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Nutzungsrechte erwerbenGuten Morgen. Der Optimismus scheint nicht abzureißen bei Union und SPD, dass das schon noch klappen wird. So trafen sich Spitzenvertreterinnen und Vertreter von CDU, CSU und SPD am Dienstagabend erneut zu Gesprächen. Aus Unionskreisen wurde zudem ein Fahrplan der Verhandlungen bekannt. Demnach soll Friedrich Merz am 23. April zum neuen Kanzler gewählt werden.
Auch wenn das alles noch am grün-seidenen Faden hängt: Entspannt zurücklehnen kann sich die Linke. Die kann ihre Posten getrost verteilen, denn anders als der AfD-Fraktion wird ihr sicher ein Bundestagsvize zugestanden. Machen soll den Job Silberlocke und Ex-Ministerpräsident von Thüringen, Bodo Ramelow.
Willkommen am Platz der Republik.
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Was wichtig wird
Anders als in den Sondierungstagen, in denen striktes Schweigen herrschte, ging es gestern zu: In der Debatte um die Reform der Schuldenbremse und das Infrastruktur-Sondervermögen gingen die Unionsparteien öffentlich auf die Grünen zu, die Grünen auf die Union, alle reden miteinander, manche in der CDU verziehen SPD-Mann Boris Pistorius sogar seine verbalen Tiefschläge. Derweil legte die FDP einen eigenen Gesetzentwurf zur Schuldenbremse auf den Tisch und brachte sich damit plötzlich als Mehrheitsbeschafferin ins Spiel.
Scheitern unerwünscht: Die Junge Union findet die Mütterrente ungut. Die Jusos hassen das ganze Sondierungspapier und die Freien Wähler Markus Söders Zustimmung zum Paket. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) warnte vor einem Scheitern der Gespräche. Und die Grünen? Bis zum späten Abend kamen die mit den Sondierern um Merz, Söder, Lars Klingbeil und Saskia Esken zu keinem Ergebnis.
Wie es weitergeht: Selbst, wenn es bis zur morgigen Sondersitzung des Bundestages keine Einigung zwischen Union, SPD und den Grünen gibt und das Bundesverfassungsgericht nicht gegen die Sitzung votiert, sollen die drei Gesetzentwürfe im Plenum debattiert werden, als wenn nichts wäre. Auf der Tagesordnung des Bundestages stehen jeweils die Vorschläge von CDU/CSU und SPD, den Grünen und der FDP. Nach der ersten Lesung gehen die Entwürfe dann in den Haushaltsausschuss.
Alles wie immer: Dort sollen die Entwürfe noch am selben Tag in einer Anhörung von Sachverständigen bewertet werden und den Ausschuss nach einer Sitzung am Freitag mit einer entsprechenden Beschlussempfehlung an das Plenum verlassen. Die abschließende Beratung dort soll am kommenden Dienstag die Grundgesetzänderung durchs Parlament bringen. Wenn es so kommt, dann geht auch der Plan der Union auf, dass der 21. Bundestag in knackigen sechs Wochen Merz zum Kanzler macht.
Es klang ein bisschen wie beim Spieleabend, als die Grünen sich am Montag im Reichstag vor die Presse stellten. Da war von einer „Schatzkiste“ die Rede, davon, dass „getrickst“ werde und eben von „Spielgeld“. Kernaussage: Wir helfen Schwarz-Rot nicht dabei, Steuergeschenke zu finanzieren. Und in der Tat stellen sich mit Blick auf das Sondierungspapier von Union und SPD Fragen hinsichtlich der Finanzierung.
Der Wunschzettel: Der Ökonom Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat sich angeschaut, was die Sondierungsergebnisse von Union und SPD jeweils kosten würden: die Senkung der Stromsteuer und der Netzentgelte zum Beispiel 11,5 Milliarden Euro pro Jahr, die Senkung der Körperschaftsteuer auf elf Prozent 14,4 Milliarden Euro jährlich. Die Umsatzsteuer auf Speisen in der Gastronomie auf sieben Prozent zu setzen, würde zu einem Minus von 4,3 Milliarden Euro führen. Und die Liste, die Bach auf X veröffentlicht hat, ist noch länger.
