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Wie das Geld jetzt auf die Straße kommt

Donnerstag, 6. März 2025

Guten Morgen. Der Bundeskanzler reist heute nach Brüssel zum EU-Gipfel. Gestern hat Olaf Scholz dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj die „anhaltende und unverbrüchliche Solidarität Deutschlands mit der Ukraine“ versichert.


Er überbringt die Botschaft. In Deutschland aber trifft nicht mehr der amtierende Regierungschef die Entscheidungen für die Zukunft. Das tun andere, vorneweg sein designierter Nachfolger Friedrich Merz und der neue starke Mann in der SPD, Lars Klingbeil.


So hat Scholz zwar heute Milliarden Euro im Gepäck, ein Abschiedsgeschenk. Die Früchte einer Einigung in Brüssel könnte dann Merz genießen.


Willkommen am Platz der Republik.

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Was wichtig wird

1.

Heute und morgen wird wieder sondiert. Parallel dazu steht der Fahrplan für die von Schwarz und Rot vorgeschlagenen Grundgesetzänderungen. Wie SZ Dossier aus Parlamentskreisen erfuhr, soll die erste Lesung nächste Woche stattfinden. Die Debatte ist demnach am 13. März geplant, die abschließende Abstimmung am 18. März. Wenn es nach den Sondiererinnen und Sondierern geht, soll dann am 21. März der Bundesrat über die Änderungen abstimmen.


Gesprächsbedarf: Bereits am 10. März soll eine Fraktionssitzung der Union stattfinden, eine zweite am 13. und eine dritte am 17. März. Auch die anderen Fraktionen werden Gesprächsbedarf haben, die SPD wollte zuletzt am 10. und 14. März tagen. Zudem müssen in diesem Zeitfenster auch die entsprechenden Ausschüsse über die Gesetze beraten: Eine Anhörung im Haushaltsausschuss soll laut eines Papiers aus CDU-Kreisen am 13. März stattfinden. In der laufenden Woche dürfte es hingegen weitere Verhandlungen mit den Grünen geben, die auch mit Blick auf den weiteren Verlauf vertraulich gehalten werden und parallel zu den Sondierungsgesprächen laufen.


Merz in Brüssel: Friedrich Merz hat sich gestern mit Bundeskanzler Olaf Scholz getroffen. Ebenfalls dabei waren die SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil und Saskia Esken sowie Alexander Dobrindt. Laut des Regierungssprechers diente das Treffen unter anderem der Abstimmung vor dem EU-Sondergipfel zur Sicherheitslage in Europa. Merz reiste auch nach Brüssel, um der Vorbesprechung der christdemokratischen Regierungschefs beizuwohnen. Außerdem traf er gestern Nato-Generalsekretär Mark Rutte.


Bas am Zug: Heute kommt auch der Ältestenrat des Bundestages zusammen, um über die Tagesordnung zu sprechen. Erwartet wird, dass Bundestagspräsidentin und SPD-Sondiererin Bärbel Bas im Einvernehmen mit dem Gremium die zwei Sondersitzungen des Hohen Hauses einberuft. Nota bene: Es geht hier um den Ältestenrat der „alten“ Legislaturperiode.

2.

Opposition ist Mist, hat Franz Müntefering einmal gesagt. Aber wie so vieles ist auch das nicht mehr eindeutig. Aktuelles Beispiel: die Grünen. Just vor ihrem Wechsel in die Opposition können sie noch über Wohl und Wehe der künftigen Koalition entscheiden. Ob sie Union und SPD aber zur Zweidrittelmehrheit verhelfen, ließen die beiden Fraktionsvorsitzenden, Katharina Dröge und Britta Haßelmann, gestern im Ungefähren. „Wir haben dazu viele Fragen“, sagte Dröge nach einem Gespräch mit Friedrich Merz.


Knackpunkt Klima: Die Grünen stören sich unter anderem daran, dass in den Plänen von Union und SPD die Schuldenbremse nicht gleich grundlegend überarbeitet wird. Es sei „Realitätsverweigerung, jetzt auf kurze Sicht Probleme mit Geld in Form von Sondervermögen zuzukippen“, sagte die Bundestagsabgeordnete Karoline Otte SZ Dossier. Darüber hinaus erwarten die Grünen ein Entgegenkommen beim Thema Klima. Auch da gelte, „dass erhebliche Mengen Geld bewegt werden müssen“, sagte Otte. Die korrekte Schlussfolgerung sei also eine Reform der Schuldenbremse.


Keine Bewerbung: Dröge und Haßelmann werden aller Voraussicht nach auch weiterhin die Fraktion führen. Annalena Baerbock, die als Bewerberin für die Fraktionsspitze galt, gab gestern in einem Brief an die Abgeordneten der Grünen bekannt, „erst einmal einen Schritt aus dem grellen Scheinwerferlicht zu machen“ und sich nicht für ein führendes Amt in der Fraktion zu bewerben.


Kein Abschied: Die intensiven Jahre „auf Highspeed“ hätten auch einen privaten Preis gefordert, schrieb Baerbock, sie habe die Entscheidung daher aus „persönlichen Gründen“ getroffen. Ein Abschied sei das Ganze aber nicht. Baerbock habe ihr Bundestagsmandat angenommen, schrieb der Spiegel, der zuerst über den Brief berichtet hatte. Einen Ausschussvorsitz strebe sie aber nicht an. Nach ihrer Zeit als Außenministerin wolle sie sich um ihre Familie kümmern, heißt es in dem Bericht.

3.

Heute treffen sich die EU-Staats- und Regierungschefs zum Gipfel in Brüssel. Dringlich – und zum ersten Mal vollzählig, seit das transatlantische Verhältnis so eskalierte. Das ist gut, denn wenn eine gemeinsame Erklärung zustande kommt, spricht sie für 440 Millionen Europäerinnen und Europäer. Der Nachteil: Die unterschiedlichen Geschwindigkeiten, die die jüngsten Treffen in Paris und London prägten, sind im Europäischen Rat nicht vorgesehen.


Auf der Tagesordnung unter anderem: Die ersten Reaktionen stehen an auf den Plan zur „Wiederbewaffnung“ Europas, den Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Dienstag öffentlich gemacht hatte. Er sieht eine 150 Milliarden Euro schwere Kreditlinie für Mitgliedsstaaten als Garantie vor, die die zur Verfügung stehende Summe über den Einsatz privaten Kapitals auf insgesamt bis zu 800 Milliarden Euro hebeln soll.


Parallelen: Wie in Deutschland auch, sollen gewisse Verteidigungsausgaben nicht mehr auf europäische Schuldenregeln angerechnet werden. Eine zweite Debatte wird auch in Deutschland längst geführt: Da die EU mitten in der Haushaltsperiode Geld vor allem umwidmen, aber kaum neues beschaffen kann, gingen erhöhte Verteidigungsausgaben auf Kosten anderer Töpfe, wie die Kohäsionsmittel. Das wollen diejenigen nicht, die im großen Stil davon profitieren.

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Tiefgang

Union und SPD wollen Geld ausgeben, viel Geld. Das allein ist aber noch kein Plan. Es wird in naher Zukunft auch darum gehen müssen, Strukturen dafür zu schaffen, dass die Mittel abfließen können. Außerdem muss geklärt werden, wofür die Milliarden überhaupt ausgegeben werden sollen. Denn klar ist auch, dass mit der Entscheidung vom Dienstagabend die Begehrlichkeiten wachsen.


Forderungen und mögliche Fallstricke:


Militär zuerst: In der Rüstungsindustrie wird – kaum überraschend – aufgeatmet. „Diese Entscheidung wirkt wie eine Art Befreiungsschlag“, sagte Hans Christoph Atzpodien, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV).


