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Scholz unter Druck

Donnerstag, 13. Februar 2025

Guten Morgen. US-Präsident Donald Trump hat gestern mit Wladimir Putin telefoniert. Es sei ein „langes und sehr produktives“ Gespräch gewesen, teilte Trump auf seiner Plattform Truth Social mit. Die beiden haben sich demnach auf „unverzügliche“ Verhandlungen über ein Ende der Kämpfe in der Ukraine geeinigt. Zudem habe Putin ihn nach Moskau eingeladen.


Mit Wolodimir Selenskij, dem Präsidenten der Ukraine, telefonierte Trump erst im Anschluss. Laut Selenskij sei es ein „bedeutsames Gespräch“ gewesen. Trumps Fazit: „Wie Präsident Putin will auch er Frieden schließen.“ Weitere Gespräche zwischen der amerikanischen und ukrainischen Regierung werden am Freitag auf der Münchner Sicherheitskonferenz erwartet.


Putin habe in dem Telefonat darauf bestanden, dass die Konfliktursache beseitigt werden müsse, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Moskaus Sicht: Die Spezialoperation sei unter anderem durch das Streben der Ukraine in die Nato notwendig gewesen. Da passt es doch gut, dass der neue US-Verteidigungsminister Pete Hegseth zuvor in Brüssel unterstrichen hatte, eine Nato-Mitgliedschaft Kyivs sei aus Sicht der USA „unrealistisch“ – so wie auch die Wiederherstellung der Grenzen von vor 2014.


Aus Berlin und Paris kamen recht einheitliche Signale: So sagte Außenministerin Annalena Baerbock, ohne eine ukrainische Beteiligung könne es keine Entscheidung über den Krieg geben. Es sei sehr wichtig, fügte sie hinzu, dass Europa in Bezug auf die Ukraine einig und verhandlungsbereit sei.


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Was wichtig wird

1.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sieht sich eineinhalb Wochen vor der Wahl mit Rassismusvorwürfen durch die CDU konfrontiert. Er soll auf einer privaten Feier Anfang des Monats den schwarzen Berliner Kultursenator Joe Chialo (CDU) als „Hofnarr“ bezeichnet haben. Das berichtete Focus-Chefredakteur Georg Meck gestern auf Focus Online. Der Kanzler wies den Vorwurf, dem Begriff sei eine rassistische Konnotation immanent, zurück. Er beauftragte Medienanwalt Christian Schertz damit, presserechtliche Schritte gegen das Medium einzuleiten.


Der Kontext: Bei der Feier soll es laut Meck einen Dialog gegeben haben, in dem Scholz der Union vorgeworfen habe, ein Bündnis mit der AfD anzustreben. Daraufhin habe Chialo den Kanzler gefragt, ob er dies wirklich ernst meine – schließlich sitze er im Bundesvorstand der Union. Daraufhin habe Scholz gesagt: „Jede Partei hat ihren Hofnarren.“ Scholz verneinte in einer persönlichen Erklärung nicht, den Begriff benutzt zu haben. Der Vorwurf des Rassismus sei jedoch „absurd und künstlich konstruiert“, so der Kanzler. Gestern Abend sagte Scholz dem Spiegel, man könne ihm alles vorwerfen, aber ganz sicher nicht, dass er ein Rassist sei. Nie habe er die „Hofnarr“-Äußerung in Verbindung mit Chialos Hautfarbe gebracht.


Empörung bei der CDU: Scholz‘ Kanzlerkontrahent Friedrich Merz und andere CDU-Politiker reagierten deutlich. Merz sagte am Rande einer Wahlkampfveranstaltung, er sei „wirklich sprachlos“ gewesen, als er von der Geschichte gehört habe. „Das ist der Bundeskanzler, der immer Respekt beansprucht, offensichtlich aber nur für sich selbst“, sagte Merz. Der Vorfall werfe ein Licht auf das Sozialverhalten des Kanzlers. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sagte gegenüber Bild, der Kanzler „verliere die Kontrolle“.


Die Presse hat Schuld! Matthias Miersch, SPD-Generalsekretär und Scholz‘ Wahlkampfmanager, sah keinen Fehler bei seinem Chef. Er warf Focus Online stattdessen „gezielte Kampagnenarbeit im Sinne der CDU“ vor.