Die Lücke: Florian Schuster-Johnson, Senior Economist beim Dezernat Zukunft, rechnet darüber hinaus für 2025 mit einer schon bestehenden Haushaltslücke von ungefähr acht Milliarden Euro. „Die wird aber in den nächsten Jahren massiv steigen“, sagte er. Das habe vor allem damit zu tun, dass die Wirtschaft schlecht läuft, dadurch Steuereinnahmen fehlten und gleichzeitig Posten wie Rentenzuschüsse und Bürgergeld stiegen. Zumindest 2026 müsste also gespart werden, nur um die Haushaltslücke zu schließen, sagte Schuster-Johnson. „Daher sehe ich nicht, wie Union und SPD darüber hinaus noch viel von ihrem Sondierungspapier umsetzen wollen.“
Prinzip Hoffnung: Ein bisschen gespart werde wohl durch die Verschärfungen beim Bürgergeld. „Da reden wir aber vermutlich über ein paar Hundert Millionen Euro“, sagte Schuster-Johnson. Vor allem die Union setzt darauf, dass die Wirtschaft schnell wieder wächst. „Das Problem ist nur“, sagte Schuster-Johnson, „dass viele der Maßnahmen, die die Wirtschaft in Gang bringen sollen, ja erst einmal Geld kosten und die Wachstumseffekte erst später eintreten.“ Das Geld dafür müsse also aus dem Haushalt herausgespart werden.
Oder: Man verlagert Investitionen aus dem Haushalt in ein Sondervermögen und verschafft sich dadurch Spielraum. Interessant sei daher, was nicht im Sondierungspapier stehe, sagte Schuster-Johnson, nämlich, dass es sich um zusätzliche Investitionen handeln müsse. Am Ende sagte er, komme es bei den freiwerdenden Mitteln – egal ob investiv oder konsumtiv – aber darauf an, was damit finanziert werde. Steuern auf Erwerbstätigkeit zu senken, könne sich zum Beispiel positiv auf die Wirtschaft auswirken, die Mütterrente weniger.
Der jährliche Bericht der Wehrbeauftragten Eva Högl ist normalerweise Alltagsgeschäft im politischen Berlin; schließlich ist der Zustand der Truppe seit Jahren gleichbleibend desolat. Doch während die Parteien gerade um zusätzliche Milliarden für die Ausstattung der Bundeswehr ringen, ist der Bericht besonders interessant. Seit Beginn des russischen Angriffskrieges habe sich in der Truppe viel getan, sei es beim Personal, beim Material oder bei der Modernisierung der Infrastruktur, heißt es in dem Report. Die SZ hat Details.
Es fehlt vor allem: Geld. Doch die vielfältigen neuen Ausgaben der Bundeswehr bräuchten eine ausreichende finanzielle Grundlage, berichtet Högl. Zwar habe sich die Ausrüstung inzwischen verbessert. Es fehle aber nach wie vor an funktionsfähigem Großgerät und Ersatzteilen. Seit Februar 2022 wurde aus den Beständen der Bundeswehr laut Bundesregierung Material im Wert von etwa 5,2 Milliarden Euro an die Ukraine gegeben – Material, das nun zügig wiederbeschafft werden muss. Für die Zukunft, so Högl, sei ein ausreichender Verteidigungsetat unerlässlich für die Einsatzbereitschaft und Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr, unabhängig von einem Sondervermögen.
Es gibt zu wenig Nachwuchs. Zudem sei ein Aufwuchsmodell der Bundeswehr zu erarbeiten. Die besten Waffensysteme nützen wenig, wenn es zu wenige Frauen und Männer gibt, die sie bedienen können. Zwar haben 2024 gut acht Prozent mehr neue Soldatinnen und Soldaten ihren Dienst bei der Bundeswehr angetreten als im Vorjahr. Die Personalstärke lag am Jahresende trotzdem knapp unter dem Niveau des Vorjahres. Denn 20 000 Soldatinnen und Soldaten scheiden jedes Jahr aus dem Dienst aus.
Wer kann kämpfen? Während der Bedarf also weiter wächst, stagniert die Zahl der Uniformierten seit Jahren um die 180 000. Zum Wehrpflichtgesetz heißt es deshalb im Bericht: Die darin enthaltene Erfassung müsse unabhängig von außenpolitischen Spannungen oder einem Verteidigungsfall wieder aktiviert werden, um ein Lagebild über die relevanten Jahrgänge und deren Bereitschaft für einen Wehrdienst zu erhalten.
