunsch vieler Menschen nach Orientierung, nach Sicherheit und Ordnung, nach einer Regierung, die durchgreift, die ihre Leute abschirmt vor all den Unwägbarkeiten dieser Welt: Jüngste Wahlergebnisse lassen sich so lesen. Die Autoren der Leipziger Autoritarismus-Studie, die seit mehr als zwanzig Jahren alle zwei Jahre erscheint, haben diesen Wunsch und dieses Gefühl vermessen. Ihre Ergebnisse haben sie gestern vorgestellt. Die wichtigsten Erkenntnisse.
Ost- und Westdeutschland nähern sich an: bei der manifesten Ausländerfeindlichkeit. Die ist zwar in Ostdeutschland immer noch deutlich verbreiteter als im Westen, doch der Abstand schmilzt. Der Anteil der Menschen mit einem geschlossen ausländerfeindlichen Weltbild sank im Osten zwischen 2022 und 2024 um gut eineinhalb Prozentpunkte und liegt momentan bei 31,5 Prozent. Im Westen hingegen ist der Anteil von 12,6 Prozent im Jahr 2022 auf 19,3 Prozent in diesem Jahr gestiegen. Im Bereich des manifesten Chauvinismus, wo es um eine übergroße Identifikation mit der eigenen Gruppe, in diesem Fall mit der „Deutschen“, geht, hat sich der Westen sogar vor den Osten geschoben.
Was wieder sagbar wird: Die Studie verzeichnet in Westdeutschland zum zweiten Mal in Folge einen Anstieg des Antisemitismus. Der Anteil der Menschen mit manifest antisemitischen Einstellungen im Westen liegt in diesem Jahr bei knapp fünf Prozent. „Das mag auf den ersten Blick wenig erscheinen“, sagte Studienautor Oliver Decker. „Wir müssen aber bedenken, dass wir hier sehen, wie eine soziale Sanktion, die für das Selbstverständnis der Bundesrepublik Deutschland zentral ist, zurückgeht.“ Das Sagbare wiederum nehme zu, sagte Decker.
Bei einer spezifischen Form des Antisemitismus, dem so genannten Schuldabwehrantisemitismus, sehe man „sehr deutlich hohe Werte“, sagte Decker. Sie speisen sich aus der Wut darauf, dass die lebenden Juden die Erinnerung an den Zivilisationsbruch der Deutschen aufrechterhalten. Es sei daher kein Wunder, dass die AfD diese Form des Antisemitismus mit Motiven wie der Hundertachtziggradwende in der Erinnerungspolitik „massiv bespielt“, sagte Decker. „Es ist ein Echoraum in der Bevölkerung dafür vorhanden.“
Antisemitismus ist auch in der politischen Linken hoch ausgeprägt, die Fachleute sprechen daher von einer Brückenideologie. Links außen sei selbst der tradierte Antisemitismus „ein Motiv, das vorkommt, das deutlich ist“, sagte Decker. Der Befund sei klar: „Die Ansprechbarkeit links außen für Antisemitismus in linken Bewegungen ist da. Und je mehr es auf Israel bezogen wird, umso deutlicher wird es.“ Ebenfalls interessant: Bei Menschen, die sich selbst politisch links der Mitte einordnen, sind antisemitische Einstellungen am geringsten verbreitet.
Retraditionalisierung: Überrascht hat die Wissenschaftler auch, wie sich die Einstellungen zum Sexismus in Ost- und Westdeutschland entwickelt haben. Schließlich seien die Zustimmungswerte hierfür im Osten stets niedriger gewesen als im Westen. 2024 finden sich nun einzelne Parameter, bei denen sich das geändert hat. So sagen 31,4 Prozent der Ostdeutschen, Frauen sollten sich wieder mehr auf ihre Rolle als Ehefrau und Mutter konzentrieren, im Westen sagen das 25,7 Prozent. Ein Drittel der Befragten im Osten empfindet Frauen, die sich gegen eine Familie und Kinder entscheiden, als egoistisch, im Westen sind es 18,9 Prozent. Insgesamt beobachte sie insbesondere in der jüngeren Generation eine „Retraditionalisierungstendenz“, sagte Studienautorin Ayline Heller.