2.

Rund die Hälfte der Wählerinnen und Wähler in Deutschland glauben, dass der Wahlkampf sehr oder eher unfair verläuft. Das zeigt eine repräsentative Umfrage von YouGov für SZ Dossier. Auf der anderen Seite denken 34 Prozent, der Wahlkampf verlaufe eher fair und fünf Prozent, er verlaufe sehr fair. Zuletzt hatten die Angriffe gegen Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfer zugenommen.


Deutliche Unterschiede: Vor allem Anhängerinnen und Anhänger der AfD sagen, der Wahlkampf verlaufe unfair. 71 Prozent von ihnen sagen, er sei eher oder sehr unfair. Es folgen Anhänger von FDP (48 Prozent), Grünen (47 Prozent) und Linke (45 Prozent). Am geringsten, aber trotzdem auf recht hohem Niveau, sind die Anteile derjenigen, die bei der vergangenen Bundestagswahl CDU/CSU (42 Prozent) oder SPD (40 Prozent) gewählt haben.

Fast fünf von zehn Deutschen finden Wahlkampf eher unfair
in Kooperation mitYouGov
3.

Robert Habecks Zeitplan geht so: Vor Weihnachten seien die organisatorischen Fragen des Wahlkampfs geklärt worden. Danach, infolge der Attentate in Magdeburg und Aschaffenburg, sei es um Migration gegangen. Jetzt öffne sich die Wahlkampfarena noch einmal. Es ist also Platz für andere, „bisher verschwiegene Themen“. Das sagte der Kanzlerkandidat der Grünen gestern, als er seine Zukunftsagenda vorstellte, seinen Plan für das erste Regierungsjahr.


Sieben Punkte umfasst die Agenda, die Habeck vorgelegt hat. Sie reicht vom Klimaschutz über Wirtschaftspolitik und innere Sicherheit bis zur Verteidigungsfähigkeit Deutschlands und Europas. In seiner Präsentation beschränkte sich Habeck gestern allerdings auf Wirtschaft, Bildung und Klima. Letzteres sieht er ohnehin als „das Zukunftsthema“. In einer Regierung wolle er sich „noch stärker“ darum kümmern, „dass alle Bürgerinnen und Bürger bei der notwendigen Erneuerung mitgehen können“, heißt es in dem Papier.


Subventionen für alle: Förderprogramme sollen demnach so ausgestaltet sein, dass Haushalte mit kleinen und mittleren Einkommen deutlich höhere Beträge erhalten. Außerdem will Habeck so schnell wie möglich ein Klimageld einführen, das Deutschlandticket zu einem Preis von 49 Euro sicherstellen und den Erwerb eines E-Autos unter anderem mit einer 1000-Euro-Tankkarte subventionieren.


Fokus auf Kernkompetenzen: Habecks Ansicht nach sind Themen wie der Klimaschutz im Wahlkampf bislang unter den Tisch gefallen. Er selbst fiel allerdings auch eher mit seinem Vorstoß auf, Sozialabgaben auf Kapitalerträge zu erheben und erregte Aufmerksamkeit mit seiner Sicherheitsoffensive. In Abgrenzung zu Olaf Scholz und Friedrich Merz und in Rückbesinnung auf die eigenen Kernkompetenzen setzt Habeck also im Endspurt auf das Leib-und-Magenthema der Grünen.

4.

Anhänger aller Parteien überschätzen, wie hoch die Inflation in Deutschland in Wirklichkeit ist. Allerdings halten insbesondere diejenigen, die einer Partei am politischen Rand zugeneigt sind, die Inflation für deutlich höher, als sie tatsächlich ist, berichtet Tim Frehler. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), die gestern veröffentlicht wurde.


