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Vierkampf im Bundestag

Mittwoch, 12. Februar 2025

Guten Morgen. So richtig Bewegung will nicht in die Umfragewerte kommen. Zumindest zeigen das die neuen Werte, die YouGov erhoben hat. Die Union liegt demnach – wie in der Vorwoche – bei 29 Prozent, die AfD büßt einen Prozentpunkt ein und steht bei 21 Prozent. Auch die SPD verliert (zwei Prozentpunkte) und kommt auf 16 Prozent. Die Grünen stagnieren bei zwölf Prozent.


Spannender ist es hingegen bei den kleineren Parteien, wo ein Prozentpunkt hoch oder runter den Ausschlag geben kann. Hier kann die Linke ihren Aufwärtstrend bestätigen, sie erhält wie in der Vorwoche sechs Prozent. Einen Punkt runter geht es beim BSW, Wagenknechts Partei steht bei fünf Prozent, die FDP liegt weiterhin bei vier. Veränderungen durch das TV-Duell zeigen sich in den Werten allerdings nicht, dafür wurden die Daten zu früh erhoben.


Wie vor allem Olaf Scholz und Robert Habeck in der letzten Generaldebatte dieser Legislaturperiode versucht haben, das Momentum doch noch auf ihre Seite zu ziehen, darauf schauen wir heute.


Herzlich willkommen am Platz der Republik.


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Was wichtig wird

1.

Die Reaktion der EU auf Trumps 25-Prozent-Zölle auf Stahl und Aluminium fiel am Dienstag erst einmal abwartend aus: Die Kommissionspräsidentin äußerte „tiefes Bedauern“ und kündigte „angemessene Gegenmaßnahmen“ an. Heute werden sich die Handelsminister der Mitgliedstaaten zu einer Videokonferenz zusammenschalten, um darüber zu sprechen, wie diese Gegenmaßnahmen aussehen könnten. Finn Mayer-Kuckuk von unserem Dossier Geoökonomie berichtet.


History repeats itself: Brüssel hat bereits eine Liste amerikanischer Warengruppen vorbereitet, die es mit Gegenzöllen treffen will, wenn die Trump-Zölle am 12. März wie vorgegeben wirksam werden. Noch besteht dort aber die Hoffnung, dass sie sich wegverhandeln lassen. In diese Richtung äußerte sich auch Olaf Scholz. Stahlzölle zwischen der EU und den USA haben eine lange Geschichte, die sich unter Trump 1 zugespitzt hat. 2018 hat er Metall-Produktgruppen im Wert von sieben Milliarden Euro aus Europa mit Zöllen belegt. Die Höhe der Zölle variierte zwischen zehn Prozent auf Aluminium und 25 Prozent auf Stahl.


Auf Wiedervorlage: Die EU hat damals zunächst Gegenzölle erhoben und sie 2021 unter Bidens Präsidentschaft wieder ausgesetzt. Sie lassen sich aber jederzeit reaktivieren. Betroffen waren: Motorräder, Erdnussbutter, Orangensaft, Cranberries, Kidneybohnen, Zuckermais, Reis, Jeans, Zigarren, Zigaretten, Tabak, Bourbon-Whiskey, Kosmetikprodukte, Grillgeräte, Yachten, Spielkarten, Bettwäsche, Messer und Gabeln. Sie sollten besonders Staaten mit vielen Trump-Unterstützern treffen.


Es geht schon wieder los: Schon 2018 begann ein Spiel aus Ankündigungen, Dekreten, vorläufigen Verschiebungen, langfristigen Verschiebungen, Rücknahmen und Wiedereinführungen von Zöllen aufseiten Trumps, je nach Verhalten der Handelspartner. Auf ein solches Szenario stellt sich die EU derzeit ein und versucht, die Erfahrungen von damals zu nutzen. 2018 schloss Trump am Ende eine Reihe von Einzeldeals ab: Neben der EU trafen vier Länder Vereinbarungen mit den USA und erhielten dadurch Ausnahmen von den Zöllen.

2.

Wolfgang Ischinger fordert Europa auf, noch diese Woche zu handeln, um auf den Krieg in der Ukraine Einfluss zu nehmen. „Die Münchner Sicherheitskonferenz ist die Chance für die Europäer, auf den Friedensprozess und auf mögliche Verhandlungen Einfluss zu nehmen und ihre eigenen Überzeugungen einzubringen“, sagte der langjährige Leiter der Sicherheitskonferenz im Gespräch mit unseren Kollegen vom Dossier Geoökonomie. „Sonst besteht die Gefahr, dass wir bei diesem existenziellen Thema übergangen werden.“


Trumps Ukraine-Plan: Auf der am Freitag beginnenden Sicherheitskonferenz will die neue US-Führung ihren Plan für die Ukraine vorstellen. Neben Vizepräsident J.D. Vance und Außenminister Marco Rubio reist deshalb auch Keith Kellogg nach München. Der ehemalige US-General ist Trumps Sondergesandter für die Ukraine und Russland. Kellogg werde in München zumindest erläutern, welche Vorstellungen die neue US-Administration habe und welche Prioritäten und Modalitäten der Trump-Regierung wichtig seien, sagte Ischinger.


Ischinger sieht Europa an einem Scheidepunkt angekommen. Die EU drohe, zwischen den USA, China und Russland zerrieben zu werden. Es sei höchste Zeit, dass Länder wie Deutschland, Frankreich und Polen vorangehen. „Wir brauchen eine schockartige Innovationsbewegung in Europa“, sagte Ischinger.


Wie diese Bewegung aussehen und warum sie erfolgreich sein könnte, lesen Sie heute im vollständigen Interview in unserem Dossier Geoökonomie.

3.

Thorsten Frei, der parlamentarische Geschäftsführer der Union, hat einen Blick auf die Zeit nach der Bundestagswahl gewagt. „Es fällt einem zwar schwer, über den 23. Februar hinaus zu denken“, sagte Frei gestern in Berlin, aber „die Erwartung besteht, dass wir am 24. Februar gegebenenfalls in der Lage sind, die dann notwendigen Schritte zu gehen“. Der Wahlkampf sei darauf ausgerichtet, die Regierung übernehmen zu können.


Keine Hektik: Er wolle zwar nicht den Eindruck erwecken, auf Zeit zu spielen – rechne aber nicht mit schnellen Gesprächen in der Woche nach der Wahl. „Bis man einigermaßen klar sieht, glaube ich, werden einige Tage ins Land gehen“, sagte Frei. Man werde sich wohl deshalb nicht „ins Gehege kommen“ mit der Hamburger Bürgerschaftswahl, die in der Folgewoche stattfindet. Als Zeitpunkt, bis zu dem die Regierungsbildung abgeschlossen sein sollte, nannte er Ostern. Etwas früher wird die erste Sitzung des neuen Bundestages stattfinden: Frei rechnet damit, dass sich das Parlament am 25. März konstituiert, dem letztmöglichen Termin.


New beginnings: Bereits am Dienstag nach der Wahl, dem 25. Februar, ist eine Zusammenkunft der alten Unionsfraktion geplant – und dann die konstituierende Sitzung der neuen Abgeordneten. „Da haben wir immer als ersten Schritt als CDU/CSU-Fraktion, dass die beiden Parteivorsitzenden die Fraktionsgemeinschaft erneuern“, sagte Frei. Anschließend werde der Vorsitzende neu gewählt, der Landesgruppenvorsitzende ebenfalls sowie der übrige Vorstand kommissarisch bestätigt.


Das große Ganze: Was die Union im Falle eines Wahlsiegs nicht diskutieren werde, kündigte Frei an, ist die Besetzung des Kanzleramts. Man werde sich „von niemandem etwas sagen lassen“ und den Kandidaten nicht austauschen. Merz sei eine conditio sine qua non, sagte Frei und wies damit im Regierungsviertel kursierende Gedankenspiele scharf zurück. Den Koalitionsausschuss will er als „besonderes Steuerungsinstrument“ nutzen. Auf die Form des Koalitionsvertrags angesprochen, betonte er, man dürfe sich nicht zu früh „in den Details verlieren“. Es gehe vor allen Dingen darum, ein „grundlegendes Verständnis“ zu entwickeln – das sei anspruchsvoll genug.