Atzpodien geht davon aus, dass die Bedarfe der Bundeswehr steigen werden. „Die Konsequenz ist, dass die europäischen Nato-Länder mehr als bisher für ihre eigene Rüstung sorgen müssen und dies eine Welle neuer Bestellungen bei der europäischen und vor allem auch der deutschen Rüstungsindustrie auslösen wird.“


Zudem müsse man die Lieferketten im Blick haben, gerade bei bestimmten knappen Ressourcen. Atzpodien forderte auch eine „Rüstungsgüter-Mangellage“, damit etwa neue Fabriken schneller errichtet werden können: Insgesamt müssten die regulatorischen Rahmenbedingungen für neue Produktionskapazitäten verbessert werden.


Der Sozialdemokrat Johannes Arlt ist Berufsoffizier der Luftwaffe, Verteidigungsexperte und Mitglied des noch im Amt befindlichen Wirtschaftsausschusses des 20. Bundestags. Unter anderem dort soll in der kommenden Woche der „atmende“ Deckel für die Verteidigungsausgaben und das Infrastruktur-Sondervermögen beschlossen werden.


Die Befürchtung, dass in der Beschaffung jetzt wegen des Prinzips „no limits“ alles teurer wird, teilt Arlt nicht. „Dieser gewisse Beißhunger, den es gibt, wenn die Ressourcen knapp sind, wird wegfallen, wenn die Nachfrage nach Rüstungsgütern planbar größer wird“, so Arlt. Dafür sei es aber wichtig, Pläne für die kommenden zehn bis 15 Jahre aufzustellen, um der Industrie Sicherheit zu geben und Lieferketten aufzubauen.


Die Rüstungsindustrie stimmt ihm zu: Hilfreich wäre es, wenn die europäischen Kunden ihre Bedarfe bestmöglich harmonisieren könnten: „Die Industrie braucht jetzt klare Ansagen, von welchen Produkten man wie viel in welcher Zeit als Output erwartet“, sagte Atzpodien. Wenn dies klar sei, werde sie auch liefern.


Wichtig sei zudem, das 2023 reformierte Vergaberecht weiter zu öffnen, um schnell beschaffen zu können, sagt Arlt. Dieses regelt, dass Vergabeverfahren etwa nicht losweise ausgeschrieben werden müssen. Heißt: Projekte müssen für die Vergabe nicht mehr zersplittert werden, sondern können als Ganzes ausgeschrieben werden. Das beschleunigt die Anschaffung.


Positive Erfahrungen dieser Reform von 2023 sollen nun auf andere Bereiche übertragen werden, sodass ein schnelleres Planungs- und Vergabeverfahren beispielsweise auch im Bau- oder Verkehrsbereich angewendet werden kann.


Damit ist man beim Thema Infrastruktur: Dort „nur“ mehr Geld zur Verfügung zu stellen, wird nicht alle Probleme lösen. Im Bereich Bauen sei etwa das Vergaberecht ein Problem, sagt Uwe Zimmermann, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes.


Weil Projekte europaweit ausgeschrieben werden müssen, dauerten Verfahren teilweise monatelang. Zimmermann plädiert daher dafür, die Schwellenwerte für die Vergabe „signifikant“ nach oben zu setzen, kleinere Bauvorhaben müssten dann nicht mehr europaweit ausgeschrieben werden.


Zimmermann spricht jedoch angesichts der ersten Verhandlungsergebnisse von einem „guten Anfang“. Wichtig sei es aber, die Finanzierung langfristig sicherzustellen, also über die zehnjährige Laufzeit des Sondervermögens hinaus. In den Städten und Gemeinden gibt schließlich auch einiges aufzuholen. Laut dem KfW-Kommunalpanel lag der Investitionsrückstand dort im Jahr 2023 bei 186 Milliarden Euro.


Damit die Mittel, die Union und SPD vorhaben auszugeben, auch wirklich ankommen, braucht es noch etwas: Personal. Sowohl in den Unternehmen als auch in den Städten und Gemeinden fehle es an Fachleuten, sagt Zimmermann. Erst mit einer langfristigen Finanzierung sei Personalsicherheit möglich. „Denn qualifiziertem Personal müssen wir natürlich eine langfristige Beschäftigungsperspektive bieten können.“ Tim Frehler, Elena Müller, Gabriel Rinaldi

Fast übersehen

5.