Demokratie unter Druck: Die Zustimmung zur Idee der Demokratie an sich ist zwar weiterhin hoch, geht aber in Westdeutschland deutlich zurück. Massiv eingebrochen ist die Zufriedenheit der Menschen mit der Demokratie im Alltag, also so wie sie in der Bundesrepublik funktioniert. Damit ist nicht einmal mehr die Hälfte der Befragten zufrieden, in Ostdeutschland nicht einmal ein Drittel. Vor zwei Jahren lagen die Werte noch durchweg bei mehr als 50 Prozent.
Ruf nach starker Exekutive: Es gebe einen Wunsch nach einer starken Exekutive, sagte Oliver Decker dazu. „Nach einer starken Partei, die eine möglichst homogene Volksgemeinschaft repräsentiert.“ Und die eine Art Geländer, eine Form der Sicherheit biete – in autoritärer Form. Als Beleg dafür nannte er die hohe Zufriedenheit mit der Regierung, die die Wissenschaftler 2022 gemessen haben. Diese Zufriedenheit habe sehr viel mit der Stärke der Exekutive unter Pandemiebedingungen zu tun gehabt und sei danach förmlich weggesackt.
Politische Heimat gesucht und gefunden haben den Daten zufolge Menschen mit rechtsextremen Einstellungen. 2006 wählten demnach noch 42 Prozent von ihnen die Union, 41 Prozent die SPD. Die Wahlbeteiligung unter Rechtsextremen lag bei 83 Prozent. 2024 gehen sie zwar nicht mehr so häufig wählen, die Wahlteilnahme liegt noch bei 72 Prozent. Wenn sie es aber tun, wählen sie überwiegend die AfD. Der Studie zufolge gaben unter Rechtsextremen 56 Prozent ihre Stimme der AfD. Umgekehrt haben, laut Decker, zurzeit jene Menschen Schwierigkeiten, eine politische Heimat zu finden, die liberaldemokratisch gesinnt sind. Tim Frehler
Fast übersehen
Die Chancen könnten besser sein: Beim Parteitag der Grünen am Wochenende in Wiesbaden wollen sich Franziska Brantner und Felix Banaszak an die Spitze ihrer Partei wählen lassen. Danach wartet ein Wahlkampf auf sie, dessen Startbedingungen nicht gerade günstig sind für das, was sie vorhaben. Robert Habeck schielt immerhin aufs Kanzleramt. „Wir starten nicht aus der Gewinner-Position“, sagte Brantner im Interview meinen Kollegen Vivien Timmler und Markus Balser. Banaszak hält Habecks Bewerbung für „absolut richtig“. Friedrich Merz und Olaf Scholz seien „zwei Männer, die nicht in diese Zeit passen“.
Grün ist die Hoffnung: Die Grünen, so sagte es Banaszak, wollen stattdessen „Zuversicht geben“ in dieser unsicheren Lage. Ein Thema im Wahlkampf werde der Klimaschutz sein, sagte Brantner. Klingt eigentlich logisch. Doch Vorhaben wie das sogenannte Heizungsgesetz haben zum großen Unmut über die Grünen beigetragen. Die Reaktion darauf? „Wir werden beim Klimaschutz künftig die soziale Ausgestaltung immer an den Anfang setzen“, sagte Brantner. Außerdem treibe sie die „zunehmende Ungerechtigkeit“ um. Auch Banaszak will sich gegen die „wachsende Ungleichheit“ stellen.
Eingebürgerte Erstwähler: Hunderttausende Menschen, die in den vergangenen Jahren eingebürgert wurden, werden am 23. Februar erstmals ihre Stimme abgeben können. Wie der Focus berichtet, werden so viele Neubürger wählen können wie noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik. Demnach wurden in ganz Deutschland laut Statistischem Bundesamt zwischen 2021 und 2023 mehr als 500.000 Ausländerinnen und Ausländer eingebürgert, die nun erstmals bei einer Bundestagswahl wählen dürfen.
Viele Menschen aus Syrien: Laut des Berichts meldete allein das bevölkerungsreichste Bundesland Nordrhein-Westfalen einen Anstieg der Einbürgerungen von 29.250 im Jahr 2021 auf 40.824 im Jahr 2022. Im vergangenen Jahr bürgerte das Land 51.187 Menschen ein, die Zahlen für 2024 werden erst nächstes Jahr ausgewertet. Der Großteil von ihnen stammte demnach aus Syrien. Allein 2023 ließen sich 22.720 Syrer in Nordrhein-Westfalen einbürgern, 2022 waren es noch 14.081 und 2021 5.216.