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Tiefgang

Zum Start vielleicht ein Blick zurück: Am 26. Oktober 2021 kam der 20. Deutsche Bundestag zum ersten Mal zusammen. Die Sitzung eröffnete Wolfgang Schäuble, im Plenarsaal galt die 3-G-Regel, und zahlenmäßig war der Bundestag so groß wie nie. Nichts davon werden jene Abgeordneten erleben, die sich nach der kommenden Wahl zum ersten Mal treffen. Doch zuvor kam der Bundestag gestern noch einmal in alter Besetzung zur Generaldebatte zusammen. Einen Vormittag lang wurde der Reichstag zur Bühne für die Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfer.


Den Auftakt machte der Kanzler. Und dabei wurde klar, mit welcher Strategie Scholz in die nächsten Tage bis zur Wahl gehen wird: Er suchte die Konfrontation mit seinem Herausforderer Friedrich Merz und folgte seinem Plan, Merz als impulsgesteuerten Affektpolitiker darzustellen. Seine ständigen Kehrtwenden hätten System, sagte Scholz über den CDU-Kanzlerkandidaten. Dabei komme es gerade in Krisenzeiten auf Besonnenheit, Erfahrung und einen klaren Kurs an.


Außerdem ging er Merz und die Union für ihre Steuerpläne an. Die Allerreichsten wolle die Union jährlich um 34 000 Euro entlasten, das sei mehr als eine Friseurin im ganzen Jahr verdiene. Und Scholz zog erneut die Glaubwürdigkeit seines Kontrahenten in Zweifel. Merz habe gezielt auf die Zustimmung der extremen Rechten gesetzt, was den SPD-Politiker zu dem Schluss brachte: „Wenn Friedrich Merz den Kompromiss unter Demokraten zu schwierig findet, dann macht er gemeinsame Sachen mit denen da.“ Gemeint war die AfD.


Der Angesprochene ließ sich nicht provozieren. Auch das passt zu diesem Wahlkampf. Merz weiß: Wenn er auf den letzten Metern die Contenance nicht verliert, kann ihm kaum mehr etwas passieren. Also drehte er den Spieß um: „25 Minuten abgelesene Empörung über den Oppositionsführer“, sagte Merz über Scholz‘ Rede. „Herzlichen Glückwunsch, Herr Bundeskanzler“, schob er hinterher. Während der Kanzler in seine Akten blickte, hielt ihm Merz die Bilanz seiner Regierung vor. Es seien Zeiten ohne Wende geblieben, sagte er mit Blick auf die Ausstattung der Bundeswehr. Auf dem Arbeitsmarkt habe die Regierung „ein schieres Desaster“ hinterlassen.


Es war mehr ein Rückblick denn ein Ausblick, den Merz abgeliefert hatte, eine Abrechnung mit Olaf Scholz. Robert Habeck sah die Lücke, die sich da vor ihm auftat. Die Wahl werde nicht über die Vergangenheit entschieden, sondern darüber, „wie wir die Zukunft gestalten“, sagte Habeck. Also sprach er über den Klimaschutz. 2021 seien sich die demokratischen Parteien immerhin noch hinsichtlich der Ziele des Klimaschutzes einig gewesen, für die kommende Wahl gelte das nicht mehr, sagte Habeck. CDU, FDP und AfD stellten sie nun aus Angst vor der Mühe bei der Umsetzung infrage. Aber, sagte Habeck: „Wir können kein Land haben, das regiert wird von Leuten, die Sorge haben, Probleme anzufassen.“


Es zeigt sich also: Die Kanzlerkandidaten von SPD, Union und Grünen haben für den Endspurt in diesem Wahlkampf ihre je eigenen Gegenpole ausgemacht. Fortan heißt es: Scholz gegen Merz, Merz gegen sein impulsives Ich, Habeck gegen die Vergangenheit und das Verdrängen.


Um Viertel vor elf konnten die drei dann erleben, wie sehr sich die Zeiten seit dem 26. Oktober 2021 verändert haben. Da trat eine Frau ans Rednerpult, die mittlerweile Anspruch auf das Kanzleramt erhebt – und sich und ihrem Publikum ausmalte, was sie mit diesem Land vorhat. „Wie würde ein Deutschland aussehen, in dem die Alternative für Deutschland als Regierungspartei ihr Programm verwirklichen würde?“, sagte Alice Weidel. Der Konjunktiv war angebracht. Mit der in Teilen rechtsextremen Partei will schließlich niemand koalieren.


