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Nutzungsrechte erwerbenMerkels Abschied von der schwäbischen Hausfrau
Mittwoch, 27. November 2024Von Gabriel Rinaldi
Lagebild: Israels Sicherheitskabinett billigte am Abend eine Waffenruhe mit der Hisbollah. Das Abkommen ist um 4 Uhr Ortszeit in Kraft getreten. Ziel ist laut US-Präsident Biden eine „dauerhafte Einstellung der Feindseligkeiten“ – Außenministerin Baerbock sprach von einem „Erfolg der Diplomatie“. Mehr hier.
Guten Morgen. Den russischen Angriff auf die Ukraine hat Altkanzlerin Angela Merkel als eine „dramatische Fehleinschätzung“ bezeichnet. Damit meinte sie Wladimir Putin, nicht etwa ihre Russlandpolitik, die sie eisern verteidigte. Sie fügte hinzu: Dass die Ukraine den Krieg verliere, „das denke ich nicht und das hoffe ich nicht“.
Was Angela Merkel war, will Friedrich Merz werden. Die Frage, ob sie ihm die Kanzlerkandidatur der Union gönne, bejahte Merkel bei ihrer Buchvorstellung im Deutschen Theater recht klar. Und fügte später hinzu: „Man braucht diesen unbedingten Willen zur Macht. Friedrich Merz hat den auch. Und deshalb gönne ich es ihm.“
Zum Willen müssen noch Wählerstimmen hinzukommen, für die das Konrad-Adenauer-Haus nun in den Wahlkampf zieht. Wie der aussehen soll, dazu gleich mehr. Kleiner Spoiler: Statt Merkel-Orange ist jetzt Cadenabbia-Türkis angesagt.
Willkommen am Platz der Republik.
Was wichtig wird
Die CDU will das Land im Wahlkampf für die Bundestagswahl „wieder nach vorne“ bringen. Laut eines „Corporate Design Manual“ der Christdemokraten, das SZ Dossier vorliegt, wird das der Slogan der Kampagne sein. Neben dem Claim „Wieder nach vorne“ ist eine schwarz-rot-goldene Deutschlandkarte abgebildet. Damit zeigt nach der SPD auch die CDU Flagge. Es ist der nächste Schritt im Wahlkampf der Union.
Worauf es jetzt ankommt: Wie SZ Dossier bereits berichtete, soll am 17. Dezember das Wahlprogramm vorgestellt werden. Der vorgezogene CDU-Parteitag in Berlin samt „Kanzlerrede“ und Beschluss eines Sofortprogramms soll dann am 3. Februar stattfinden. Zudem plant die Partei ein Wirtschaftsprogramm, das bereits im Januar beschlossen werden soll. In den Wahlkampf zieht die CDU mit der Kommunikationsagentur Fischer-Appelt.
Schwarz-rot-gold auf Cadenabbia-Türkis: Das Kampagnenlogo, gemeinsam mit der Agentur entwickelt, darf laut der Do's and Don'ts nicht ohne Deutschlandkarte abgebildet werden, anders als bei der SPD sind keine weiteren Botschaften nach dem Claim erwünscht. Farblich bleibt es beim recht neuen Design der Partei: „Das Kampagnenlogo wird nach Möglichkeit auf Cadenabbia-Türkis abgebildet. Entweder als Solitär oder im Kreis“, heißt es im Dokument.
Eigene Stärken: Die CDU sei gut beraten, sich im Wahlkampf nicht auf andere Parteien einzulassen, sondern sich auf sich selbst und die eigenen Stärken zu konzentrieren, sagte Thüringens CDU-Landeschef Mario Voigt. Ziel müsse es sein, „Zuversicht und einen Politikwechsel auszustrahlen“, sagte Voigt. Ob das auch für die Union insgesamt gilt? Zuvor hatte CSU-Chef Markus Söder verbal abgerüstet und eine Zusammenarbeit nur noch mit „diesen Grünen“ abgelehnt. In einem X-Post versuchte er, das Bild wieder geradezurücken: Die CSU wolle kein Schwarz-Grün, alles beim Alten.
