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Nutzungsrechte erwerbenWas das neue Jahr bringt
Donnerstag, 2. Januar 2025Guten Morgen und ein gutes neues Jahr! Es sieht aus, als würde es 2025 turbulent werden: Neue Sitten halten schon vor der erneuten Amtseinführung Donald Trumps Einzug in die internationale Politik, und die Disruption schwappt schon herüber in den deutschen Wahlkampf.
Dass die Aufgaben groß sind, machen sowohl die Weltlage deutlich als auch der Blick zurück auf ein bewegungsarmes Jahr 2024 unter der Ampel und auf die Konjunkturaussichten in Deutschland. Wählerinnen und Wähler erinnert ein Blick auf den Gehaltszettel und die steigenden Sozialabgaben und Beträge daran, wie konkret Politik sich auswirkt – und wie sie nun ein paar Jahrzehnte betrieben wurde: mit Geld für viele Wünsche anstelle von Richtungsentscheidungen.
Was 2025 wichtig wird: Wir haben Menschen in der Politik und um den Betrieb herum dazu befragt, was sie im Hinblick auf Themen, Parteien, konkrete Politik und Personal vom neuen Jahr erwarten. In unseren weiteren Dossiers finden Sie mehr Stimmen und Ausblicke zu Geoökonomie, Regulierung und Digitalisierung – schauen Sie auch dort einmal rein. Willkommen am Platz der Republik.
Was das Jahr bringt
Sigmar Gabriel
Vizekanzler a.D. und Vorsitzender der Atlantik-Brücke
Herr Gabriel, müssen wir Angst vor Donald Trump haben?
„Keine Angst, aber wir sollten zuerst versuchen zu verstehen, warum er gewählt wurde. Das waren ja nicht über 70 Millionen Verrückte. Die Amerikanerinnen und Amerikaner haben nach ihren Interessen gewählt, und offensichtlich hat Donald Trump diese Interessen in der Wirtschaftspolitik, der Migration und was die Rolle der USA in der Welt angeht, besser aufgegriffen, als es die Demokraten vermocht haben. Trump ist vielleicht der Erste, der Amerika aus den vielen internationalen Konflikten herauszieht, weil er weiß, dass die Zeiten vorbei sind, dass die USA als unipolare Weltmacht unterwegs waren. Das erste wäre, seine Wählerinnen und Wähler besser zu verstehen, und das zweite, ihn nicht zu unterschätzen. Wir müssen in Europa und Deutschland stärker werden, damit er uns ernst nimmt.“
Marina Henke
Direktorin des Centre for International Security der Hertie School
Frau Henke, wie geht es nach dem 21. Januar weiter mit der Nato?
„Donald Trump ist ein deal-maker. Um die US-amerikanischen Nato-Sicherheitsgarantien für Deutschland und Europa aufrechtzuerhalten, müssen wir unter Beweis stellen, dass der ,Alte Kontinent’ für die USA immer noch wertvoll und darum verteidigungswürdig ist. Wenn Europa sich auf dieses Quidproquo einlässt, sehe ich die Existenz der Nato nicht in Gefahr. Was sind denkbare US-amerikanische Forderungen? Erstens: die dauerhafte Erhöhung der europäischen Verteidigungsetats auf deutlich mehr als 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – derzeit werden bis zu 5 Prozent suggeriert. Zweitens: die Anpassung der europäischen Außenpolitik an amerikanische Interessen, wobei in Deutschland insbesondere die Beziehung zu China im Fokus steht. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die neue US-amerikanische Regierung von Deutschland verlangen wird, sich in der Rivalität zwischen den USA und China eindeutig auf die Seite Washingtons zu stellen. Um das Wohlwollen Washingtons zu gewinnen, müsste Deutschland diesem Wunsch nachkommen.“
Henna Virkkunen
Vizepräsidentin der EU-Kommission für technologische Souveränität, Sicherheit und Demokratie, EVP
Frau Virkkunen, wie bekämpfen wir Desinformation und unlautere Einmischung?
