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Unsichtbare rote Linien für Cyberangriffe

Freitag, 17. Januar 2025
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Peter Ehrlich

Guten Morgen. Heute befassen wir uns auf unterschiedliche Weise mit Transparenz. Sehr transparent ist zum Beispiel eine Institution, die historisch für das Gegenteil bekannt ist: der Vatikan. Der Papst hat sich den rechten Unterarm geprellt. Kaum geschehen, wurde schon die Öffentlichkeit informiert. Gar nicht zu sehen war dagegen seit einigen Wochen Ursula von der Leyen. Nach Weihnachten musste sie mit Lungenentzündung ins Krankenhaus, was von der EU-Kommission zum Ärger der EU-Journalisten verschwiegen wurde. Ihr erster Termin im neuen Jahr ist heute ein Parteitermin, Friedrich Merz versammelt in Berlin konservative EU-Spitzenpolitiker.


Transparenz sollen auch parlamentarische Untersuchungsausschüsse herstellen, nur ist die Öffentlichkeit hinterher oft nicht viel klüger als vorher. Gestern mussten sich in der letzten Befragung des Atom-Untersuchungsausschusses Kanzler und Vizekanzler dazu äußern, ob sie die Verlängerung der Laufzeiten der drei letzten deutschen Atomkraftwerke im Winter 2022 „ergebnisoffen“ geprüft haben oder nicht. Am Ende erfahren wir nur, dass die Positionen zur Kernenergie unterschiedlich waren und sind. Vielleicht sollten die Beteiligten mal das Wort „ergebnisoffen“ kritisch untersuchen. Würden Sie eine Partei wählen, die die Rentenhöhe oder die Steuersätze „ergebnisoffen“ prüfen will?


Willkommen am Platz der Republik!

Was wichtig wird

1.

Wenn am Sonntag Bundestagswahlen wären, würden die Unionsparteien 208 von 299 Wahlkreisen gewinnen. Das ist das Ergebnis des neuen YouGov-Wahlmodells, das SZ Dossier vorab vorliegt. Es berechnet die derzeitige Wahlabsicht nicht nur national, sondern auch für die Landes- und Wahlkreisebene.


Die Ergebnisse des Modells: Die Union gewinnt in 208 Wahlkreisen, die AfD in 50 Wahlkreisen, die SPD in 35 Wahlkreisen, die Grünen in fünf Wahlkreisen, die Linke in einem Wahlkreis. Die Linke würde also nicht per Grundmandatsklausel in den Bundestag einziehen, die „Aktion Silberlocke“ wäre – Stand heute – gescheitert. Die Ergebnisse wurden anhand eines statistischen Modells geschätzt, das auf Daten von Befragungen beruht.

Union würde 208 der 299 Wahlkreise holen
in Kooperation mitYouGov

Wahlabsicht: Das Modell sieht die Union als Wahlsieger bei 30 Prozent und die AfD auf Rang zwei mit 20 Prozent. Es folgen SPD mit 16, Grüne mit 14 und BSW mit sechs Prozent. Die FDP kommt auf knapp unter fünf Prozent (4,5 Prozent), die Linke auf drei. Die Freien Wähler landen bei zwei Prozent, die Sonstigen bei sechs. Damit kämen CDU und CSU auf 222 Sitze im neuen Bundestag, die AfD auf 146 Sitze, die SPD auf 115 Sitze, die Grünen auf 101 Sitze, das BSW auf 45 Sitze. Zudem wird der SSW angeführt, mit einem Sitz.


Andere Länder, andere Sitten: Auf Landesebene sieht das Modell die Union in allen westdeutschen Bundesländern vorn, in Bayern schätzt das Modell ein CSU-Ergebnis von 39 Prozent. In Berlin liegt die SPD gleichauf vorn mit der AfD bei 19 Prozent, gefolgt von der CDU mit 17 Prozent. In den anderen ostdeutschen Bundesländern würde hingegen die AfD stärkste Kraft werden – mit Werten zwischen 29 (Brandenburg und Sachsen-Anhalt) und 33 (Thüringen) Prozent. Das Wahlmodell wurde für die Leserinnen und Leser vom Platz der Republik bereits hier freigeschaltet.


