Unsere Kernprodukte
Im Fokus
Weitere SZ-Produkte
Shops und Marktplätze
Media & Service
Partnerangebote
Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?
Anzeige inserierenMöchten Sie unsere Texte nachdrucken, vervielfältigen oder öffentlich zugänglich machen?
Nutzungsrechte erwerbenGuten Morgen. Im Wahlkampf kommen Regierungsvertreterinnen und Regierungsvertreter gern auf große Ideen. Vor der Wahl hat es halt nicht geklappt, was will man machen. Aktuell entdecken Bundeskanzler Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Robert Habeck täglich neue Themen.
Habeck hat es auf die Milliardäre abgesehen: Wenn man einen „kleinen Anteil ihres Vermögens“ besteuern würde, sagte er Bild, hätte man „ungefähr fünf bis sechs Milliarden Euro“. Scholz warb für die Absenkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel von sieben auf fünf Prozent. „Ich glaube, dass es jetzt erstmal wichtig ist, dass wir etwas sehr Überschaubares machen, was jeder beim täglichen Bedarf jeden Tag merkt“, sagte er.
Populismus oder Wahlkampf? Heute steht erst einmal das nächste Kapitel des Ampel-Endes an, die Abstimmung über die Vertrauensfrage. Der Mehrwertsteuersatz klingt nun nicht nach dem einen großen Thema, mit dem sich nach einer Niederlage im Bundestag um das Vertrauen von Wählerinnen und Wählern werben ließe.
Aber auch das weiß Scholz sicher besser als alle Beobachter. Willkommen am Platz der Republik.
Was wichtig wird
Heute bekommt Scholz die Antwort auf die Vertrauensfrage. Der Kanzler wird ab 13 Uhr eine 25-minütige Rede halten, es folgen eine rund zweistündige Aussprache und die namentliche Abstimmung. Die SPD, auch der Abgeordnete Olaf Scholz, wird Olaf Scholz das Vertrauen aussprechen, die Grünen wollen sich enthalten. Falls Scholz verliert, was er hofft, geht es für den Bundeskanzler anschließend zu Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, wo er die Auflösung des Parlaments und Neuwahl vorschlagen wird.
Dann isch over: Nach der Bundestagsauflösung bleiben Scholz und Rot-Grün im Amt; wobei sich die Frage stellt, wie die Grünen, ohne Vertrauen in den Kanzler, Teil seiner Regierung sein wollen.
So oder so geht der Blick schon nach vorne. Scholz, sein Herausforderer Friedrich Merz und auch FDP-Chef Christian Lindner wurden am Wochenende an die Spitzen ihrer jeweiligen Landeslisten gewählt.
Morgen ist Super Tuesday. Zumindest für diejenigen, die sich mit Wahlprogrammen beschäftigen. Mindestens drei Parteien der politischen Mitte werden am Dienstag ihre Programme präsentieren. Wie wir hören, laden die Grünen für 9:30 Uhr ins Auditorium Friedrichstraße ein, die Unionsparteien ziehen um 11 Uhr im Telegraphenamt nach, auf der anderen Seite der Spree. Auch die SPD will das Wahlprogramm am Dienstag abschließend beraten und vorstellen, die FDP will ihres am Dienstag im Vorstand beraten und dann „zeitnah“ präsentieren.
Es tagen Bundestag … Fast nebenbei läuft die letzte Sitzungswoche des Jahres. Dabei stehen noch wichtige Themen an, die abgestimmt werden. Dazu gehört das Gesetz zum Schutz des Bundesverfassungsgerichts, auf das sich Ampel und Union geeinigt hatten, aber auch die von den Ampel-Parteien geplanten Entlastungen, die sogar noch im Bundesrat landen könnten, der am Freitag tagt. Mehr zu diesem außergewöhnlichen Revival von SPD, Grünen und FDP gibt es unten. Am Mittwoch und Donnerstag reist Scholz noch nach Brüssel, wo Ukraine-Beratungen und ein EU-Gipfel anstehen.
… und Bundesrat: Die Länderkammer entscheidet sonst etwa über eine Reihe eigener Initiativen, insgesamt stehen derzeit 46 Punkte auf der Tagesordnung. Es geht für die Länderchefinnen und Länderchefs (oder ihre Vertretungspersonen) also wieder nach Berlin. Erstmals werden die neuen Regierungen aus Brandenburg und Thüringen im Plenum sitzen. Und wahrscheinlich auch aus Sachsen, wo am Mittwoch der neue Ministerpräsident gewählt wird. Am Wochenende stehen dann wieder Versammlungen und Landesparteitage an, bevor es in die Weihnachtswoche geht.