Wahrnehmung und Wirklichkeit: Gefragt danach, um wie viel Prozent die Verbraucherpreise in den vergangenen zwölf Monaten angestiegen sind, liegt die Antwort im Durchschnitt aller Befragten bei 15,3 Prozent. Anhänger der AfD hingegen gaben im Durchschnitt an, die Verbraucherpreise hätten 2024 um 18,7 Prozent zugelegt. Unter Sympathisanten des BSW liegt der Wert bei 18,1 Prozent, unter Nichtwählern gar bei 24,2 Prozent. Auf der anderen Seite des Spektrums finden sich die Anhänger der Grünen, die sagen, die Verbraucherpreise seien um 10,8 Prozent gestiegen. Tatsächlich lag die Inflationsrate im Jahr 2024 laut Angaben des Statistischen Bundesamts bei 2,2 Prozent.


Woher kommen die Unterschiede? Zu einem Teil ließe sich das soziostrukturell erklären, schreibt das Autorenteam der Studie, Matthias Diermeier und Judith Niehues. Unter den Anhängern der politischen Ränder seien leicht überproportional Menschen mit geringerem Haushaltseinkommen zu finden – also jene, die von höheren Preisen insbesondere bei Lebensmitteln und Sprit stärker getroffen werden.


Die Autoren halten aber eine andere Erklärung für plausibler: „Unsere Untersuchung legt nahe, dass die Anhänger der Randparteien den offiziellen Statistiken misstrauen“, sagte Diermeier. Mehr als zwei Drittel der Anhänger von AfD und BSW sind der Studie zufolge der Ansicht, die Preise, die sie zahlten, seien stärker gestiegen als die amtliche Inflationsrate. Das Thema könne gerade an den Rändern mobilisieren, sagte Diermeier. Unter Sympathisanten von AfD und BSW gebe mehr als die Hälfte an, die Inflation sei eines ihrer drei wahlentscheidenden Themen.


Blick in die USA: Dass die Wahrnehmung der Inflation eine parteiideologische Komponente haben könnte, sei bereits nach Joe Bidens Wahl in den USA Ende 2020 zu erkennen gewesen, heißt es in der Studie. Demnach hätten Republikaner die Inflation jahrelang moderater wahrgenommen als Demokraten. Mit dem Regierungswechsel zu Biden sei die Inflationswahrnehmung der Republikaner aber plötzlich nach oben gegangen und habe die der Demokraten überschritten. Relevante soziodemografische Unterschiede bestanden in der Inflationswahrnehmung nicht, schreiben Diermeier und Niehues.

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Tiefgang

Lars Zimmermann ist das Gesicht des Govtech Campus Deutschland. Über die Jahre hat er sich hier ein großes Netzwerk aus Staat und Wirtschaft geschaffen: Der Campus soll die Plattform sein, auf der Amtsstuben und Big Tech zusammenkommen. „Elf Projekte laufen derzeit, vier haben wir bereits abgeschlossen“, sagte Zimmermann im Gespräch mit SZ Dossier. „Alleine in den letzten sechs Monaten – bis Ende 2024 – sind wir mit der Umsetzung von Tech-Projekten im Umfang von rund 30 Millionen Euro beauftragt worden.“


Doch über konkrete Projekte ist wenig bekannt. Vor mehr als zwei Jahren, in der Startphase, kündigte Zimmermann an, dass alle auf dem Campus laufenden Vorhaben und Aktivitäten transparent aufgelistet werden. Warum ist das bis heute nicht passiert? „Es gibt im öffentlichen Sektor eine gewisse Kommunikationsangst“, sagte Zimmermann, der Teil des dreiköpfigen Vorstands des Campus ist. „Manchmal wollen Ministerien nicht mit Informationen rausgehen und erstmal abwarten, wie Projekte laufen.“ Der Campus versuche, so viel wie möglich über öffentlich zugängliche Kanäle zu kommunizieren.


Zimmermann wird vereinzelt auch immer wieder als Kandidat für Aufgaben in einer kommenden Bundesregierung genannt. In Neuhardenberg war er letztes Jahr bei der Klausur der CDU/CSU-Bundestagsfraktion dabei, referierte dort zum Thema Digitales. Bei der Bundestagswahl 2013 kandidierte er in Berlin-Pankow für die CDU. „Wir werden von allen Parteien nach unserer Einschätzung und Meinung gefragt“, sagte Zimmermann. „So war ich auch in Neuhardenberg dabei, bin aber auch bei anderen Parteien eingeladen.“ Ob er einen Posten in der Bundesregierung übernehmen könnte, wollte er auf Nachfrage nicht kommentieren.