Zur Methodik: Das Meinungsforschungsinstitut hat ein „Mehrebenen-Regressionsmodell mit Poststratifikation“ verwendet und es mit einer Stichprobe von 10 411 wahlberechtigten Mitgliedern aus dem Panel gefüttert, um Beziehungen zwischen den Merkmalen von Wählerinnen und Wählern und Wahlabsicht zu ermitteln. In einem zweiten Schritt wurden diese Beziehungen genutzt, um die politische Stimmung in Bundesländern und Wahlkreisen zu schätzen (mehr dazu hier). Berichtet werden wahrscheinliche Ergebnisse aus einer Reihe von möglichen Ergebnissen; die Interviews wurden im Zeitraum 03.12.2024 bis 16.01.2025 geführt.

2.

Für die wichtigsten Akteure stand das Ergebnis schon vor der Anhörung der prominentesten Zeugen im Atom-Untersuchungsausschuss fest. Ja, man habe die Verlängerung der Laufzeiten im Energie-Krisenjahr 2022 ergebnisoffen geprüft, versicherten der grüne Vizekanzler Robert Habeck und auch Kanzler Olaf Scholz (SPD). Genau diese Prüfung habe es nicht gegeben, sagte der Ausschussvorsitzende Stefan Heck (CDU), die am Ende nur um wenige Monate verschobene Abschaltung der letzten drei Kernkraftwerke sei ein „großangelegtes Täuschungsmanöver gewesen“. Beide Seiten waren gestern also wieder oder besser noch da, wo die Ausschussarbeit angefangen hatte.


Grundsatzfragen: Von den Fachfragen, welche Beamten im Wirtschaftsministerium wann welche Vorschläge gemacht haben, kam man in der letzten Befragungsrunde vor der Wahl schnell zu den Grundsatzfragen, ob nun durch den (2011 von Schwarz-Gelb beschlossenen) Ausstieg ein wirtschaftlicher Schaden entstanden sei – und ob der CO₂-Ausstoß geringer ausgefallen wäre. Während Kanzler Olaf Scholz Stunde um Stunde auf seinen Auftritt warten musste, stritten der Grünen-Abgeordnete Konstantin von Notz und die CDU mit Ausdauer darum, wie man richtig Fragen stellt.


Machtwort: Als der Kanzler dann nach der Tagesschau-Zeit endlich aufgerufen wurde, bestätigte er noch einmal, dass er es war, der – weil Grüne und FDP zu weit auseinanderlagen – allein entschieden habe, dass die Meiler dreieinhalb Monate länger laufen durften. Ohne sein Machtwort, also den formalen Einsatz seiner Richtlinienkompetenz, wäre die Energiesicherheit im Krisenwinter vor zwei Jahren nicht garantiert gewesen. Habeck und FDP-Chef Christian Lindner habe er aber vorher informiert. Seit Mitte April 2023 ist die Atomkraft in Deutschland Geschichte.

3.

Als CSU-Chef Markus Söder und SPD-Chef Lars Klingbeil kurz vor dem Start des TV-Duells im Welt-Studio aus dem Off witzelten, unter anderem über Horst Seehofer, war die Stimmung recht ausgelassen: Da standen zwei Männer, die sich nicht unsympathisch finden. Auch während des von Welt-Chefredakteur Jan Philipp Burgard moderierten Schlagabtauschs wurde die Stimmung nur selten hitzig: Als Klingbeil einmal dazwischenfunken wollte, konterte Söder, „wir haben ja noch einen Haufen Zeit“.


Dabei zeigte sich schnell ein Muster: Es ging fast immer gegen die Ampel oder gegen den Kanzler, selten gegen die SPD als Partei. Söders Message: Wir wollen, dass Scholz nicht mehr Kanzler ist, wir haben eine klare Meinung zu den Grünen. Heißt im Umkehrschluss: Die SPD finden wir, vor allem in Anbetracht der Alternativen, gar nicht so schlecht. Oder um es mit Söder zu sagen: „Mit Sozis ist es schon ein dickes Brett zu regieren. Schwarz-Grün ist die unbeliebteste Koalition. Ob es mit der SPD besser wäre, mal schauen.“


Es machte das Gespräch etwas disziplinierter. Bei bestimmten Themen wie Wirtschaft oder Migration zeigten sich in der politischen Ausführung klare Unterschiede, etwa bei der Frage nach Subventionen oder der Zuwanderung nach Deutschland. Söder war insgesamt drängender, lauter, dominanter. Die großen Angriffe blieben aber aus. Der härteste Angriff von Klingbeil, den er mehrfach ausführte, war die aus seiner Sicht fehlende Gegenfinanzierung des Wahlprogramms der Union.