Bereits am Freitag ist der Entwurf des Wahlprogramms von CDU und CSU zirkuliert. Auf 79 Seiten skizziert die Union, wie sie sich den „Politikwechsel für Deutschland“ vorstellt. Am Wochenende zogen SPD und Grüne nach.
Hier sind die wichtigsten Punkte.
Union: Weniger Sozialstaat, mehr Sicherheit. Die Union setzt laut ihres Entwurfs auf ein „neues Wohlstandsversprechen“. Das Papier liegt SZ Dossier vor. So sollen „vor allem Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen“ entlastet werden, wofür der Einkommensteuertarif angepasst werden soll. „Unser Ziel für die Sozialversicherungsbeiträge: Wir wollen uns wieder auf die 40 Prozent hinbewegen.“ Der Soli soll weg. Zudem plant die Union eine Unternehmensbesteuerung von maximal 25 Prozent, die schrittweise eingeführt werden soll.
Die Mehrwertsteuer in der Gastronomie soll auf sieben Prozent sinken, Bauern sollen Agrardiesel wieder verbilligt bekommen. Zudem will die Union eine „Aktivrente“ einführen. Wer über das gesetzliche Rentenalter hinaus freiwillig weiterarbeitet, soll sein Gehalt bis zu 2.000 Euro im Monat steuerfrei bekommen. Ebenfalls geplant: eine „Frühstart-Rente“ für alle 6- bis 18-Jährigen, die 10 Euro pro Monat für die individuelle und kapitalgedeckte private Altersvorsorge erhalten sollen.
Im Bereich der inneren Sicherheit setzt die Union auf beschleunigte Verfahren, zudem sollen mehr Videokameras und Systeme zur automatisierten Gesichtserkennung an Brennpunkten und Gefahrenorten eingesetzt werden. Auch die Speicherung der IP-Adressen soll kommen, das Cannabis-Gesetz der Ampel dafür gehen. Die Migration soll strikt begrenzt werden. „Wir richten Sozialleistungen für Ausreisepflichtige am Grundsatz ‚Bett, Brot und Seife‘ aus“, heißt es unter anderem. Mehr zur äußeren Sicherheit gibt es unten.
SPD: Mehr Staat, mehr Geld, mehr Deckel. Die Partei will „95 Prozent der Steuerzahler entlasten“. Der Entwurf des 62-seitigen „Regierungsprogramms“ liegt SZ Dossier vor. Zugleich sollen Superreiche mit Vermögen über 100 Millionen Euro eine Vermögensteuer zahlen. Auch die Besteuerung von Erbschaften, Immobiliengewinnen und Finanztransaktionen soll überarbeitet werden. Der Soli soll hingegen bleiben.
Spätestens ab 2026 soll ein Mindestlohn von 15 Euro gelten. Für langfristige Investitionen sollen Kredite aufgenommen werden können, hierfür sollen in der Schuldenbremse Ausnahmen geschaffen werden. Auch ohne Reform der Schuldenbremse will die SPD einen „Deutschlandfonds“ einführen. Dieser soll mit öffentlichem und privatem Kapital „Zukunftsinvestitionen“ fördern. Sie verspricht zudem eine dauerhafte Entfristung der Mietpreisbremse sowie eine längere Bezugsdauer und flexiblere Aufteilung beim Elterngeld.
Die Kanzlerpartei schlägt einen Pflegedeckel vor, der Eigenanteil für stationäre Langzeitpflege soll für Heimbewohnende auf maximal 1000 Euro pro Monat begrenzt werden. „Gesetzlich Versicherte sollen genauso schnell wie Privatversicherte einen Termin erhalten“, heißt es weiter. Bei Nichteinhaltung der Termingarantie soll es einen „Anspruch auf Beitragsreduzierungen“ geben.
Grüne: Weniger Verbote, mehr Zuschuss. Wie der Spiegel berichtet, will die Partei „in Zukunft Förderprogramme weiter ausbauen und durch soziale Staffelung insbesondere auf Menschen mit geringen und mittleren Einkommen zuschneiden“. Besonders den Verkauf von E-Autos wollen die Grünen massiv fördern. Auch das Klimageld soll kommen, und zwar „so schnell wie möglich“.
Rentenpläne: Wie die SZ hier berichtet, wollen die Grünen einen sogenannten Bürgerfonds einrichten, über den künftig am Kapitalmarkt investiert werden soll, um mehr Mittel für die gesetzliche Rente zu generieren. Speisen soll sich der Fonds aus Darlehen und Eigenmitteln des Bundes. Aus Sicht der Grünen kann ein solcher Fonds maßgeblich dazu beitragen, „das Alterssicherungssystem gerechter und zukunftsfest zu machen“.