Wird jetzt immer im Winter gewählt? Durch die Neuwahlen sieben Monate vor dem regulären Termin verschieben sich auch die nächsten Wahltermine. Artikel 39 im Grundgesetz bestimmt, dass der Bundestag grundsätzlich auf vier Jahre gewählt ist. Aber: Die reguläre Neuwahl findet „frühestens sechsundvierzig, spätestens achtundvierzig Monate nach Beginn der Wahlperiode statt“.
Heißt also konkret: Ein neuer Bundestag muss sich spätestens am 30. Tag nach der Wahl konstituieren. Die Wahlperiode beginnt offiziell mit diesem Termin, der voraussichtlich in den März fällt. 2029 müsste demnach laut Grundgesetz zwischen Ende Januar und Ende März gewählt werden. Um wieder in den Herbst zu kommen, müsste der Termin über mehrere Wahlperioden hinweg alle vier Jahre um etwa einen Monat nach vorn oder hinten verschoben werden.
Danke, Ampel: Ersteres gilt als unwahrscheinlich, weil dann auf dem Weg in den September zwei Wahlen in den Sommerferien stattfinden müssten. Wenn man sich für die entgegengesetzte Richtung entscheidet, so wie bereits nach dem Bruch der Koalition 1982, stünde wohl eine Wahl im Januar an und damit kurz nach der Weihnachtspause. Sollten Regierungen und Bundespräsidenten trotzdem diesen Weg wählen, gäbe es (selbstredend ohne vorgezogene Neuwahlen, die das Ganze wieder auf den Kopf stellen würden) erst wieder 2041 einen Wahltermin im September.
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Unter eins
Rüdiger Erben, PGF der SPD-Landtagsfraktion in Sachsen-Anhalt, im Gespräch mit dem Spiegel
Zu guter Letzt
„Herausfordernde Zeiten verlangen nach besonnenen Antworten“, schreiben die Sozialdemokraten. Wer nun mit epochalen Ankündigungen rechnet oder dem Austausch des designierten Kanzlerkandidaten, der wird enttäuscht sein. Die SPD hat sich lediglich für eine Rückkehr auf X entschieden und diese so auf der Plattform kommuniziert.
Nachdem sich bereits Vizekanzler Robert Habeck im Rahmen seiner Kanzlerkandidatur für ein X-Comeback entschlossen hat, zieht nun die SPD nach. Die Begründung aus dem Willy-Brandt-Haus: Nur wer seine Stimme einbringe, könne sich auch Gehör verschaffen. Noch im Februar waren die Sozialdemokraten der Meinung, sie müssten ihre Zeit lieber in „andere für politische Kommunikation relevantere Kanäle“ stecken. Der Abgang war laut, umso lauter ist die Rückkehr.
Einer, den sie bei der SPD lieber nicht fragen sollten, ist der Abgeordnete Bengt Bergt. Er teilte in seiner Instagram-Story einen KI-generierten Deepfake von Friedrich Merz. Der beschwerte sich im Bundestag über die Fake-Videos, die im Netz kursierten. „So weit, so schlecht“, sagte Merz. „Aber dass sie von sozialdemokratischen Abgeordneten gepostet werden und weitergeleitet werden, das gibt einen Vorgeschmack auf die Art und Weise des Wahlkampfes, den Sie hier in Deutschland offensichtlich bereit sind zu führen.“
Mützenich kündigte noch während der Aussprache an, dass der Abgeordnete sich bei Merz entschuldigen werde, am Abend zitierte der Spiegel aus einem Entschuldigungsschreiben. Bergt habe die Wirkung „offensichtlich unterschätzt“. Wir halten also fest: Kaum steht der Wahltermin fest, spielt das soziale Netzwerk von Elon Musk eine Rolle in den Parteizentralen – und auch unlautere Mittel sind an der Tagesordnung. Der digitale Wahlkampf hat längst begonnen.
Danke! Dem Team in Berlin, den Kolleginnen in Australien.