Wirtschaftswahlkampf: Was die Themen anbelangt, rät Voigt seiner Partei, sich auf die Wirtschaftskrise zu fokussieren. Kaum jemand in der Bevölkerung könne doch die Frage, ob er oder sie nach drei Jahren Ampel besser dran ist als zuvor, mit „Ja“ beantworten. „Die Menschen vertrauen darauf, dass Friedrich Merz die Wirtschaft wieder in die Spur bringt. Darauf muss die CDU setzen“, sagte Voigt.
Die AfD wird mit Republic Relations in den Wahlkampf gehen, die Agentur werde die Kampagne leiten und Kreativdienstleister der Partei sein, hieß es am Dienstag aus den Reihen der Partei. Zuvor hatte das ARD-Hauptstadtstudio über die Agenturentscheidung der AfD berichtet. Darin hieß es auch, der Bundesvorstand der Partei habe sich darauf geeinigt, der Medienagentur Tannwald den Zuschlag für Social-Media-Aktionen der Partei zu geben.
Agentur vom rechten Rand: Tannwald ist jene Agentur, die etwa hinter der Kampagne der AfD-Jugendorganisation JA bei den Wahlkämpfen im Osten stand, die also mitverantwortlich für den sogenannten Abschiebesong war und für das Online-Spiel „Deutschlandretter“, indem es Punkte beispielsweise dafür gab, Menschen mit Migrationshintergrund virtuell abzuschieben. Gründer und Geschäftsführer der Agentur ist der Rechtsextremist Alexander Kleine.
Dabei oder nicht? Wie es aus der Partei nun gestern hieß, sei Tannwald nicht direkt unter Vertrag genommen worden, die Agentur könne aber für einzelne Teilprojekte im Social-Media-Bereich „ergänzend berücksichtigt“ werden. Tannwald könne also auf Bestellung zuliefern, hieß es. In der Partei legt man Wert darauf zu sagen: „Die Inhalte kommen von uns, die technische Umsetzung obliegt dann Tannwald.“
Die Zielgruppen: Thematisch werde sich die Partei auf die Themen Energie, Wirtschaft und Migration fokussieren. Ziel werde es auch sein, vermehrt junge Wählergruppen und Frauen anzusprechen, die AfD werde dafür auch auf das Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf setzen.
Was macht Höcke? Klarheit gibt es wohl auch in der Causa Björn Höcke. Einem Bericht von Stern und ntv zufolge will sich der Vorsitzende des als gesichert rechtsextrem eingestuften Thüringer Landesverbands nicht für den Bundestag bewerben, sondern die Landespartei alleine führen. Sein bisheriger Co-Landeschef Stefan Möller soll stattdessen für den Bundestag kandidieren.
Das BSW konkretisiert seine Positionen und hat nun ein Wahlkampfpapier vorgelegt. Inhaltlich geht es darin um die Kernthemen der Wagenknecht-Partei: Energiepreise, soziale Gerechtigkeit, Migration, Frieden und die Corona-Pandemie. Überschrieben ist der Aufschlag mit einem Slogan, der ausgerechnet an den eines politischen Konkurrenten erinnert: „Deutschland, aber vernünftig und gerecht.“ Die AfD hatte 2021 mit „Deutschland. Aber normal“ geworben. Daran habe man sich nicht orientiert, sagte eine BSW-Sprecherin gestern. Allerdings wäre das für die Partei auch kein Grund, solche Slogans nicht zu verwenden, sagte sie. Überhaupt sei „vernünftig und gerecht“ etwas anderes als „normal“.
Gegen „die da oben“: Aus dem Papier herauslesen lässt sich dann auch das Misstrauen des BSW gegenüber etablierten Parteien und Politikern. Wagenknecht plädiert nach der Wahl für ein „Kompetenz-Kabinett“, also eine Expertenregierung aus „integren, fachkundigen und unbestechlichen Persönlichkeiten“. Es brauche Politiker, die nicht auf ihre Anschlussverwendung schielten, auf lukrative Jobs, sondern sich „tatsächlich um das Wohl der Allgemeinheit“ kümmerten.