„Um unser demokratisches Gesellschaftsmodell einschließlich offener und informierter Debatten zu sichern, müssen wir erstens unsere Bildungssysteme modernisieren und lernen, Informationen kritisch zu bewerten. Zweitens sind Faktenprüfer und Journalisten essenziell, benötigen jedoch Ressourcen und Schutz. Drittens müssen Online-Plattformen EU-Recht umsetzen und effektive Maßnahmen ergreifen, um die Verbreitung falscher Informationen zu verhindern. Wir sind entschlossen, unsere Handlungsfähigkeit zu stärken, in enger Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten.”
Anna-Sophie Heinze
Politikwissenschaftlerin an der Universität Trier
Frau Heinze, in welche Richtung entwickelt sich die AfD 2025?
„2025 wird die AfD weiter versuchen, ihre Positionen und Themen in den politischen Mainstream zu rücken – sei es im Bereich Immigration, Gender oder Klima. Schon heute wird die Partei zunehmend als ‚normal‘ wahrgenommen – und das trotz ihrer inhaltlichen Radikalisierung in den letzten Jahren. Den Parteien, Medien und der Zivilgesellschaft kommt deswegen eine wichtige Rolle zu, konsequent auf die illiberalen bis antidemokratischen Positionen der AfD hinzuweisen und rote Linien zu ziehen.“
Karl-Rudolf Korte
Professor für Politikwissenschaft an der Universität Duisburg-Essen und Direktor der NRW School of Governance
Herr Korte, kann Robert Habeck die Merkel-Lücke besetzen?
„Die progressive politische Mitte scheint bei der kommenden Wahl noch unbesetzt zu sein. Bürgerliche Solidität, moralischer Ernst, gemeinwohlorientierter Kaufmannsgeist, sozialstaatlicher Pragmatismus. Dazu ein anspruchsvolles Führungsversprechen: Durchsetzungswut, Veränderungszuversicht und Zumutungsmut. Für solche ambitionierten Politikansätze macht Habeck zur Zeit Angebote. Das goutiert keine Mehrheit, aber eine aufbruchsbereite linke Mitte sucht genau danach. Die Küchentisch-Metapher signalisiert zudem strategische Empathie.“
Harald Christ
Unternehmer und ehemaliges FDP-Mitglied
Herr Christ, sollen wir mehr Kettensäge wagen bei der Entbürokratisierung?
„Ich denke der Einsatz von Gartengerät ist in Anbetracht der Herausforderungen, vor denen unser Land steht, wenig hilfreich. Und gerade die Kettensäge würde ich lieber ganz aus der Politik heraushalten. Solche Analogien tragen zu einer sachlichen Debatte über den Abbau von lähmender Bürokratie in unserem Land nichts bei – im Gegenteil. Statt über immer neue Metaphern würde ich mich über dezidierte Lösungsvorschläge für die nächsten Jahre freuen. Und ich denke, damit stehe ich nicht allein da.“
Florian Herrmann
Leiter der Bayerischen Staatskanzlei und Staatsminister für Bundesangelegenheiten und Medien, CSU
Herr Herrmann, geredet wird viel über Bürokratieabbau und Verwaltungsvereinfachung. Wie kommen wir ins Machen?
„Wir müssen den Mut haben, neu zu denken, auch disruptiv. Geregelte Verhältnisse – das Markenzeichen Deutschlands lastet inzwischen bleischwer auf dem Standort. Wir brauchen einen schlankeren Staat, in dem sich unternehmerische und ehrenamtliche Kräfte wieder entfalten können. Bayern geht bei Deregulierung und Entbürokratisierung im Landesrecht in die Offensive. Zwei Modernisierungsgesetze sind bereits verabschiedet, ein drittes folgt in Kürze. Damit setzen wir ein starkes Zeichen für Eigenverantwortung, Vertrauen und Freiheit.“
Svenja Schulze
Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, SPD
Frau Schulze, wie geht es in der angespannten Haushaltslage weiter mit der deutschen Entwicklungspolitik?