Wir schauen wieder auf die Tweets der Bundestagsabgeordneten. Die Bundesdatenschau listet für uns wöchentlich die Abgeordneten auf, die im Vergleich zu den Vorwochen jeweils durchschnittlich mehr oder weniger Aufmerksamkeit in Form von Likes und Kommentaren auf X erhalten haben.
Wahlkampf: Der AfD-Abgeordnete Dirk Brandes warb für Alice Weidel als Kanzlerkandidatin und erhielt überdurchschnittlich viele Likes, FDP-Mann Stephan Seiter postete ein FDP-Wahlplakat. Einen Screenshot veröffentlichte Kassem Taher Saleh (Grüne). Zuvor hatte ihn ein X-Nutzer gefragt, ob er jetzt dahin gehe, wo er herkomme. „Sie meinen ins Vogtland? Ja, zu Weihnachten“, antwortete der Abgeordnete.
Gesprächsbedarf: Viele Kommentare erhielt Lars Klingbeil (SPD), als er das SPD-Wahlversprechen der Mehrwertsteuersenkung bei Lebensmitteln bekanntgab. Katrin Uhlig (Grüne) twitterte etwas zur „Dunkelflaute“ und lobte Habecks Kraftwerkssicherheitsgesetz. Clara Bünger (Linke) kritisierte vorschnelle Abschiebegedanken aus Reihen von AfD und Union nach Assads Sturz in Syrien.
Tiefgang
„Friedrich Merz wäre ein dezidiert außenpolitischer Bundeskanzler. Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik haben für ihn einen sehr hohen Stellenwert“, sagte CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen im Gespräch mit SZ Dossier. Ebenso sei Merz ein „überzeugter“ Europäer. „Er war die ersten fünf Jahre seines berufspolitischen Lebens im Europaparlament und sagt auch von sich, das sei für ihn eine prägende Zeit gewesen.“
Ein Bundeskanzler Friedrich Merz als neuer Vorreiter in der Europäischen Union? Merz selbst war es, der am Wochenende in seiner wöchentlichen „Merz-Mail“ schrieb, die Bundesregierung sei in Brüssel ein Totalausfall. Wie würde sich die deutsche EU-, Außen- und Sicherheitspolitik unter Merz ändern? Wir haben bei den Fachleuten in Partei und Fraktion nachgefragt.
„Die europäische Führungsrolle ist mehr als nur eine Initiierungsrolle. Ich meine, dass Macron noch größere Erwartungen in Scholz gesetzt hat“, sagte Röttgen. Man müsse vorangehen, ja, aber auch mitnehmen. „Wenn man durchgeht, würden sie es in Paris, in Warschau, in Brüssel, in Rom auch so sehen. Und in London gibt es auch keine großen Vorbehalte.“
Auf die Prioritäten angesprochen, sagte Röttgen, man müsse alles daran setzen, die transatlantische Sicherheitspartnerschaft zu erhalten. „Um dies zu erreichen, wird es einer enormen Steigerung des europäischen Sicherheitsbeitrages bedürfen. Und wir müssen unsere geopolitischen und geoökonomischen Abhängigkeiten weiter reduzieren“, sagte er.
Damit kommt Röttgen zu einem Punkt, der für eine Regierungsbeteiligung der Union besonders wichtig wäre: „Es ist zentral, eine enge Verzahnung von Sicherheitspolitik und vor allem auch Wirtschafts- und Wachstumspolitik herzustellen.“ Die Rüstungsindustrie müsse größer und europäischer werden.
Auch der Entwurf des Wahlprogramms der Unionsparteien bringt Antworten. Den Bundessicherheitsrat wollen CDU und CSU zu einem Nationalen Sicherheitsrat entwickeln. „Der Bundeskanzler hat die außenpolitische Entscheidungskompetenz“, sagte CDU-Sicherheitspolitikerin Serap Güler SZ Dossier. „Ein Kanzler Merz würde davon öfter Gebrauch machen.“
Im Wahlprogramm taucht der Taurus, anders als bei der SPD, nicht auf. Es heißt lediglich, Deutschland unterstütze die Ukraine „mit allen erforderlichen diplomatischen, finanziellen und humanitären Mitteln sowie mit Waffenlieferungen“. Kyiv müsse sein Selbstverteidigungsrecht ausüben können. Dafür wird die von Merz geforderte Ukraine-Kontaktgruppe im Wahlprogramm aufgedröselt (SZ Dossier berichtete).
Güler sagte, die Union würde den Taurus unter Bedingungen liefern. „Das Problem war und ist, dass wir Putins rote Linien übernommen haben“, sagte sie. Merz wäre strategisch anders vorgegangen, meint sie: „Es ist für Friedrich Merz eine klare Priorität, alles dafür Nötige zu tun, dass Putin in der Ukraine verliert und der Krieg scheitert“, sagte Röttgen. „Wir sagen: Es geht zuallererst um die Wiederherstellung von Sicherheit. Sicherheit werden wir nur erreichen, wenn das Gegenteil von Sicherheit, nämlich der Krieg, scheitert.“
Selbst wenn diese Fragen andere entscheiden, anderswo: „Wenn der Frieden wirklich wichtig ist, hätten wir mehr tun müssen“, sagte Röttgen. In einer Regierung mit der SPD wäre das sicherlich komplizierter als in einer Koalition mit den Grünen, wie Merz zugab. „Außen- und sicherheitspolitisch wird es mit den Grünen wesentlich einfacher als das, was ich mir mit der SPD vorstellen kann“, sagte Güler. Aber: Bei der damit zusammenhängenden Wirtschaftspolitik oder der Migration werde es dann wieder schwieriger.
Wie es mit der Nato weitergeht? „Auf die Nato kommt mit der kommenden Amtszeit Trumps eine schwere Phase zu. Ich glaube aber, dass sie das überleben wird, weil man trotz aller Probleme zwei Dinge weiß: Die Zeit mit Trump ist endlich und die Gefahren, gegen die die Nato uns schützt, bleiben“, sagte Röttgen. Aber: „In dem Maße, in dem die Verteidigungsbeiträge und auch die Koordination der Europäer stärker würden, hätten wir mehr zu sagen.“
Das Zwei-Prozent-Ziel sieht die Union laut Wahlprogramm „als Untergrenze unserer Verteidigungsausgaben, um eine vollständig einsatzbereite Bundeswehr mit einer personellen und materiellen Vollausstattung zu ermöglichen“. Gleichzeitig wollen CDU und CSU die Bundeswehr in eine Verteidigungsunion integrieren, die in die Nato-Strukturen eingebettet ist.
Doch zunächst einmal soll die Truppe von 180.000 auf 203.000 Soldatinnen und Soldaten anwachsen und zur führenden europäischen Armee in den Bereichen Weltraum, Drohnen und beim europäischen Abwehrschirm werden. Hierzu will man die eigenen Cyberfähigkeiten verbessern und eine Drohnenarmee aufbauen.
Perspektivisch will die Union ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr einführen, das mit einer „aufwachsenden Wehrpflicht“ zusammengedacht werden soll. „Das Dienstjahr ist für uns ein wichtiger Punkt, es wird auch eine große Rolle in den Koalitionsverhandlungen spielen“, sagte Güler. Das wiederum werde mit der FDP schwierig, sagte sie.
Deutschland soll unter einem Kanzler Merz also eine größere Führungsrolle einnehmen. So oder so muss Berlin wahrscheinlich zu mehr intergouvernementalen Ansätzen kommen – wie dem Weimarer Dreieck. „Der wichtigste Punkt ist, dass mehrere Länder zu gemeinsamen Aktionen kommen. Das halte ich für den wirksamsten Ansatz“, sagte Röttgen. Seine Meinung spiegelt sich auch im Wahlprogramm wider: Frankreich und Polen werden direkt nach der transatlantischen Partnerschaft genannt.
„Donald Trump wird alles dafür tun, Europa in dem Sinne zu spalten, als dass er am liebsten bilaterale Gespräche mit den europäischen Ländern führt, die er für wichtig hält“, sagte Güler. Umso wichtiger sei es für Europa, wenn auch nicht einstimmig, mit möglichst vielen Partnern zusammenzukommen – in einer „Koalition der Willigen“. „Ich traue es einem Kanzler Friedrich Merz eher zu, Europa zusammenzuführen, als es Scholz in den vergangenen drei Jahren bewiesen hat.“
Fast übersehen
Die Ampel ist zurück. Oder war es zumindest ganz kurz. Denn SPD, Grüne und FDP haben sich doch noch auf steuerliche Entlastungen für Bürgerinnen und Bürger geeinigt – und damit den Kanzler-Wunschzettel schon vor der Bescherung etwas kürzer gemacht (SZ Dossier berichtete). Enthalten sind ab 2025 jeweils der Abbau der kalten Progression sowie die Erhöhung des Kindergelds. Dank der alten Ampel-Mehrheit könnte das Gesetz in dieser Woche den Bundestag passieren – der Bundesrat und damit vor allem die unionsgeführten Länder müssten aber ebenfalls zustimmen.