Energiepreise runter, Mindestlohn rauf: CO₂-Preis abschaffen, Investitionen in Infrastruktur von der Schuldenbremse ausnehmen und fossile Energieträger im Ausland dort einkaufen, wo sie am billigsten sind. Das Verbrenner-Verbot und das Gebäudeenergiegesetz sollen zurückgenommen werden. Außerdem fordert Wagenknecht eine „große Steuer- und Abgabenreform“. Den Mindestlohn will das BSW auf 15 Euro anheben, Renten bis 2000 Euro von der Steuer befreien.
Von „Atempausen“ und Vermögenssteuern: Finanziert werden soll das alles durch Steuern auf Vermögen von mehr als 100 Millionen Euro sowie auf Aktienrückkäufe und ausgeschüttete Gewinne. Im Bereich der Zuwanderung plädiert Wagenknecht für eine „Atempause“. Wer aus einem sicheren Drittstaat einreise, habe kein Recht auf Aufenthalt und damit auch keinen Anspruch auf Leistungen. Gewalttäter sollen abgeschoben werden. Wie sie diese migrationspolitischen Forderungen konkret umsetzen will, dazu schreibt die Partei nichts.
Wenig überraschend: Das BSW fordert, der Ukraine kein weiteres Geld für Waffen aus dem Bundeshaushalt zur Verfügung zu stellen und „ehrliche“ Bemühungen um Frieden und einen Waffenstillstand. Mithilfe einer Corona-Amnestie sollen sämtliche Bußgelder, die während der Pandemie verhängt wurden, zurückgezahlt, noch laufende Verfahren eingestellt werden.
Wichtige digitalpolitische Stimmen in der SPD fordern, dass Digitalpolitik wieder stärker aus dem Kanzleramt heraus betrieben wird. „Wir wollen die Steuerung im Kanzleramt verankern“, sagte Fedor Ruhose, Chef der rheinland-pfälzischen Staatskanzlei, Matthias Punz vom Dossier Digitalwende. Generell müssten dort „übergeordnete Themen“ wieder stärker koordiniert werden, sagte Henning Meyer, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Grundwertekommission. Das gelte nicht nur für Digitalisierung, sondern für alle Querschnitts- und Zukunftsthemen.
Digitalpakt Verwaltung: Ruhose und Meyer haben gemeinsam mit Frederik Blachetta, ehemaliger Chief Data Officer im Kanzleramt, und Valentina Kerst, ehemalige Staatssekretärin für Digitales in Thüringen, ein Papier geschrieben, das SZ Dossier exklusiv vorliegt und heute veröffentlicht wird. Ihr Fazit: „Die Probleme des 21. Jahrhunderts lassen sich nicht mit den Strukturen des 19. Jahrhunderts lösen.“ Eine Forderung ist es, einen „Digitalpakt Verwaltung“ aufzusetzen und die Finanzierung der Verwaltungsdigitalisierung langfristig abzusichern. Es gehe um 200 bis 300 Millionen Euro jährlich.
Keine neuen Strukturen: Die Debatte um eine Reform der staatlichen Strukturen nimmt derzeit Fahrt auf. Anders als etwa Ralph Brinkhaus, der diese Woche im Gespräch mit SZ Dossier forderte, ein neues Transformationsministerium aufzubauen und eine Digitalagentur zu gründen, wollen die sozialdemokratischen Digitalexperten keine neuen Organisationen und Stellen aufbauen. „Wir müssen Kräfte in der Umsetzung bündeln, es gibt keine andere Option“, sagte Blachetta. „Das wird aber nicht handstreichartig funktionieren, indem Personal über Nacht von Organisation A zu Organisation B wechselt.“
Steuerung im Kanzleramt: Es sei zielführender, „bestehende Strukturen besser miteinander zu vernetzen, statt eine neue Agentur aufzubauen“, sagte Ruhose. „In der letzten Bundesregierung gab es eine Digitalstrategie, die keine wirkliche Strategie war“, sagte er. „Und dann war jeder ein bisschen für etwas zuständig und man kam nicht voran.“ Besonders tragisch: „Am wenigsten zuständig von allen war dabei das Ressort, das ‚Digital‘ im Namen hatte.“ Die Lektion: „Wir wollen die Steuerung im Kanzleramt verankern.“ Die kommende Bundesregierung müsse das „Zuständigkeits-Wirrwarr“ im Digitalen beenden, heißt es in dem Papier.