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Tiefgang
152 Abgeordnete wird die AfD im nächsten Bundestag stellen. Das bedeutet: mehr Redezeit, mehr Mitarbeiter, mehr Möglichkeiten, Fragen zu stellen – und dazwischenzurufen. Zwei Drittel aller Ordnungsrufe hat die AfD in dieser Legislaturperiode erhalten, 84 waren es an der Zahl, berichtete der Deutschlandfunk kürzlich. Als größte Oppositionsfraktion antwortet die AfD in Zukunft zuerst auf Regierungserklärungen des Kanzlers und kann die Generaldebatte über den Haushalt eröffnen. All das wird den Bundestag verändern.
Wenn die Parlamentarierinnen und Parlamentarier am 25. März zum ersten Mal zusammenkommen, wird es fortan darum gehen, wie die anderen Parteien mit dem gewachsenen blauen Block umgehen werden. Und wie sich die AfD selbst verhalten wird.
Als Fernziel gilt in der in Teilen rechtsextremen Partei das Jahr 2029. Dann will die AfD Teil einer Bundesregierung werden. Jetzt steht sie aber erst einmal vor einer Legislaturperiode, in der sie zwar so viele Abgeordnete stellt wie nie zuvor, aber niemand mit ihr zusammenarbeiten will.
Entsprechend gebe es für die AfD auch keinen Anlass zur Mäßigung, sagt die Politikwissenschaftlerin Anna-Sophie Heinze von der Universität Trier. „Die AfD muss sich nicht deradikalisieren. Dafür gibt es keine Anreize“, sagt sie. Entsprechend könne die Partei also erst einmal abwarten und auf ihre übergeordnete Strategie zurückgreifen, die Union zu delegitimieren, sie als korrupte Altpartei zu bezeichnen und etwa alte Anträge von CDU und CSU aus den Archiven kramen, um sie vorzuführen.
In der Art und Weise, wie die AfD parlamentarisch arbeitet, erwartet Heinze also kaum Veränderungen. „Sie wird den Bundestag als Bühne nutzen, um zu provozieren, um Schnipsel aus den Debatten in sozialen Medien zu verbreiten. Jetzt eben mit mehr Abgeordneten“, sagt Heinze.
Mit der neuen Größe der Fraktion stellt sich aber auch die Frage neu, wie mit ihr umzugehen ist. Etwa wenn es darum geht, ob ein Politiker der AfD Bundestagsvizepräsident oder Ausschussvorsitzender werden soll. Nach parlamentarischem Brauch könnte die AfD etwa Anspruch auf den Vorsitz im mächtigen Haushaltsausschuss erheben. Den hat traditionell die größte Oppositionsfraktion inne. Allerdings handelt es sich dabei um informelle Regeln. Abgeordnete sind frei, Politikerinnen und Politiker in ein solches Amt zu wählen, oder eben nicht. Die Frage, welche Ämter die AfD besetzen soll und darf, stellt sich also eher vor einem politischen Hintergrund.
Auch die Wissenschaft ist sich an dieser Stelle nicht einig. So spricht sich beispielsweise der Politikwissenschaftler Hendrik Träger von der Universität Leipzig dafür aus, die AfD stärker in die Pflicht zu nehmen, statt sie auszugrenzen. „Es wird schwierig, wenn der zweitstärksten Partei kategorisch etwa der Posten des Vizepräsidenten verweigert wird“, sagte er im Februar Zeit Online. Dies würde der AfD weiter Munition liefern, um ihre Opferrolle zu entwickeln. Außerdem wäre es ungünstig, sagte Träger, wenn sich viele Wähler aus Ostdeutschland im Bundestagspräsidium nicht repräsentiert fühlten.