„2025 wird ein Jahr, in dem es sehr auf Entwicklungspolitik ankommt. In Syrien hat sich zum Beispiel ein Fenster geöffnet, in dem es die Chance gibt, eine Entwicklung in Richtung Stabilität und Frieden zu unterstützen. Der Aufbau staatlicher Strukturen ist unser Kerngeschäft. Wir könnten daher einiges zum Gelingen beitragen, wenn auch die neuen Machthaber in Syrien sich für Schritte in die richtige Richtung entscheiden. Eine solche Unterstützung ist auch für Deutschland gut investiertes Geld. Denn wir wissen aus leidvoller Erfahrung, wie viel teurer es auch für uns wird, wenn Staaten in Europas Nachbarschaft im Chaos versinken.“
Jan Philipp Thomeczek
Politikwissenschaftler an der Universität Potsdam
Herr Thomeczek, sinkt 2025 der Stern des BSW?
„Das Bild eines aufsteigenden beziehungsweise absteigenden Sterns suggeriert einen kontinuierlichen Prozess: Man kann mehr oder weniger auf- oder absteigen. In der Realität der Parteien sehen wir aber eher knallharte Stufen, die unterschiedlich groß sind. Das BSW hat bereits wichtige Hürden genommen: Es hat sich auf Bundesebene gegründet, in fast allen Bundesländern ebenso, ist zu Wahlen angetreten, sitzt im Europaparlament und jetzt in zwei Landesregierungen. Eine sehr hohe und wichtige Stufe ist aber der Einzug in den Bundestag. Die größte Herausforderung ist die Fünf-Prozent-Hürde, und hier passt das Bild einer Stufe sehr gut: Entweder ich nehme die Stufe oder ich nehme sie nicht. Der Unterschied zwischen 4,99 und 5,00 Prozent ist marginal, aber er entscheidet darüber, ob das BSW in den Bundestag einzieht – und für alle Parteien, die in den Umfragen gerade bei drei bis sechs Prozent liegen, ist dies möglich, aber auch herausfordernd.“
Cem Özdemir
Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, für Bildung und Forschung und Ministerpräsidentenkandidat in Baden-Württemberg, Grüne
Herr Özdemir, wie wollen Sie der neue Kretschmann werden?
„Uns verbindet die Suche nach dem Ausgleich. Eine offene Gesellschaft braucht auch Heimat und Wurzeln. Wer frei leben will, muss Sicherheit durchsetzen. Gemeinsinn und Verantwortung für das Ganze entsteht dann, wenn wir Selbstbestimmung fördern. Mein Ziel ist ein Staat, der sich auf seine Kernaufgaben konzentriert: eine intakte Infrastruktur, leistungsstarke Institutionen und ein verlässlicher Rahmen, der Unternehmen und Bürgern eigenständige Lösungen ermöglicht.“
Andreas Jung
Stellvertretender Vorsitzender der CDU
Herr Jung, würde mit einer unionsgeführten Regierung die große Rückabwicklung in der Klima- und Energiepolitik starten?
„Der Weg zur Klimaneutralität wird nur mit grundlegenden Änderungen zum Erfolg, nicht mit einem ,weiter so’. Für den richtigen Weg zum Erreichen der Klimaziele müssen wir Klimaschutz, Wirtschaftskraft und Sozialausgleich vereinen. Dazu wollen wir nicht zurück, sondern mit Innovationen und Kosteneffizienz nach vorne. Mit der ganzen Breite aller erneuerbarer Energien. Mit Pragmatismus bei Wasserstoff und CO₂-Abscheidung. Mit technologieoffener Ermöglichung statt Regelwut für klimafreundliches Heizen. Und mit Offenheit für Forschung an Energietechnologien der Zukunft.“
Fotocredits: Friedrich Bungert (3), SZ, Hertie School, Mikko Mäntyniemi, Universität Trier, Julia Zimmermann, Bayer. Staatskanzlei, Otto Kasper.
Unter eins
Kardinal Reinhard Marx, Erzbischof von München und Freising, in seiner Predigt zum Jahreswechsel