Love is in the air: Dafür ließ sich der Sozialdemokrat dazu verleiten, Söder zuzustimmen, als es hieß, die Grünen biederten sich derzeit an. Der SPD-Chef sagte auch, dass Habecks Bilanz nicht gut sei. Insgesamt, so der Eindruck, näherten sich CSU und SPD hier an. „Ich vermute, da sind wir uns einig“ war ein Satz, der öfter vorkam. „Wir können gut zeigen, welche Unterschiede es gibt“, sagte Klingbeil zu Beginn. Am Ende betonte er: Jeder kämpft für sich, aber man steht in einer gemeinsamen Verantwortung. Fazit: Eine Neuauflage der Groko würde an den beiden Parteichefs nicht scheitern.

4.

„Wir würden gerne auch wieder mehr in Syrien machen, aber da darf man auch nicht naiv sein. Das muss dann immer auch an Bedingungen geknüpft sein“, sagte Svenja Schulze (SPD) gestern vor Reportern. Die Entwicklungsministerin war zuvor als zweite deutsche Ministerin nach Annalena Baerbock (Grüne) nach Syrien gereist, um Hilfsprojekte voranzutreiben und Kontakte aufzubauen. In Damaskus traf sie unter anderem De-facto-Außenminister Asaad al-Schaibani sowie Maher al-Scharaa, den De-facto-Gesundheitsminister und Bruder des derzeitigen Machthabers.


Freundlicher Empfang: „Wir sind sehr freundlich empfangen worden“, sagte Schulze. „Die beiden haben auch von sich aus Frauen angesprochen, die beiden haben von sich aus jeweils gesagt, wie wichtig ihnen ist, dass das ein inklusives Syrien wird“, sagte Schulze. Gleichzeitig hätten sie aber betont, wie viele Probleme sie gleichzeitig lösen müssten: 50 Jahre Diktatur, die vielen Verletzungen im Land. „Es ist schon eine enorme Belastung und das Wirtschaftssystem ist komplett am Boden, das Gesundheitssystem ist komplett am Boden, das Bildungssystem – also es muss eigentlich überall gleichzeitig losgelegt werden“, sagte Schulze.


Es werde noch viel Bewegung geben. „Deswegen gucken wir Schritt für Schritt, was geht“, sagte Schulze. Das sei nicht immer einfach, weil die HTS eine Terrororganisation sei. Man könne nicht „locker“ mit ihnen zusammenarbeiten, sondern müsse das Land aufbauen, ohne die Regierung zu unterstützen. Deutschland sei nicht das einzige Land, das dort unterwegs sei: „Ob es dann eine weitere gute Zusammenarbeit mit Russland gibt oder mit uns und mit dem Westen, das entscheidet sich jetzt und das entscheidet sich in den nächsten Wochen“, sagte Schulze. Deswegen dürfe man jetzt nicht zu lange zögern.

Tiefgang

Können Cyberangriffe den Nato-Bündnisfall auslösen? Darüber wurde im Juli 2022 in Cybersicherheitskreisen diskutiert, als Albanien von iranischen Hackerinnen und Hackern angegriffen wurde. Die Angreifenden veröffentlichten damals albanische Staatsgeheimnisse und Daten von Bürgerinnen und Bürgern. Als Reaktion brach Albanien die diplomatischen Beziehungen zum Aggressor Iran ab.


Albanien ist nicht nur EU-Beitrittskandidat, sondern auch in der Nato. Offiziell heißt es von der Nato, dass auch schwerwiegende kumulierte Cyberangriffe dazu führen können, dass der Bündnisfall nach Artikel 5 ausgerufen wird. Dabei wird ein Angriff auf einen Mitgliedstaat als Angriff auf alle Nato-Mitgliedstaaten gewertet und kollektiv verteidigt – es wäre der Kriegseintritt der Nato. „Artikel fünf ist eine souveräne nationale Entscheidung“, sagte ein hochrangiger Nato-Beamter zu SZ Dossier. Auch wenn die Schwere des Angriffs unter die Definition falle, habe Albanien sich dagegen entschieden, Artikel 5 auszurufen.