Heinze tendiert eher zur anderen Seite: „Wenn man die Normalisierung der AfD stoppen will, dann gehört dazu auch, dass sie solche Posten nicht wie jede andere Partei besetzen darf.“ Die AfD spiele eben nicht nach demokratischen Spielregeln. „Deswegen ist es nur korrekt, sie auch formal nicht so zu behandeln wie andere.“
Eine Brandmauer, sagt Heinze, sei aber nur dann sinnvoll, wenn sich die anderen Parteien gleichzeitig die Frage stellten, warum die AfD so stark ist. Da sei es viel zu kurz gedacht, nur auf sie zu reagieren. „Man muss an der Zufriedenheit mit dem Funktionieren der Demokratie arbeiten“. Da hätten alle Parteien gerade ein massives Problem.
Durch Investitionen in Infrastruktur, Bildung oder Gesundheit zum Beispiel könne aber bei vielen und gerade auch jüngeren Menschen wieder der Eindruck entstehen, dass wirklich etwas passiere; dass die etablierten Parteien auch gute Arbeit leisteten, sagt Heinze. AfD-Stammwähler erreiche das zwar nicht, aber den übrigen – wenn auch kleinen – Teil der AfD-Wählerschaft möglicherweise schon. Tim Frehler
Fast übersehen
Länderchefs tagen: Die Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) kommt heute zum ersten Mal seit der Bundestagswahl zusammen. Getagt wird im Berliner Bode-Museum, obwohl der Freistaat Sachsen momentan den Vorsitz hat. Auf der Tagesordnung stehen unter anderem Weiterentwicklung und Umsetzung der Krankenhausreform und die „Stärkung des KI-Standortes Deutschland“.
Bundesrat am Hebel: Interessanter wird jedoch sein, wie sich die MPK-Mitglieder zum aktuellen Schulden-Streit positionieren. Denn selbst wenn sich die Grünen mit Union und SPD einig werden und die Reform der Schuldenbremse noch den alten Bundestag passiert, ist auch im Bundesrat eine Zweidrittelmehrheit nötig. Dass es diese in der momentan angespannten Debatte gibt, ist jedoch bisher nicht ausgemacht.
Das BSW klagt für eine Neuauszählung der Wahl. Die Wagenknecht-Partei will in Karlsruhe durchsetzen, dass Stimmen erneut ausgezählt werden, hat dafür eine Klage beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Das bestätigte eine Parteisprecherin. Die Partei hatte den Einzug in den Bundestag bei der Wahl nur um rund 13 000 Stimmen verpasst. Bei Kontrollen in einzelnen Wahllokalen waren Unregelmäßigkeiten zulasten des BSW festgestellt worden.
In Thüringen fault die Brombeer-Koalition: Steffen Schütz, Landesvorsitzender des BSW in Thüringen, hat vor einem Zerbrechen der Erfurter Landesregierung gewarnt: „Es gibt Bestrebungen in der Bundespartei, aber auch innerhalb des Landesverbandes, die Regierungsbeteiligung in Thüringen zu beenden“, sagte Schütz dem Stern. Er bezieht seine Kritik direkt auf Parteigründerin Sahra Wagenknecht, die die Arbeit der Kolleginnen und Kollegen „unwidersprochen“ angreife.
Unter eins
Magnus Brunner, EU-Kommissar für Inneres und Migration, begrüßt die Pläne der EU für mehr Abschiebungen
Zu guter Letzt
Der Bundestag muss die AfD mitspielen lassen, das hat das Landgericht Berlin gestern entschieden. Zumindest beim Fußball. Also beim weithin nicht sehr bekannten, aber im Parlament durchaus gehypten FC Bundestag. Der wird immerhin zeitweise von Fußballgrößen wie Felix Magath trainiert. Außerdem reist die Mannschaft zu Freundschaftsspielen durch Europa, bei der 51. „Parlamentarier-EM“ im vergangenen Mai war sogar mal kurz die Rede vom „Wunder von Bern 2.0“.
„Zusammenhalt, Fairness und Respekt“ sind nach Aussage des FC Bundestag bei dessen Spielen genauso wichtig wie das Ergebnis. Da die Bundestagsmannschaft den potenziellen AfD-Kickern aber wohl kein Fairplay zugetraut hat, hat man die ganze Fraktion im vergangenen Jahr per Vorstandsbeschluss ausgeschlossen. Dass sie nun mitspielen dürfen, freut die AfD-Abgeordneten nach eigener Aussage. Offen ist, wie sich deren Teilnahme aufs Mannschaftsklima auswirken wird. Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig.