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Nutzungsrechte erwerbenGuten Morgen. Am Donnerstag soll es losgehen mit den Koalitionsverhandlungen. 16 Arbeitsgruppen mit je 16 Personen sollen beraten. Das wurde gestern aus Teilnehmerkreisen der Unionsfraktionssitzung bekannt. Demnach sollen in jeder Arbeitsgruppe sieben SPD-Vertreterinnen und Vertreter sitzen, sechs von der CDU und drei von der CSU. Laut Angaben aus der SPD gibt es allerdings noch keine endgültige Einigung auf Anzahl und Besetzung der Arbeitsgruppen, berichtet die dpa.
Die wichtigere Frage ist aber ohnehin, auf welcher Grundlage die potenziell 256 Unterhändlerinnen und Unterhändler verhandeln werden. Sämtliche Fantasien übers Geldverteilen haben gestern schließlich einen Dämpfer erhalten.
Herzlich willkommen am Platz der Republik.
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Was wichtig wird
Kanzler ist Friedrich Merz längst nicht, auch eine Koalition hat er noch keine. Dafür steht er aber schon vor dem ersten schweren Rückschlag. Gestern Mittag entzogen die Grünen Union und SPD weite Teile ihrer Arbeitsgrundlage. Sie wollen den Grundgesetzänderungen nicht zustimmen, mit denen sich die Koalitionäre in spe Milliardensummen beschaffen wollten.
Verzockt? Die Arbeitshypothese, wonach die Grünen aus staatspolitischer Verantwortung mitmachen würden, schon weil sie das Wort selbst dauernd im Mund führen, hat sich als falsch herausgestellt, zumindest für den Moment. Dazu gleich mehr.
Passau! Wahlkampf! Bloß die Mailbox! Die Absage der Grünen hat inhaltliche aber auch stilistische Gründe. Daher rückt das Verhalten von Friedrich Merz und Markus Söder in den Mittelpunkt. Eine öffentliche Charmeoffensive hielten beide nicht für notwendig, im Gegenteil.
Das Problem: Markus Söder wird erst einmal bayerischer Ministerpräsident bleiben, dort weiter mit den Freien Wählern regieren, er braucht die Grünen nicht. Friedrich Merz allerdings will Bundeskanzler werden, er muss den Nachweis seiner Regierungsfähigkeit erst noch erbringen. Sollte es zu keiner Einigung über die angestrebte Grundgesetzänderung kommen, werden daran Zweifel aufkommen.
Ruhe bewahren: CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte, es werde „nicht das letzte Wort der Grünen sein“. Die Sicherheitslage erfordere eine andere Haltung, sagte Dobrindt. „Wir sind bereit weiter zu verhandeln.“
Ganz einfach ist die Sache auch für die Grünen nicht. Kaum hatten die Partei- und Fraktionsvorsitzenden ihr Statement abgegeben, erschien bereits der erste Kommentar, der „das beleidigte Nein“ kritisierte.
Worum es inhaltlich geht: Die Grünen bemängeln, Union und SPD würden Geld aus dem geplanten Sondervermögen nicht in neue Infrastruktur investieren, sondern sich „eine haushaltspolitische Schatzkiste“ schaffen, wie Fraktionschefin Katharina Dröge sagte. Stattdessen plädierte sie für eine generelle Reform der Schuldenbremse. Im neuen Bundestag gebe es Mehrheiten, die dies ermöglichen. Auch die Linke hat an dieser Stelle Zustimmung signalisiert.
Klimafragen: „Wenn Friedrich Merz bei Frau Haßelmann auf dem Anrufbeantworter sagt: Man kann auch irgendwo das Wort Klima vielleicht noch in einer Begründung nennen“, habe er nicht verstanden, dass es ihre Partei mit den Klimaziele in Deutschland ernst meine und es Investitionen brauche, damit diese Ziele auch zu erreichen seien, sagte die Parteivorsitzende Franziska Brantner.
Was Sicherheit bedeutet: Haßelmann monierte, Union und SPD folgten einem aus ihrer Sicht veralteten Verständnis des Sicherheitsbegriffes, der sich nur auf Verteidigung und die Bundeswehr konzentriere. Dabei brauche es eine „umfassende Strategie für Krisenresilienz, Verteidigungs- und Bündnisfähigkeit“, sagte Haßelmann. Den Grünen geht es beim Thema Sicherheit auch um den Cyberbereich, den Bevölkerungsschutz und die Nachrichtendienste.