Es gebe keine genau definierte rote Linie, ab wann hybride Angriffe auf ein Nato-Land so gravierend seien, dass auf jeden Fall der Bündnisfall aufgerufen werde. Denn was in einem Land oder in einem Jahr als schwerwiegender Cyberangriff gelte, könne schon in einem anderen Jahr nicht mehr als schwerwiegend angesehen werden. Dass offiziell keine rote Linie kommuniziert wird, hat noch einen viel wichtigeren Grund: Sonst würden die Aggressoren und Aggressorinnen mit ihren Angriffen genau bis zu dieser Linie gehen, um den Bündnisfall nicht auszulösen.


Hybride Angriffe nehmen auch in Deutschland immer mehr zu. Mehrfach wurden Unterseedatenkabel manipuliert, die im schlimmsten Fall dafür sorgen könnten, dass kein Zugriff auf das Internet mehr verfügbar ist. Die Sprengung der Nord-Stream-Pipelines hat gezeigt, wie vulnerabel die Gasversorgung ist. Desinformationskampagnen beeinflussen Wahlen und mit sensiblen Daten aus Cyberangriffen werden Unternehmen erpresst.


Gleichzeitig gibt es immer mehr Cyberangriffe auf kritische Infrastrukturen. Beispielsweise hatten im Landkreis Anhalt-Bitterfeld Cyberangriffe zu so vielen Problemen geführt, dass sogar die Bundeswehr Unterstützung dabei leisten musste, die IT-Infrastruktur wieder aufzubauen.


In Deutschland sind viele Angriffe auf Russland zurückzuführen. „Russland und China verschieben das, was im Cyberspace akzeptabel ist“, sagte der hochrangige Nato-Beamte. Die beiden Länder würden dabei immer dreister und aggressiver agieren. Im Vergleich zu einem physischen Schlachtfeld gäbe es im Digitalen keine Friedenszeiten, sondern jeden Tag Reibungen. „Es ist wahrscheinlich der einzige Bereich, in dem wir diesen Ländern täglich von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen.“


Die Nato habe deshalb ein neues, geheimes Konzept für diesen Bereich entwickelt. Denn das Verständnis von Cyberverteidigung habe sich verändert, sagte der Beamte, die Nato müsse dabei proaktiver vorgehen – in Bezug auf die Kooperation der Staaten, auf die Zusammenarbeit mit der Industrie und dem Privatsektor sowie auf politischer Ebene, um den Aggressorinnen und Aggressoren zu signalisieren, was akzeptabel ist und was nicht. Diese müssten in rechtlicher Hinsicht zur Verantwortung gezogen werden.


Albanien wurde jedenfalls 2022 auch ohne die Ausrufung des Bündnisfalls nicht allein gelassen. Wie der Beamte erzählte, habe die albanische Regierung den Nato-Partnern damals klar gesagt, welche Unterstützung sie benötigt. „Dann sind die Verbündeten eingesprungen, haben diese Unterstützung geleistet und repariert, was sie reparieren konnten.“ Hochrangige Vertreterinnen und Vertreter der Nato reisten damals nach Albanien, um ihre Solidarität zu zeigen und um zu signalisieren: Wir nehmen die Angriffe ernst. Selina Bettendorf

Fast übersehen

5.

Satz mit X: So gut wie alle Bundesministerien wollen trotz der Aktivitäten des X-Chefs Elon Musk auf der Plattform aktiv bleiben. Wie eine Umfrage von SZ Dossier unter allen Häusern ergab, schaltet aber kein Ministerium mehr Anzeigen auf X. Am Mittwoch hatten Verteidigungsministerium und Bundeswehr den Rückzug angekündigt und damit eine Debatte angestoßen.


Ebenfalls inaktiv ist derzeit nur das Umweltministerium. „Wir priorisieren aktuell Bluesky und lassen X vorerst ruhen“, sagte eine Sprecherin. Alle weiteren Häuser sind noch aktiv. Oft heißt es, man beobachte die weitere Entwicklung der Plattform, prüfe die Eröffnung weiterer Kanäle. „Die Bedeutung der Plattform X wurde schon seit längerem, aber insbesondere auch aufgrund der aktuellen Entwicklungen, zurückgestuft“, teilte etwa das Familienministerium mit.


