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Wie Berlin heute nach Washington blickt

Montag, 20. Januar 2025

Guten Morgen. Die ganze Welt schaut heute nach Washington, wo Donald Trump als 47. Präsident der USA vereidigt werden wird. Gewiss ist dann nur noch, dass nichts mehr gewiss ist. Das gilt sowohl mit Blick auf die Verfasstheit der amerikanischen Demokratie als auch hinsichtlich der internationalen Ordnung.


Der neue Mann im Weißen Haus – so viel kann man annehmen – bringt Bewegung ins politische Spielfeld. Und es ist davon auszugehen, dass die Wellen, die er und sein Umfeld lostreten, auch den deutschen Wahlkampf beeinflussen werden. Einige hoffen wahrscheinlich sogar darauf, dass sich nun endlich etwas tut in den festgefahrenen Umfragewerten.


Was jetzt auf das politische Berlin zukommt und wie die Akteure in Deutschlands Hauptstadt nach Washington blicken, darauf schauen wir heute.


Herzlich willkommen am Platz der Republik.

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Was wichtig wird

1.

Auf welche US-Politik man sich in Zukunft einzustellen hat, hat der deutsche Botschafter in Washington den Kolleginnen und Kollegen zuhause schon einmal skizziert. In einem sogenannten Drahtbericht, der unter anderem an das Auswärtige Amt und das Bundeskanzleramt ging und der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, warnt Andreas Michaelis vor „der maximalen Disruption“.


Was sich ändert? Die Agenda Trump 2.0 bedeute „letztlich eine Neudefinition der verfassungsrechtlichen Ordnung“. Die „maximale Machtkonzentration beim Präsidenten“ gehe zulasten des Kongresses und der Bundesstaaten. Demokratische Grundprinzipien würden weitestgehend ausgehebelt, „Legislative, Gesetzesvollzug sowie Medien ihrer Unabhängigkeit beraubt und als politischer Arm missbraucht, Big-Tech erhält Mitregierungsgewalt“.


Was sagt die Chefin? Für einen Diplomaten sind das deutliche Worte. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) verteidigte das Vorgehen gestern allerdings. Es sei der Auftrag der Botschaften darüber zu berichten, worauf man sich bei einem Regierungswechsel einstellen müsse. „Das tut natürlich auch Washington“, sagte Baerbock in der ZDF-Sendung „Berlin direkt“. Die USA seien Deutschlands engster Partner. „Wir wollen weiter eng zusammenarbeiten, aber wir wollen natürlich auch für unsere eigenen Interessen weiter einstehen“, sagte die Außenministerin.


Was plant die Konkurrenz? Trump bekomme von ihm einen handschriftlich geschriebenen Brief zur Amtseinführung, sagte Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz im Podcast „Alles gesagt?“ der Zeit. Er berate sich außerdem mit Nato-Generalsekretär Mark Rutte, sagte Merz. Der Bild am Sonntag sagte er: „Wir sollten die neue Amtszeit von Donald Trump als Chance begreifen, ein neues Kapitel in den europäisch-amerikanischen Beziehungen aufzuschlagen.“ Sollte er Bundeskanzler werden, werde er Trump vorschlagen, einen neuen Anlauf für ein transatlantisches Freihandelsabkommen zu unternehmen.


Vorteil Scholz? In der SPD hält man es derweil wohl nicht für ausgeschlossen, durch den neuen Mann im Weißen Haus noch einen Schub in den Umfragen zu bekommen. SPD-Chef Klingbeil geht davon aus, dass die internationale Lage in diesem Wahlkampf eine Rolle spielt – und die SPD mit Kanzler Olaf Scholz davon profitieren könnte. Trumps Äußerungen etwa zu Grönland seien schon ein Vorgeschmack auf seine Amtszeit gewesen, sagte Klingbeil der Bild am Sonntag. Darauf brauche es auch aus Deutschland „eine kräftige und deutliche Antwort“. Die SPD sei da, glaubt jedenfalls Klingbeil, mit Olaf Scholz im Vorteil.

2.

Die politische Karriere des Grünen-Politikers Stefan Gelbhaar ist vorerst beendet, die damit verbundene Angelegenheit ist es nicht. Im Gegenteil: Kurz vor der Bundestagswahl nimmt sie gerade ganz neue Ausmaße an.


Was ist passiert? Gelbhaar werden sexuelle Übergriffe auf Frauen aus der Partei vorgeworfen. Unter anderem der rbb hatte über den Fall des Grünen-Politikers berichtet und sich dabei auf eidesstattliche Versicherungen der Frauen gestützt, die mit den Journalistinnen und Journalisten des Senders gesprochen hatten. Gelbhaar selbst bestreitet die Vorwürfe und geht juristisch dagegen vor. Noch ist er Bundestagsabgeordneter im Berliner Wahlkreis Pankow, auf der Landesliste der Partei für die kommende Wahl tritt er aber nicht mehr an, eine Abstimmung über die Direktkandidatur hat er vor kurzem verloren.


Nun stellt sich heraus: Mindestens einem Teil der Vorwürfe, die gegen Gelbhaar erhoben wurden, fehlt eine Grundlage: Es bestehen Zweifel an der Identität einer der Frauen, die die Vorwürfe an den rbb herangetragen hatte. Anne K. sei nicht diejenige gewesen, für die sie sich ausgegeben habe, teilte der Sender am Freitagabend mit. „Mit hoher Wahrscheinlichkeit existiert diese Frau gar nicht.“ Zuvor hatte der Tagesspiegel berichtet, die Urheberin einer eidesstattlichen Versicherung, die der rbb dem Landgericht Berlin vorgelegt habe, sei nicht an der Adresse gemeldet, die in der Versicherung angegeben sei. Das habe eine Abfrage im Einwohnermelderegister ergeben. Auch vor Ort sei der Name an Klingel und Briefkasten nicht zu finden.


Falsche Identität: Weitere Recherchen hätten laut rbb zu einer Bezirkspolitikerin geführt, „bei der für uns zweifelsfrei feststeht, dass sie sich in Gesprächen dem rbb gegenüber als Anne K. ausgegeben hat und unter diesem Namen auch eine eidesstattliche Versicherung abgab“. Die Person bestreite dies aber, schreibt der Sender. Damit seien nicht alle Vorwürfe, über die der rbb berichtet habe, nichtig, ein wesentlicher aber schon. Alle auf den Aussagen von Frau K. beruhenden Berichte seien jedenfalls von der Website genommen worden, teilte der rbb gestern mit, der Sender habe Strafanzeige gegen die Person gestellt, „die nach unseren Recherchen die falschen Erklärungen abgegeben hat“.


Erste Konsequenzen: Am Wochenende nun trat die Berliner Bezirkspolitikerin Shirin Kreße bei den Grünen aus und legte ihre Ämter nieder. Sie soll, so schreiben es meine Kollegen Vivien Timmler und Jan Heidtmann, in einer Sitzung des linken Flügels der Berliner Grünen im Dezember berichtet haben, sie wisse von schweren Vorwürfen im Belästigungskontext gegen Gelbhaar. Zu erreichen war Kreße für die SZ nicht.


Krisenkommunikation, so wichtig: Sprechfähig zu dem Thesma war auch Annalena Baerbock gestern nicht. Als ZDF-Moderator Wulf Schmiese sie zu den Entwicklungen im Fall Gelbhaar fragte, wich Baerbock aus. Als Außenministerin könne sie dazu nichts sagen, es gebe gerade andere Herausforderungen weltweit. Die Parteizentrale und die Ombudsstelle der Grünen kümmerten sich aber um die Angelegenheit, sagte Baerbock.

3.

Obwohl ihre Umfragewerte bei einzelnen Instituten zuletzt zaghaft stiegen, liegt die Linke weiterhin durchweg unter der Fünf-Prozent-Marke. Gleichwohl präsentierte sie sich auf ihrem Parteitag am Samstag gut gelaunt.


Keine Zeit verlieren: Gleich zum Start dröhnte der Song: „…Ready For It?!“ aus den Boxen. Auf die Pop-Ikone Taylor Swift konnten sich also schon einmal alle einigen. Das Wahlprogramm nahmen die Delegierten im Anschluss ohne Gegenstimmen und mit einer für die Linken ungewohnt harmonischen Diskussion an. Die Veranstaltung war als „kürzester Parteitag der Geschichte der Linken geplant“. Zeit zu verlieren, hat die Partei ohnehin nicht, wenn sie die Trendwende schaffen will. Und sie wird wissen, dass Streit auf offener Bühne ihre Existenz gefährden kann.


Plan B: Mit der „Mission Silberlocke“ wollen die drei Parteigranden Gregor Gysi, Bodo Ramelow und Dietmar Bartsch den Wiedereinzug über die Grundmandatsklausel sichern. Auch sie bemühten sich demonstrativ um Optimismus und gute Laune: Die drei älteren Herren witzelten gelöst, im frisch produzierten Wahlwerbespot serviert Ramelow grinsend Rostbratwürste. Und der hochgewachsene Bartsch zeigte auf dem Weg zur Bühne immer wieder von oben auf den deutlich kleineren Gysi. Der wiederum machte sich schon einmal Gedanken über seine künftige Rolle im Parlament und liebäugelte damit, als dienstältester Abgeordneter Alterspräsident zu werden. Dann könne er im Bundestag auch einmal „ohne Redezeitbegrenzung“ sprechen.


Mehr als Wunschdenken? Von der Konkurrenz abgrenzen will sich die Linke insbesondere mit dem Thema soziale Gerechtigkeit. Obwohl Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die Wählerinnen und Wähler bereits als „normale Leute“ ansprach, verkauft sich die Linke als einzige Partei der kleinen Leute, die sich wirklich kümmert: Mietendeckel, Abschaffung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel, Hygieneprodukte und ÖPNV, und ein „Energie-Soli“ für Reiche sollen Menschen mit kleinen Einkommen entlasten.

4.

Ab sofort und bis zur Bundestagswahl beobachten wir zusammen mit der Bundesdatenschau, über welche Wahlkampfthemen Abgeordnete twittern – und damit auch, was Gegenstand der Debatten ist. Los geht es mit dem ersten Wahlkampf-Monitor am Platz der Republik.

Wahlkampf-Monitor am Platz der Republik
in Kooperation mitBundesdatenschau

Zur Methodik: Es geht nicht mehr um Likes und Kommentare, sondern darum, was die twitternden Abgeordneten bewegt. Wir blicken quantitativ auf Themen und kategorisieren die Tweets mithilfe eines Sprachmodells. Dazu haben wir eine Liste mit Keywords pro Thema definiert und die Posts mit hoher Ähnlichkeit zu einem bestimmten Keyword dem jeweiligen Thema zugeordnet.


Context matters: Zudem gibt es in jedem Wahlkampf-Monitor ein Spotlight. In dieser Rubrik geht es darum, ein Thema der Woche qualitativ genauer zu erfassen. Heute schauen wir mithilfe einer Wortwolke darauf, welche Wörter im Kontext der Debatte um Sozialbeiträge auf Kapitalerträge verwendet wurden.

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Tiefgang

Mit Donald Trump im Weißen Haus werden auf Deutschland und die EU äußerst unangenehme Entscheidungen zukommen – vor allem im Handel, in der Verteidigung und im Umgang mit China. Schauen wir uns das an.