Generell gab es in der Vergangenheit immer wieder Kritik, dass der Govtech Campus eine leichte Schlagseite Richtung Union habe. Neben Zimmermann ist der ehemalige saarländische Digitalbeauftragte und Unternehmer Ammar Alkassar ein zentraler Akteur. Zudem sitzt auch Bundes-CIO Markus Richter, ebenfalls CDU-Mitglied, im Vorstand. „Der Campus hat nichts mit Parteipolitik zu tun“, sagte Zimmermann. „Wir arbeiten mit allen Regierungen in Bund und Ländern zusammen.“


Fazit zur laufenden Legislaturperiode? „Die Ampel steht in der Tradition der Regierungen davor“, sagte Zimmermann. „Das Thema Digitalisierung wurde nicht richtig angefasst.“ E-Government komme eigentlich aus den 2000er-Jahren, da haben andere Staaten die Weichen gestellt. „Wir sind bis heute nicht so weit“, was nicht viel mit der Ampel, sondern grundsätzlicheren Problemen zu tun habe. „Was wir hier betreiben, nenne ich immer Verwaltungsdigitalisierungsverwaltung“, sagte Zimmermann. „Das Ganze ist ein abgeschlossenes System, das sich mit sich selbst beschäftigt.“


„Wir sind gescheitert, so ehrlich müssen alle mal sein“, so der Campus-Vorstand. „Ein Digitalministerium hat keine Wirkung, wenn niemand die Strukturen infrage stellt.“ Zu viele Akteure redeten mit. „Verwaltungsdigitalisierung ist ein politischer Prozess, der endlich mal politisch geführt werden muss.“ Deutschland habe zudem verlernt, kalkulierbare Risiken einzugehen. Als Beispiel nannte er die Debatte um einen neuen IT-Staatsvertrag, über deren Details SZ Dossier im Herbst mehrmals exklusiv berichtete. „Das wäre genau so ein Fall, bei dem man es rechtlich darauf ankommen lassen hätte sollen.“


Auf europäischer Ebene sieht Zimmermann ebenfalls Handlungsbedarf. „Wir müssen uns auf uns selbst konzentrieren“, sagte er zu den Debatten um Donald Trump und Elon Musk. „Dass Europa und Deutschland da stehen, wo wir stehen, liegt allein an uns.“ Europa dürfe nicht ausschließlich auf Entwicklungen in anderen Staaten reagieren, „Wir werden international nicht bestehen, wenn wir nur die regulative Seite bedienen“, sagte Zimmermann. „Wer technologisch nichts anzubieten hat, wird künftig in internationalen Verhandlungen scheitern.“


Die zentrale Aufgabe für den Campus in dieser Legislaturperiode sei gewesen, eine inhousefähige Struktur für Bund, Länder und Kommunen zu bauen, über die Tech-Lösungen entwickelt und nachgenutzt werden könnten, sagte Zimmermann. „Das Ziel ist erreicht: Neben dem Bund sind 13 Bundesländer dabei und tragen als ordentliche Mitglieder gemeinsam den Govtech Campus.“ In diesem Jahr werde zudem ein Mitgliedermodell eingeführt, über das sich Kommunen direkt anbinden können.


Und wie läuft die Produktentwicklung über den Campus konkret ab? „Der beispielhafte Ablauf sieht so aus: Ein Ministerium oder eine andere öffentliche Stelle kommt auf uns zu und sagt, vor welcher Herausforderung sie steht“, sagte Zimmermann. Dann stellten die Campus-Experten Fragen. Manchmal gebe es bereits eine passende Lösung, dann müsse nichts entwickelt werden.


Die Vergabe der öffentlichen Stellen an den Campus funktioniert ausschreibungsfrei, sofern der Auftraggeber Mitglied ist. Wenn der Campus den Auftrag an den Markt weitergibt, greife hingegen das öffentliche Ausschreibungsrecht. „Dann setzen wir das Projekt gemeinsam um.“ Ein Ziel des Campus: Die entwickelten Lösungen sollen nicht nur für den einzelnen Auftraggeber funktionieren, sondern von anderen Verwaltungen nachgenutzt werden.