Der Entwurf der Grünen: Seine Partei habe nun ihre Bedingungen formuliert, sagte Parteichef Felix Banaszak gestern. Ziel sei es, „eine Einigung im Gesamten mit CDU, CSU, SPD und eben Bündnis 90/Die Grünen zu finden“.
Die Grünen legten einen eigenen Gesetzentwurf vor: Er soll Ausnahmen von der Schuldenbremse auch für die Hilfe völkerrechtswidrig angegriffener Staaten, den Ausbau der Nachrichtendienste, den Schutz der Zivilbevölkerung sowie „den Schutz der informationstechnischen Systeme und der Infrastruktur“ möglich machen. Außerdem sollen die Ausnahmen für Ausgaben oberhalb eines Wertes von 1,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) gelten. Union und SPD wollen den Grenzwert bei einem Prozent des BIP festlegen.
Der Plan: Auf diesen Gesetzentwurf könnten SPD und Union „reagieren“, sagte Banaszak gestern Mittag. Eine schnelle Einigung noch mit dem alten Bundestag wäre demnach möglich. „Grundlegende Reformen der Schuldenbremse können dann mit den Mehrheiten des neuen Bundestages verabredet werden“, teilen die Grünen auf ihrer Website mit.
Der Stand: Am Abend kam die Fraktionsspitze der Grünen mit Union und SPD zu Gesprächen zusammen. Katharina Dröge musste daher ihren Auftritt im „Heute-Journal“ des ZDF absagen. Felix Banaszak sprang ein, hielt sich aber bedeckt.
Lars Klingbeil gab sich souverän: Überrascht habe es ihn nicht zu erfahren, dass man „Stand jetzt“ noch nicht beisammen ist, sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende kurz bevor er vor die Fraktion trat. „Die Priorität liegt jetzt darin, gemeinsame Gespräche, vertrauliche Gespräche zu führen“, so Klingbeil. Er glaube, dass sich alle beteiligten Parteien ihrer Verantwortung bewusst seien. „Ich gebe die Zuversicht nicht auf, dass es gelingt.“
Neues Setting, altes Credo: Auch wenn er sich bemühte – den Ärger über die klare Absage der Grünen konnte man bei Klingbeil am Montagmittag durchblitzen sehen. Es blieb dann auch keine Zeit, die Kommunikationslinie anzupassen. Es gelte nun, sagte Klingbeil, eben jene Verantwortung zu übernehmen, mit der die Grünen sich nicht unter Druck setzen lassen wollten: „Ich halte das für einen legitimen Weg, und den wollen wir jetzt gemeinsam in der demokratischen Mitte gehen“, sagte er.
Was danach geschah: Hinter verschlossenen Türen soll dann offenbar recht offen gesprochen worden sein. Und nicht unbedingt gut über die, die nicht dabei waren. „Ich sag's Euch, wie es ist: Diese Gesprächspartner waren die mit Abstand unangenehmsten. Humanität und Verantwortung für andere Menschen? Null komma null“, soll Verteidigungsminister Boris Pistorius laut dem Stern gesagt haben. Und weiter: „Ich sage es Euch: Dobrindt und Frei, sie sind wirklich unangenehm. Sie haben kein Gewissen.“
Links der Mitte: Die Zitate des Verteidigungsministers dürften nicht unbedingt dazu beitragen, das Klima zwischen den Verhandlern zu verbessern. Und womöglich braucht man bald auch noch die Linke. Deren Co-Fraktionsvorsitzende, Heidi Reichinnek nannte die Entscheidung der Grünen ein „starkes Statement“. Um an einer Reform der Schuldenbremse zu arbeiten, sei man bereit, mit allen demokratischen Parteien zu reden. Mit der SPD und den Grünen sei man schon im Gespräch, das würde sie sich auch von anderen demokratischen Parteien wünschen, sagte Reichinnek in Richtung Union.
Linke Stolperfalle: Die Union hat bereits seit 2018 einen Unvereinbarkeitsbeschluss, der eine Zusammenarbeit mit den Linken ausschließt.
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Tiefgang
Der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, hat sich optimistisch zum Ausbau der Stromnetze und zur Flexibilisierung der Strommärkte geäußert. Das von der künftigen Koalition geplante Infrastruktur-Sondervermögen könne dabei helfen, sagte Müller SZ Dossier. „Auf die Frage der Kosten für den Netzausbau könnte das geplante Infrastrukturpaket eine Antwort sein“, sagte Müller.
