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Nutzungsrechte erwerbenDie Mitte müssen immer die anderen halten
Donnerstag, 30. Januar 2025Guten Morgen. Im Internet kursiert derzeit ein Foto einer Gruppe von Kindern in Begleitung eines Polizisten. Mit dem Bild wurde die Behauptung verbreitet, dass Kindergartengruppen nach dem tödlichen Angriff in Aschaffenburg nun unter Polizeischutz stünden.
Doch die Polizei im unterfränkischen Obernburg am Main, wo das Foto entstanden ist, klärt auf: Die Kinder auf dem Foto waren während eines Ausfluges bloß zu Besuch auf der Dienststelle. „Die Gruppen werden immer zu Fuß am Bahnhof abgeholt und auch wieder dorthin zurückgebracht“, teilt die Polizei auf ihrem X-Account mit.
Das Foto mitsamt der falschen Gerüchte hatten auch Politiker geteilt. Das werden noch dreieinhalb lange Wochen Wahlkampf.
Willkommen am Platz der Republik.
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Was wichtig wird
Der Versuch der Union, für ihre beiden Anträge zur Migrationspolitik auch ohne die AfD-Fraktion Zustimmung zu bekommen, ist gescheitert: Bei der namentlichen Abstimmung am Mittwochabend waren 348 Abgeordnete für den sogenannten Fünf-Punkte-Plan der CDU/CSU-Fraktion, 345 Abgeordnete dagegen. Es gab zehn Enthaltungen. Der „27-Punkte-Plan“, den die Fraktion ebenfalls vorgelegt hatte, fand keine Mehrheit: 509 Nein-Stimmen überstimmten 190 Ja-Stimmen und drei Enthaltungen.
Tabubruch: Das ist ein historisches Ergebnis. Zum ersten Mal wird in der Bundesrepublik eine in Teilen rechtsextreme Partei zur Mehrheitsbeschafferin. Merz und Parteifreunde hatten versucht, über einen Passus im Antrag der AfD die Lust an der Gelegenheit zu verderben: Die Partei sei kein Partner, „sondern unser politischer Gegner“, stand da. Die AfD nutze Probleme, Sorgen und Ängste, um Fremdenfeindlichkeit zu schüren und Verschwörungstheorien in Umlauf zu bringen.
Respice finem: Genutzt hat es nichts, und der Ertrag könnte gering sein. Merz hat es geschafft, sich von Angela Merkel durch Härte abzusetzen, von Scholz und seiner Regierung durch Risikobereitschaft. Der Unterschied zur AfD sollte darin bestehen, dass die Union nicht bloß pöbelt, sondern Unzufriedenheit mit den Verhältnissen in politisches Handeln umsetzt. Der Antrag aber war ein Appell, der Gesetzentwurf am Freitag muss durch den Bundesrat: Die Ausbeute könnte mager bleiben.
„Pfui“: Als Merz vor einer Sitzungsunterbrechung noch einmal ans Rednerpult tritt, schallen ihm „Pfui“-Rufe aus den Reihen der Sozialdemokraten entgegen. Merz versucht erneut, die „Parteien der demokratischen Mitte“ in die Verantwortung für Ergebnis und Fortgang zu nehmen. Wie, lesen Sie weiter unten in unserem Tiefgang und hier in der SZ.
Der Berliner Repräsentant der katholischen Kirche hat Ärger mit seinen Oberen. Die Generalsekretärin der katholischen Bischofskonferenz, Beate Gilles, kritisierte eine Parteinahme gegen die Asylpläne der Union. Die mehrheitliche Meinung im Ständigen Rat der Bischöfe sei gewesen, „dass es in der aktuellen Situation nicht sinnvoll ist, in die Debatte und damit in den Wahlkampf öffentlich einzugreifen“, schrieb sie der Rheinischen Post zufolge gestern an die Diözesanbischöfe.
Krisenkommunikation: Das Vorgehen Karl Jüstens, des Leiters des Katholischen Büros in Berlin, war demnach „in dieser Schrittfolge nicht mit dem Sekretariat abgestimmt“. Die Berliner Vertreter der evangelischen und katholischen Kirchen hatten in einer gemeinsamen Stellungnahme deutliche Kritik an der Union geübt – ein Test auch ihrer verbliebenen Autorität, der Politik Rat in Haltungsfragen zu erteilen.
Kirchen kritisieren Asylpläne: „Zeitpunkt und Tonlage der aktuell geführten Debatte befremden uns zutiefst“, heißt es in dem gemeinsamen Schreiben Jüstens und Anne Gidons, der Vertreterin der evangelischen Kirche. Sie sei dazu geeignet, „alle in Deutschland lebenden Migrantinnen und Migranten zu diffamieren, Vorurteile zu schüren“ und trage nicht zur Lösung der „tatsächlich bestehenden Fragen“ bei. Mehr dazu hier in der SZ.
Obwohl Union, SPD, Grüne und FDP im Plenum harte Debatten führten, gab es auch gestern politische Einigungen zu vermelden: Schon am Montag war ein Bündel von acht Energiegesetzen auf den Weg gebracht worden, auf das sich CDU, SPD und Grüne einigten, nun standen Gewalthilfegesetz und Mutterschutz im Fokus. Wie Unions-PGF Thorsten Frei am Dienstag sagte, könne man diese Woche 27 Gesetze mit der „rot-grünen Rest-Ampel“ zum Abschluss bringen. „Das ist eine Produktivität des Bundestages, wie man es selten zuvor erlebt hat“, sagte Frei.
Gewalt gegen Frauen: Das Gewalthilfegesetz soll einen Rechtsanspruch auf Schutzplätze, etwa in Frauenhäusern, und Beratung bringen. Der Bund beteiligt sich erstmalig an der Finanzierung des Gewalthilfesystems in Höhe von 2,6 Milliarden Euro. Betroffene sollen künftig nicht mehr die Kosten für eine Unterbringung tragen müssen.
„Diese Einigung ist ein historischer Meilenstein in der Frauenpolitik. Wir stellen endlich sicher, dass jede gewaltbetroffene Frau in unserem Hilfesystem den Schutz und die Beratung bekommt, die sie so dringend benötigt“, sagte die CDU-Abgeordnete Silvia Breher SZ Dossier. Keine Einigung gab es bei der Novelle des Gewaltschutzgesetzes, die etwa elektronische Fußfesseln für Gewalttäter vorsah und verpflichtende Anti-Gewalt-Trainings.
Mutterschutz: Dafür hat sich die gleiche politische Konstellation auch auf Änderungen beim Mutterschutz geeinigt. Frauen, die eine Fehlgeburt vor der 24. Schwangerschaftswoche erlitten, mussten sich bisher um eine Krankschreibung bemühen. Die Fraktionen planen nun eine Staffelung des Mutterschutzes ab der 13. Schwangerschaftswoche, um den „körperlichen und seelischen Belastungen von Frauen“ in dieser Situation besser Rechnung zu tragen.
„Jede dritte Frau in Deutschland ist betroffen und jede Fehlgeburt ist individuell“, sagte die Grünen-Abgeordnete Franziska Krumwiede-Steiner. Beschlossen wird der Antrag der Union. „Frauen können fortan selbstbestimmt entscheiden, ob sie sich mit Mutterschutzleistungen körperlich und seelisch erholen, sich krankschreiben lassen oder weiterarbeiten.“
Heute um 17:30 Uhr geht es im Bundestag noch einmal um die AfD, dieses Mal aber nicht darum, ob gemeinsam mit der in Teilen rechtsextremen Partei abgestimmt wird. Im Gegenteil: Auf der Tagesordnung stehen zwei Anträge, die sich mit ihrem Verbot beschäftigen.
Wanderwitz-Antrag: Da ist einerseits der Antrag rund um den CDU-Politiker Marco Wanderwitz. Demnach soll der Bundestag beschließen, beim Bundesverfassungsgericht die Überprüfung der Verfassungswidrigkeit der AfD zu beantragen. Die Gruppe hinter dem Papier setzt sich nach eigenen Angaben fraktionsübergreifend aus 124 Bundestagsabgeordneten zusammen.
Künast-Antrag: Der zweite Antrag ist anders gestrickt. Ihn haben etwa 40 Abgeordnete der Grünen rund um die ehemalige Bundesministerin Renate Künast unterzeichnet. Ihr Plan ist: Bevor ein Verbotsverfahren beantragt wird, sollen dessen Erfolgsaussichten geprüft werden. Der erste Schritt dabei sei, ein umfassendes Gutachten mit belegbaren Quellen zu erstellen, sagte Künast SZ Dossier. „Dieses Gutachten muss die Anforderungen für eine Antragsschrift an das Bundesverfassungsgericht erfüllen. Erörterungen zur Verfassungsfeindlichkeit reichen dabei nicht zur Begründung der Verfassungswidrigkeit.“
Gleiches Ziel: „Unsere Hoffnung war und ist, dass diese Zweistufigkeit mehr Abgeordneten den Schritt ermöglicht, zuzustimmen.“ Union, FDP und Teile der SPD hätten dies aber nicht gewollt. Wichtig bleibe aber, dass beide Anträge das gleiche Ziel haben, sagte die Grünen-Politikerin. 68 Minuten soll heute über die beiden Anträge diskutiert werden. Danach werden beide in den Innenausschuss überwiesen.
Als Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) gestern seinen Jahreswirtschaftsbericht vorstellte, schilderte er eine Sorge, die ihn derzeit umtreibe: Die Bürger, sagte er, könnten darauf kommen, in autoritärer geführten Staaten wie China und neuerdings auch den USA laufe es wirtschaftlich besser als in Europa. Wenn Deutschland Demokratie, Gewaltenteilung, Rechtsstaat und das eigene Wertefundament erhalten und gegen Populisten verteidigen wolle, so Habeck, müsse man diese „Wachstumsschwäche“ überwinden.
Zu den Zahlen: Wachstumsschwäche umschreibt es nur dann gut, wenn man Bundeswirtschaftsminister ist. Nach zwei Rezessionsjahren erwartet die Regierung fürs laufende Jahr nunmehr einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts um 0,3 Prozent; in Worten: knapp über der Schrumpfung und deutlich weniger also als noch vor drei Monaten vorhergesagt. Da waren es noch 1,1 Prozent. Ein solches Plus erwartet die Regierung nun für 2026. Im Bericht selbst steht noch etwas vom „Licht am Ende des Tunnels“. Claus Hulverscheidt hat hier Details.
Zu den Ursachen: Drei Faktoren seien für die Korrektur verantwortlich. Die außenwirtschaftlichen Risiken hätten sich nach dem Wahlsieg Donald Trumps erhöht. Die Regierung habe nach dem Koalitions-Aus ihre Wachstumsinitiative nur zum Teil umsetzen können und die vorgezogene Bundestagswahl habe die politische Unsicherheit verlängert, sagte Habeck. Seine Kritiker würden in beiden Fällen das Gegenteil für zutreffend halten. Habecks Fazit: „Wir kommen mit den etablierten Mitteln, mit denen wir bisher Wirtschaftspolitik betrieben haben, nicht weiter.“
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Tiefgang
Friedrich Merz blickt noch einmal auf die Papiere vor sich auf dem Tisch, blättert die Seiten um, dann schlägt er die schwarze Mappe zu. Gleich wird er sie sich unter den linken Arm klemmen und damit ans Rednerpult des Bundestages schreiten.
Auf den Blättern, die er mit sich trägt, steht eine der wichtigsten Reden, die Merz in seiner politischen Karriere je gehalten hat. Keine vier Wochen sind es mehr bis zur Bundestagswahl. Merz und die Union führen die Umfragen an, baut er keinen gravierenden Schnitzer mehr, ist er bald am Ziel, im Kanzleramt.
Die Gewalttat in Aschaffenburg hat in ihm wieder den Instinktpolitiker hervorgebracht. Er will die Migrationspolitik verschärfen, egal, was kommt, egal, ob die AfD mit ihm stimmt, egal, ob er damit ein Loch in die Brandmauer reißt. Erste Umfragen legen nahe, dass er sich damit auch verkalkuliert haben könnte – nämlich selbst nicht gewonnen und den Gegner links von der Union so geschwächt habe, dass eine Regierungsbildung zu zweit schon fraglich würde. Erst einmal aber steht fest: Merz ist ins Risiko, ist all in gegangen.
Doch vor ihm ist der Kanzler dran. Politik sei kein Pokerspiel, sagt Olaf Scholz. Ein Haudrauf-Merz spielt ihm in die Karten, er kann sich jetzt als den Besonnenen darstellen, als den Vernünftigen im Raum. „Ein Bundeskanzler darf kein Zocker sein“, sagt Scholz. Er wirft Merz vor, im Affekt zu handeln, spricht ihm gleich jegliche Integrität ab; auch das ein Muster.
Die Argumentation des Kanzlers geht so: Taten wie in Magdeburg oder Aschaffenburg hätten mit den bestehenden Gesetzen verhindert werden können. Scholz sieht lediglich ein Vollzugsproblem, da seien auch die Länder in der Pflicht und politische Entscheidungen nicht nötig.
Da wird aus dem Staatsmann der Law-and order-Sozialdemokrat im Wahlkampfmodus. „Deutschland ist das einzige Land in Europa, das es geschafft hat, Straftäter nach Afghanistan abzuschieben“, rühmt sich Scholz, womöglich ein Versuch jene Lücke zu füllen, die die Union hinterlässt. Da klatschen aber nicht einmal in den Reihen der SPD alle Abgeordneten. Er findet dann aber noch ein paar Worte, um die Herzen der Genossen zu erwärmen: „Keinen Fußbreit denen, die Hass und Hetze säen“, sagt Scholz. Er habe alles Nötige veranlasst, alles darüber hinaus: Populismus.
Abgang Kanzler, Aufritt Merz. Am Pult öffnet er seine Mappe, schließt sein Jackett – und wendet sich zuerst an die AfD und an Alexander Gauland. Merz erinnert an die Gedenkstunde zur Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz, kurz zuvor im Bundestag. „Das war Ihr Fliegenschiss, von dem Sie vor Jahr und Tag gesprochen haben“, sagt Merz.
Gänzlich ohne Umweg führt ihn seine Rede dann zu den Angriffen in Magdeburg und Aschaffenburg. Scholz‘ Argument, es gebe ein Vollzugsdefizit, nennt Merz „billig“. Es sei nicht die Aufgabe eines Kanzlers, zu beklagen, „dass die Rechtslage so ist, wie sie ist“, sagt er. „Sie sind doch nicht der oberste Notar dieser Republik.“ Wenn die Gesetze nicht ausreichten, müsse man sie eben ändern. Genau das will Merz: dauerhafte Kontrollen und Zurückweisungen an den deutschen Außengrenzen, das steht in seinem Antrag, über den in dieser Sitzung abgestimmt wird, dem sogenannten Fünf-Punkte-Plan.
Strategisch ist die Angelegenheit für Merz heikel: Zieht er zurück und verhindert, dass die AfD mit ihm gemeinsame Sache macht, steht er als Bluffer da, als einer, der es doch nicht ernst meint. Hinzu kommt: Er geht davon aus, dass er mit einem härteren Migrationskurs die AfD in Schach halten kann.
Also hat er sich entschieden, aufs Ganze zu gehen und persönlich zu werden. Er könne es mit seinem Gewissen nicht mehr vereinbaren, „dass angeblich formale Absprachen“ dazu führen sollen, dass die Union im Bundestag nur Entscheidungen zur Abstimmung stellen dürfe, die vorher die Zustimmung von SPD und Grüne gefunden hätten. Klar, die Bilder von jubelnden und feixenden AfD-Abgeordneten „werden unerträglich sein“, sagt Merz. Aber SPD und Grüne hätten die Wahl, sie könnten zustimmen. „Es ist ihre Entscheidung“, sagt Merz. Er lässt sich jetzt nicht mehr beirren und wähnt die Mehrheit der Gesellschaft hinter sich.
Um 17:37 Uhr gibt Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt das Ergebnis der Abstimmung bekannt: Mit einer Mehrheit von drei Stimmen ist der Entschließungsantrag der Union, der Fünf-Punkte-Plan, angenommen. In den Reihen der AfD applaudieren sie und umarmen sich. In der Unionsfraktion klatscht niemand. Merz geht noch einmal nach vorn, versichert, er suche keine anderen Mehrheiten als die in der demokratischen Mitte des Parlaments.
Wenn es eine solche nicht gegeben habe, bedauere er das. Und dann tut Merz das, was er in den vergangenen Tagen immer wieder getan hat: Er prescht vor. Der CDU-Chef fordert SPD und Grüne auf, mit ihm bis Freitag darüber zu sprechen, wie eine gemeinsame Mehrheit für das Zustrombegrenzungsgesetz möglich sein könnte. Die Verantwortung dafür sieht er bei den anderen. Er geht all in, noch einmal. Tim Frehler, Elena Müller
Fast übersehen
Wer warf die erste Flasche? Die Linken-Bundestagsabgeordnete Gökay Akbulut bleibt bei ihrer Version eines Vorfalls im Zug. „Ich wurde bei der Zugfahrt angegriffen und verletzt, niemand bestreitet das“, teilte sie der dpa mit. Die Stuttgarter Zeitung berichtete zuvor, bevor Akbulut einen Gegenstand an den Kopf geworfen bekam, habe sie selbst erst Mitreisende beleidigt, dann eine Flasche in Richtung einer Gruppe Fußballfans geworfen.
Akbulut bleibt dabei. Die Welt berichtete zudem unter Berufung auf ein internes Memo der Polizei, die Abgeordnete habe am Montag im IC 2048 Fans des VfB Stuttgart unter anderem „Drecksnazis“ und „Missgeburten“ geheißen. Fragen zu ihrem Verhalten auf der fidelen Reise beantwortete Akbulut nicht. „Was ich erlebt habe, habe ich bereits ausführlich geschildert. Nun gilt es, die Ermittlungen der Behörden abzuwarten“, teilte die Abgeordnete mit.
Kein AfD-Vize in Erfurt: Die CDU-Fraktion in Thüringen will den AfD-Politiker Jörg Prophet nicht zum Vizepräsidenten des Landtages wählen. Das gab Fraktionschef Andreas Bühl gestern bekannt.
Der Hintergrund: Die AfD verfügt in Thüringen über eine Sperrminorität und kann damit wichtige Vorhaben blockieren, etwa die Besetzung des Richterwahlausschusses, der dafür zuständig ist, Richter auf Lebenszeit zu berufen. Im Raum stand nun eine Art Tauschgeschäft: Die AfD bekommt einen Vizepräsidenten im Landtag und gibt dafür ihre Blockade auf. Sowohl die Wahl des Vizepräsidenten als auch die der Mitglieder des Ausschusses stehen für die heutige Sitzung auf der Tagesordnung.
Die Provokation: Die AfD schlug für das Amt mit Jörg Prophet allerdings einen Politiker vor, der es den anderen Fraktionen überaus schwer macht, ihn zu wählen. 2020 schrieb Prophet etwa, bei der Befreiung des Konzentrationslagers Mittelbau-Dora und der unterirdischen Rüstungsproduktion hätte sich gezeigt, was die Befreier „scheinbar antrieb: Vorsprung durch Inbesitznahme von Technologien des Tötens, um die eigene Stellung in der Welt zu sichern“.
Der Zeitpunkt: Mit der Wahl des AfD-Politikers hätten die Thüringer Abgeordneten just einen Tag nach der Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus im Landtag einen Mann zum Vizepräsidenten des Parlaments gewählt, dem der Landesverfassungsschutz ein „geschlossenes geschichtsrevisionistisches Weltbild“ attestiert hatte.
Unter eins
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei der Gedenkfeier zur Befreiung des NS-Vernichtungslagers Auschwitz im Bundestag
Zu guter Letzt
Während im Bundestag die Brandmauer bröckelt, bleibt sie in deutschen Schlafzimmern stehen: Einer Umfrage im Auftrag der Hamburger Morgenpost zufolge würde die Mehrheit der Menschen in Deutschland nicht mit Anhängerinnen und Anhängern der AfD Sex haben wollen. Rund 35 Prozent der Befragten finden die in Teilen rechtspopulistische Partei nicht nur unsexy, sondern sogar abtörnend.
Gestellt wurde auch die K-Frage, da zeigt sich aber ein anderes Bild: Unter den Spitzenkandidatinnen und Spitzenkandidaten aller Parteien gilt BSW-Frontfrau Sahra Wagenknecht (21 Prozent) – unabhängig vom Geschlecht der Befragten – als erotischste Wahl, dicht gefolgt von AfD-Anführerin Alice Weidel (20,5 Prozent). Am wenigsten prickelnd für eine gemeinsame Nacht in den Augen der befragten 1000 Menschen im Alter von 16 bis 65 Jahren – und das jedenfalls spricht für sein Kanzlerformat: Olaf Scholz (5,7 Prozent).
Lieben Dank! Dem Team in Berlin, den Kolleginnen in Australien.