Die AfD wird – so viel kann man vorwegnehmen – in einer bisher nie dagewesenen Stärke in den Bundestag einziehen. Wenn es dazu noch ein oder zwei Wackelkandidaten über die Fünf-Prozent-Hürde schaffen, wird die Koalitionsbildung reichlich kompliziert. Das könnte am Ende erneut den Politikern am extrem rechten Rand in die Hände spielen. Es lohnt sich also, schon jetzt an den 24. Februar zu denken.

Fast übersehen

5.

Run auf die Linke: 81 210 Mitglieder zählt die Linke inzwischen. Das gab die Partei gestern bekannt. Dem Karl-Liebknecht-Haus zufolge handelt es sich dabei um einen Rekordwert, die Zahl der eigenen Anhänger liege höher als im mitgliederstärksten Jahr 2009. Seit der Wahl der Vorsitzenden Ines Schwerdtner und Jan van Aken Ende 2024 seien mehr als 30 000 Menschen in die Linke eingetreten, davon mehr als zwei Drittel nach dem Sonderparteitag im Januar.


Jung und zur Hälfte weiblich: Das Durchschnittsalter der Neumitglieder seit Januar beträgt laut Parteiangaben rund 28 Jahre, die Frauenquote liegt demnach bei fast 53 Prozent. Bei allen Mitgliedern der Linken liegt das Durchschnittsalter nun bei 43 Jahren.

6.

Die Anstalt ohne Uthoff: Seine offene Unterstützung für die Linke hat für den Satiriker Max Uthoff Konsequenzen. Die Aktion, bei der er gemeinsam mit seiner Frau Tina für die Partei warb, kostete ihn seinen Auftritt in der gestrigen Folge des ZDF-Satiremagazins Die Anstalt. „Grün oder SPD wird nicht reichen, um Merz etwas entgegenzusetzen. Deshalb die Linke“, steht auf einem Plakat mit einem Foto des Paares.


Spezifische Regeln rund um Wahlen: Das ZDF teilte auf Nachfrage mit, die Redaktion und Uthoff hätten sich kurz vor der Aufzeichnung darauf verständigt, die Sendung ohne ihn zu produzieren. „Da Max Uthoff einen öffentlichen Wahlaufruf platziert hat, kann er nach den Regeln des ZDF innerhalb von sechs Wochen vor einer Wahl nicht auf dem Bildschirm auftreten“, schrieb der Sender als Begründung. Zuerst hatte der Journalist Tilo Jung berichtet. Uthoff moderiert das Format seit 2014.

Unter eins

Man kann nicht den Klimawandel leugnen und gleichzeitig ein deutscher Patriot sein.

FDP-Chef Christian Lindner während seiner Rede im Bundestag in Richtung der Abgeordneten der AfD

Zu guter Letzt

Zwischen dem Getöse und Gepolter im Bundestag hielt gestern einer, der sich eigentlich schon zurückgezogen hatte, eine durchaus nachdenkliche Rede. „Der richtige Konflikt darf nicht mit den falschen Argumenten ausgetragen werden“, sagte Kevin Kühnert mit Blick auf die von der Union vor zwei Wochen losgetretene Debatte über die Migrationspolitik. Kühnert redete ruhig, aber mit Nachdruck. Und ohne die Spitzen und Emotionen derer, die im Wahlkampf Stimmung machen müssen.


„Nein, Union und FDP sind keine Faschisten, auch nicht klammheimlich. Man stürmt keine Geschäftsstellen, man zerstört keine Plakate, man droht anderen Menschen nicht“, sagte er in Bezug auf die jüngsten Angriffe auf Politikerinnen und Politiker. Aber: „Ein Bundeskanzler, dessen Mund nur wiedergibt, was sein Ohr zuvor gehört hat, ist nichts anderes als eine Echokammer auf zwei Beinen. Und Echokammern haben wir schon genug in unserer Gesellschaft“, sagte Kühnert in Richtung des CDU-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz.


Unter stehenden Ovationen wurde der einstige Shootingstar der Sozialdemokraten nach seiner Rede verabschiedet. Er hatte sich im vergangenen Oktober aus gesundheitlichen Gründen aus der Politik zurückgezogen und alle Ämter niedergelegt. Für den Bundestag kandiert Kühnert nicht erneut.


Danke! Den Teams in Berlin und Australien.

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Florian Eder

Leiter SZ Dossier