Nachdem sich Genehmigung und Bau neuer Stromleitungen bereits durch die drei großen Beschleunigungsgesetze der Ampel-Regierung verbessert hätten, lägen die Hemmnisse nun bei Fachkräften und Beschaffung – da könne zusätzliches Geld nützen.
Netzausbau und Flexibilisierung sind wichtig, um Strom komplett klimaneutral zu produzieren und die Klimaneutralität Deutschlands bis 2045 zu erreichen. CDU/CSU und SPD hatten in ihrem am Samstag veröffentlichten Sondierungspapier das Klimaziel und den weiteren Ausbau erneuerbarer Energien bekräftigt. In dem Papier heißt es, neben dem „netzdienlichen Ausbau“ von Sonnen- und Windenergie sollten auch Biomasse, Geothermie, Wasserkraft und Speicherkapazitäten eine Rolle spielen.
Müller sagte, die Ergebnisse der Planungsbeschleunigung könne man beim überregionalen Stromnetz bereits „ernten“. Die Netzagentur hat im vergangenen Jahr 1400 Kilometer genehmigt, mehr als doppelt so viele wie im Jahr davor. „Diese werden gebaut und dann auch freigeschaltet.“ Auch wenn künftig mehr Geld für den Ausbau zur Verfügung stehe, werde seine Behörde auf Effizienz achten. „Jeder Finanz- und Energieminister wird erwarten, dass der Ausbau kosteneffizient passiert, auch wenn Milliarden fließen.“ CDU/CSU und SPD haben angekündigt, die von den Verbrauchern zu zahlenden Entgelte für die Übertragungsnetze zu halbieren, was staatliche Zuschüsse nach sich zieht.
Beim Ausbau der Solarenergie ist Deutschland laut Müller seit 2023 „auf gutem Kurs, sogar über den Zielen.“ Nachdem sich Ende 2024 auch der Ausbau der Windenergie beschleunigt habe, könne das Land den Weg zur Klimaneutralität 2045 fortsetzen. Der Erfolg beim Ausbau insbesondere der Solarenergie könne das Netz allerdings unter „technischen und finanziellen Stress“ setzen. Die Ende Januar vom alten Bundestag verabschiedeten Energiegesetze seien aber ein wichtiger Schritt, um unerwünschte Nebenwirkungen zu vermeiden. Unter anderem wird Solarstrom aus neuen Anlagen nicht mehr vergütet, wenn der Strompreis am Spotmarkt negativ ist.
Im vergangenen Jahr gab es 457 Stunden mit negativen Preisen. Diese auch als „Hellbrise“ bezeichneten Stunden mit viel Sonne und Wind gab es viel häufiger als die im Wahlkampf von Gegnern der Energiewende oft thematisierten „Dunkelflauten“, also Wintertage- und -nächte ohne Wind. „Wir hatten zwölfmal mehr Situationen, wo die Preise dank der Erneuerbaren sehr niedrig waren als solche mit sehr hohen Preisen von 300 Euro“ (pro Megawattstunde), berichtet Müller. Um die Preisschwankungen zu verringern, sei mehr Flexibilität nötig.
Neben dem Netzausbau einschließlich zusätzlicher Verbindungen über die Grenzen hinweg sieht Müller „vier Flexibilitäten“: Erstens könne die Einspeisung aus Biomasse-Kraftwerken stärker an den Strombedarf angepasst werden. Zweitens werden Batterien eine große Rolle spielen. „Bei den Speichern sehen wir eine Kostenentwicklung mit einer tollen Dynamik. Was der Markt hier allein regelt, muss niemand subventionieren.“
Drittens werde das bidirektionale Laden bei Elektroautos wichtig. Die Batterien der E-Autos können so bei Bedarf Strom ins Netz zurückspeisen. Aufgrund einer aktuellen Gesetzesänderung werde es schon ab April möglich sein, „zu attraktiven Bedingungen die Batterie seines E-Autos als Speicher zur Verfügung zu stellen“. Der Autobesitzer muss nur ein Zehntel der Netzentgelte zahlen. „Das wird für viele ein attraktives Angebot werden, sobald die Automobilindustrie die Standards dafür entwickelt hat“, sagte Müller.