Andere werden deutlicher. „Wir dürfen dabei Räume, in denen intensiv mit Desinformation gearbeitet wird, nicht antidemokratischen Akteuren überlassen“, hieß es aus dem Auswärtigen Amt. Das Digitalministerium wolle einen Beitrag leisten, „Echokammern aufzubrechen und über gewohnte Filterblasen hinaus zu informieren“. Das Gesundheitsministerium teilte gar mit, es sei „nicht hilfreich“, Massenmedien auszuklammern. In Regierungskreisen hieß es auch, ein demonstrativer Komplettrückzug von X würde nur die populistische Kritik stärken, die Regierung wolle die Meinungsfreiheit einschränken.


Werbung schaltet offenbar kein Haus mehr. „Seit der Übernahme des Dienstes durch Elon Musk schaltet das BMAS bereits keine Werbung mehr auf X und unterlässt damit eine unmittelbare finanzielle Unterstützung“, hieß es etwa aus dem Arbeitsministerium. Man prüfe derzeit „weitergehende Schritte bis hin zum Verlassen des Dienstes“. Auch das Bundespresseamt gibt kein Geld auf X aus, man ist aber nach wie vor präsent.


Man schielt auf andere Plattformen. So ist das Bundespresseamt mit einem Kanzler-Account auf Tiktok aktiv. Auch andere Häuser – und manche nicht. „Auf Tiktok ist das BMZ nicht mit eigenem Account aktiv, Anzeigen hat es dort in der Vergangenheit vereinzelt geschaltet“, hieß es aus dem Entwicklungsministerium. „Tiktok verwenden wir ausschließlich für die Nachwuchsgewinnung, hierfür werden auch Anzeigen auf Tiktok geschaltet“, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums. Die Antworten von BMF, BMWK, BMI und BMBF lagen bei Redaktionsschluss noch nicht vor, auf X sind aber alle weiterhin aktiv.

6.

Applaus von Rechtsaußen: Wenn am kommenden Montag Donald Trump die Amtsgeschäfte als US-Präsident übernimmt, werden nicht nur die in Washington akkreditierten Diplomatinnen und Diplomaten an der Feier teilnehmen, auch ein ganzer Reigen an rechtspopulistischen Staatslenkern, Politikern und Politikerinnen ist geladen. In den Medien ist bereits von einer „Rechtsaußen-Internationale“ die Rede. Da darf auch die AfD nicht fehlen, dachte man sich wohl im Umfeld des designierten Präsidenten.


Diplomatische Töne: „Der Amtseinführung von Präsident Donald Trump beizuwohnen, zeigt einmal mehr, dass wir unsere interessengeleitete Politik umsetzen“, teilte AfD-Chef Tino Chrupalla am Donnerstag mit. Er reist nach AfD-Angaben auf Einladung aus Kreisen der Republikaner nach Washington, begleitet wird er von Vize-Fraktionschefin Beatrix von Storch. Man stehe mit Kanzlerkandidatin Alice Weidel bereit, ein starker Partner auf dem Kontinent Europa zu sein, so Chrupalla weiter. „Deutschland muss gute und friedliche Beziehungen zu allen Ländern unterhalten.“


Zeichen für „demokratische Kräfte“: Neben Chrupalla und von Storch wird auch der außenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Jürgen Hardt, an der Veranstaltung teilnehmen. Das sagte Hardt der Nachrichtenagentur Reuters. Die Bundesregierung wird durch den deutschen Botschafter in Washington, Andreas Michaelis, vertreten. Der CDU-Außenpolitiker Hardt teilte mit, er habe eine offizielle Einladung erhalten. „Mit meiner Teilnahme setze ich auch ein Zeichen dafür, dass die demokratischen Kräfte in Deutschland auf die Freundschaft mit den USA setzen und sie vertiefen möchten.“

7.

Wahlkampfthema E-Autos: Fast die Hälfte der Unions-Wählerschaft plädiert, anders als Friedrich Merz, für eine Kaufprämie bei Elektroautos. Das zeigt eine repräsentative Umfrage von YouGov für unser Dossier Nachhaltigkeit, über die Fabian Löhe berichtet. Demnach würden 45 Prozent eine solche Subvention eher oder sogar voll und ganz befürworten. 48 Prozent derjenigen, die bei der Bundestagswahl 2021 für die Union gestimmt haben, lehnen sie ab; sieben Prozent sind unentschieden.