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Tiefgang
Wenn es um die wichtigsten Themen ihrer Amtszeit geht, räumt Angela Merkel in ihrem gestern veröffentlichten Buch „Freiheit“ keine grundsätzlichen Fehler ein. Sie steht zu ihrem Verhalten – in der Flüchtlingskrise, gegenüber Russland oder in der Eurokrise. Wenn sie etwas bedauert, dann meist taktische Fehler, aus denen sie vor allem schließt: Das passiert mir nicht nochmal.
Deutlich selbstkritischer ist Merkel allerdings mit ihrer Kommunikation und einigen ihrer meistzitierten Äußerungen. So schreibt sie über einen ihrer meistzitierten Begriffe, den von der Lebensweisheit der „schwäbischen Hausfrau“, verblüffend offen: „Im Nachhinein waren diese Sätze ebenso provinziell wie wohlfeil.“
Worum ging es? Die weltweite Finanzkrise war Ende 2008 nach der Pleite von Lehman Brothers auf ihrem Höhepunkt angelangt und Merkel war bereits klar, dass der Staat bald mit viel Geld wird eingreifen müssen. Sie hielt nur den Zeitpunkt der Entscheidung für zu früh und wollte bei einem CDU-Parteitag Anfang Dezember in Stuttgart „bei meinen eigenen Leuten mit diesem Spruch Eindruck schinden“.
Deshalb die Mahnung, dass man nicht auf Dauer über seine Verhältnisse leben kann, verpackt als Grundsatz der örtlichen Hausfrauen. Jetzt räumt sie ein, an den Sorgen von Hunderttausenden, deren Arbeitsplätze in Gefahr waren, vorbeigeredet zu haben.
Differenzierter fällt ihr Blick auf das Wort „alternativlos“ aus, das sie 2010, zu Beginn der Euro-Staatsschuldenkrise und beim ersten Hilfspaket für Griechenland prägte. Es ging, da ist sie sich weiterhin sicher, um den Schutz des Euro als Ganzes. Die rhetorische Frage, ob es nicht doch Alternativen gab, beantwortet sie in für die öffentliche Person Merkel ungewohnter Klarheit: „Klar, im Leben gibt es immer Alternativen. Auf die Spitze getrieben ist sogar der Sprung vom Dach eine Alternative – eine Alternative zum Leben.“
Trotzdem hat Merkel damals auf die Kritik reagiert und später immer gesagt, es gebe keine „vernünftige Alternative“. Sie räumt auch ein, dass sie mit dem Begriff der Alternativlosigkeit wohl indirekt den Namen der AfD mitverantwortet hat, eben als Alternative zu Merkel.
Noch immer verwundert angesichts der Wirkung, aber auch stolz, ist die Ex-Kanzlerin auf die beiden prägenden Sätze in der Flüchtlingskrise 2015. Es war am 31. August, als Merkel bei einem Vorgespräch mit ihrer damaligen Büroleiterin und jetzigen Mitautorin Beate Baumann unter anderem sagte: „Irgendwie werden wir das auch schaffen.“ Daraus wurde wenig später in der Bundespressekonferenz der Satz: „Wir schaffen das.“ Merkel schreibt, sie hätte sich damals nicht vorstellen können, dass ihre eigentlich „banalen Worte“ bald zu dem Vorwurf führen könnten, sie wolle alle Flüchtlinge der Welt nach Deutschland holen.
Wenige Wochen später kam dann auf eine Journalistenfrage die Antwort, wenn man sich für ein freundliches Gesicht gegenüber Flüchtlingen entschuldigen müsse, „dann ist das nicht mein Land“. Die Anfeindungen und persönlichen Beleidigungen, die Merkel für ihre Flüchtlingspolitik bis heute erdulden muss, beschäftigen sie offensichtlich mehr als andere Kritikpunkte. Aber sie steht zu dem, was sie als menschliches Gesicht in Notsituationen versteht und sieht eine Mehrheit der Bevölkerung hinter sich.