Wie es dann sein kann, dass bei KI viele Bundesländer eigene Wege gehen? „Wir können den Ländern nicht verbieten, Dinge selbst zu machen“, sagte Zimmermann. Der Bedarf, künftig stärker gemeinsam zu entwickeln, steige aber ohnehin, allein schon aus haushälterischer Sicht. „Auch wirtschaftsstarke Länder müssen sich mittlerweile ganz schön strecken, um ihre Haushalte aufzustellen.“ Matthias Punz


Dieser Tiefgang erschien zuerst in unserem Dossier Digitalwende, wo ihn Abonnentinnen und Abonnenten in einer ausführlicheren Fassung bereits gestern lesen konnten.

Fast übersehen

5.

Investitionen in die Gesundheit führen zu Wachstum. Das ist die Kernbotschaft eines Papiers, das heute veröffentlicht wird. Ein Zusammenschluss von Gesundheitsexperten und Medizinverbänden, unter anderem Dennis Ostwald vom Wifor Institute, Ruth Hecker vom Aktionsbündnis Patientensicherheit und Annette Hempen vom Bundesverband der Arzt-, Praxis- und Gesundheitsnetze (Ada) hat einen Handlungsaufruf an die kommende Bundesregierung formuliert, der SZ Dossier vorab vorliegt.


Status quo: Zuletzt sei diskutiert worden, die Finanzierungslücke im Gesundheitssystem durch steigende Beitragssätze zu schließen. Die Autorinnen und Autoren argumentieren jedoch, dass auch die Auswirkungen der Sozialabgaben auf die Wirtschaft betrachtet werden müssen. Die Abgabelast liege schon jetzt bei 42,5 Prozent, bis 2035 drohe einer Projektion zufolge ein Satz von rund 49 Prozent.


Lösungsvorschläge: Die Fachleute fordern, dass Gesundheit als zentraler Bereich bei der Priorisierung öffentlicher Ausgaben etabliert wird. Die Finanzierung soll künftig durch den Beitrag der Gesundheitswirtschaft zum Bruttoinlandsprodukt selbst getragen werden – ohne Mehrbelastung für die Versicherten. Die Experten fordern eine zudem verstärkte Ausrichtung zugunsten der Prävention. Sie führen etwa steuerpolitische Maßnahmen an, die „gesündere Produkte und Lebensstile“ entlasten und „gesundheitsschädliche Produkte stärker belasten“.

6.

Mehr Sicherheit durch Klimaschutz: Annalena Baerbock (Grüne) sagte zur Veröffentlichung der Nationalen interdisziplinären Klima-Risikoeinschätzung (Nike-Studie), Klimaschutz sei „harte Sicherheits- und Geopolitik“. Wer Klimaschutz schleifen lasse, bedrohe die Existenzgrundlage von Menschen, ihren Wohlstand, die innere Stabilität in Deutschland und Europa und setze die globale Sicherheit aufs Spiel, sagte die Außenministerin. BND-Präsident Bruno Kahl bezeichnete den Klimawandel als eine der „fünf großen externen Bedrohungen für unser Land“.


Schäden in Billionenhöhe: Der ebenfalls gestern erschienene Climate Risk Index der NGO Germanwatch führt mehr als 18 000 Todesopfer auf, über 500 000 Betroffene und knapp 127 Milliarden Dollar Schäden durch Extremwetter binnen 30 Jahren – allein in Deutschland. Von 1993 bis 2022 seien laut des Berichts zudem weltweit direkte ökonomische Schäden in Höhe von rund 4,2 Billionen US-Dollar entstanden. Studienautorin Laura Schäfer appellierte vor dem Start der Münchner Sicherheitskonferenz an die Staats- und Regierungschefs, sie könnten die sicherheitspolitischen Herausforderungen nicht diskutieren, ohne auch den Klimawandel zu adressieren.

7.

Es sah aus wie bei einem Staatsbesuch: Flaggen im Hintergrund, an den Rednerpulten in Budapest standen Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán und AfD-Chefin Alice Weidel. Für Weidel war es ein Coup. Wenige Tage vor der Wahl empfing sie ein europäischer Regierungschef an seinem Amtssitz und trat mit ihr gemeinsam bei einer Pressekonferenz auf. Wie die dpa berichtet, soll es am Dienstagabend auch ein gemeinsames Abendessen gegeben haben.