1. Handel: Trump hat angekündigt, Freunde und Feinde mit Zöllen zu belegen. Im Gespräch sind ein Pauschalzoll von zehn bis 20 Prozent auf alle importierten Waren, sowie ein extra Strafzoll zwischen 60 und 100 Prozent auf Waren aus China. Maßnahmen, die besonders die Exportnation Deutschland treffen würden. Die Süddeutsche Zeitung berichtet unter Berufung auf das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), hierzulande könnten bis zu 300 000 Jobs verloren gehen.


Die EU hat Bidens Amtszeit nicht genutzt. Auch mit einem US-Präsidenten, der als Transatlantiker galt, hat sie die Handelsstreitigkeiten mit den USA über Stahl- und Aluminiumzölle oder grüne Subventionen für Elektroautos nicht gelöst. Unter Trump dürften sich diese Auseinandersetzungen drastisch verschärfen – und zwar schon sehr bald. Die Aussetzung der europäischen Vergeltungszölle gegen die USA endet im März 2025. Spätestens 2026 wird auch der Streit um Subventionen für Airbus und Boeing wieder auf dem Tisch landen. Er gilt als einer der schwierigsten Handelskonflikte zwischen den USA und der EU.


Der Ausweg: Die EU-Kommission will sofort reagieren, sollte Trump tatsächlich Zölle verhängen. Eine interne „Trump Taskforce“ habe eine Liste mit Produkten erarbeitet, auf die Gegenzölle erhoben werden könnten, heißt es. Zuvor setzt man aber auf Verständigung. Das Ziel: Trump aufzuzeigen, dass Amerikaner und Europäer etliche gemeinsame Interessen haben.


Das ist der richtige Weg. Insider erzählen, Trump sei immer offen für Deals. Konkrete Details seien nachrangig, solange Trump seine großen Ziele erfüllt sehe. Ex-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat es 2018 vorgemacht: Er versprach Trump, die EU werde mehr Flüssiggas und Soja aus den USA einführen – und wendete damit Zölle auf EU-Autos ab.


2. Verteidigung: Europa wird sich hinsichtlich seiner Sicherheit und Verteidigung nicht mehr komplett auf die USA verlassen können. In seiner ersten Amtszeit hatte Trump einen Austritt aus der Nato angedroht. So weit wird es wohl nicht kommen. Aber der Fokus der USA wird sich klar verschieben – weg von Europa, hin zu China und dem Indopazifik.


Für das westliche Bündnis kursiert in Washington das Konzept einer „schlafenden Nato“. In der Ukraine könnten die Kampfhandlungen zügig enden, wenn Trump beide Seiten massiv unter Druck setzt. Das Problem wäre dann allerdings der Frieden: Wie soll er aussehen? Und wer soll ihn absichern? An beidem hat Trump kein Interesse. Das müssten die Europäer stemmen.


Das Problem dabei ist: Die Europäer sind weder auf Verhandlungen noch auf die Sicherung eines Waffenstillstandes vorbereitet. Im Hinblick auf Verhandlungen klagen ehemalige Diplomaten, Europa hätte keinerlei Vorbereitungen getroffen. Die zugesagte Erhöhung der Rüstungsausgaben wird erst mit der Zeit zu einer besseren Verteidigungsfähigkeit Europas führen. Vorerst bilden die USA das militärische Rückgrat, das die einzelnen nationalen Fähigkeiten zusammenführt. Aktuell stünden Deutschland und Europa ohne die USA blank da.


Der Ausweg: Wie schon in der Vergangenheit könnte der externe Druck durch Trump die EU aber auch handlungsfähig machen, einzelne Regierungen zusammenführen und mutige Entscheidungen ermöglichen. So schlägt der Verteidigungsexperte und ehemalige Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, vor, Deutschland, Frankreich, Polen und Gleichgesinnte sollten die Initiative für ein sicherheitspolitisches Kerneuropa ergreifen.


An Ideen mangelt es nicht, wie etwa gemeinsame Kredite zur Stärkung einer europäischen Rüstungsindustrie. Auch könnte man Großbritannien wieder enger an die EU binden. Verteidigungsminister Boris Pistorius und sein britischer Amtskollege John Healey haben mit der „Trinity House Vereinbarung“ einen ersten wichtigen Schritt getan.


3. China: Hier liegt der Knackpunkt. Die USA mögen tief gespalten sein – doch beim Thema China finden fast alle Akteure zusammen. Für Washington ist die Volksrepublik die große Herausforderung des 21. Jahrhunderts – in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Technologie. Zwei Szenarien sind denkbar: Die USA und China könnten sich weiter entkoppeln. Es ist aber auch möglich, dass Trump und Xi einen direkten Deal finden. Beides birgt enorme Risiken für Deutschland und Europa. Aber auch Chancen.


Dass Europa – und vor allem Deutschland – sich nicht eindeutig mit Washington gegen China stellt, sorgt in den USA für großen Unmut. Dabei habe die China-Strategie der Bundesregierung eindeutig geklungen. Taten würden jedoch kaum folgen. In Washington heißt es unverblümt: Wenn ihr an der Seite Chinas stehen wollt, dann geht es nicht mehr mit uns.


Worauf es ankommt: In der internationalen Politik sei die Zeit der Wölfe angebrochen, so der Tenor. Leute, die mit Trump zusammengearbeitet haben, erzählen, worauf es jetzt ankomme: Der neue US-Präsident achte starke Anführer, Politiker, die ihren Zusagen Taten folgen lassen, „die abliefern“. Das erklärt auch Trumps Bewunderung für Wladimir Putin, Xi Jinping oder auch Kim Jong-un.


Entsprechend wichtig wäre es, dass die neue Bundesregierung rasch klare Standpunkte einnehme – und selbst aktiv werde, statt über ausbleibende US-Unterstützung zu lamentieren. Denn die wird nicht mehr kommen. Stattdessen sollten Deutschland und Europa ihren riesigen Markt stärken und selbstbewusst mit eigenen Ideen auftreten. Michael Radunski

Fast übersehen

5.

Wieder da: Tiktok war in den USA am Sonntag wieder aufrufbar, nachdem die App zuvor abgeschaltet worden war, um dem in Kraft getretenen Verbot zu gehorchen. Die Wiederherstellung des Angebots wenige Stunden nach dem Abschalten kam, nachdem Donald Trump angekündigt hatte, das Verbot per Dekret wieder rückgängig machen zu wollen. Man sei Trump dankbar, hieß es in einer Mitteilung von Tiktok. Es handle sich um ein „starkes Zeichen für den ersten Verfassungszusatz und gegen willkürliche Zensur“. Mehr von meinem Kollegen Laurenz Gehrke in unserem Dossier Digitalwende.


In letzter Minute: Bis Sonntag hätte das chinesische Unternehmen Bytedance Tiktok an amerikanische Interessenten verkaufen müssen, um einem Verbot auf dem US-Markt vorzubeugen, wie es Trumps Vorgänger Joe Biden vergangenes Jahr veranlasst hatte. Doch ebenfalls am Sonntag schrieb Trump auf seiner Plattform Truth Social: „Ich fordere die Unternehmen auf, Tiktok nicht im Dunkeln zu lassen!“


Trumps Vorschlag: Er werde an seinem ersten Tag im Amt ein Dekret erlassen, um die Zeitspanne zu verlängern, bevor die Verbote des Gesetzes in Kraft treten. Zudem schlug er einen Kompromiss vor: Tiktoks US-Geschäfte sollen in ein Gemeinschaftsunternehmen mit 50 Prozent staatlicher Beteiligung überführt werden. Dann sei Tiktok „in guten Händen“.

6.

Litauen geht voran: Nach Donald Trumps Forderung nach Verteidigungsausgaben von fünf Prozent des BIP stehen die europäischen Nato-Mitglieder unter Druck. Nun hat Litauen als erstes Land angekündigt, sein Verteidigungsbudget ab 2026 auf fünf bis sechs Prozent zu erhöhen. Damit will Vilnius unter anderem den Aufbau einer neuen Armeedivision bis 2030 finanzieren. Dieses Jahr wird Litauen bereits vier Prozent des BIP in die Rüstung stecken, berichtet Christiane Kühl vom Dossier Geoökonomie.


Neuer Schwerpunkt: Der strategische Schwerpunkt der europäischen Nato verlagert sich derzeit gen Norden. Mit Finnland und Schweden sind zwei Länder beigetreten, die eine gesamtgesellschaftliche Verteidigungsfähigkeit („total defence“) sehr ernst nehmen. Die drei baltischen Staaten und Polen liegen ebenso wie Finnland direkt an der Nato-Ostflanke, sie grenzen an Russland oder dessen Vasallenstaat Belarus. Zum Schutz der kritischen Ostseeinfrastruktur starteten sie – gemeinsam mit Deutschland – vergangene Woche die Nato-Operation „Baltic Sentry.


Unruhe durch Russland: Es ist die Region, in der ein etwaiger russischer Angriff beginnen würde – davon gehen Nato-Strategen fest aus. Mit gezielten Nadelstichen löst Russland in der Ostseeregion seit Jahren Unruhe aus. „Die Möglichkeit einer russischen militärischen Aggression bleibt realistisch, aber sie ist nicht unvermeidlich“, sagte Litauens Präsident Gitanas Nauseda. Wichtig seien eine stärkere Verteidigung und Abschreckung, und das verlange eben mehr Geld. Auch Polen will 2025 deutlich über vier Prozent für die Rüstung ausgeben.

Unter eins

Ach Gott, er ist ein angenehmer Gesprächspartner. Aber jetzt sage ich es mal, ist gar nicht persönlich gemeint: Er ist so ein bisschen der Wuschelbär, dessen Gedanken auch manchmal ziemlich wuschelig sind.

Friedrich Merz, Kanzlerkandidat der Union, spricht in einem Podcast der Zeit über seinen Kontrahenten Robert Habeck

Zu guter Letzt

Markus Söder ist bekanntlich Wurst-Fan. Es dürfte ihm daher gefallen haben, was gestern in Friedrich Merz' Geburtsort aufgetischt wurde: In Brilon im Sauerland frühstückten Söder und Merz gemeinsam Weißwürste. Damit war das Wurst-Wochenende der Union komplett. Bereits am Freitag kamen die beiden Parteichefs in Berlin zum Currywurstessen zusammen.


Anlass des Treffens am Freitag war aber ein anderer: Im Haus der Bundespressekonferenz stellte Söder eine Biografie über Friedrich Merz vor. Und er nutzte die Gelegenheit, um – zumindest vordergründig – die Einigkeit der beiden Parteichefs zu demonstrieren. Ihm habe immer schon gefallen, sagte Söder, dass Merz kein Politiker des Durchstechens und der Spielereien sei. „Friedrich Merz ist kantig, ja, aber da weiß man, was man hat“, sagte er. „So wie Persil.“


Und natürlich ging es auch um die bayerische Sonderrolle – historisch wie innerparteilich. „Bayern wollte eigentlich ursprünglich nie ins Reich“, sagte Söder. Man habe dann Angebote bekommen, Sonderrechte. Bayerische Regenten, sagte Söder, hätten seitdem eine „gewisse Geschmeidigkeit“ bei ihren Positionen.


„Wir sind zwar dabei, aber nicht völlig“, sagte Söder. Bayern sei eine Mischung aus Monarchie und Anarchie, was man auch in der Spitze gemeinsam verkörpern müsse. Das sei ein Erfolgsmodell, so sieht es Söder, das auch CDU und CSU übernommen hätten.


Danke! Dem Team in Berlin, den Kolleginnen in Australien.

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Florian Eder

Leiter SZ Dossier