Überhaupt, das beschreibt sie immer wieder, kommt es in der Politik oft vor allem auf den richtigen Zeitpunkt an. 2019 kaufte sie eine Figur des Kayros, des Gottes der günstigen Gelegenheit, der ihr, so scheint es, im Leben öfter zur Seite stand.
Aber kann man die richtige Gelegenheit auch verpassen? Nur bei einem Thema räumt Merkel etwas verklausuliert ein, vielleicht nicht genug getan zu haben: beim Klima. Alles, was zum Klimaschutz getan wurde, sei nicht genug gewesen, um die Menschheit vor katastrophalen Entwicklungen zu bewahren. „All das wussten und wissen wir“ und doch sei immer noch unklar, ob die Menschen bereit sein werden, die notwendigen Entscheidungen für ihr Überleben zu treffen. „Diese Feststellung lastet schwer auf uns, mich eingeschlossen.“
Auch wenn man weitere Äußerungen wie ihr „Ich will Deutschland dienen“ (2005), die „Staatsräson“ (in Bezug auf Israel 2008) oder den „Scheidungsbrief“ von Kohl von 1999 dazu nimmt, wird doch klar: Auch vom berühmtesten Politikerleben bleiben am Ende nur wenige Sätze im kollektiven Gedächtnis.
Das liegt natürlich auch daran, dass es zum Beruf des Politikers gehört, sehr viel zu reden, aber wenig zu sagen. Das jedenfalls ist Merkel nun bei der Rückschau auf ihre Äußerungen auch aufgegangen. Und so rät sie im Epilog vor allem den jüngeren Politikerinnen und Politikern, „weniger Angst zu haben, auf konkrete Fragen konkret zu antworten“. Peter Ehrlich
Fast übersehen
Da hat es Rumms gemacht: Auf der Industriekonferenz ist Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) auf Konfrontationskurs zu Siegfried Russwurm gegangen, dem Präsidenten des Bundesverbands der Deutschen Industrie. Das berichtet Fabian Löhe von unserem Dossier Nachhaltigkeit. In puncto Klimaneutralität sagte Habeck: „Wenn wir ein Problem nicht haben, dann das, dass wir zu schnell sind.“ Der Wirtschaftsminister unterstrich dabei die Sorge, Deutschland werde bei Innovationen im globalen Vergleich abgehängt, etwa bei der E-Mobilität oder bei Wasserstofftechnologien.
Senkung der Netzentgelte: Russwurm hatte sich vom Ziel Deutschlands distanziert, bereits 2045 klimaneutral zu sein und nicht wie die EU bis zum Jahr 2050. „Das wird nicht funktionieren, wenn wir es um den Preis erreichen, dass wir unsere Industrie ruinieren“, sagte er. Verständnis zeigte Habeck für Russwurms Forderung nach einer schnellen Senkung der stark steigenden Netzentgelte. Habeck will sie über einen Nachtragshaushalt für 2024 mit Geld aus dem Klima- und Transformationsfonds stabilisieren. Dazu wolle er mit der Union sprechen. „Aber die muss es dann auch wollen“, sagte er.
Streit um die Deutungshoheit: Als Robert Habeck am Sonntagabend bei Caren Miosga wieder einmal mit dem Heizungsgesetz konfrontiert wurde, ging er in die Offensive. Als Miosga ihn zu seinem größten Fehler befragte, fiel ihm in erster Linie ein Grund ein: Man habe zu spät über die soziale Förderung für den Heizungstausch gesprochen. „Die war durchgerechnet und geplant“, sagte Habeck, aber beide Koalitionspartner hätten sie nicht gewollt. „Erstaunlicherweise auch die SPD nicht“, sagte Habeck. „Aber so war’s.“
Nicht ganz, sagt die SPD. „Robert Habeck sollte genau überlegen, ob er zu seinen Fehlern steht oder gleich zu Beginn des Wahlkampfes unhaltbare Behauptungen aufstellt“, sagte SPD-Generalsekretär Matthias Miersch gestern der SZ. „Es stimmt nicht, dass die SPD ein angemessenes Förderprogramm verhindert hat.“ Im Gegenteil: Gerade die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten hätten „von Anfang für soziale Gerechtigkeit“ gekämpft. „Ohne unseren Druck wäre das Heizungsgesetz weder praktikabel noch sozial gerecht geworden“, sagte Miersch.