Geschlossenheit sieht anders aus: Die Anhängerschaft von CDU/CSU ist damit ebenso gespalten wie die Gesamtbevölkerung (41 Prozent dafür, 48 Prozent dagegen). Auch bei der SPD ist das Wahlkampfthema angekommen. Hier wirbt Bundeskanzler Olaf Scholz mindestens für nationale Impulse, möglichst aber eine „europaweite Initiative“ für Steuervorteile oder Kaufprämien. Allerdings trifft das in der sozialdemokratischen Wählerschaft auf ein geteiltes Echo: 46 Prozent an Befürwortern stehen 42 Prozent mit einer ablehnenden Haltung gegenüber.


Der Hintergrund: Die große Verunsicherung hat sich die Politik selbst zuzuschreiben. Ende 2023 wurde der E-Auto-Boom in Deutschland durch den Wegfall der Kaufprämie innerhalb weniger Tage jäh gestoppt. In der Folge wurde 2024 ein Viertel weniger reine Elektroautos zugelassen; nur 380 000. Das Ziel der Bundesregierung, bis 2030 rund 15 Millionen reine Batterieautos auf deutschen Straßen zu haben, rückt damit in weite Ferne – derzeit sind es etwa 1,4 Millionen. Eine positive Entwicklung dagegen sagt Herbert Diess, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG, voraus. Er sagte gestern auf der DLD-Konferenz in München, E-Autos würden auch hierzulande bald günstiger als Verbrenner sein, der preisliche Kipppunkt sei in China bereits im vergangenen Jahr erreicht worden.

Unter eins

Deswegen ist es für mich wirklich ein Grauen, teilweise zu erleben, wie in Berlin Politik gemacht wird.

CDU-Ministerpräsident Daniel Günther über den Politikbetrieb in der Hauptstadt

Zu guter Letzt

Es war die Woche der Merz-Biografien. Am Montag sind gleich zwei Bücher über den Kanzlerkandidaten der Union erschienen: „Der Unvermeidbare“ von Sara Sievert (Rowohlt) und „Friedrich Merz. Sein Weg zur Macht“ von Volker Resing (Herder). Gabriel Rinaldi hat sie gelesen. Die zwei Hauptstadtjournalisten haben unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt, analysieren aber beide, wie Merz dahingekommen ist, wo er heute steht: kurz vor dem Einzug ins Kanzleramt.


Sieverts Werk ist sehr dicht geschrieben und liest sich bisweilen wie ein Politkrimi. Insbesondere am Anfang und Ende, wo es um K-Frage und Ampel-Aus geht, entwickelt sich das Buch zu einem regelrechten Pageturner. Söder und Merz, schreibt Sievert, hätten sich Anfang August getroffen: Merz habe da zum ersten Mal in aller Klarheit mitgeteilt, was er wolle. „Merz sagt Söder sinngemäß: Ich will es machen. Woraufhin Söder erwidert haben soll: Ich auch“, schreibt sie. Der Rest ist Geschichte.


Die Journalistin lässt viel Hintergrundwissen einfließen, aber auch Interviews mit CDU-Granden wie Wolfgang Schäuble – und freilich auch Merz selbst. Sie zeichnet minutiös nach, wie der Sauerländer nach seinem Comeback zum im Nachhinein „unvermeidbaren“ Kanzlerkandidaten wurde und die Machtarithmetik in der Union zu seinem Vorteil drehte. Resing ist biografischer unterwegs, fokussiert sich auf Merz' frühe Tage. Auf die Zeit als Europaabgeordneter und Fraktionschef unter Merkel, seine Karriere in der Wirtschaft, die Rückkehr an die CDU-Spitze.


Resing wartet mit seiner Erfahrung als langjähriger Korrespondent auf: Seine Beobachtungen insbesondere zu Merz' erster politischer Karriere und seinen anschließenden Tätigkeiten sind zentral, um den heutigen Machtpolitiker besser zu verstehen. Wie Resing schreibt, habe Merz in seinen zwölf Jahren als Wirtschaftsanwalt die Hälfte der Zeit kein Deutsch gesprochen. „Maximale Entfremdung also von der Berliner Blase“, analysiert er. Dabei ergänzen sich beide Bücher ausgezeichnet und zeichnen ein präzises Bild des Mannes, der Deutschlands zehnter Bundeskanzler werden will.


Danke! Dem Team in Berlin, den Kolleginnen in Australien.

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Florian Eder

Leiter SZ Dossier