Beziehungen vertiefen: Weidel bedankte sich sodann auch bei Orbán, dass er ihrem Wunsch nach einem Treffen entsprochen habe und bezeichnete sein Land als Vorbild. Ungarn sei „das Bollwerk gegen illegale Migration“, sagte Weidel. Orbán wiederum kündigte an, seine bisher eher „vorsichtigen“ Beziehungen zur AfD vertiefen zu wollen. Seine Zurückhaltung begründete er damit, für sein Land sei es von vitalem Interesse gewesen, gute Beziehungen zu jeder deutschen Regierung zu haben. Aber jetzt ändere sich eben alles, sagte Orbán, offensichtlich gehöre der AfD die Zukunft.


Millionen geerbt: Darüber hinaus wurde gestern bekannt, dass die AfD eine Erbschaft in Millionenhöhe erhalten hat. Der Spiegel berichtete unter Berufung auf den Rechenschaftsbericht der Partei für das Jahr 2023, die frühere Parteispenderin Helga Schwab aus Berlin-Dahlem habe dem Bundesverband der AfD ein Vermögen in Höhe 5 957 969,66 Euro vermacht. Außerdem sei die in Teilen rechtsextreme Partei Eigentümerin von zwei Mehrfamilienhäusern in Berlin-Dahlem und Berlin-Schöneberg geworden, deren Wert sie mit zwei beziehungsweise 2,15 Millionen Euro angegeben habe. Inwieweit die Immobilien mit der Erbschaft zusammenhängen, sei noch unklar, schreibt der Spiegel.

Unter eins

Während die Deutschen mehrheitlich glauben, dass ihr Land im nächsten Jahrzehnt an Einfluss verlieren wird, gehen Mehrheiten in den meisten anderen Ländern davon aus, dass Deutschlands Einfluss zunehmen wird.

Tobias Bunde und Sophie Eisentraut von der Münchner Sicherheitskonferenz in einem Gastbeitrag für die SZ

Zu guter Letzt

Die Kleinstpartei Volt kämpft nach eigenen Angaben um den erstmaligen Einzug in den Bundestag, berichtet Moritz Jägemann. Dabei mangelt es den Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfern gewiss nicht an Selbstbewusstsein: Spitzenkandidatin Maral Koohestanian, zurzeit noch Dezernentin der Stadt Wiesbaden, bezeichnet sich auf Instagram selbst als „die jüngste Kanzlerkandidatin“, Parteigründer Damian Boeselager sprach vor einigen Wochen von sieben Prozent als Wahlziel.


Ein aktuelles Youtube-Interview des Journalisten Tilo Jung mit Koohestanian wirft jedoch Zweifel an den hochgesteckten Ambitionen der Partei auf. Als Jung die Politikerin mit Zitaten aus dem Wahlprogramm konfrontierte, schien Koohestanian stellenweise irritiert über die eigenen Forderungen. „Das ist aber nicht aus dem Wahlprogramm, oder?“, antwortete Koohestanian auf die Frage, weshalb Volt französische Atomwaffen auch in Deutschland stationieren wolle. Wenn man sie frage, und das tat Jung nun mal, sei sie komplett gegen Atombomben.


Jung fragte auch nach Rüstungsexporten, dazu habe er nichts im Wahlprogramm gefunden. „Ist auf jeden Fall ein Thema“, leitete Koohestanian ein. „Wenn du mich persönlich fragst, würde ich sagen: Lass es nicht machen, bitte, lass einfach nicht weiter aufrüsten, lass es nicht so ein Riesenbeitrag zu unserer Wirtschaft sein“, führte sie aus. Aber es gebe „krasse Themen“, mit denen man sich auseinandersetzen müsse. Auf die Nachfrage, ob Volt auf das mit vielen negativen Kommentaren bedachte Interview reagieren würde, bekam SZ Dossier keine Antwort. Das Format wurde vonseiten der Partei jedenfalls nicht beworben.


Grazie mille! Dem Team in Berlin, den Kolleginnen in Australien.

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Florian Eder

Leiter SZ Dossier