Viertens seien viele Industrieunternehmen aus Branchen wie Stahl, Chemie, Glas, Papier oder Keramik bereit, einen kleinen Teil ihres Stromverbrauchs an die Stromproduktion aus Erneuerbaren anzupassen – dies sei aber nach den alten Vorschriften zur sogenannten Bandlast nicht möglich. „Wenn wir alle vier Flexibilitäten an den Start bringen, werden wir sowohl beim Netzausbau, bei den Netzkosten und bei der Stabilität des Stromsystems Gewinner sehen.“
Die Kritik daran, dass Deutschland in den vergangenen zwei Jahren netto Strom importiert hat, wies Müller zurück. Es gebe immer Phasen, in denen Deutschland Importeur und in denen es Exporteur sei. Vom europäischen Binnenmarkt profitierten alle Akteure. Die Netzagentur achte aber darauf, dass sich Deutschland zur Not immer selbst versorgen könne. „Das war auch im Jahr 2024 zu jeder Sekunde gewährleistet, aber es wäre teurer und schmutziger gewesen.“
Hintergrund ist, dass der importierte Strom nur zu einem kleinen Teil aus fossiler Energie stammt, während die Spitzenlast in Deutschland fast ausschließlich aus Gas- und Kohlekraftwerken bedient werden müsste. Peter Ehrlich
Einen weiteren Teil des Interviews – zur Rolle der Netzagentur bei der Kontrolle digitaler Plattformen – können Sie im Dossier Digitalwende lesen.
Fast übersehen
Man sieht sich vor Gericht: Mit ihrer Ankündigung, beim Bundesverfassungsgericht ein Organstreitverfahren gegen die noch amtierende Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) und den Deutschen Bundestag, vertreten durch Bas, eingeleitet zu haben, macht die Linke ein weiteres Fass auf. Die Partei fordert damit die sofortige Einsetzung des 21. Bundestages. Dass die Bundestagspräsidentin den 20. Bundestag für Donnerstag zu einer Sondersitzung zusammengerufen hat, verletzt nach Auffassung der Linken deren Mitwirkungsrecht an der Gesetzgebung.
Brüder und Schwestern nicht im Geiste, aber vor Gericht: Die Linke ist mit dem Gang nach Karlsruhe nicht allein, denn auch die AfD will einen Eilantrag gegen die für Donnerstag angesetzte Sondersitzung einreichen. Das teilte die Fraktion mit. Einzelne Abgeordnete der AfD haben nach eigenen Angaben ebenfalls bereits Karlsruhe angerufen.
Macht des Gesetzes: Bas wiederum hält an den beantragten Sondersitzungen des alten Bundestages fest. Union und SPD verfügten schließlich über mehr als ein Drittel der Abgeordneten. „Insofern bin ich verpflichtet, diese Sitzung einzuberufen“, sagte Bas im ARD-Morgenmagazin.
Mehr Schutz für das Parlament: Seit dem gestrigen Montag gilt im Deutschen Bundestag eine neue Hausordnung. Unter anderem mit veränderten Zugangsbeschränkungen soll das Parlament besser vor Extremismus geschützt werden. Wie es in einer Mitteilung des Bundestages heißt, soll keinen Zugang erhalten, wer „ein Risiko für die Funktions- und Arbeitsfähigkeit oder die Sicherheit der Mitglieder und der Anwesenden im Bundestag“ darstellt.
Änderung durch die Hausherrin: Zudem soll die Zuverlässigkeitsüberprüfung auf Mitarbeitende der Abgeordneten und Fraktionen ohne physischen Zugang zum Bundestag, aber mit Zugriff auf das Informations- und Kommunikationssystem, ausgeweitet werden. Die neue Hausordnung wurde von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) in Abstimmung mit dem Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung geändert.
Unter eins
Franziska Brantner, Parteivorsitzende der Grünen, erinnerte die Union an einen ihrer großen Politiker
Zu guter Letzt
Haben Sie noch alle Tassen im Schrank? Oder haben Sie auch bereits welche ans Konrad-Adenauer-Haus geschickt, wie viele Tausend andere auch (eine Schätzung der taz)? Die Protestaktion #MeineTasseFuerMerz ist eine Reaktion auf Merz' Rede am Vorabend der Bundestagswahl, in der er die Anhängerinnen und Anhänger linker und grüner Politik als „Spinner“ bezeichnet hatte, die alle nicht mehr ihr Porzellan beisammen hätten.
Mehrere Anfragen meiner Kollegen Gabriel Rinaldi und Marcel Laskus danach, wie viele Tassen denn nun mittlerweile die Kaffeeküchen der CDU-Parteizentrale bereichern, blieben unbeantwortet. Ein Foto aus dem Hof der Parteizentrale zeigt allerdings Container mit hunderten Päckchen in Tassengröße. Daraus trinkt sich sicherlich ganz vorzüglich ein Baldrian-Tee, der beruhigt bekanntlich die Nerven.