Was das heißt: Vorgesehen ist zunächst einmal die Anpassung des Steuer-Grundfreibetrags an die Inflation. Der soll 2025 um 312 Euro auf 12.096 Euro steigen und 2026 dann noch einmal um 252 Euro. Auch der Steuertarif soll angepasst werden, um die kalte Progression einzudämmen – damit der Staat nicht heimlich von der Inflation profitiert. Geändert werden sollen, das betonten die Liberalen, auch die Freigrenzen für den Soli. Von der FDP ungewünschte Bürokratiekosten wurden aus dem Entwurf gestrichen. Mehr zu den Details hier.
Fünf Euro mehr: Das Kindergeld steigt nächstes Jahr um fünf Euro auf 255 Euro monatlich, 2026 dann um weitere vier Euro. Der Kinderfreibetrag steigt zunächst um 60, dann noch einmal um 156 Euro. Der Kindersofortzuschlag für Familien, die Anspruch auf Sozialleistungen haben, steigt ebenfalls um fünf Euro – aber einmalig. Familienministerin Lisa Paus (Grüne) freute sich „sehr“ über die Einigung. Da wird Bescheidenheit zur Tugend.
Agrarhandel und Artenverlust: Der internationale Agrarhandel ist dreimal schädlicher für die Biodiversität als bisher angenommen. Das zeigt eine Analyse von Satellitendaten durch die TU München und die ETH Zürich, berichtet unser Dossier Nachhaltigkeit. Demnach sind Agrarexporte für mehr als 90 Prozent des Artenverlusts in den Tropen verantwortlich – bisher war man von 30 Prozent ausgegangen. Besonders betroffen sind laut der Untersuchung Brasilien, Indonesien, Mexiko und Madagaskar.
Das sind die Details: Die Forschenden haben nachverfolgt, wie sich die Agrar-Handelsströme von 1995 bis 2022 auf Landnutzungsänderungen in den Produktionsländern auswirkten. Für die Studie wurde die globale Ökonomie unter anderem auf Sektoren, Regionen und ökologische Folgen systematisch heruntergebrochen. Auf Basis von Satellitendaten betrachteten die Forschenden dabei erstmals auch die Brachflächen nach dem Ende der Bewirtschaftung. In ihrem Modell spiegelt sich daher der permanente Artenverlust wider sowie die Zeitachse zur Regeneration des Ökosystems. So kommt auch der Sprung von 30 auf 90 Prozent zustande.
Unter eins
Innenministerin Nancy Faeser auf X über einen Angriff von mutmaßlichen Neonazis auf SPD-Wahlkämpfer in Berlin-Lichterfelde
Zu guter Letzt
Es sind etwas mehr als 27 Minuten, die Parastoo Ahmadi auf Youtube veröffentlicht hat. Sie hat das getan, was Frauen in Iran nicht dürfen: Die 27-jährige Musikerin hat öffentlich gesungen, ohne Kopftuch und im Abendkleid noch dazu, und wurde dafür vom iranischen Regime festgenommen. Gestern kam sie wieder frei, erwartet nun aber eine offizielle Anklage.
Das Video zeigt Ahmadi mit einer vierköpfigen Band, in wenigen Tagen wurde es knapp 1,7 Millionen Mal aufgerufen. Die Gruppe spielt unter anderem iranische Protestsongs. Iranerinnen und Iraner feiern es als besonders großen Akt des Widerstandes, schreibt die Islamwissenschaftlerin Katajun Amirpur in der SZ, weil Ahmadi den Mut trotz eines Gesetzesentwurfes aufbrachte, der das Nichttragen des Kopftuchs unter noch schwerere Strafen stellt.
Noch dazu, betont Amirpur, trat sie mit Männern als Begleitung auf. Ahmadi selbst wurde bekannt, weil sie während der Proteste, die vor allem im Herbst 2022 unter dem Namen „Frau, Leben, Freiheit“ stattfanden, revolutionäre Lieder sang. Es ist nicht ausgeschlossen, schreibt Amirpur, dass die Sängerin den Zeitpunkt ihrer Performance sehr bewusst gewählt hat, angesichts des Gesetzesentwurfes und der außenpolitischen Schwächung des Regimes: „Der Auftritt könnte gedacht gewesen sein als Funke, der das Feuer des Widerstands neu entfacht.“
Grazie mille! Den Teams in Australien und Berlin.