Kein politisches Motiv: Bei dem Tatverdächtigen der Todesfahrt von Mannheim liegen nach Angaben der Polizei keine Erkenntnisse für ein politisches Tatmotiv vor. Zuvor war bekannt geworden, dass der 40-Jährige im Jahr 2018 womöglich Kontakte ins rechtsextreme Milieu unterhielt.


Psychische Erkrankung möglicher Grund: Abfragen der Ermittler bei verschiedenen Nachrichtendiensten hätten allerdings zu keinen extremismusrelevanten Rückmeldungen geführt, berichtet die dpa. Gemäß den bislang vorliegenden Erkenntnissen sei davon auszugehen, dass bei dem Tatverdächtigen eine psychische Erkrankung vorliege, teilte das Landeskriminalamt am Mittwochnachmittag mit.

6.

Noch mehr Druck aus Washington: Donald Trump hat die Ukraine auch vom Informationsaustausch mit den USA abgeschnitten. Das bestätigte CIA-Direktor John Ratcliffe auf Fox Business. So wolle man die Ukraine zu bringen, den Plänen der Trump-Regierung zur Beendigung des Krieges zuzustimmen, berichtet Michael Radunski in unserem Dossier Geoökonomie.


Fotos von der Front: Den Stopp der US-Militärhilfen kann die Ukraine vorerst auffangen, einen ausbleibenden Informationsaustausch mit den USA hingegen nicht. Er ist für die Ukraine überlebenswichtig. Die Informationen reichen von Geheimdienstinformationen über russische Truppenbewegungen bis hin zu Satellitenaufklärung über strategische Ziele hinter der russischen Front.


Chance auf Wiederaufnahme: CIA-Direktor Ratcliffe begrüßte die jüngsten Aussagen des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij, in der dieser Trump lobte und betonte, dass er den Frieden mit Russland unterstütze. Ratcliffe gehe daher davon aus, dass der Informationsaustausch bald wieder aufgenommen werde.

Unter eins

Es ist richtig, dass die designierte schwarz-rote Koalition massive Investitionen plant - völlig realitätsfremd ist allerdings, dass Klimaschutz in den Finanzplanungen bisher nicht auftaucht.

Klimaaktivistin Luisa Neubauer beklagt, dass das Klima im milliardenschweren Finanzpaket von Union und SPD keine Rolle spielt

Zu guter Letzt

„Achtung an Berlin. Hört genau zu, was heute gesagt wird“, sagte CSU-Chef Markus Söder gleich zu Beginn seines Auftritts beim traditionellen politischen Aschermittwoch in Passau. Was dann folgte, kann im Wesentlichen in drei Söder-Zitaten zusammengefasst werden.


„Liebe Preußen, versteht es, ab jetzt geht nichts mehr ohne Bayern in Deutschland“, sagte Söder. Soll heißen: Die CSU ist wieder da und selbstbewusst wie eh und je. Die Bayern, sollte jemand je daran gezweifelt haben, verstehen sich als eigene Kraft in einer künftigen Regierung. Ihre Kernforderung: „Wir werden eine gute Koalition nur machen können, wenn wir die Migrationsfrage grundlegend angehen und einen knallharten Kurs fahren an der Stelle“, sagte Söder. Das sei eine „rote Linie“.


Meistens mitgemeint waren in Passau die Grünen – und ihr Kanzlerkandidat Robert Habeck. „Ein Minister muss nicht alles wissen, aber ein Minister, der garnix weiß, den kannst du in Deutschland nicht gebrauchen“, sagte Söder über ihn. Sein Generalsekretär Martin Huber bezeichnete die Öko-Partei gar als „Auslaufmodell“ und „Ramsch-Ware“. Durchaus ungünstig ist, dass die CSU-Sondierer Söder und Huber auf die Grünen angewiesen sind, um ihr Deutschlandpaket durchzubringen. Ricarda Lang konterte auf Social Media: „Gebt den Sondierungen noch zwei Wochen und Markus Söder baut uns allen kiffend 'ne Wärmepumpe ein.“

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Florian Eder

Leiter SZ Dossier