Keiner will es gewesen sein: Aus dem Wirtschaftsministerium heißt es, in der Regierung hätten weder das Kanzleramt noch das SPD-geführte Bauministerium die Idee einer sozial gestaffelten Förderung unterstützt. Mehr hier von Michael Bauchmüller.
Wie geht es den Lokalzeitungen? Eine neue Studie der Hamburg Media School zeigt, dass es in Deutschland zwar noch keine Nachrichtenwüsten auf Landkreisebene gibt, wohl aber eine zunehmende „Versteppung“. Die Anzahl der wirtschaftlich unabhängigen lokaljournalistischen Tageszeitungen geht laut der Studie deutlich zurück. 1992, zu Beginn des Untersuchungszeitraums, gab es davon im Schnitt 2,26 pro Landkreis, 2023 waren es nur noch 1,83. Im selben Zeitraum ist die Anzahl der „Einzeitungskreise“ von 134 auf 187 angestiegen.
Versteppung im Westen: Die Studie hat untersucht, wie sich die Situation der Tageszeitungen seit der deutschen Wiedervereinigung verändert hat – und welche Folgen eine Schwächung der Lokalpresse für die Demokratie in Deutschland haben könnte. Dabei handelt es sich um das erste systematische Monitoring der Verbreitung von Lokalzeitungen. Die „Versteppung“ sei demnach insbesondere in ländlichen Regionen Westdeutschlands auffälliger als in den neuen Bundesländern. Zu den Unterstützern der Studie gehören das Netzwerk Recherche, die Rudolf Augstein Stiftung, Transparency International Deutschland und die Hamburger Behörde für Kultur und Medien.
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Unter eins
CDU-Bundesvize Karin Prien schließt Steuererhöhungen im Gespräch mit Politico nicht aus, betont jedoch, dass sie „nicht das Mittel der ersten Wahl“ seien
Zu guter Letzt
Als hätte die FDP nicht schon genug Sorgen, ist nun ein rassistischer Post des Schweriner Kommunalpolitikers Paul Bressel viral gegangen, der seither für große Aufregung im Internet sorgt. „Wir brauchen ein [sic!] Aufnahmestopp aus muslimischen Ländern“, hatte Bressel via Instagram-Kachel verlauten lassen. Damit hat er nicht nur gegen die deutsche Grammatik verstoßen, sondern auch gegen die Parteilinie.
„Das ist weder Deutsch noch mit Programm und Werten der FDP vereinbar!“, twitterte der Parlamentarische Geschäftsführer Johannes Vogel. Ähnlich äußerten sich unter anderem Bettina Stark-Watzinger und Marco Buschmann, immerhin zwei frühere Kabinettsmitglieder. Es ist bezeichnend, dass sich eine Ministerin und ein Minister a.D. äußern müssen, um die Aussage eines Kommunalpolitikers einzuholen.
Bressel ist kein Unbekannter, war in Mecklenburg-Vorpommern immerhin Spitzenkandidat seiner Partei bei der Europawahl. Schon öfter kam es zwischen ihm und seiner Partei zum Streit wegen rechtslastiger Äußerungen. Auch seine Fraktion in der Schweriner Stadtvertretung trennte sich im Sommer von ihm. Schämen soll sich daher nicht die FDP, befand Cord C. Schulz, Büroleiter von Marie-Agnes Strack-Zimmermann, sondern „höchstens der von der Parteilinie abweichende Kommunalpolitiker aus Schwerin“.
Grazie mille! Den Kolleginnen und Kollegen in Berlin und Australien.